Arztvertrag über
empfängnisverhütende Maßnahmen als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
(Unterhaltsschaden des nichtehelichen Partners); "Kind als Schaden", Einfluß
der späteren Lebensplanung auf die Schadenshöhe
BGH, Urteil vom 14.
November 2006 - VI ZR 48/06
Fundstelle:
NJW 2007, 989
Amtl. Leitsatz:
a) In den Schutzbereich
eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und
Patientin ist nicht nur ein ehelicher, sondern auch der jeweilige
nichteheliche Partner einbezogen, der vom Fehlschlagen der Verhütung
betroffen ist.
b) Eine Ersatzpflicht des Arztes besteht in derartigen Fällen auch dann,
wenn die gegenwärtige berufliche und wirtschaftliche Planung der Mutter
durchkreuzt wird und die zukünftige Planung nicht endgültig absehbar ist;
einer abgeschlossenen Familienplanung in dem Sinne, dass auch die
hypothetische Möglichkeit eines späteren Kinderwunsches völlig
ausgeschlossen sein muss, bedarf es nicht.
c) Der Tatrichter darf bei der Bemessung des Betreuungsunterhaltsschadens
einen Zuschlag in Höhe des Barunterhaltsschadens (135 % des Regelsatzes der
Regelbetrag-Verordnung) als angemessenen Schadensausgleich ansehen, sofern
nicht die Umstände des Falles eine abweichende Bewertung nahe legen.
Zentrale Probleme:
Die Klägerin ist Mutter eines Kindes. Sie verlangt von
ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus abgetretenem Recht des
Kindsvaters Ersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung
entstandenen und noch entstehenden Schadens, weil der Bekl. offenbar einen
Kunstfehler bei einem schwangerschaftsverhütenden Implantat begangen hat.
Die Klägerin konnte wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes
eine ihr zugesagte Arbeitsstelle nicht antreten. Der Vater des Kindes, den
die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte,
hat die Vaterschaft anerkannt, lebt aber nicht mit der Klägerin zusammen. Er
kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn nach. Der
Kindesvater hat damit einen primären Vermögensschaden erlitten, der nur auf
vertraglicher Grundlage zu ersetzen ist. Ein solcher Anspruch wegen
Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages (aus § 280 I BGB) setzt aber
voraus, daß der Kindesvater in den Schutzbereich des Vertrages mit
einbezogen ist. Der Senat bejaht dies (s. dazu auch die Anm. zu
BGH
NJW 2001, 514 sowie speziell zu
BGH NJW
2002, 1489), ist aber zu Recht noch sehr vorsichtig: Wegen der
Relativität schuldrechtlicher Verpflichtungen und der aus der Ausweitung des
Vertrages auf einen Dritten bewirkten Kumulation von Haftungsrisiken ist mit
dem Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte restriktiv
umzugehen. Er setzt, wie auch hier schulmäßig dargelegt wird,
Leistungsnähe des Dritten, das Interesse der Vertragspartei
an dessen Schutz, sein Schutzbedürfnis und die Erkennbarkeit des geschützten
Personenkreises für den Haftenden voraus (s. Rn. 25). Der Senat läßt daher
die mE klar zu verneinende Frage offen, ob nichteheliche Väter unter allen
denkbaren Umständen, etwa bei ungefestigten kurzfristigen Partnerschaften,
in einen von der Frau abgeschlossenen, auf Empfängnisverhütung angelegten
Behandlungsvertrag einbezogen sind.
Im übrigen bestätigt der BGH seine
Haltung zu dem - verkürzt und ungenau mit "Kind als Schaden" bezeichneten
Problem, daß die Unterhaltsbelastung durch ein ungeplantes (und eben nicht
nachträglich "ungewolltes") Kind unabhängig von der emotionalen Bindung
einen Vermögensschaden darstellt, s. dazu die Anm. zu BGH NJW 2000, 1782
= BGHZ 143, 389 sowie zu
BGH NJW 2002, 2636
= BGHZ 151, 133. Sehr lebensnah ist dabei die
Argumentation des BGH zur Lebensplanung/Schadenshöhe. Der Beweis, wann man
vielleicht ein Kind gewollt/nicht gewollt hätte, ist nicht zu führen.
I
©sl 2006
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist Mutter eines im Dezember 2002 geborenen gesunden Sohnes.
Sie verlangt von ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus
abgetretenem Recht des Vaters Ersatz des den Eltern durch die
Unterhaltsverpflichtung entstandenen und noch entstehenden Schadens.
2 Der Beklagte hatte es übernommen, der Klägerin im Januar 2002 das lang
wirkende Verhütungsmittel "Implanon" zu verabreichen. Bei diesem Präparat
handelt es sich um ein circa 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes
Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge unter die Haut
eingebracht wird. Der Beklagte hat die Behandlung abgerechnet, die Klägerin
hat sie bezahlt. Im Juli 2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine
Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Das "Implanon"-Implantat konnte nicht
mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des "Implanons" konnte im Blut der
Klägerin nicht nachgewiesen werden.
3 Die Klägerin konnte wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes
eine ihr zugesagte Arbeitsstelle nicht antreten. Der Vater des Kindes, den
die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte,
hat die Vaterschaft anerkannt, lebt aber nicht mit der Klägerin zusammen. Er
kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn nach.
4 Die Klägerin hat geltend gemacht, dem Beklagten sei beim Einsetzen des
Verhütungsmittels ein Behandlungsfehler unterlaufen, so dass er hinsichtlich
der nunmehr bestehenden Unterhaltsverpflichtung ersatzpflichtig sei. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten
verurteilt, an die Klägerin Unterhaltsschadensersatz in Höhe von 14.082 €
für den zurück liegenden Zeitraum (Dezember 2002 bis Dezember 2005) und bis
zum Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes monatlich im Voraus in Höhe von
270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der
Regelbetragsverordnung abzüglich des jeweiligen gesamten Kindergeldes zu
bezahlen.
5 Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des
Beklagten, mit der er sein Ziel einer Klageabweisung weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
6 I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil
veröffentlicht ist (u. a. VersR 2006, 936 und NJW 2006, 1006), bejaht einen
Behandlungsfehler des Beklagten und ist der Ansicht, in den Schutzbereich
eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und
Patientin sei auch der gegenwärtige Partner einer ungefestigten
Partnerschaft einbezogen. Eine den Arzt zum Schadensersatz verpflichtende
fehlgeschlagene Familienplanung sei - entgegen der Auffassung des
Landgerichts - auch dann denkbar, wenn die gegenwärtige Planung durchkreuzt
werde und die zukünftige Planung endgültig noch gar nicht absehbar sei.
Hinsichtlich der Schadenshöhe seien in derartigen Fällen für den
Barunterhalt 135 % der Regelbetragsverordnung anzusetzen, zusätzlich sei
Ersatz für den Betreuungsunterhalt zu leisten, dessentwegen eine pauschale
Verdoppelung des Baraufwandes geboten sei.
II.
7 Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
8 1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind - außerhalb
der Fallgestaltungen, die aufgrund ärztlicher Fehler nicht durchgeführte
bzw. fehlgeschlagene Schwangerschaftsabbrüche betreffen (vgl. dazu etwa
Senatsurteile BGHZ 129, 178, 181 ff.; 143, 389, 393 ff.) - die mit der
Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundenen
wirtschaftlichen Belastungen, insbesondere die Aufwendungen für dessen
Unterhalt, als ersatzpflichtiger Schaden auszugleichen, wenn der Schutz vor
solchen Belastungen Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder
Beratungsvertrages war. Diese - am Vertragszweck ausgerichtete - Haftung des
Arztes oder Krankenhausträgers hat der Senat insbesondere bejaht für Fälle
fehlgeschlagener Sterilisation aus Gründen der Familienplanung (vgl. BGHZ
76, 259, 262; Senatsurteile vom 2. Dezember 1980 - VI ZR 175/78 - VersR
1981, 278; vom 10. März 1981 - VI ZR 202/79 - VersR 1981, 730; vom 19. Juni
1984 - VI ZR 76/83 - VersR 1984, 864; vom 27. Juni 1995 - VI ZR 32/94 -
VersR 1995, 1099, 1101), bei fehlerhafter Beratung über die Sicherheit der
empfängnisverhütenden Wirkungen eines vom Arzt verordneten Hormonpräparates
(Senatsurteil vom 3. Juni 1997 - VI ZR 133/96 - VersR 1997, 1422 f.) sowie
für Fälle fehlerhafter genetischer Beratung vor Zeugung eines genetisch
behinderten Kindes (BGHZ 124, 128 ff.). Diese Rechtsprechung des Senats hat
das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss des Ersten Senats vom 12.
November 1997 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BVerfGE 96,
375, 397 ff.).
9 Der Streitfall gehört zu diesen Fallgruppen. Nach den von der Revision
nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war der zwischen
den Parteien geschlossene Behandlungsvertrag darauf gerichtet, der Klägerin
das Mittel "Implanon" zu verabreichen. Einziger Zweck dieser Maßnahme
konnte ersichtlich nur die Verhütung einer Schwangerschaft bei der Klägerin
sein. Dieser Zweck wurde nicht erreicht, weil dem Beklagten nach den -
insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des
Berufungsgerichts ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, der als kausal für
die Schwangerschaft anzusehen ist, weil das Präparat bei ordnungsgemäßer
Einlage eine volle kontrazeptive Sicherheit gewährt und die Versagerrate vom
Arbeitskreis Lakon (Langzeitkontrazeption) mit Null angegeben wird. Die
Feststellung des Berufungsgerichts, die fehlgeschlagene Verhütungsmaßnahme
habe bezweckt, die Klägerin, auch angesichts ihrer beruflichen Situation,
vor einer unerwünschten Unterhaltsbelastung zu schützen, wird von der
Revision nicht angegriffen; dies liegt bei der gegebenen Sachlage auch auf
der Hand. Im Übrigen muss die Vermeidung der wirtschaftlichen Belastung
nicht unbedingt im Vordergrund stehen (vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 128,
138; 143, 389, 394).
10 Eine Haftung des Beklagten nach den dargestellten Maßstäben kommt danach
grundsätzlich in Betracht.
11 2. Die Revision macht geltend, die Klägerin habe einen eigenen
Unterhaltsschaden nicht ausreichend dargelegt, weil nach ihrem Vortrag nicht
von einer abgeschlossenen Familienplanung ausgegangen werden könne. Dem kann
nicht gefolgt werden.
12 Zum einen hat die Klägerin - worauf die Revisionserwiderung mit Recht
hinweist - in erster und zweiter Instanz vorgetragen, sie habe den Eingriff,
der auf eine langjährige Verhütung angelegt war, vornehmen lassen, weil sie
kein Kind gewollt habe.
13 Zum anderen ist die Haftung des Arztes nach den dargestellten Grundsätzen
nicht davon abhängig, dass die Familienplanung der Eltern oder eines
Elternteils "abgeschlossen" ist in dem Sinne, dass auch die hypothetische
Möglichkeit eines späteren Kinderwunsches, etwa nach beruflicher
Konsolidierung und mit einem anderen Partner, völlig ausgeschlossen werden
muss. Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 18. März 1980 (BGHZ
76, 259, 265) beiläufig ausgeführt, in den nicht seltenen Fällen, in denen
ein junges Ehepaar - etwa um zunächst die wirtschaftlichen Grundlagen der
Familie zu festigen oder den Ausbildungsabschluss eines Elternteils zu
erleichtern - nur zunächst ein Kind nicht haben wolle, könne aus der
Durchkreuzung des derzeitigen Zeitplans nicht schon auf eine nachhaltige
Planwidrigkeit des demnach zur Unzeit geborenen Kindes geschlossen werden.
14 Zutreffend nimmt das Berufungsgericht aber an, dass auch eine aus
persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen auf längere Zeit geplante
Kinderlosigkeit Grundlage dafür sein kann, die unerwünschte Belastung mit
einer Unterhaltsverpflichtung der ärztlichen Vertragsverletzung zuzurechnen,
wenn eine zukünftige Planung noch nicht absehbar ist. In einem solchen
Fall kann die Haftung nicht davon abhängen, dass der Geschädigten ein
ohnehin nicht verifizierbarer Vortrag über ihre spätere Lebensplanung
abverlangt wird.
15 In Fällen der vorliegenden Art geht es - jenseits aller
weltanschaulichen Erwägungen und aller Überlegungen, die das
Eltern-Kind-Verhältnis betreffen -lediglich darum, dass eine von den Eltern
nicht gewünschte Belastung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die
Vertragsverletzung des Arztes herbeigeführt wird und dieser zuzurechnen ist
(vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 128, 138 und vom 19. Juni 1984 - VI ZR
76/83 - aaO; ferner BVerfGE 96, 375, 400). Der Arzt, der einen vom
Patienten gewünschten Erfolg verspricht, diesen aber durch fehlerhafte
Behandlung vereitelt, soll für die dadurch verursachte wirtschaftliche
Belastung haften.
16 Eine solche rein schadensrechtliche Betrachtung wird bei das Vermögen
schädigenden Vertragsverletzungen außerhalb des Arzthaftungsrechts auch
nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Der Einwand, das schädigende
Verhalten beeinträchtige die Lebensplanung des Vertragspartners nur auf
Zeit, kann allenfalls für die Schadenshöhe, nicht aber für die
grundsätzliche Haftungsfrage von Bedeutung sein. Eine Mutter, die den -
gesellschaftlich weitgehend akzeptierten - Entschluss fasst, auf ein Kind zu
verzichten, um beispielsweise ihr berufliches Fortkommen zu sichern, kann
nicht mit Erfolg darauf verwiesen werden, sie müsse die Vereitelung ihrer
Lebensplanung entschädigungslos hinnehmen, weil sie sich in Zukunft
möglicherweise doch einmal entschlossen haben würde, Kinder zu bekommen. Die
Haftung des Arztes entfällt nur dann, wenn im Einzelfall der innere Grund
der haftungsrechtlichen Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung,
nachträglich weggefallen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 76, 249, 258; 76,
259, 264 f. und vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - aaO, Seite 865), was der
beklagte Arzt darzulegen und zu beweisen hat (Senatsurteil BGHZ 76, 259,
265).
17 Auch ein auf Zeit angelegter Verzicht auf einen Kinderwunsch kann mithin
die Haftung auslösen. Gerade bei Betroffenen, die am Anfang ihres
Berufslebens stehen und zunächst auf Zeit geplant haben, ohne Kind zu
bleiben, kann sich eine Vereitelung dieser Lebensplanung wirtschaftlich in
schwer wiegender Weise auswirken. In solchen Fällen kann der
Zurechnungszusammenhang nicht mit der Erwägung verneint werden, dass bei
einer temporären Verhütungsmaßnahme nicht auszuschließen sei, dass sich
später doch ein Kinderwunsch einstelle und dieser erfüllt werde. Eine solche
Betrachtung berücksichtigt nicht ausreichend, dass der Schaden in der
konkreten nicht gewünschten Unterhaltsbelastung besteht und nicht dadurch
hinwegdiskutiert werden kann, dass auf eine möglicherweise später
willentlich entstehende ähnliche Belastung verwiesen wird. Das
möglicherweise später geborene Kind kann nicht, etwa im Sinne einer
"überholenden Kausalität", mit dem tatsächlich geborenen gleich gesetzt
werden. Dass dieses Kind ungeachtet der gestörten Lebensplanung der Eltern
akzeptiert werden muss und im Streitfall ersichtlich akzeptiert wird, kann
in Fällen dieser Art durch den Beitrag des Arztes zum Unterhalt für das
Kind, den er auf Grund der vertraglichen Schlechterfüllung zu leisten hat,
in wirksamer Weise unterstützt werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 124, 128, 143
f.; BVerfGE 96, 375, 402).
18 Der erkennende Senat hat demgemäß auch schon früher eine Haftung nicht
nur dann für möglich gehalten, wenn eine endgültige Maßnahme (etwa eine
Sterilisation) gewünscht war, sondern auch dann, wenn eine temporäre
Verhütungsmaßnahme aufgrund fehlerhafter Behandlung erfolglos blieb (vgl.
Senatsurteil vom 3. Juni 1997 - VI ZR 133/96 - VersR 1997, 1422, 1423 -
Verordnung von Hormonpräparaten ohne empfängnisverhütende Wirkung).
19 3. Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe der
Schadensberechnung zu Unrecht den Unterhaltsbedarf bis zur Vollendung des
18. Lebensjahres zugrunde gelegt. Auch diese Rüge bleibt ohne Erfolg.
20 Entgegen den Ausführungen der Revision musste die Klägerin nicht eine
"gegen Kinder gerichtete Lebensplanung" über einen Zeitraum von 18 Jahren
vortragen, dahin gehend, dass sie während dieses Zeitraums keinen
Kinderwunsch gehegt hätte, das Kind "mithin nicht dazu gedient hätte/dienen
würde, diesen Kinderwunsch zu befriedigen". Ein solcher Vortrag ist bei
Berücksichtigung des Wahrheitsgebots (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht möglich.
Niemand kann verbindliche Erklärungen zu seiner Lebensplanung über einen
Zeitraum von 18 (bzw. jetzt noch 14) Jahren abgeben, geschweige denn, was
der Revision möglicherweise vorschwebt, einen solchen Vortrag unter Beweis
stellen und den Beweis führen. Ein solcher Vortrag ist zur Begründung
des Schadensersatzanspruchs auch nicht geboten. Die durch die ärztliche
Schlechterfüllung verursachte Unterhaltsbelastung knüpft an die in Frage
stehende konkrete Geburt des Kindes an, einen singulären, hier von der
Mutter akzeptierten Vorgang, der - schadensrechtlich betrachtet - nicht dazu
"dienen" kann, solche Wünsche oder Vorstellungen zu befriedigen, die sich
hypothetisch bei ungestörter Lebensplanung später einmal eingestellt hätten.
Selbst wenn sich bei der Klägerin in Zukunft ein Kinderwunsch eingestellt
haben würde, bezöge sich dieser auf den dann maßgeblichen Zeitpunkt und die
anschließende Lebensphase. Die vom Beklagten verursachte Unterhaltsbelastung
bleibt dessen ungeachtet bestehen.
21 Wie oben bereits ausgeführt, entfällt die Haftung des Arztes allerdings
dann, wenn im Einzelfall der innere Grund der haftungsrechtlichen
Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich
weggefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - aaO).
Dies hat das Berufungsgericht gesehen und eine solche Fallgestaltung für den
vorliegenden Fall verneint. Dagegen bringt die Revision nichts Erhebliches
vor.
22 4. Ohne Erfolg rügt die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts,
der nichteheliche Vater des Kindes der Klägerin sei in den Schutzbereich des
Behandlungsvertrages einbezogen.
23 Der erkennende Senat hat in Fällen fehlerhafter genetischer Beratung
und sonstiger Fehler im vorgeburtlichen Bereich bereits die Einbeziehung des
ehelichen Vaters in den Schutzbereich des Arztvertrages bejaht
(Senatsurteile BGHZ 86, 240, 249 f.; 89, 95, 98; 151, 133, 136). Sie wird
auch für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft befürwortet (vgl.
Gehrlein, MDR 2002, 638, 639; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., vor § 249
Rn. 48; Staudinger/Jagmann, BGB, Neubearbeitung 2004, § 328 Rn. 132; ferner
OLG Frankfurt, VersR 1994, 942, 943 mit Nichtannahmebeschluss vom 18. Januar
1994 - VI ZR 188/93).
24 Der Streitfall nötigt nicht zur Entscheidung der Frage, in welchem
Umfang nichteheliche Väter unter allen denkbaren Umständen, etwa bei
ungefestigten kurzfristigen Partnerschaften, in einen von der Frau
abgeschlossenen, auf Empfängnisverhütung angelegten Behandlungsvertrag
einbezogen sind. Jedenfalls ist die Feststellung des Berufungsgerichts,
die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Vaters des Kindes lägen unter
den Umständen des Streitfalls vor, nicht zu beanstanden. Sofern die
Arztleistung - wie hier - auch der wirtschaftlichen Familienplanung dient,
ist ihr wesenseigen, dass der vertragliche Schutz denjenigen zukommt, die
für den Unterhalt aufzukommen haben. Dies gilt nicht nur bei ehelicher
Vaterschaft (Senatsurteil, BGHZ 76, 259, 262), sondern auch bei
nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Partnerschaften, die bei
Durchführung der Behandlung bestehen und deren auch wirtschaftlichem Schutz
die Behandlung gerade dienen soll.
25 Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht für den Streitfall
rechtsfehlerfrei bejaht. Entgegen den Ausführungen der Revision war es
nicht erforderlich, dass die Klägerin dem Beklagten den Kindesvater als
ihren festen Partner vorstellte oder namentlich benannte. Die Leistungsnähe
des Dritten, das Interesse der Klägerin an dessen Schutz, sein
Schutzbedürfnis und die Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises
(vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 56, 269, 273 f.; vom 19. Februar 2002 - VI ZR
190/01 - VersR 2002, 767 f.; BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - X ZR 231/99 -
NJW 2001, 3115, 3116 m. w. N.) lagen nach den Umständen des Streitfalls
auch aus Sicht des Beklagten selbst dann vor, wenn ihm nähere Informationen
zur Person des damaligen Lebenspartners der Klägerin und späteren
Kindesvaters fehlten. Um die von der Revision herausgestellte
Fallgestaltung, bei der im Zeitpunkt der ärztlichen Leistung noch völlig
offen ist, wann und gegebenenfalls mit wem künftig Geschlechtsverkehr
ausgeübt wird, geht es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im
Streitfall nicht.
26 Entgegen den Ausführungen der Revision ist der (der Klägerin abgetretene)
Schadensersatzanspruch des Kindesvaters nicht deshalb zu verneinen, weil die
Klägerin nicht konkret zu dessen Lebensplanung vorgetragen hat. Der
Kindesvater ist in den Schutzbereich des mit der Klägerin geschlossenen
Behandlungsvertrages einbezogen. Deshalb kommt es auf die diesem Vertrag
zugrunde liegende Planung der Klägerin an. Im Übrigen verweist die
Revisionserwiderung mit Recht darauf, dass eine Störung der Lebensplanung
durch die nichteheliche Vaterschaft und die damit verbundene
Unterhaltsbelastung auf der Hand liegt. Dafür, dass der nichteheliche Vater
die Vaterschaft gewollt hat, ist nichts vorgetragen und festgestellt.
27 5. Auch die gegen die Höhe des zuerkannten Betrages erhobenen Rügen der
Revision greifen nicht durch. Die Schadensschätzung (§ 287 ZPO) des
Berufungsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie weicht nicht in
revisionsrechtlich relevanter Weise von den Vorgaben ab, die nach der
Rechtsprechung des erkennenden Senats für die Bemessung des
Unterhaltsschadensersatzes in Fällen der vorliegenden Art bestehen.
28 a) Betreffend den Barunterhaltsschaden hat der Arzt von den
wirtschaftlichen Belastungen, die aus der von ihm zu verantwortenden Geburt
eines Kindes hergeleitet werden, nur denjenigen Teil zu übernehmen, der für
die Existenzsicherung des Kindes erforderlich ist (Senatsurteil vom 4. März
1997 - VI ZR 354/95 - VersR 1997, 698, 700). Dem wird der vom
Berufungsgericht ausgeurteilte Betrag in Höhe von 135 % des Satzes der
Regelbetrag-Verordnung gerecht. Soweit die Revision unter Hinweis auf
frühere Entscheidungen des erkennenden Senats geltend macht, es sei auf den
einfachen Satz der Regelbetrag-Verordnung abzustellen, entspricht dies nicht
den geänderten rechtlichen Vorgaben. Nach der Streichung des § 1615 f. BGB
a. F., auf den in dem Senatsurteil vom 4. März 1997 (aaO, S. 699)
hingewiesen wird, ist für den Unterhalt eines minderjährigen Kindes auf
einen Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrags der Regelbetrag-Verordnung
(vom 6. April 1998) abzustellen. Als Existenzminimum des Kindes sind 135 %
des Regelbetrags anzusehen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 -
NJW 2003, 1112, 1114; OLG Oldenburg, VersR 2004, 654, 655, jeweils m. w. N.;
vgl. auch § 1612 b Abs. 5 BGB).
29 b) Hinsichtlich des Wertes der Betreuungsleistungen hat der erkennende
Senat es nicht beanstandet, dass der Tatrichter einen Zuschlag in Höhe des
Barunterhalts zuerkennt (Senatsurteile BGHZ 76, 259, 270 f.; vom 4. März
1997 - VI ZR 354/95 - aaO, S. 699). Daran, dass der Zuschlag die Höhe des
Barunterhalts nicht erreichen muss, wohl aber erreichen kann (Senatsurteil
BGHZ 76, 259, 270 f.), ist festzuhalten.
30 Zwar liegt die Überlegung nahe, dass sich der Betreuungsaufwand bei
zunehmendem Alter des Kindes verringern und deshalb ein Betrag in Höhe von
135 % schadensrechtlich als überhöht erscheinen kann (OLG Oldenburg, aaO, S.
655 f.). Daraus lässt sich indes nicht herleiten, dass die Zuerkennung eines
solchen Betrages stets außerhalb des tatrichterlichen Ermessens liegt.
Dieser Betrag ist ohnehin nur auf die Existenzsicherung des Kindes
abgestellt und gegebenenfalls auch bei einer Mangelverteilung anzusetzen
(vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - aaO). Er wird auch bei
einer Betrachtung über 18 Jahre vielfach den Betrag, der durchschnittlich
für die Betreuung eines Kindes erforderlich ist, nicht wesentlich
überschreiten. Die Erwägung, dass die Kindesmutter bei fortgeschrittenem
Alter des Kindes zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet sein kann,
ist in diesem Zusammenhang - anders als im Unterhaltsrecht und bei der
Regulierung von Personenschäden gemäß § 844 Abs. 2 BGB - ohne Bedeutung;
denn es geht hier nicht um den eigenen Unterhalt der Klägerin, auf den ein
zu erzielender Arbeitsverdienst angerechnet werden kann, sondern um deren
Belastung mit der Unterhaltsverpflichtung für das Kind, die auch bei der
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ungeschmälert bestehen bleibt.
31 Ein Zuschlag in Höhe von 135 % des Regelsatzes darf deshalb vom
Tatrichter bei der Bemessung des Betreuungsunterhaltsschadens als
angemessener Ausgleich angesehen werden, sofern nicht die Umstände des
Falles eine abweichende Bewertung nahe legen. Dafür zeigt die Revision im
vorliegenden Fall nichts Konkretes auf.
III.
32 Die Revision ist demnach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
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