Nachweis der Pflichtverletzung (§ 280 I 1 BGB):
Voraussetzungen des Anscheinsbeweises; Vermutung des Vertretenmüssens (§ 280
I 2 BGB): Anforderungen an den Entlastungsbeweis; Mitverschulden (§ 254 I
BGB)
BGH, Urteil vom 1. Oktober 2013 - VI
ZR 409/12 - OLG Düsseldorf
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Zum Anscheinsbeweis, wenn es bei
Heißklebearbeiten zur Verlegung von Bitumenbahnen in feuergefährdeter
Umgebung zu einem Brand kommt.
b) Zur Frage des Mitverschuldens wegen unterlassenen Hinweises des
Geschädigten auf eine besondere Brandgefahr.
Zentrale Probleme:
Zu den Voraussetzungen des Anscheinsbeweises s. auch
BGH
NJW 2005, 2614 sowie
BGH v. 5.4.2006 - VIII ZR 283/05.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Klägerinnen zu 1 und 2 nehmen
die Beklagten auf Schadensersatz wegen eines Brandschadens in Anspruch.
2 Die Klägerin zu 1 ist der Feuerversicherer der Klägerin zu 2, deren Fabrik
bei einem Brandschaden erheblich beschädigt wurde.
3 Im Sommer 2002 sollte das Holzständerwerk des von der Klägerin zu 2 als
Lagerhalle benutzten Flachdachgebäudes, welches teilweise schadhaft war,
saniert werden. Hierzu beauftragte die Klägerin zu 2 die ehemalige Beklagte
zu 4, deren Zimmerleute die Holzkonstruktion teilweise erneuern sollten.
Anschließend sollten die Dachdecker der Beklagten zu 1 im Auftrag der
Klägerin zu 2 neue Bitumenbahnen verlegen. Diese wurden nach Vernagelung und
Fixierung mit einem Kaltklebestreifen an der Anstoßstelle mittels eines
Brenners bis zum Schmelzen des Bitumens erhitzt und durch Andrücken
verbunden. Diese Tätigkeiten verrichteten die Beklagten zu 2 und 3, wobei
der Beklagte zu 3, ein Mitarbeiter einer von der Beklagten zu 1 beauftragten
Subunternehmerin, den Nahtbrenner führte und der Beklagte zu 2, ein
Mitarbeiter der Beklagten zu 1, das erhitzte Bitumen mit dem Fuß festtrat.
Die Arbeiten erfolgten abschnittsweise, nachdem die Zimmerleute dort, wo es
notwendig war, die Holzkonstruktion ausgebessert hatten. Am 30. August 2002
kam es während der Dacharbeiten zu einem Brand, der auf das Nachbargebäude
übergriff und dieses mit den darin befindlichen Einrichtungen und Vorräten
stark beschädigte. Die Klägerin zu 1, die der Klägerin zu 2 im Rahmen des
bestehenden Versicherungsverhältnisses den entstandenen Schaden ersetzt hat,
hat aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht von den Beklagten zu 1 bis 4
Schadensersatz verlangt, die Klägerin zu 2 in Höhe des von ihr zu tragenden
Selbstbehalts.
4 Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 4 durch
Teilurteil abgewiesen und im Übrigen die Klage dem Grunde nach für
gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten zu 1 bis 3 hat das
Berufungsgericht unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das
Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Klage dem Grunde nach
hinsichtlich der Beklagten zu 1 bis 3 zu einem Anteil von 50 % für
gerechtfertigt erklärt. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen
verfolgen die Beklagten zu 1 bis 3 ihre Anträge auf vollständige
Klageabweisung weiter. Mit ihren Anschlussrevisionen erstreben die
Klägerinnen eine Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit das
Berufungsgericht zu ihrem Nachteil erkannt hat.
Aus den Gründen:
I.
5 Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das klageabweisende Teilurteil
des Landgerichts hinsichtlich der Beklagten zu 4 habe zwar wegen der Gefahr
widersprechender Entscheidungen nach § 301 Abs. 1 ZPO nicht ergehen dürfen.
Gleichwohl sieht es sich jedoch nicht veranlasst, das landgerichtliche
Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO aus diesem Grunde aufzuheben,
weil das inzwischen rechtskräftige Teilurteil gegenüber der Beklagten zu 4
die Beklagten zu 1 bis 3 nicht beschwere. In der Sache hält das
Berufungsgericht die Klageanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt, wobei
nach seiner Auffassung allerdings - im Gegensatz zum Landgericht - ein
Mitverschulden auf Klägerseite zu einem Anteil von 50 % gegeben sei. Die
Klägerin zu 2 habe gegen die Beklagte zu 1 dem Grunde nach einen
Schadensersatzanspruch gemäß §§ 631, 280 Abs. 1, § 249 BGB, der - soweit die
Klägerin zu 1 den Schaden reguliert habe - gemäß § 67 Abs. 1 VVG a.F. bzw.
aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Abtretung gemäß § 398 BGB auf diese
übergegangen sei. Gegen die Beklagten zu 2 und 3 hätten die Klägerinnen
einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, die Klägerin zu 1 i.V.m.
§ 67 Abs. 1 VVG a.F. Im vorliegenden Fall stehe nach den Grundsätzen des
Anscheinsbeweises fest, dass die Ursache des Schadens allein aus dem
Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1 bis 3 stamme, so dass aufgrund der
vorhandenen Schädigungen des Eigentums der Klägerin zu 2 auf eine kausale
Pflichtverletzung durch die Beklagten geschlossen werden könne. Der Brand
sei in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit den feuergefährlichen
Arbeiten der Beklagten zu 2 und 3 als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1
entstanden. Konkrete Anhaltspunkte für einen elektrotechnischen Defekt als
Brandursache seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Entsprechendes gelte
auch für eine Brandursache aus dem Verantwortungsbereich der ehemaligen
Beklagten zu 4 durch Funkenflug beim Durchsägen eines Nagels mittels einer
Kreissäge, was der gerichtliche Sachverständige für absolut unwahrscheinlich
gehalten habe. Aufgrund dieser Umstände könne im Ergebnis davon ausgegangen
werden, dass eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 bis 3 für
den Brandschaden am Eigentum der Klägerin zu 2 ursächlich geworden sei. Der
Beklagten zu 1 sei es nicht gelungen, die daraus nach § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB folgende Verschuldensvermutung zu entkräften, wobei sie sich auch für
das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen, der Beklagten zu 2 und 3,
entlasten müsse. Vielmehr wäre die Beklagte zu 1 verpflichtet gewesen, das
Dach und seine Umgebung vor Beginn der feuergefährlichen Arbeiten auf
risikoerhöhende Gegebenheiten zu untersuchen und gegebenenfalls geeignete
Maßnahmen zur Verhinderung einer Brandgefahr zu ergreifen. Hätte die
Beklagte zu 1 die ihr solchermaßen obliegende Sorgfalt eingehalten, hätte
sie den eingetretenen Erfolg vorhersehen und verhindern können. Auch die
Beklagten zu 2 und 3, welche die feuergefährlichen Arbeiten durchgeführt
hätten, hätten erkennen können und müssen, dass das unter der
Holzverschalung liegende papierkaschierte Dämmmaterial leicht entzündbar
gewesen sei, und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen. Hätten die
Beklagten zu 2 und 3 die ihnen obliegende Sorgfalt eingehalten, hätten auch
sie den eingetretenen Erfolg vorhersehen und verhindern können. Entgegen der
Auffassung des Landgerichts sei auf Seiten der Klägerinnen allerdings ein
Mitverschulden von 50 % zu berücksichtigen. Die Klägerin zu 2 habe ihre
Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil sie die Beklagten nicht über die
ihr bekannte Dämmung des Flachdachs mit Material einer leicht entflammbaren
Papierkaschierung und der damit einhergehenden besonderen Brandgefahr in
Kenntnis gesetzt habe. Selbst wenn die Klägerin zu 2 keinerlei Kenntnis von
der konkret vorhandenen Dämmung gehabt habe, könne sie dies nicht entlasten,
weil sie sich umfassende Kenntnis vom Untergrund der Dachkonstruktion hätte
verschaffen müssen, bevor sie erheblich gefahrenträchtige Arbeiten in
Auftrag gegeben habe. Dass die vorgenommenen Dachausbesserungsarbeiten
gefahrenträchtig gewesen seien, ergebe sich bereits aus der beauftragten
Ausbesserung eines über 30 Jahre alten Holzständerwerks, auf das mit Hilfe
von Flämmarbeiten unmittelbar Bitumenbahnen aufgebracht werden sollten.
Dabei komme es nicht darauf an, ob das Gebäude bauordnungsrechtlich
genehmigt gewesen sei. Entsprechendes gelte auch hinsichtlich der fehlenden
Brandmauer zum angrenzenden Gebäude. Gerade weil die Klägerin zu 2 das
Grundstück im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworben habe, habe sie sich
nicht einfach auf die ursprünglich im Jahre 1969 erteilte Genehmigung
zurückziehen dürfen, sondern hätte sich vor Beauftragung der
feuergefährlichen Arbeiten zur aktiven Überprüfung des tatsächlich
vorhandenen Brandschutzes veranlasst sehen müssen. Die Versäumnisse beider
Parteien einerseits im Vorfeld der gefahrenträchtigen Arbeiten bzw.
andererseits bei Durchführung derselben, rechtfertigten die Annahme eines
jeweils hälftigen Verschuldensanteils.
II.
6 Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revisionen stand. Die
Anschlussrevisionen der Klägerinnen haben Erfolg.
7 A) Zu den Revisionen der Beklagten:
8 1. Entgegen der Auffassung der Revisionen unterliegt das Berufungsurteil
nicht bereits deshalb der Aufhebung, weil das erstinstanzliche Teilurteil,
mit dem das Landgericht die Klage gegen die Beklagte zu 4 abgewiesen hat,
unzulässig gewesen wäre
... (wird ausgeführt).
12 2. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die
Klägerin zu 2 aus eigenem Recht und die Klägerin zu 1 aus abgetretenem bzw.
übergegangenem Recht der Klägerin zu 2 gemäß § 823 Abs. 1, §§ 631,
280 Abs. 1, § 249 BGB, die Klägerin zu 1 jeweils i.V.m. § 67 Abs. 1 VVG a.F.
bzw. § 398 BGB, gegen die Beklagten zu 1 bis 3 dem Grunde nach einen
Schadensersatzanspruch wegen des Brandschadens vom 30. August 2002 haben.
13 a) Entgegen der Ansicht der Revisionen ist das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerinnen im
Wege des Anscheinsbeweises bewiesen haben, dass die Beklagten zu 2 und 3,
deren Verhalten sich die Beklagte zu 1 zurechnen lassen muss, den Brand
verursacht haben.
14 aa) Nach ständiger Rechtsprechung greift der Beweis des ersten
Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein
bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache
für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist, was grundsätzlich auch
bei der Feststellung von Brandursachen in Betracht kommen kann
(vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 1974 - VI ZR 53/71, VersR 1974, 750; vom
18. Oktober 1983
- VI ZR 55/82, VersR 1984, 63, 64; vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, VersR
2010, 392 Rn. 8; BGH, Urteile vom 9. November 1977 - IV ZR 160/76, VersR
1978, 74, 75; vom 28. Februar 1980 - VII ZR 104/79, VersR 1980, 532; vom 12.
Mai 1993 - IV ZR 120/92, VersR 1993, 1351, vom 6. März 1991 - IV ZR 82/90,
VersR 1991, 460, 461; OLG Düsseldorf, r+s 1993, 138 f.; OLG Hamm, VersR
2000, 55, 56 f.; OLG Köln, VersR 1994, 1420, 1421; OLG Rostock, OLGR Rostock
2008, 736 f. und OLG Celle, VersR 2009, 254, 255). Dieser Schluss
setzt eine Typizität des Geschehensablaufs voraus, was in diesem
Zusammenhang allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig
vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles sehr groß
ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, aaO mwN).
15 bb) Der vom Anspruchsteller vorzutragende typische
Lebenssachverhalt beschränkt sich danach in den Fällen der vorliegenden Art
darauf, dass es nach dem Hantieren mit einem feuergefährdeten Gegenstand in
einer extrem brandgefährdeten Umgebung zur Entwicklung offenen Feuers
gekommen ist, in dessen unmittelbarer zeitlicher Folge ein Brand
ausgebrochen ist, und dass konkrete Anhaltspunkte für eine andere
Brandursache fehlen. Es obliegt dann dem in Anspruch Genommenen, Umstände
vorzutragen und zu beweisen, die den Anschein entkräften
(Senatsurteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, aaO Rn. 14). Werden
feuergefährliche Arbeiten vorgenommen und besteht ein räumlicher und
zeitlicher Zusammenhang, so ist ein weiterer Vortrag des Geschädigten für
das Eingreifen der Grundsätze über den Anscheinsbeweis nicht erforderlich.
Insbesondere muss nicht der konkrete Kausalverlauf geklärt werden (vgl.
Senatsurteil vom 29. Januar 1974 - VI ZR 53/71, VersR 1974, 750, 751). Der
Anscheinsbeweis unterscheidet sich von den Feststellungen nach allgemeinen
Beweisregeln gerade dadurch, dass der konkrete Geschehensablauf nicht
geklärt werden muss, weil von einem typischen Hergang auszugehen ist,
solange nicht vom Gegner Tatsachen bewiesen werden, welche die ernsthafte
Möglichkeit einer anderen Verursachung begründen (vgl. Senatsurteile vom 29.
Januar 1974 - VI ZR 53/71, aaO; vom 18. Oktober 1983 - VI ZR 55/82, aaO; OLG
Celle, aaO).
16 cc) Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts haben die für die Beklagte zu 1 tätigen Beklagten zu 2 und
3 am Brandtag auf dem Dach des Lagergebäudes der Klägerin zu 2 auf einer
Holzkonstruktion liegende Bitumenbahnen mittels eines Brenners mit offener
Flamme verschweißt. Solche Heißklebearbeiten bei der Verlegung von
Bitumen-Schweißbahnen sind nach der Lebenserfahrung typischerweise geeignet,
in der Nähe befindliches brennbares Material zu entflammen (BGH, Urteil vom
28. Februar 1980 - VII ZR 104/79, aaO; OLG Celle, aaO; LG Leipzig, r+s 2000,
164, 165). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich unter
der Holzkonstruktion eine papierkaschierte Dämmung, die leicht entflammbar
war, wodurch sich ein Brand rasend schnell ausbreiten konnte, wozu auch die
gute Belüftung des Dachhohlraums beitrug. Das Berufungsgericht hat weiter
festgestellt, dass der Brand nur fünf Minuten nach Wiederaufnahme der
Flämmarbeiten durch die Beklagten zu 2 und 3 bemerkt wurde. Schließlich hat
das Berufungsgericht auch rechtsfehlerfrei den räumlichen Zusammenhang
zwischen den Arbeiten der Beklagten zu 2 und 3 und der Entstehung des
Brandes bejaht. Das Berufungsgericht hat sich diesbezüglich in
tatrichterlicher Würdigung seine Überzeugung auf der Grundlage der
Feststellungen des Sachverständigen W. im staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsverfahren gebildet, dessen Gutachten es nach § 411a ZPO verwerten
durfte. Danach lag die Brandausbruchstelle entsprechend den im Gutachten
enthaltenen Lichtbildern im Stoßbereich der vierten und fünften Bahn, wo
sich eine größere Zerstörungsrate gezeigt habe. Die Holzverschalung sei
oberseitig erkennbar mit angeschmolzenem Bitumen beschmiert gewesen, was auf
eine erhöhte Wärmewirkung zurückzuführen sei. Der Lokalisierung dieser
Brandausgangsstelle habe sich auch der gerichtlich bestellte Sachverständige
in seinem schriftlichen Gutachten angeschlossen. An dieser Stelle sei durch
den Gutachter W. festgestellt worden, dass vier Lagen neue Bitumenbahnen
übereinanderlappten, so dass zum Schweißen ein größerer Energieaufwand mit
entsprechend höherer Hitzewirkung notwendig geworden sei. Es habe sich dabei
um den Arbeitsbereich der Dachdecker, nicht jedoch um denjenigen der
Zimmerleute, gehandelt. Gut zu erkennen sei auf den Lichtbildern des
Gutachtens W., dass der Arbeitsbereich der Zimmerer von der
Brandausbruchstelle deutlich entfernt gelegen habe. In der Nähe der
Brandausbruchstelle seien keine neuen Schalbretter zu erkennen. Nach dem
Gutachten des Gerichtssachverständigen L. seien im Bereich der
Zimmererarbeiten keine Brandspuren feststellbar.
17 dd) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind im Zusammenhang mit
dieser Beweiswürdigung keine Verfahrensfehler erkennbar. Dass die Brandwache
S. entsprechend den Behauptungen der Beklagten den Rauch in einem anderen
Bereich bemerkt haben will und zudem "gleichzeitig, nämlich innerhalb von
Sekunden", auch an der angrenzenden aufsteigenden Giebelwand des
Nachbargebäudes Rauch aus der Fassade aufgestiegen sein soll, lässt keine
hinreichenden Rückschlüsse auf einen Brandherd in der Fassade statt auf dem
Flachdach zu. Dies hat das Berufungsgericht sachverständig beraten aus den
Grundregeln der Thermik gefolgert. Ob der Privatsachverständige B. in seiner
zusammenfassenden Beurteilung in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt
ist, es sei unmöglich, die genaue Brandursache zu ermitteln, ist - abgesehen
davon, dass es sich insoweit nur um qualifizierten Parteivortrag der
Beklagtenseite handelt - unerheblich, denn im Zusammenhang mit dem
Anscheinsbeweis ist es gerade nicht erforderlich, den konkreten
Kausalverlauf zu klären. Schließlich vermögen auch die allgemeinen
Ausführungen der Revisionen, der Arbeitsbereich der Zimmerleute der
Beklagten zu 4 sei mit demjenigen der Beklagten zu 2 und 3 "praktisch
identisch" gewesen, weil die Beteiligten "Hand in Hand" gearbeitet hätten,
so dass die Zimmerleute der Beklagten zu 4 unmittelbar zuvor stets in
demselben Bereich gearbeitet hätten wie die Beklagten zu 2 und 3, keine
abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Denn nach den
verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war dies an der
Brandausbruchstelle gerade nicht der Fall.
18 ee) Da nach den das Revisionsgericht insoweit bindenden Feststellungen
des Berufungsgerichts davon auszugehen ist, dass die Zimmerleute der
Beklagten zu 4 an der Brandausbruchstelle nicht gearbeitet haben, trägt
bereits diese Tatsache die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine
Verursachung des Brandes durch Funkenflug beim Durchtrennen eines Nagels mit
der Handkreissäge nicht verursacht worden sein kann. Deshalb gehen die
Angriffe der Revisionen gegen die den Ausschluss dieser Alternative
betreffenden Hilfsbegründungen ins Leere. Abgesehen davon ist aber auch -
entgegen der Auffassung der Revisionen - im Zusammenhang mit der
weitergehenden tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts kein
Rechtsfehler erkennbar. Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten
Sachverständigen - denen das Berufungsgericht insoweit folgt - erreichen
Funken, die bei dem Durchsägen eines Nagels mittels einer Kreissäge
entstehen, nicht die erforderliche Zündtemperatur, um Papier in Brand zu
setzen. Denn die Funken kühlten sich aufgrund der Umgebungstemperatur wieder
ab. Nur wenn längere Zeit auf einem Nagel gesägt werde und hierdurch eine
sehr hohe Reibung erzeugt werde, würde dadurch eine relativ hohe Temperatur
erreicht, die grundsätzlich geeignet wäre, die Kaschierung des Dämmmaterials
in Brand zu setzen. Diesen Vorgang indes habe der gerichtliche
Sachverständige für absolut unwahrscheinlich gehalten. Allein die
theoretische Möglichkeit, dass unter außergewöhnlichen Umständen, etwa wenn
über längere Zeit auf einem Nagel herumgesägt wird, durch Funkenflug ein
Brand verursacht werden kann, hinderte das Berufungsgericht im Rahmen des §
286 ZPO nicht daran, sich eine gegenteilige Überzeugung zu bilden, zumal
sich die Brandausbruchstelle nach den getroffenen Feststellungen nicht im
Bereich der Zimmererarbeiten befand.
19 ff) Das Berufungsgericht hat auch rechts- bzw. verfahrensfehlerfrei als
alternative Brandentstehungsursache einen elektrotechnischen Defekt
ausgeschlossen. Der bloße Hinweis auf Defekte oder Kurzschlüsse in nicht
näher bezeichneten elektrischen Leitungen genügt dabei nicht. Es müssen
vielmehr konkrete Spuren ernsthaft die Möglichkeit eines derartigen
Geschehensablaufs nahelegen (vgl. OLG Celle, aaO). Eine entsprechende
Möglichkeit hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der Ausführungen des
Gerichtssachverständigen L. jedoch verfahrensfehlerfrei ausgeschlossen.
Dieser hat unter den Umständen des Streitfalles eine Brandausbreitung
ausgehend von der Fassade in das Flachdach nach den Regeln der Thermik nicht
für denkbar erachtet, weil ein Brand aufgrund der Regeln der Thermik
grundsätzlich von unten nach oben und nicht umgekehrt entstehe. Das
Berufungsgericht hat es unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen, des
Bildmaterials sowie der Ausführungen des Gerichtssachverständigen L. für
einleuchtend erachtet, dass sich der Brand infolge der vorhandenen Hohlräume
und der Zugluft durch eine "Kaminwirkung" vom Flachdach schnell auch in den
Bereich der Fassade habe ausbreiten können.
20 b) Den Revisionen kann auch nicht in der Auffassung beigetreten werden,
der vom Berufungsgericht zu Lasten der Beklagten angenommene Anscheinsbeweis
sei jedenfalls erschüttert.
21 aa) Soweit die Revisionen meinen, die Beklagten hätten die Vermutung des
Berufungsgerichts, das Feuer rühre von einem brennenden Bitumentropfen her,
durch die unter Beweis gestellte Behauptung widerlegen können, dass es weder
Zwischenräume in der Holzverschalung, durch die ein Tropfen auf die
papierkaschierte Dämmung hätte fallen können, noch brennende Bitumentropfen
gegeben habe, geht dieser Angriff bereits deshalb ins Leere, weil das
Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen ist, dass aufgrund des
zugunsten der Klägerseite eingreifenden Anscheinsbeweises die genaue Ursache
gerade nicht aufgeklärt werden muss. Aus diesem Grunde ist es unerheblich,
ob die - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts naheliegende -
Vermutung zutrifft, dass das Feuer durch einem brennenden Bitumentropfen
verursacht worden ist oder durch andere Umstände, etwa eine Zündung von
brennbarem Material durch die Flamme des Brenners oder den vor der Flamme
liegenden Heißgasstrom (vgl. OLG Celle, aaO).
22 bb) Soweit schließlich die Revisionen meinen, der Anscheinsbeweis sei
auch dadurch erschüttert, dass die Arbeiten der Beklagten zu 2 und 3 gerade
nicht feuergefährlich gewesen seien, weil das Dämmmaterial nicht leicht
entflammbar gewesen sei, setzen sie sich in Widerspruch zu den gegenteiligen
Feststellungen des Berufungsgerichts und begeben sich damit auf das ihr
verschlossene Gebiet der tatrichterlichen Würdigung, ohne relevante
Verfahrensfehler aufzuzeigen. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 564
Satz 1 ZPO abgesehen.
23 cc) Des Weiteren kann der Auffassung der Revisionen, dass die Grundsätze
des Anscheinsbeweises wegen einer Beweisvereitelung durch die Klägerin zu 2
nicht zur Anwendung kommen, aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Das
Berufungsgericht hat mit Recht den Sachvortrag der Beklagten als zu wenig
konkret erachtet. Soweit die Revisionen darauf hinweisen, der
Privatsachverständige B. habe in seinem Gutachten ausgeführt, ihm sei durch
die Firmenleitung der Klägerin zu 2 am 3. September 2002 "eine
Tatbestandsaufnahme entsprechend den Anweisungen des Versicherers" untersagt
worden, vermag dies keinen Verfahrensfehler zu begründen. Denn das
Berufungsgericht hat sich darauf gestützt, dass sich aus der Akte
Gegenteiliges ergibt und hierzu ausgeführt, aus der Ermittlungsakte der
Staatsanwaltschaft sei ersichtlich, dass ein Vertreter der
Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1, für die der Sachverständige B.
gutachterlich tätig geworden sei, am 2. September 2002 vor Ort gewesen sei.
Dies hätten die Klägerinnen unwidersprochen vorgetragen. Auch sei der
Beklagte zu 3 am 3. September 2002 persönlich vor Ort gewesen. Aus der
vorgelegten und inhaltlich nicht bestrittenen Korrespondenz des damaligen
Vertreters der Klägerin zu 1 mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten zu
1 lasse sich ebenso ersehen, dass die Klägerin zu 1 diese Versicherung
bereits am 2. September 2002 zur Schadensbesichtigung eingeladen habe, und
dass am 12. September 2002 ein weiteres Gespräch hätte stattfinden sollen,
auch unter Beteiligung der Sachverständigen. Unter diesen Umständen war die
in Bezug genommene Äußerung des Sachverständigen B. nicht hinreichend
substantiiert, da bereits nicht ersichtlich ist, was mit einer
"Tatbestandsaufnahme entsprechend den Anweisungen des Versicherers" gemeint
sein soll. Eine Vernehmung des Zeugen B. wäre ein unzulässiger
Ausforschungsbeweis gewesen, zu dessen Erhebung das Berufungsgericht nicht
verpflichtet war.
24 c) Die Revisionen nehmen zwar hin, dass das Berufungsgericht hinsichtlich
des Verschuldens der Beklagten zu 1, die für die Beklagten zu 2 und 3 als
ihre Erfüllungsgehilfen insoweit einstehen muss, die Vermutung des § 280
Abs. 1 Satz 2 BGB herangezogen hat. Sie meinen jedoch, an den
insoweit bei unaufklärbarer Ursache für den Schuldner möglichen
Entlastungsbeweis, dass er alle ihm obliegende Sorgfalt beobachtet hat
(vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1989 - X ZR 116/88, NJW-RR 1990, 446,
447; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 280 Rn. 40), habe das
Berufungsgericht zu hohe Anforderungen gestellt. Dies trifft indes nicht zu.
Das Berufungsgericht hat sich in tatrichterlicher Würdigung im Rahmen der
Abwägung der Möglichkeiten einer von der Beklagten zu 1 verschuldeten oder
nicht verschuldeten Brandentstehung die Überzeugung gebildet, dass unter den
besonderen Umständen des Streitfalles bei der bestehenden erhöhten
Brandgefahr zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen beim Arbeiten mit offener
Flamme in der Nähe brennbarer Stoffe erforderlich gewesen wären, was der
Beklagten zu 1 und ihren Mitarbeitern erkennbar gewesen sei. Da das
Berufungsgericht insbesondere auf die hier nach den örtlichen Gegebenheiten
besonders hohe Brandgefahr abstellt, ist es im Ergebnis auch ohne Belang, ob
das Berufungsgericht zu Unrecht die Unfallverhütungsvorschrift "Verwendung
von Flüssiggas" (BGV D 34) statt der Unfallverhütungsvorschrift
"Dachdeckerarbeiten" (BGR 203) herangezogen hat. Dass die Beklagten beim
Arbeiten mit einem Brenner in der Nähe besonders feuergefährlicher Stoffe
alle Sicherheitsvorkehrungen treffen mussten, um einen Brand zu verhindern,
ist ein allgemeiner Grundsatz, der unabhängig von
Unfallverhütungsvorschriften zu beachten ist. Das Berufungsgericht stellt im
Rahmen seiner Beweiswürdigung in diesem Zusammenhang insbesondere darauf ab,
dass der Brand an einer Stelle entstanden ist, an der vier Lagen
Bitumenbahnen verschweißt worden sind, wozu naturgemäß ein größerer
Energieaufwand mit einer größeren Hitzeeinwirkung erforderlich gewesen sei,
was zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, etwa durch Unterlegung von nicht
brennbarem Abdeckmaterial oder ein Arbeiten mit Heißluft oder mit einem
kleineren Handbrenner, erfordert hätte. Dass das Berufungsgericht unter
diesen Umständen eine Nichtbeachtung der erforderlichen Sorgfalt und ein
damit einhergehendes Verschulden angenommen hat, ist von Rechts wegen nicht
zu beanstanden.
25 d) Das Berufungsgericht ist - entgegen der Auffassung der Revisionen -
mit Recht von einer Mithaftung des Beklagten zu 2 ausgegangen, weil dieser
bei dem Verschweißen der Bitumenbahnen mit dem Beklagten zu 3 "Hand in Hand"
zusammengewirkt habe. Soweit die Revision meint, eine Zurechnung gemäß § 830
Abs. 1 Satz 2 BGB scheide aus, weil der Beklagte zu 3 den Brenner geführt
und der Beklagte zu 2 lediglich das verflüssigte Bitumen festgetreten habe,
was zur Herbeiführung der Rechtsgutverletzung "offenkundig" nicht geeignet
gewesen sei, greift dies zu kurz. Denn das Berufungsgericht stellt
zutreffend darauf ab, dass die ohne hinreichende Sicherheitsvorkehrungen in
feuergefährdeter Umgebung durchgeführten Schweißarbeiten der Beklagten zu 2
und 3 einen tatsächlich zusammenhängenden einheitlichen Vorgang bilden, der
sich nicht in selbständige Tätigkeiten aufspalten lässt. Darüber hinaus ist
die Auffassung der Revisionen, der Beitrag des Beklagten zu 2 sei
"offenkundig" zur Herbeiführung der Rechtsgutverletzung nicht geeignet
gewesen, nicht durch hinreichenden Sachvortrag belegt, der die Möglichkeit
ausschließt, dass gerade das Betreten der Nahtstelle durch den Beklagten zu
2 der Flamme, dem Heißgasstrom oder brennendem Bitumen einen Weg durch die
darunter liegende Holzverschalung eröffnet haben könnte.
26 B) Zu den Anschlussrevisionen der Klägerinnen:
27 Die zulässigen Anschlussrevisionen der Klägerinnen haben Erfolg. Der
Klägerin zu 2 kann - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - kein
Mitverschulden an der Entstehung des Brandschadens zur Last gelegt werden.
28 1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu 2 ein Mitverschulden in Höhe
von 50 % angerechnet, weil diese die Beklagten zum einen nicht darüber
informiert habe, dass das in Brand geratene Dach mit einer leicht
entflammbaren Papierkaschierung gedämmt gewesen sei und deshalb eine
besondere Brandgefahr bestanden habe und zum anderen, weil sie nicht darauf
hingewiesen habe, dass das angrenzende Fabrikationsgebäude über keine
Brandmauer verfügt habe. Die hiergegen gerichteten Angriffe der
Anschlussrevisionen haben Erfolg.
29 2. Zwar kommt ein Mitverschulden auch dann in Betracht, wenn sich das
Verschulden des Geschädigten auf die Unterlassung beschränkt, den Schuldner
auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die
der Schuldner weder kannte noch kennen musste (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB).
30 a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war den Beklagten aber
aufgrund der vorangegangenen Öffnung eines Teilbereichs des Daches eine
erhöhte Brandgefahr durch das Vorhandensein des papierkaschierten
Dämmstoffes bekannt. Deshalb konnte der vom Berufungsgericht vermisste
Hinweis seitens der Klägerin zu 2 auf diesen Umstand keinen
Mitverschuldensvorwurf im Sinne des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB begründen.
31 b) Auch der unterlassene Hinweis auf die zum Nachbargebäude hin fehlende
Brandmauer vermag keinen Mitverschuldensvorwurf zu rechtfertigen. Denn eine
Warnpflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB besteht nicht, wenn die
Erkenntnismöglichkeiten des Schädigers gleich gut oder besser waren als die
des Geschädigten (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1952 - II ZR 56/52,
VersR 1953, 14, 15).
32 aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nichts dafür
ersichtlich, dass die Klägerin zu 2 insoweit über einen Wissensvorsprung
oder über bessere Erkenntnismöglichkeiten verfügte als die Beklagten. Das
Berufungsgericht geht nicht davon aus, dass der Klägerin zu 2 das Fehlen
einer Brandmauer bekannt war. Es meint lediglich, diese habe sich in
Anbetracht der Umstände zur aktiven Überprüfung des tatsächlich vorhandenen
Brandschutzes veranlasst sehen müssen. Dieser Auffassung kann jedoch aus
Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
33 bb) Das Berufungsgericht nimmt - im Ansatz zutreffend - an, dass für die
sichere Ausführung der Dachdeckerarbeiten grundsätzlich der Fachbetrieb
sowie die ausführenden Handwerker verantwortlich sind. Soweit in diesem
Zusammenhang eine Pflicht zur Überprüfung des bestehenden Brandschutzes
bestand, traf diese mithin die Beklagten. Sie konnten das Vorhandensein
einer Brandmauer zum Nachbargebäude ebenso gut überprüfen wie die Klägerin
zu 2.
34 3. Da insoweit keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind, kann
der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden
und - soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerinnen entschieden
hat - das erstinstanzliche Urteil wiederherstellen.
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