Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei
Presseveröffentlichungen; Abgrenzung von Intim-, Privat- und Sozialsphäre;
Persönlichkeitsrechtsverletzung bei der Verbreitung wahrer Tatsachen
("Pornodarsteller")
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI
ZR 332/09
Fundstelle:
NJW 2012, 767
Amtl. Leitsatz:
Zur Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Berichterstattung über die
Mitwirkung als Darsteller in kommerziell zu verwertenden Pornofilmen.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche
Entscheidung zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Im Zentrum steht die
Abgrenzung zwischen der absolut geschützten Intimsphäre und dem Schutz der
bloßen Privatsphäre, s. dazu auch die in der Entscheidung referierten
Entscheidungen
BGH v.9.2.2010 - VI ZR 243/08
(Sedlmayr-Mörder) sowie
BGH NJW 2009, 3576
(Kannibale von Rothenburg). Der Senat prüft hier in drei
Stufen: Er verneint zunächst einen Eingriff in die Intimsphäre, ebenso einen
solchen in die Privatsphäre, da der Kl. als Darsteller in Pornofilmen diesen
sonst absolut geschützten "Kernbereich der privaten Lebensgestaltung" selbst
nach außen preisgegeben hat (Tz. 10 ff). Er verneint aus denselben Gründen
einen Eingriff in die Privatsphäre (Tz. 16). Schließlich prüft der Senat
noch eine Verletzung des Rechts der Darstellung seiner Person in der
Öffentlichkeit. Danach sind können auch wahre Darstellungen das allgemeine
Persönlichkeitsrecht berühren, wenn sie geeignet sind, das Ansehen einer
Person in der Öffentlichkeit negativ zu beeinflussen. Hier hat aber eine
Abwägung stattzufinden, dh. die Rechtswidrigkeit ist, da es sich um ein
Rahmenrecht ("sonstiges Recht" i.S.v. § 823 I BGB) handelt, gesondert
festzustellen. Auch eine wahre Darstellung kann das Persönlichkeitsrecht des
Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten
droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit
steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet
sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere
Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum
Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden
drohen. Das verneint der Senat hier. Zum Schutz der Intim- und Privatsphäre
s. auch BGH v. 9.11.2011 - XII ZR 136/09 sowie
BGH v. 13.10.2015 - VI ZR 271/14 .
©sl 2011
Tatbestand:
1 Der Kläger, der bei der Verleihung des deutschen
Filmpreises im Mai 2007 von einer bekannten Schauspielerin öffentlich als
deren neuer Lebenspartner vorgestellt wurde, nimmt die Beklagte auf
Unterlassung einer Wortberichterstattung sowie auf Freistellung von der
Verpflichtung zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in
Anspruch.
2 Der Kläger ist Bildhauer und wirkte insgesamt acht Mal als Darsteller in
pornographischen Filmproduktionen mit. Sein Bild ist auf einem Cover für das
entsprechende Filmmaterial abgebildet. Der Kläger ist in allen Filmen
jeweils für kurze Zeit im Bild zu sehen; dabei ist sein Gesicht erkennbar.
Sein bürgerlicher Name wird nicht genannt.
3 Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift "Auf einen Blick". In der
Ausgabe Nr. 26/07 vom 21. Juni 2007 erschien auf S. 14 unter der Überschrift
"Wenn Frauen zu sehr lieben" ein Artikel, in dem es unter voller
Namensnennung u.a. heißt:
4 "Und Fernsehstar Was mag sie gefühlt haben, als sie erfuhr, dass ihr neuer
Freund ... noch vor wenigen Monaten als Pornodarsteller brillierte - ohne
Kondom natürlich. Kann es nach einem solchen Vertrauensbruch eine andere
Lösung als Trennung geben?"
5 Der Kläger sieht sich durch die Berichterstattung in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt
es zu unterlassen, die beanstandete Passage zu veröffentlichen oder zu
verbreiten, und den Kläger von der Inanspruchnahme durch seine
Rechtsanwältin in Höhe von 889,40 € freizustellen. Das Kammergericht hat die
Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag
weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
6 Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte
ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der
angegriffenen Textpassage zu. Die Berichterstattung greife in rechtswidriger
Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Zwar sei seine
Intimsphäre nicht betroffen. Der Kläger habe sich des absoluten Schutzes
seiner Intimsphäre dadurch begeben, dass er aus freien Stücken an
Pornofilmaufnahmen teilgenommen und diesen sexuellen Bereich selbst und
bewusst der Öffentlichkeit preisgegeben habe. Die beanstandete
Berichterstattung verletze aber seine Privatsphäre. Der Zuordnung der
Berichterstattung zur Privatsphäre stehe nicht entgegen, dass der Kläger als
Darsteller an pornographischen Filmen mitgewirkt habe. Denn die Mitwirkung
in derartigen Filmen sei nicht mit sonstigen Auftritten in Filmen zu
vergleichen, mit denen sich Darsteller bewusst an die Öffentlichkeit
wendeten und im Vor- bzw. Abspann mit ihren Namen vorgestellt würden. Die
Mitwirkenden an den von der Beklagten beispielhaft eingereichten Pornofilmen
blieben anonym, auch wenn in einigen Szenen Gesichter zu erkennen seien.
Darsteller in pornographischen Filmen seien der Öffentlichkeit abgesehen von
einer kleinen Gruppe zumeist weiblicher Darsteller regelmäßig nicht
namentlich bekannt. Nach dem Inhalt der eingereichten Filme trete der Kläger
nicht als Person, sondern lediglich als anonymer austauschbarer Körper auf.
Ein pornographischer Film sei ein personell anonymes Geschehen. Dies gelte
auch in Anbetracht des Umstands, dass der Kläger nicht lediglich in
Massenszenen gleich einem Statisten aufgetreten sei, sondern auch Szenen mit
ihm und einer oder bis zu drei weiteren Personen zu sehen seien. Die
Mitwirkung in den Pornofilmen könne auch nicht unter dem Aspekt der
Berufstätigkeit der Öffentlichkeitssphäre zugeordnet werden. Denn es handle
sich lediglich um eine Nebentätigkeit des Klägers, der hauptberuflich als
Bildhauer tätig sei. Auch wenn die Berichterstattung wahre Tatsachen
betreffe, überwiege das Recht des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre
dasjenige der Beklagten auf Meinungsfreiheit. Im Schutzbereich der
Privatsphäre sei die Verbreitung wahrer Tatsachen nämlich nur zulässig, wenn
ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Information bestehe.
Ein berechtigtes Informationsinteresse an der Nebentätigkeit des Klägers als
Pornodarsteller sei aber nicht ersichtlich.
II.
7 Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
8 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger
gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB
analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der
Behauptung zu, der Kläger habe in pornographischen Filmen mitgewirkt und
hierbei kein Kondom verwendet.
9 a) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis allerdings zu Recht angenommen,
dass die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassage in dem Artikel der
Beklagten vom 21. Juni 2007 das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Klägers beeinträchtigt.
10 aa) Wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die entsprechenden
Ausführungen des Landgerichts zutreffend ausgeführt hat, scheidet eine
Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers unter dem
Gesichtspunkt eines Eingriffs in seine absolut geschützte Intimsphäre
aus.
11 (1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts gewährt das Grundgesetz dem Einzelnen im
Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung einen
unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit, der wegen seiner
besonderen Nähe zur Menschenwürde absolut geschützt und einer Einschränkung
durch Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht
zugänglich ist (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 80, 367, 373; 109, 279,
313 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25). Diesem Kernbereich gehören
grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. BVerfGE 119,
1, 29 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Im Übrigen hängt die
Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab,
ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt
höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus
sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt
(vgl. BVerfGE 80, 367, 374; 109, 279, 314; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.).
12 Indes gehört der Bereich der Sexualität nicht zwangsläufig und in
jedem Fall zu diesem Kernbereich (vgl. Senatsurteile vom 24.
November 1987 - VI ZR 42/87, VersR 1988, 497; vom 26. Mai 2009 - VI ZR
191/08, VersR 2009, 1085 Rn. 25; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25).
Absolut geschützt ist die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der
Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer
entzogenen Freiraum zu erleben (BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26).
Der Schutz entfällt aber, wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem
unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit
zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der
Gemeinschaft berührt (vgl. BVerfGE 80, 367, 374; 101, 361, 385;
BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25; vgl. auch Erman/Klass, BGB, 13. Auflage,
Anhang § 12, Rn. 121). Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den
öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre berufen
(vgl. Senatsurteile vom 24. November 1987 - VI ZR 42/87, aaO;
vom
26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, aaO Rn. 26 mwN; BVerfGE 101, 361, 385).
13 (2) Wie das Berufungsgericht - unter Bezugnahme auf die entsprechenden
Ausführungen des Landgerichts - zutreffend angenommen hat, hat der
Kläger sich des absoluten Schutzes seiner Intimsphäre dadurch begeben, dass
er freiwillig an der Produktion professionell hergestellter und kommerziell
zu verwertender Pornofilme in für den Zuschauer erkennbarer Weise mitgewirkt
und diesen Bereich seiner Sexualität damit bewusst der interessierten
Öffentlichkeit preisgegeben hat. Dies gilt umso mehr, als sich der
Kläger in diesem Zusammenhang werblich hat vereinnahmen lassen, indem er
sich auf dem Cover eines der Filme erkennbar hat abbilden lassen (vgl.
Anlage B 3). Wer sich als Darsteller in kommerziell zu verwertenden
Pornofilmen dem Publikum präsentiert, kann sich gegenüber einer
Berichterstattung über diesen Teil seines Wirkens nicht auf den Schutz
seiner Intimsphäre berufen (vgl. KG, Urteil vom 18. Juli 2008 - 9 U
131/07, Beck RS 2010, 21531 unter II. 3. a) aa) (3); Soehring, Presserecht,
4. Aufl., § 19 Rn. 8; vgl. auch LG Hamburg, AfP 2008, 532, 533). Derartige
Filme sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit
wahrgenommen zu werden, so dass die Mitwirkung an ihrer Produktion nicht als
Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der
Persönlichkeit des Täters im Kernbereich höchstpersönlicher, privater
Lebensgestaltung angesehen werden kann.
14 bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber angenommen, die
angegriffene Textpassage beeinträchtige den Kläger in seiner Privatsphäre.
15 (1) Nach der gefestigten Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine
Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das
jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in
dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und
wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu
sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen
(vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 35, 202, 220; BVerfG, AfP 2010, 562;
Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; vom
9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522; vom 26. Oktober 2010 - VI
ZR 230/08, BGHZ 187, 200
Rn. 10, 13, jeweils mwN). Der Schutz der Privatsphäre ist thematisch
und räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen
ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden,
weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich
gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige
Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich
selbst in Tagebüchern (BVerfGE 80, 367), bei vertraulicher
Kommunikation unter Eheleuten (BVerfGE 27, 344), im Bereich
der Sexualität (BVerfGE 47, 46; 49, 286), bei sozial abweichendem
Verhalten (BVerfGE 44, 353) oder bei Krankheiten (BVerfGE 32, 373) der Fall
ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären
die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter
Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher
Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich
geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. BVerfGE 101, 361, 382).
16 Auch hier entfällt der Schutz aber, wenn der Grundrechtsträger seine
Privatsphäre nach außen öffnet und bestimmte, gewöhnlich als privat geltende
Angelegenheiten der Öffentlichkeit preisgibt (vgl. BVerfGE 80, 367, 374;
101, 361, 385; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25; vgl. auch Erman/Klass, aaO). Er
kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz
seiner Privatsphäre berufen (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1987 - VI
ZR 42/87,
VersR 1988, 497, 498; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, aaO, Rn. 26 mwN;
BVerfGE 101, 361, 385).
17 (2) Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigt die angegriffene Textpassage
die Privatsphäre des Klägers nicht. Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts trägt die angegriffene Textpassage nicht eine private
Nebenbeschäftigung des Klägers in die Öffentlichkeit. Die in dem Artikel
beschriebene Mitwirkung des Klägers an der Produktion professionell
hergestellter und kommerziell zu verwertender Pornofilme ist nicht der
privaten Lebensgestaltung, also dem der Öffentlichkeit abgewandten Bereich,
sondern der Sozialsphäre zuzurechnen. Die beanstandeten Äußerungen befassen
sich zwar mit der Lebensführung des Klägers, allerdings nur im Hinblick auf
Verhaltensweisen, die erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in
diese ausstrahlten und nur insoweit, als er sie durch sein eigenes Verhalten
zurechenbar in einen die Privatsphäre überschreitenden Rahmen gerückt hat.
18 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Kläger in allen
Pornofilmen, in denen er mitgewirkt hat, jeweils für kurze Zeit im Bild zu
sehen und mit dem Gesicht erkennbar. Er hat nicht nur an Massenszenen gleich
einem Statisten mitgewirkt, sondern ist auch in Szenen mit nur einer oder
bis zu drei weiteren Personen zu sehen. Dies wird anschaulich durch den vom
Berufungsgericht in Bezug genommenen Screenshot dokumentiert, der den Kläger
- gut erkennbar, ohne Gesichtsmaske oder in sonstiger Weise anonymisiert
-aktiv im Zentrum des Geschehens und im Mittelpunkt des Bildes zeigt (so
bereits KG, Urteil vom 18. Juli 2008 - 9 U 131/07, aaO). Darüber hinaus ist
der Kläger auf dem Cover eines der Filme abgebildet. Bei dieser Sachlage ist
der Wertung des Berufungsgerichts, der Kläger sei in den Filmen nicht als
Person, sondern lediglich als anonymer austauschbarer Körper aufgetreten,
nicht zu folgen. Hiervon könnte man allenfalls dann ausgehen, wenn der
Kläger Maßnahmen zum Schutz vor seiner Identifizierung getroffen, d.h.
beispielsweise eine Gesichtsmaske getragen hätte. Dies ist vorliegend aber
gerade nicht der Fall. Ein Darsteller in einem Pornofilm, der sich dem
Publikum ohne jede Einschränkung präsentiert und sein Gesicht erkennen lässt, kann aber nicht auf
einen namen- und identitätslosen Körper reduziert werden. Dem steht nicht
entgegen, dass der Kläger in den Filmen namentlich nicht benannt wird. Denn
durch die Abbildung seiner Person, vor allem seines Gesichts ist er
identifizierbar (vgl. KG, Urteil vom 18. Juli 2008 - 9 U 131/07, aaO unter
II. 3. a) aa) (4)).
19 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Mitwirkung des
Klägers in den Pornofilmen auch nicht deshalb der Privatsphäre zuzuordnen,
weil es sich hierbei um eine bloße Nebentätigkeit des hauptberuflich als
Bildhauer tätigen Klägers handle. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die
Tätigkeit des Klägers nicht in dem öffentlichkeitsabgewandten Bereich
privater Lebensgestaltung vollzog, sondern erkennbar an die Öffentlichkeit
gerichtet war. Der Kläger hat sich bewusst und gewollt der Öffentlichkeit
als Pornodarsteller präsentiert. Professionell hergestellte und kommerziell
zu verwertende Pornofilme wie diejenigen, an denen der Kläger mitgewirkt
hat, sind gerade dazu bestimmt, von der interessierten Öffentlichkeit zur
Kenntnis genommen zu werden. Darüber hinaus hat sich der Kläger in diesem
Zusammenhang werblich vereinnahmen lassen, indem er sich auf dem Cover eines
der Filme hat abbilden lassen.
20 cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beeinträchtigt die
angegriffene Berichterstattung den Kläger auch nicht in seinem
Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person. Zwar gehört zum
allgemeinen Persönlichkeitsrecht die Befugnis des Einzelnen, selbst zu
entscheiden, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber
darstellen will und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt
werden kann (vgl. BVerfGE 54, 148, 155; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 56). Das
Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vermittelt
seinem Träger aber keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu
werden, wie es seinem Selbstbild entspricht oder ihm selbst genehm ist (vgl.
Senatsurteil vom 26. Oktober 2010
- VI ZR 230/08, aaO, Rn. 14; BVerfGE 82, 236, 269; 97, 125, 149; 97, 391,
403; 99, 185; BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 24; AfP 2010, 365 Rn. 33; vgl.
ferner etwa BVerfGE 101, 361, 380; 120, 180, 198, Rn. 46; BVerfG, NJW 2000,
2191, 2192; NJW 2000, 2193). Es gewährleistet insbesondere keine umfassende
Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne einer
ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers über den Umgang der
Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhaltensweisen, deren er sich
- wie im Streitfall - öffentlich entäußert hat (BVerfG, AfP 2010, 562 Rn.
56).
21 dd) Die öffentliche Bekanntgabe des Umstands, dass der Kläger in pornographischen Filmen mitgewirkt und hierbei kein Kondom verwendet hat,
beeinträchtigt den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aber
deshalb, weil sie geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit negativ
zu beeinflussen. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 GG schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand
besonderer Freiheitsgarantien sind, aber diesen in ihrer konstituierenden
Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. Dazu gehört auch die
soziale Anerkennung des Einzelnen. Aus diesem Grund umfasst das allgemeine
Persönlichkeitsrecht den Schutz vor Äußerungen, die - wie die angegriffene
Berichterstattung - geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der
Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. Senatsurteile vom 26. Mai 2009 - VI ZR
191/08, VersR 2009, 1085 Rn. 11; vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ
187, 200; vom 22. Februar 2011
- VI ZR 114/09, AfP 2011, 586 Rn. 11, 14, - VI ZR 115/09, juris Rn. 11, 14
und
- VI ZR 346/09 - AfP 2011, 180 Rn. 10, 13, jeweils mwN; BVerfGE 54, 148,
153;
99, 185, 193).
22
b) Diese Beeinträchtigung hat der Kläger aber hinzunehmen.
23 aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts
liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine
Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt
werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die
betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind
(vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522,
523; vom 11. März
2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und - VI ZR 7/07, VersR 2008,
793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 17; vom
22. September 2009 - VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom 20. April
2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; BVerfGE 114, 339, 348 mwN; 120,
180, 200 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Der
Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das
Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite
überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005,
1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 21 f.
mwN; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11
- Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14
- Onlinearchiv II; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO).
24 bb) Im Streitfall sind das Interesse des Klägers am Schutz seiner
Persönlichkeit einerseits und die durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK
geschützten Äußerungsinteressen der Beklagten andererseits abzuwägen. Denn
der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung
von Tatsachen, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können (vgl.
Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, VersR 2007, 249 Rn. 15;
vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 12; vom 22. April 2008
- VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 16; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06,
VersR 2009, 365 Rn. 14; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555
Rn. 11 jeweils mwN; BVerfGE 61, 1, 8; 71, 162, 179; 99, 185, 197). Dies ist
bei der streitgegenständlichen Äußerung ersichtlich der Fall.
25 cc) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene
Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten
Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480
Rn. 61 f., jeweils mwN). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen,
insbesondere solche aus dem Bereich der Sozialsphäre, in der Regel
hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind,
unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das
Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen
Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem
Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann
der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche
Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des
Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine
soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391,
404 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2010, 145 Rn. 25).
26 dd) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz
seiner Persönlichkeit hinter dem von der Beklagten verfolgten
Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie
Meinungsäußerung jedenfalls insoweit zurückzutreten, als die Mitteilung der
Tatsache betroffen ist, der Kläger habe in pornographischen Filmen
mitgewirkt und hierbei kein Kondom verwendet. Diese die Sozialsphäre des
Klägers betreffenden Tatsachen sind nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts wahr. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass ihre
Bekanntgabe ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder
eine besondere Stigmatisierung des Klägers nach sich ziehen könnte. Der
Kläger wird durch die öffentliche Erwähnung seiner Tätigkeit
nicht stärker diskreditiert als er dies durch die Mitwirkung an den
kommerziell zu vertreibenden Pornofilmen in Kauf genommen hat.
27 Auf das Gewicht des öffentlichen Informationsinteresses kommt es bei
dieser Sachlage nicht mehr entscheidend an. Denn die Meinungsfreiheit ist
nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt, sondern
sie garantiert primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers
über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen.
Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein
mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden
kann (vgl. BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 28; AfP 2010, 365 Rn. 29).
Unabhängig davon bestand vorliegend aber auch ein nicht unerhebliches
Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung über den
Kläger als neuen Lebenspartner einer in Deutschland sehr bekannten und im
Licht der Öffentlichkeit stehenden Schauspielerin, nachdem diese ihn mit
seinem Einverständnis anlässlich der Verleihung des deutschen Filmpreises
öffentlich als ihren neuen Lebenspartner vorgestellt hatte. Dies gilt umso
mehr, als der Umgang mit Pornografie und "safer sex" in der Gesellschaft
kontrovers diskutiert und eine Berichterstattung hierüber durchaus zur
öffentlichen Meinungsbildung beizutragen geeignet ist (vgl. KG, Urteil vom
18. Juli 2008 - 9 U 131/07, aaO; LG Hamburg, AfP 2008, 532, 533).
28 2. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann mangels der
erforderlichen Feststellungen nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache
selbst entscheiden. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, dass
der Kläger die angegriffene Textpassage auch unter einem weiteren
Gesichtspunkt angegriffen hat. Er hat auch geltend gemacht, dass die
Textpassage die unwahren Tatsachenbehauptungen enthalte, der Kläger habe seiner Partnerin bei Eingehen der
Beziehung verschwiegen, dass er als Pornodarsteller tätig gewesen sei, und
sie habe von diesem Umstand erst später Kenntnis erlangt. Dieser
Aussagegehalt ist der angegriffenen Berichterstattung in der Tat,
insbesondere aufgrund der Verwendung der Worte " als sie erfuhr, dass ihr
neuer Freund ..." und des Begriffs "Vertrauensbruch" beizumessen. Das
Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - zur Wahrheit dieser
das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigenden
Behauptung keine Feststellungen getroffen.
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