Schuldrechtliches Veräußerungsverbot (§ 137 S. 2 BGB): kein automatisches Erlöschen nach 30 Jahren; Löschungsanspruch der Vormerkung aus § 894 und § 886 BGB; Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB unter dem Gesichtspunkt der "wirtschaftlichen Knebelung"; Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB; ergänzende Vertragsauslegung


BGH, Urteil vom 6. Juli 2012 - V ZR 122/11


Fundstelle:

NJW 2012, 3162


Amtl. Leitsatz:

1. Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB (schuldrechtliche Verfügungsverbote) werden nicht nach 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam.
2. In Übergabeverträgen zur vorweggenommenen Erbfolge vereinbarte Unterlassungspflichten, die dem Übernehmer Verfügungen über das Vermögen eines übergebenen Betriebs insgesamt oder über dessen Grundvermögen untersagen, sind nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Übernehmer von dem Übergeber nicht die Zustimmung zu einer mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaft zu vereinbarenden und den Zweck des Verfügungsverbots nicht wesentlich gefährdenden Verfügung (Veräußerung oder Belastung) verlangen kann.


Zentrale Probleme:

Eine äußerst gehaltvolle und lehrreiche Entscheidung: Ausgangspunkt ist ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot: Die mittlerweile verstorbene Mutter des Beklagten und Widerklägers hatte diesem einen hälftigen Miteigentumsanteil an zu einem zu einem Landgut gehörenden Grundbesitz mit der Maßgabe übertragen, dass dieser sowie der bereits vorhandene hälftige Miteigentumsanteil des Beklagten für die Dauer von 35 Jahren, hilfsweise 30 Jahren nicht veräußert werden darf.  
Ein solches Verbot hat nach § 137 S. 1 BGB keine dingliche Wirkung, d.h. es hindert den Übernehmer nicht, wirksam über die Sache zu verfügen (er verstößt dann allerdings gegen das nach § 137 S. 2 BGB wirksame Versprechen, nicht zu veräußern und macht sich damit nach § 280 I, III, 283 BGB schadensersatzpflichtig). Hier war das Verbot aber dadurch dinglich abgesichert, dass für den Fall einer Veräußerung ein Rückübereignungsanspruch vereinbart wurde, der im Grundbuch durch eine Vormerkung (§ 883 BGB) abgesichert wird (das ist nach § 883 I S. 2 BGB auch für einen zukünftigen und/oder bedingten Anspruch möglich!). Wenn das Veräußerungsverbot wegen "Überlänge" nichtig war und damit auch ein solcher zukünftiger Anspruch nicht bestand, wäre auch die Vormerkung unwirksam (akzessorisches Recht). Auf diesem Standpunkt stand hier der Beklagte und verlangte widerklagend u.a. Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB.
Der Senat legt dar, dass es entgegen einer verbreiteten Literaturmeinung keinen Grundsatz gibt, wonach ein Veräußerungsverbot nach 30 Jahren erlischt (verjährungsrechtlich ist dem Problem nicht beizukommen: Zwar unterliegen auch Unterlassungsansprüche der Verjährung, s. § 194 I BGB, jedoch beginnt die Verjährung immer erst mit der Zuwiderhandlung, § 199 V BGB). Er hält es aber unter dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Knebelung für sittenwidrig (§ 138 I BGB, s. dazu BGH NJW 2009, 1135). Da dies aber nach § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Übergabevertrags führen würde, da einerseits dieser nicht ohne ein Verfügungsverbot geschlossen worden wäre, andererseits aber auch dies nicht den Parteiinteressen (Zusammenhalten des Familienvermögens) gedient hätte, kommt der Senat im Wege einer ergänzenden Auslegung dazu, das Veräußerungsverbot mit Einschränkungen so aufrecht zu erhalten, wie es wirksam hätte vereinbart werden können. Er geht diesen Weg, weil eine Umdeutung nach § 140 BGB wohl deshalb nicht in Betracht kam, weil der so festgelegte Vertragsinhalt kein "minus" des nichtigen Vertrags, sondern eben ein anderer Vertrag wäre. Dieses Ergebnis kann man nur im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (s. dazu auch BGH v. 11.1.2012 - XII ZR 40/10) erreichen, der aber - wie zu recht betont wird - "dass unter Anlegung des in § 157 BGB normierten Auslegungsmaßstabs bestimmt werden kann, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Abrede bekannt gewesen wäre". Es geht also nicht um eine (richterliche) Gestaltung etwa im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion.

©sl 2012


Tatbestand:

1 Mit notariellem Vertrag vom 11. April 1980 übertrug die im Jahre 2007 verstorbene Mutter der Parteien ihren 50 % Miteigentumsanteil des zu einem Gut gehörenden Grundbesitzes im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Beklagten, dem bereits 50 % Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz gehörte.

In dem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte dazu, die Grundstücke während eines Zeitraums von 35 Jahren, hilfsweise von 30 Jahren - mit Ausnahme einer Übertragung an leibliche, eheliche Abkömmlinge - nicht zu veräußern (§ 4 Nr. 1). Der Verstoß gegen das Veräußerungsverbot sollte den Rückfall der betroffenen Ländereien an den Veräußerer zur Folge haben (§ 4 Nr. 2). Das Veräußerungsverbot sollte nach dem Tod der Veräußerin fortbestehen und danach der Rückfallanspruch dem Kläger zustehen (§ 4 Nr. 3). Der Anspruch auf Rückübertragung sollte auch bei Eingriffen Dritter, wie Pfändungen, ebenso bei Verpfändungen wirksam werden (§ 4 Nr. 5). Zur Sicherung des Rückübertragungsanspruchs wurden die betroffenen Grundstücke mit Vormerkungen belastet.

3 Nach Eintragung von Zwangssicherungshypotheken auf drei Grundstücken hat der Kläger von dem Beklagten die Rückauflassung eines dieser Grundstücke verlangt. Mit der Widerklage verlangt der Beklagte von dem Kläger, die Löschung der auf den anderen Grundstücken des Guts eingetragenen Vormerkungen zu bewilligen. Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben und die Widerklage durch Schlussurteil abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Widerklage - unter Zurückweisung des Löschungsanspruchs für die zwei weiteren mit Zwangssicherungshypotheken belasteten Grundstücke - stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will der Kläger auch im Übrigen die Abweisung der Widerklage erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht meint, dass der Beklagte von dem Kläger nach § 886 BGB oder § 894 BGB die Zustimmung zur Löschung der Vormerkungen auf den Grundstücken verlangen könne, die bis zum 1. Juli 2010 weder veräußert, verpfändet noch von Dritten mit Pfandrechten belastet worden seien.

5 Das Verfügungsverbot sei nämlich an diesem Tage, 30 Jahre nach dem im Übergabevertrag vereinbarten Zeitpunkt für den Übergang des Besitzes, der Nutzungen und der Lasten, erloschen. Die primär vereinbarte Bindungsfrist von 35 Jahren komme nicht zum Tragen, weil Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB nach Ablauf von 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam würden. Aber auch dann, wenn man eine solche allgemeine zeitliche Begrenzung für schuldrechtlich wirkende Verfügungsverbote verneine, sei die primär vereinbarte 35jährige Bindungsfrist unwirksam, da die nach § 138 Abs. 1 BGB zulässige zeitliche Grenze für ein Verfügungsverbot, das dem Zweck diene, den übertragenen Grundbesitz im Familienbesitz zu halten, nach 30 Jahren erreicht sei. Der durch eine Vormerkung gesicherte Rückübertragungsanspruch verleihe dem schuldrechtlichen Verfügungsverbot eine gewisse dingliche Wirkung, welche die Kernbefugnisse des Eigentümers betreffe, wobei sich hier eine zusätzliche besondere Belastung schon daraus ergebe, dass dem Beklagten bereits vor der Übertragung ein % Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz gehört habe. Die Bindung durch das Verfügungsverbot sei deshalb gemäß dem Rechtsgedanken der erbrechtlichen Vorschriften (§ 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1 Satz 1, § 2162 Abs. 1, § 2210 Satz 1 BGB) mit Ablauf von 30 Jahren weggefallen.

II.

6 Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Widerklage ist nicht deshalb begründet, weil bereits 30 Jahre seit dem Wirksamwerden des Unterlassungsanspruchs vergangen sind.

7 1. Richtig ist, dass der Beklagte, soweit innerhalb der vereinbarten Frist nicht gegen das schuldrechtliche Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 137 Satz 2 BGB) verstoßen worden ist, nach Fristablauf von dem Widerbeklagten die Zustimmung zur Löschung der auf seinen Grundstücken eingetragenen Vormerkungen verlangen kann. Worauf dieser Anspruch beruht, kann offen bleiben.

8 a) Er ergäbe sich aus § 894 BGB, wenn mit dem Ablauf der Befristung für das Verbot zugleich der durch die Vormerkung gesicherte Rückübertragungsanspruch erloschen wäre. Mit dem gesicherten Anspruch erlischt auch die akzessorische Vormerkung (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1972 - V ZR 76/71, BGHZ 60, 46, 50 und vom 26. November 1999 - V ZR 432/98, BGHZ 143, 175, 181), und das Grundbuch wird unrichtig (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1972 - V ZR 76/71, aaO und vom 28. Oktober 1989 - V ZR 94/87, NJW-RR 1989, 201).

9 b) § 886 BGB wäre dagegen einschlägig, wenn nur das schuldrechtliche Verfügungsverbot, jedoch nicht der gesicherte Rückübertragungsanspruch befristet wäre. Der Grundeigentümer kann nach § 886 BGB von dem Gläubiger die Beseitigung der Vormerkung verlangen, wenn der gesicherte Anspruch zwar noch besteht, aber demjenigen, dessen Grundstück oder Recht von der Vormerkung betroffen ist, eine die Geltendmachung des Anspruchs auf Dauer ausschließende materiell-rechtliche Einrede zusteht (vgl. BayObLGZ 1997, 223, 226).

10 2. Das Verfügungsverbot ist - entgegen der von dem Berufungsgericht vertretenen Ansicht - nicht bereits infolge Zeitablaufs erloschen. Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB werden nicht nach 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam.

11 a) Das Berufungsgericht ist allerdings einer im Schrifttum weit verbreiteten Auffassung gefolgt, nach der schuldrechtliche Verfügungsverbote mit Ablauf von 30 Jahren erlöschen (Großfeld/Gersch, JZ 1988, 937, 943 f.; Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 116 f.; MünchKommBGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 137 Rn. 5; Wiesmann, Zur Tragweite des § 137 BGB, S. 101 f.). Gestützt wird diese Auffassung - bei Unterschieden in der Begründung im Einzelnen - auf eine Rechtsanalogie zu den Vorschriften in § 462 Satz 1, § 544, § 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1, § 2262 Abs. 2 Satz 1, § 2210 Satz 1 BGB (MünchKommBGB/Armbrüster, § 137, 6. Aufl., aaO, mwN).

12 b) Andere verweisen darauf, dass es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, der die Geltung vertraglicher Verpflichtungen auf eine Frist von 30 Jahren begrenzt (Schack, JZ 1989, 609, 612; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45), und daher auch rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote nach § 137 Satz 2 BGB nicht schon wegen Ablaufs dieser Frist erlöschen, weil dem vereinbarten Untersagungsanspruch auch noch nach dieser Zeit ein anerkennenswertes Interesse zugrunde liegen könne (Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45; Schippers, MittRhNotK 1998, 69, 73).

13 c) Die letztgenannte Auffassung ist richtig. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält keine Bestimmung zur höchstzulässigen Geltungsdauer vertraglicher Verpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB.

14 aa) Eine zeitliche Obergrenze lässt sich (entgegen Großfeld/Gersch, JZ 1988, 937, 944 und Wiesmann, aaO) nicht daraus ableiten, dass durch langfristige Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB die Bestimmung in § 137 Satz 1 BGB unterlaufen werde. Angesichts der ausdrücklichen Regelung in § 137 Satz 2 BGB, nach der die Wirksamkeit schuldrechtlicher Unterlassungsverpflichtungen nicht davon berührt wird, dass nach Satz 1 BGB die Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers durch ein Rechtsgeschäft nicht mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen werden kann, sind schuldrechtlich wirkende Verfügungsverbote, auch wenn sie für eine lange Zeit vereinbart werden, nicht als Umgehung von § 137 Satz 1 BGB anzusehen. Diese Norm bezweckt zudem nicht den Schutz der persönlichen Freiheit des Rechtsinhabers, sondern dient der Sicherung des numerus clausus der Sachenrechte und der Zwangsvollstreckung (Senatsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 186 mwN), die der Gesetzgeber durch allein schuldrechtlich wirkende Verfügungsbeschränkungen nicht als gefährdet angesehen hat.

15 bb) Eine Höchstdauer von 30 Jahren für schuldrechtliche Verfügungsverbote lässt sich (entgegen Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 117) auch nicht daraus herleiten, dass für unbefristete Wiederkaufsrechte eine solche Frist gilt (§ 462 Satz 1 BGB). Diese Vorschrift enthält schon deshalb kein gesetzliches Leitbild für eine 30jährige Höchstdauer vereinbarter Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB (so jedoch Berger, aaO), weil die gesetzliche Ausschlussfrist für das Wiederkaufsrecht subsidiär ist und die Vertragsparteien auch längere, über 30 Jahre hinausgehende Fristen für die Geltendmachung eines Wiederkaufsrechts vereinbaren können (Senatsurteile vom 21. April 1967 - V ZR 75/64, BGHZ 47, 387, 392 und vom
29. Oktober 2010 - V ZR 48/10, NJW 2011, 515, 516 Rn. 8).

16 cc) Aus § 544 BGB, wonach für eine längere Zeit als 30 Jahre abgeschlossene Mietverträge nach Ablauf von 30 Jahren gekündigt werden können, ergibt sich (entgegen Großfeld/Gersch, aaO; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25) ebenfalls keine allgemeine Höchstgrenze für die Dauer schuldrechtlicher Verpflichtungen. Diese Vorschrift soll "ewige", vertraglich begründete Nutzungsrechte, sog. "Erbmieten" oder ähnliche Verhältnisse, verhindern (RGZ 66, 216, 220; Senatsurteil vom 20. Mai 1994 - V ZR 292/92, NJW-RR 1994, 971), schließt jedoch Verpflichtungen für darüber hinausgehende Zeiträume nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - I ZR 221/05, NJW 2008, 2995, 2996 Rn. 16 - 40jährige Haltbarkeitsgarantie).

17 dd) Schließlich lässt sich auch nicht aus den Befristungen in erbrechtlichen Vorschriften (§ 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1, § 2262 Abs. 2 Satz 1, § 2210 Satz 1 BGB) der Rechtssatz herleiten, dass Verpflichtungen nach § 137 Abs. 2 BGB nach Ablauf von 30 Jahren unwirksam werden.

18 Das Erbrecht beschränkt die Geltungsdauer bestimmter letztwilliger Verfügungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren nach dem Erbfall. Diese Befristungen verfolgen das Ziel, den Erben nicht 30 Jahre über den Tod des Erblassers hinaus an dessen Anordnungen zu binden (Schack, JZ 1989, 609, 612). Das Erbrecht trifft jedoch keine Bestimmungen für die Abreden, welche die Vertragsparteien im Zusammenhang mit einer Übertragung von Vermögensgegenständen zu Lebzeiten des Übertragenden vereinbaren. Ihm lässt sich demzufolge auch nicht entnehmen, dass die Geltungsdauer der in einem Übergabevertrag vereinbarten Unterlassungspflichten nach § 137 Satz 2 BGB auf einen Zeitraum von 30 Jahren nach dem Übergang des Eigentums auf den Übernehmer begrenzt ist, was im Übrigen zur Folge hätte, dass die Bindung des Übernehmers unter Umständen schon vor dem Ableben des Übertragenden endete.

19 Ob Verfügungsbeschränkungen, zu denen sich der Übernehmer in einem zur vorweggenommenen Erbfolge abgeschlossenen Übergabevertrag verpflichtet hat, 30 Jahre nach dem Tod des Übergebers unwirksam werden, weil sich aus dem Erbrecht ein Rechtssatz ergibt, dass der Erblasser nicht über diesen Zeitraum hinaus über sein Vermögen bestimmen können soll (so Schack, JZ 1989, 609, 612), kann dahinstehen. Diese Frist endete nämlich erst im Jahr 2037, mithin lange nach Ablauf der vertraglich vereinbarten 35jährigen Bindungsfrist.

20 3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstößt ein in einem Übertragungsvertrag dem Übernehmer auferlegtes Verfügungsverbot nach § 137 Satz 2 BGB auch dann nicht gegen die guten Sitten, wenn es länger als 30 Jahre dauert. Die 35jährige Bindung des Beklagten ist nicht deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

21 a) Rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote sind allerdings wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn sie die Verfügungsbefugnis des Schuldners auf übermäßige Dauer einschränken (Senatsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 190). Ob das der Fall ist, ist unter Würdigung aller Umstände, insbesondere des Maßes der Beeinträchtigung des Schuldners, der Dauer der Bindung und des durch die Verfügungsbeschränkung geschützten Interesses des Begünstigten zu entscheiden (vgl. Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46).

22 b) Das vereinbarte Verfügungsverbot mit einer Geltungsdauer von mehr als 30 Jahren stellt sich nicht - wie das Berufungsgericht meint - deswegen als sittenwidrig dar, weil der Zweck, dem das Verbot dienen soll, nach Ablauf von 30 Jahren erreicht ist. Der Zweck, das zum Gut gehörende Grundvermögen im Familienbesitz zu halten, ist zeitlos. Er ist nicht verwirklicht, wenn der Beklagte in einem Zeitraum von 30 Jahren nach der Übergabe keine den Zweck beeinträchtigenden Verfügungen vorgenommen hat. Der Beklagte wird dadurch auch nicht unverhältnismäßig belastet. Er hat mit dem Vertragsschluss das durch das Verfügungsverbot gesicherte Familieninteresse anerkannt und ist eine entsprechende vertragliche Bindung gegenüber der Übergeberin und seinen Geschwistern eingegangen, ohne die er das Vermögen nicht übertragen bekommen hätte.

III.

23 Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben, soweit darin der Widerklage stattgegeben worden ist. Die Sache ist jedoch insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

24 1. Die Sittenwidrigkeit eines Verfügungsverbots nach § 137 Satz 2 BGB kann sich nämlich nicht nur aus der Dauer, sondern auch aus dem Umfang der Verfügungsbeschränkung ergeben (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 190). Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist die Zulässigkeit des vereinbarten Verfügungsverbots allerdings bisher in den Tatsacheninstanzen nicht geprüft worden.

25 a) Das wäre hier jedoch geboten gewesen, weil das in § 4 des Übergabevertrags enthaltene Verfügungsverbot, das dem Beklagten jedwede Veräußerung oder Verpfändung eines der zum Gut gehörenden Grundstücke untersagt, wegen übermäßiger Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit nicht sein kann, § 138 Abs. 1 BGB.

26 b) Vertragliche Verfügungsverbote nach § 137 Satz 2 BGB beschränken zwar dann die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Schuldners in der Regel nicht übermäßig, wenn sie sich nur auf einen Gegenstand beziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, aaO); sie sind aber unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Knebelung des Schuldners als sittenwidrig anzusehen, wenn sie sich auf dessen gesamtes Vermögen erstrecken (vgl. Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 114; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46).

27 c) Die Einschränkungen der Verfügungsbefugnisse des Beklagten durch die in dem Übergabevertrag vereinbarten Veräußerungs- (§ 4 Nr. 1) und Verpfändungsverbote (§ 4 Nr. 4) liegen dazwischen. Das Verfügungsverbot erfasst zwar das gesamte Immobiliarvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einschließlich des dem Beklagten bereits zuvor gehörenden 50% Anteils; es erstreckt sich aber nicht auf das bewegliche Betriebs- und auf das Privatvermögen.

28 aa) Die Zulässigkeit solcher Verfügungsbeschränkungen wird allerdings im Schrifttum meistens bejaht (Faßbender, DNotZ 1986, 67, 75; von Hoyenberg, Vorweggenommene Erbfolge, Rn. 204; Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, Rn. 1559; Wegmann, Grundstücksüberlassung, 2. Aufl., Rn. 180) und nur von eigenen Autoren als bedenklich angesehen (Lüdtke-Handjery, DNotZ 1985, 332, 351; Mayer, Der Übergabevertrag, 2. Aufl., Rn. 228).

29 bb) Die Rechtsprechung sieht in solchen Verfügungsbeschränkungen indessen eine wesentliche Einschränkung bei der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung eines übernommenen Betriebs, zu der auch die Aufnahme von Krediten und deren dingliche Absicherung gehört (vgl.
Senat, Urteil vom 17. Oktober 2008 - V ZR 14/08, NJW 2009, 1135, 1136 Rn. 8 - zu einem Rentenkaufvertrag; OLG Celle, RdL 2002, 45 - zu einem Hofübergabevertrag). Ein Verfügungsverbot, das dem Erwerber ohne Ausnahme jede Verfügung über das Vermögen des Betriebs oder über dessen Grundvermögen untersagt, beschränkt die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Übernehmers in einem Maße, dass dieser seine Selbständigkeit und wirtschaftliche Handlungsfreiheit in einem wesentlichen Teil einbüßt, und stellt sich damit als sittenwidrige Knebelung dar (vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2008 - V ZR 14/08, aaO).

30 cc) Verfügungsverbote in Verträgen zur Übertragung der Grundstücke eines Guts sind, auch wenn sich der Grundbesitz seit vielen Generationen im Besitz einer Familie befindet, nicht anders zu beurteilen. Die mit dem Verbot verbundenen Einschränkungen bei der Bewirtschaftung des Betriebs, die die wirtschaftliche Existenz des Übernehmers gefährden können (vgl. Lüdtke-Handjery, DNotZ 1985, 332, 351, Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, Rn. 1564), stellen sich auch unter Berücksichtigung des grundsätzlich anzuerkennenden Interesses des Übergebenden, das übertragene Vermögen weiterhin im Familienbesitz zu halten, als eine unverhältnismäßige Einschränkung der Selbständigkeit und wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Übernehmers dar. Sie sind daher nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Übernehmer von dem Übergeber nicht die Zustimmung zu einer mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaft zu vereinbarenden und den Zweck des Verfügungsverbots nicht wesentlich gefährdenden Verfügung (Veräußerung oder Belastung) verlangen kann.

31 d) Gemessen daran ist das Verfügungs- und Belastungsverbot mit dem in § 4 vereinbarten Inhalt nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dem Beklagten sind danach alle Veräußerungen (sofern nicht an eheliche, leibliche Abkömmlinge) und ausnahmslos auch alle Verpfändungen verboten. Der Rückfallanspruch entsteht bei jedem Verstoß gegen das Verbot. Der Befugnisse des Übernehmers sind - solange das Verbot gilt - auf die aus dem Grundvermögen zu ziehenden Nutzungen beschränkt; jede Verfügung über das Eigentum an den Grundstücken ist ihm dagegen untersagt.

32 2. Ist ein solches Verfügungsverbot in einem Übertagungsvertrag vereinbart worden, muss jedoch geprüft werden, ob die nichtige Verfügungsbeschränkung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) um einen Anspruch des Schuldners auf Zustimmung des Begünstigten zu den ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entsprechenden Verfügungen zu ergänzen ist, um die Nichtigkeit des ganzen Vertrags zu vermeiden.

33 a) Die Nichtigkeit des Verfügungsverbots beträfe nämlich in diesen Fällen den Übergabevertrag insgesamt, weil vor dem Hintergrund der weitreichenden vertraglichen Regelungen zum Erhalt des Guts im Familienbesitz nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Vertrag auch ohne eine diesen Zweck sichernde Verfügungsbeschränkung abgeschlossen worden wäre. Die Gesamtnichtigkeit des Übergabevertrags nach § 139 BGB widerspräche jedoch ersichtlich dem Willen der Vertragsparteien. Sie führte nämlich oft dazu, dass mit dem Tod des Übergebers auf den Nachlass das gesetzliche Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden wäre, was zum Entstehen einer Miterbengemeinschaft nach § 2032 BGB und damit in der Regel zu einer Auseinandersetzung durch Teilung (§ 2049 i.V.m. §§ 750, 751 BGB) führte. Das stünde in einem klaren Gegensatz zu dem mit den Übergabeverträgen verfolgten Ziel, das gesamte Grundvermögen der Familie ungeteilt auf einen Abkömmling zu übertragen.

34 b) Danach wäre von einer Regelungslücke auszugehen, weil sich die vereinbarte Vertragsbestimmung über das Verfügungsverbot als nichtig erweist, die Parteien den Übergabevertrag jedoch nicht ohne eine der unwirksamen Bestimmung vergleichbare Abrede abgeschlossen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 1973 - VII ZR 140/71, BGHZ 60, 353, 362, vom 30. Oktober 1974 - VIII ZR 69/73, BGHZ 63, 132, 135; vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 77 und vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 120). In diesen Fällen wird es in der Regel dem Willen der Parteien entsprechen, das unwirksame Verfügungsverbot durch ein weniger weitreichendes zu ersetzen oder durch einen Anspruch auf Zustimmung zu ergänzen, um die ersichtlich nicht gewollte Rechtsfolge der Nichtigkeit des Übergabevertrags insgesamt zu vermeiden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1967 - III ZR 68/66, FamRZ 1967, 470, 471; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, 2. Aufl., § 137 Rn. 17; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46).

35 c) Eine solche Ergänzung des Vertrags setzt allerdings voraus, dass unter Anlegung des in § 157 BGB normierten Auslegungsmaßstabs bestimmt werden kann, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Abrede bekannt gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 1973 - VII ZR 140/71, BGHZ 60, 353, 362, vom 30. Oktober 1974 - VIII ZR 69/73, BGHZ 63, 132, 135; vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 77 und vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 120). Die Vereinbarungen über den Umfang und die Dauer der Verfügungsbeschränkung sprechen dafür, dass die Vertragsparteien den von ihnen verfolgten Zweck, das zum Gut gehörende Grundvermögen im Eigentum der Familie zu halten, so weit wie möglich sichern wollten und daher statt des unwirksamen Verfügungsverbots die im Rahmen des rechtlich Zulässigen am weitesten gehende Verfügungsbeschränkung vereinbart hätten. Dem entspräche eine Regelung, die das vereinbarte Verfügungsverbot um die Abrede ergänzt, dass der Übernehmer von der Übergeberin eine Zustimmung zu einer Veräußerung oder Belastung verlangen kann, wenn diese Maßnahme den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entspricht und den mit dem Verfügungsverbot verfolgten Zweck, das Eigentum in der Familie zu halten, nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet.

36 d) Diese rechtlichen Gesichtspunkte sind bisher von beiden Parteien nicht bedacht und in den Tatsacheninstanzen auch nicht erörtert worden. Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit zu einer Ergänzung des Vorbringens, insbesondere zu der hier in Betracht kommenden ergänzenden Vertragsauslegung.