Schadensersatz wegen culpa in contrahendo (§ 280,
311 II, 241 II BGB) bei vorvertraglichen Beratungsfehlern;
Kausalitätsvermutung: kein Erfordernis eines Entscheidungskonflikts (Aufgabe
der bisherigen Rspr.)
BGH, Urteil vom 15. Juli 2016 - V ZR
168/15 - OLG Zweibrücken
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
1. Die Vermutung der Ursächlichkeit eines
Beratungsfehlers des Verkäufers für den Entschluss des Käufers zum Erwerb
einer als Kapitalanlage angebotenen Immobilie (Kausalitätsvermutung) ist
auch anzuwenden, wenn sich der Käufer bei richtiger Information in einem
Entscheidungskonflikt befunden hätte (Aufgabe der entgegenstehenden
Rechtsprechung des Senats u.a. in den Urteilen vom 6. April 2001 - V ZR
402/99, NJW 2001, 2021, 2022; vom 30. November 2007 - V ZR 284/06, NJW 2008,
649 Rn. 10; vom 1. März 2013 - V ZR 279/11, NJW 2013, 1873 Rn. 20 und vom
25. Oktober 2013 - V ZR 9/13, Grundeigentum 2014, 118 Rn. 17).
2. Die Annahme einer nach durchgeführter Beratung des Käufers über die mit
dem Erwerb einer Immobilie verbundenen Belastungen konkludent vereinbarten
Haftungsfreizeichnung setzt konkrete Anhaltspunkte für einen Willen des
Käufers voraus, auf Schadensersatzansprüche wegen eines Beratungsfehlers zu
verzichten.
Zentrale Probleme:
Bislang hatte der BGH bei Beratungsfehlern einer
Kapitalanlage eine Vermutung der Kausalität des Fehlers für die
Anlageentscheidung des anderen Teils dann verneint, wenn sich dieser bei
richtiger Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Diese Einschränkung wird nun aufgegeben. S. dazu auch
BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 -
II ZR 273/12.
©sl 2017
Tatbestand:
1 Mit notariellem Vertrag vom 23.
Oktober 2007 kaufte der Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung zu
einem Preis von 144.000 €. Der Vertragsschluss wurde durch eine GmbH
herbeigeführt (im Folgenden: Vermittlerin), deren Geschäftsführer der Zeuge
E. E. war. Die Finanzierung des Erwerbs erfolgte durch Aufnahme eines
grundpfandrechtlich gesicherten Darlehens über 146.000 € und einen
Bausparvertrag mit einer Bausparsumme in gleicher Höhe, die zur Tilgung des
Darlehens eingesetzt werden sollte. Aus den Verträgen ergibt sich für den
Kläger eine monatliche Belastung von 797,25 € (675,25 € Darlehenszinsen und
122 € Ansparleistung). Der Kläger hat zudem einen nicht umlegungsfähigen
Hausgeldanteil von 63,93 € monatlich zu leisten. Diesen Ausgaben für die
Wohnung stehen Mieteinkünfte von 560 € monatlich sowie eine Steuerersparnis
von umgerechnet 74,69 € monatlich gegenüber.
2 Der Kläger behauptet, der Zeuge E. habe ihn über die Belastung aus dem
Erwerb der Wohnung falsch informiert, da dieser einen Überschuss der
Einnahmen einschl. der Steuervorteile über die Ausgaben von etwa 50 €
monatlich (640 € jährlich) errechnet habe. Das sei Grundlage für seinen
Kaufentschluss gewesen.
3 Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 1. ihn von der
Darlehensbelastung in Höhe von 146.000 € Zug um Zug gegen Rückübereignung
der Wohnung freizustellen, 2. an ihn 11.173,21 € zzgl. Zinsen für
verschiedene Aufwendungen (Vorfälligkeitsentschädigung, Grunderwerbsteuer,
Vollstreckungskosten, Notarkosten, nicht umlagefähiger Hausgeldaufwand) zu
zahlen, 3. die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz weiterer
Vermögensschäden festzustellen und 4. an ihn vorgerichtliche Kosten von
3.127,92 € zzgl. Zinsen zu zahlen.
4 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die
Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen
Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger
seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe: I.
5 Das Berufungsgericht meint, der Klage müsse der Erfolg schon
deshalb versagt bleiben, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass die
Falschberatung durch den Zeugen E. für den Kaufentschluss des Klägers und
die Inanspruchnahme der Finanzierung kausal geworden sei. Die
Vermutung der Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss greife
hier nicht ein, weil es die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts gegeben
habe. Die Einkommensverhältnisse des Klägers und das mietfreie Wohnen im
elterlichen Hause ließen den Erwerb der Wohnung zu den vereinbarten
Finanzierungskonditionen durchaus zu. Das werde auch durch das
nachvertragliche Zahlungsverhalten des Klägers belegt. Es liege daher nicht
auf der Hand, dass der Kläger bei sachgerechter Beratung von einem Erwerb
Abstand genommen hätte.
II.
6 Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7 1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts.
Verlangt der Käufer wegen schuldhafter Verletzung eines Beratungsvertrags
nach § 311 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB so gestellt
zu werden, als hätte er von dem Vertragsschluss abgesehen (vgl.
Senat, Urteil vom 27.
November 1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140, 111, 117; Urteil
vom 14. März 2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1814), setzt dies
voraus, dass der Beratungsfehler für das Zustandekommen des Kaufvertrags
ursächlich geworden ist.
8 2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht jedoch die
Ursächlichkeit zwischen dem von ihm unterstellten Beratungsfehler und dem
Vertragsschluss.
9 a) Liegt ein Beratungsfehler des Verkäufers vor - etwa durch ein
fehlerhaftes Berechnungsbeispiel, in dem die mit dem Erwerb der Immobilie
für den Käufer verbundenen Belastungen zu niedrig ausgewiesen worden sind -
wird die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Vertragsschluss zu
Gunsten des Käufers vermutet (Senat, Urteil vom 6. April 2001 - V
ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022; Urteil vom 14. Januar 2005 - V ZR 260/03,
WuM 2005, 205, 207; Urteil vom 20. Juli 2007 - V ZR 227/06, NJW-RR 2007,
1660 Rn. 18). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten
verletzt, darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei
pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also den Hinweis
unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Tatsachenangaben den
Vertrag so wie geschehen geschlossen hätte (Senat, Urteil vom 26.
September 1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303; Urteil vom 6. April 2001 -
V ZR 402/99, NJW 2001, 2021,
2022).
10 b) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats setzt die
Kausalitätsvermutung allerdings voraus, dass es für den anderen Teil bei
aufklärungsrichtigem Verhalten des Verkäufers vernünftigerweise nur eine
bestimmte Reaktion auf die Aufklärung gibt und die Möglichkeit eines
Entscheidungskonflikts ausscheidet (Senat, Urteil vom 6. April 2001
- V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022; Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 279/11,
NJW 2013, 1873 Rn. 20; Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 9/13,
Grundeigentum 2014, 118 Rn. 17).
11 aa) In den bislang entschiedenen Fällen hat der Senat die
Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts verneint. Die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des jeweiligen Käufers bewegten sich im Zeitpunkt der
Beratung nicht in einem Umfang, die es ihm vernünftigerweise ermöglicht
hätten, noch mehr als geringfügige Belastungen aus dem Wohnungserwerb zu
übernehmen (vgl. Senat, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 402/99,
aaO; Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 9/13, aaO). Stellt sich die
Belastung aus dem Erwerb nach den Verhältnissen des Käufers so dar, dass ihm
wegen seiner anderen laufenden Verbindlichkeiten alsbald der Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit droht (§ 18 Abs. 1 InsO) oder dass das ihm verbleibende
Einkommen unter die Pfändungsfreigrenzen sinkt (§ 850c, § 850i ZPO), stellt
sich das Unterlassen des Vertragsschlusses als alternativlos dar, weil der
Käufer mit dem Erwerb seine wirtschaftliche Existenz aufs Spiel setzte.
12 bb) So verhält es sich hier jedoch nicht.
13 Bei aufklärungsrichtigem Verhalten wäre der Kläger darüber zu
informieren gewesen, dass ihm bei einem zu 100 % finanzierten Erwerb
monatliche Aufwendungen von ca. 225 € entstehen, die er laufend - bis zur
Ablösung des Darlehens - aus seinem Nettoeinkommen von 2.300 €/mtl.
aufzubringen haben wird. Dass der Kläger - wie von ihm vorgetragen
- bei einer solchen Information in jedem Fall von dem Kauf Abstand genommen
hätte, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht völlig
zweifelsfrei.
14 Dafür spricht allerdings, dass der Erwerb der Wohnung deshalb als
besonders attraktiv dargestellt worden ist, weil der Kläger nach der
Berechnung des Zeugen E. ein Gewinn von ca. 50 € gemacht hätte. Bei einem
Erwerb einer Wohnung zu Anlagezwecken bildet die Angabe des monatlichen
Überschusses (Gewinnes) aus der Vermietung oder - wie es meistens der Fall
sein wird - des monatlichen Zuschusses bis zur Kredittilgung das Kernstück
der Beratung des Verkäufers (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober
2003 - V ZR 423/02, BGHZ 156, 371, 377; Urteil vom 14. Januar 2005 - V ZR
260/03, WuM 2005, 205, 206). Führt der Kauf der Wohnung nicht - wie
von dem Verkäufer vorgerechnet - zu laufenden Gewinnen, sondern zu Verlusten
aus deren Vermietung, die aus dem übrigen Einkommen oder Vermögen des
Käufers zu decken sind, liegt die Kausalität des Beratungsfehlers für den
Kaufentschluss nahe.
15 Ein Entscheidungskonflikt des Klägers bei richtiger Beratung kann
gleichwohl nicht ausgeschlossen werden. Da er die tatsächlichen monatlichen
Belastungen von ca. 225 € monatlich nach seinen persönlichen Verhältnissen
zu tragen vermag, hätte sich der Erwerb der Wohnung aus anderen
Gründen als eine für ihn wirtschaftlich vernünftige Entscheidung darstellen
können. Das hängt von seinen Anlagezielen ab. Der
Kauf hätte sich trotz des Zuschussbetrags als sinnvoll darstellen können,
wenn der Kläger nicht in erster Linie das Ziel verfolgt hätte, einen Gewinn
aus der Vermietung der Wohnung zu erzielen, sondern wenn es ihm vor allem um
spätere Einkünfte aus der Vermietung (im Alter) nach der Tilgung des zum
Erwerb aufgenommenen Kredits oder um die Realisierung eines Gewinnes durch
einen späteren Verkauf der Wohnung wegen einer von ihm erwarteten
Wertsteigerung gegangen wäre. Vor diesem Hintergrund kann nicht
festgestellt werden, dass bei aufklärungsrichtigem Verhalten kein
Entscheidungskonflikt bestanden hätte.
16 c) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats greift die
Kausalitätsvermutung nicht ein, wenn es für den anderen Teil
vernünftigerweise mehrere Möglichkeiten der Reaktion auf die richtige
Aufklärung gegeben hätte (vgl. Urteile vom 6. April 2001 - V ZR
402/99, NJW 2001, 2021, 2022; vom 30. November 2007 - V ZR 284/06, NJW 2008,
649 Rn. 10; vom 1. März 2013 - V ZR 279/11, NJW 2013, 1873 Rn. 20 und vom
25. Oktober 2013 - V ZR 9/13, Grundeigentum 2014, 118 Rn. 17). Daran
wird jedoch nicht festgehalten.
17 aa) Der Senat hatte seine Auffassung unter Bezugnahme auf die
frühere Rechtsprechung des für das Bankrecht zuständigen XI. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs begründet (vgl. Senat, Urteil vom 6. April 2001
- V ZR 402/99, NJW 2001, 2021, 2022), nach der die
Kausalitätsvermutung in den Fällen eines Entscheidungskonflikts bei
gehöriger Aufklärung nicht anzuwenden war (BGH, Urteil vom 10. Mai
1994 - XI ZR 115/93, NJW 1994, 2541, 2542; Urteil vom 11. März 1997 - XI ZR
92/96, NJW 1997, 2171, 2173). Diese Rechtsprechung hat der XI.
Zivilsenat mittlerweile aufgegeben. Er vertritt nunmehr, dass sich der
Ausschluss der Kausalitätsvermutung in den Fällen eines
Entscheidungskonflikts nicht mit dem Zweck der Aufklärungs- und
Beratungspflichten verträgt, dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über
den Abschluss bestimmter Geschäfte zu ermöglichen. Dieser Zweck könne nur
erreicht werden, wenn auch in solchen Fällen Unklarheiten, die durch die
Aufklärungspflichtverletzung bedingt seien, zu Lasten des
Aufklärungspflichtigen gingen, dieser also die Nichtursächlichkeit seiner
Pflichtverletzung zu beweisen habe (BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 -
XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 33 ff.; Beschluss vom 1. April 2014 - XI ZR
171/12, BKR 2014, 295 Rn. 9).
18 bb) Der II. Zivilsenat vertritt für die Fälle der
Aufklärungspflichtverletzung durch fehlerhafte Prospektangaben in ständiger
Rechtsprechung, dass bei einer unrichtigen oder unvollständigen Darstellung
von für die Anlageentscheidung wesentlichen Umständen nach der
Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung dafür bestehe, dass die
mangelhafte Prospektdarstellung für die Anlageentscheidung ursächlich war
(BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 346; Urteil
vom 2. Juni 2008 - II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 Rn. 19; Urteil vom 31. Mai
2010 - II ZR 30/09, NJW 2010, 2506 Rn. 17;
Urteil vom 11. Februar 2014 - II ZR
273/12, NZG 2014, 432 Rn. 10). Dies hat der II.
Zivilsenat auch für unrichtige mündliche Informationen durch die Personen
bejaht, die für entsprechende Angaben in einem Prospekt verantwortlich wären
(BGH, Urteil vom 2. Juni 2008 - II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 aaO).
Durch unzutreffende oder unvollständige Information werde in das
Recht des Anlegers eingegriffen, in eigener Entscheidung und Abwägung des
Für und Wider zu entscheiden, ob er in das Projekt investieren wolle oder
nicht (BGH, Urteil vom 5. Juli 1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106,
112 ff.; Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, aaO; Urteil vom 11. Februar
2014 - II ZR 273/12, aaO). Die Kausalitätsvermutung zu widerlegen,
sei daher Sache des Aufklärungspflichtigen (BGH, Urteil vom 22.
März 2010 - II ZR 66/08, NZG 2010, 709 Rn. 23).
Ob hierfür die Grundsätze des Anscheinsbeweises oder der
Beweislastumkehr anzunehmen sind, hat der II. Zivilsenat offen gelassen
(BGH, Urteil vom
11. Februar 2014 - II ZR 273/12, NZG 2014, 432 Rn. 11).
19 Der III. Zivilsenat geht für die Haftung der Anlagevermittler oder
Anlageberater davon aus, dass für den Ursachenzusammenhang zwischen einer
fehlerhaften Beratung und dem Anlageentschluss eine durch die
Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung spreche, dass der
Anlageinteressent bei richtiger Aufklärung von der Investition abgesehen
hätte (BGH, Urteil vom
9. Februar 2006 - III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 Rn. 22; Urteil vom 19. Juni
2008 - III ZR 159/07, BeckRS 2008, 13080 Rn. 8; Urteil vom 8. Juli 2010 -
III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 20; Urteil vom 14. April 2011 - III ZR
27/10, NJW-RR 2011, 1139 Rn. 13; Urteil vom 23. Juni 2016 - III ZR 308/15,
NJW 2016, 3024 Rn. 22). Die Kausalitätsvermutung habe der
Aufklärungspflichtige durch konkreten Vortrag zu entkräften (BGH,
Urteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, aaO; Urteil vom 8. Juli 2010 -
III ZR 249/09, aaO; Urteil vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, aaO). Der III.
Zivilsenat stützt diese Verteilung der Darlegungslast ebenfalls darauf, dass
der Anlagevermittler oder Anlageberater durch unzutreffende oder
unvollständige Informationen in das Recht des Anlegers eingreife, in
Abwägung des Für und Wider über die Investition zu entscheiden (vgl. BGH,
Urteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 Rn. 22).
20 cc) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung geht der erkennende
V. Zivilsenat nunmehr davon aus, dass die Vermutung der Ursächlichkeit eines
Beratungsfehlers des Verkäufers für den Entschluss des Käufers zum Erwerb
einer als Kapitalanlage angebotenen Immobilie (Kausalitätsvermutung) auch
anzuwenden ist, wenn sich der Käufer bei richtiger Information in einem
Entscheidungskonflikt befunden hätte. In diesem Fall ist es Sache
des Verkäufers, darzutun, dass die dem Käufer erteilten Fehlinformationen
für dessen Entscheidung zum Kauf irrelevant gewesen sind, der Käufer sich
also auch bei richtiger Aufklärung zum Erwerb entschlossen hätte.
21 Die Beratung durch den Verkäufer, der gewöhnlich nicht
verpflichtet ist, den Käufer über die Wirtschaftlichkeit des Erwerbs und
seinen Nutzen aufzuklären oder zu beraten (vgl. Senat, Urteil vom
13. Oktober 2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874 Rn. 13), insbesondere
die durch die Vorlage eines Berechnungsbeispiels, dient vornehmlich dem
Interesse des Verkäufers, die Vermittlung des Immobilienkaufs zu fördern
(vgl. Senat, Urteil vom 27. November 1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140,
111, 117; Urteil vom 14. März 2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812).
Ist der Vertragsschluss nach einer solchen Beratung des Verkäufers
erfolgt, ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass diese - wie
beabsichtigt - gewirkt hat und damit für den Vertragsentschluss des Käufers
ursächlich gewesen ist. Daran ändert es nichts, wenn dem Käufer bei
richtiger Beratung mehrere Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden
hätten. Vielmehr hat der Verkäufer, der durch eine fehlerhafte Beratung in
das Recht des Käufers eingewirkt hat, in eigener Entscheidung und Abwägung
des Für und Wider über den Kauf zu befinden, die die tatsächliche Vermutung
entkräftenden Umstände aufzuzeigen. Ob es sich bei der Kausalitätsvermutung
um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises oder um eine
zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (so der XI.
Zivilsenat, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 29)
handelt, lässt der Senat - wie der II. Zivilsenat (vgl.
BGH, Urteil vom 11. Februar
2012 - II ZR 273/12, NZG 2014, 432 Rn. 10) - offen.
22 3. Zur Entkräftung der Vermutung geeignete Tatsachen sind weder von dem
Berufungsgericht festgestellt noch von der Beklagten aufgezeigt worden. Die
Kausalitätsvermutung ist auch nicht - wie von dem Berufungsgericht
angenommen - deswegen entkräftet, weil der Kläger nach dem Erwerb die Lasten
der Sache getragen und nach dem Erkennen des Beratungsfehlers mit der
Inanspruchnahme des Verkäufers zugewartet hat. Die Entscheidung des
Berufungsgerichts ist in diesem Punkt ebenfalls fehlerhaft, weil die
tatrichterliche Würdigung insoweit auf Verstößen gegen die Denkgesetze
beruht. Ein solcher Verstoß liegt unter anderem dann vor, wenn der
Tatrichter Umständen Indizwirkungen zuerkennt, die sie nicht haben können
oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (Senat,
Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 273; BGH, Urteil vom
24. April 2001 - VI ZR 36/00, NJW 2001, 2880, 2882 - insoweit in BGHZ 147,
269 ff. nicht abgedruckt). So verhält es sich hier.
23 a) Die Tatsache, dass ein Erwerber die Lasten einer Immobilie getragen
hat, besagt nichts darüber, dass der Kauf eine für ihn vernünftige
Anlageentscheidung darstellte. Die weitere Bedienung des zum Erwerb
aufgenommenen Darlehens war vielmehr - wie von der Revision zutreffend
bemerkt - für den Kläger schon deshalb geboten, um eine Kreditkündigung und
Vollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden.
24 b) Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die
Vermutung der Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss sei
schon deswegen entkräftet (bzw. im Sinne des § 292 ZPO widerlegt), weil der
Kläger trotz Kenntnis von der monatlichen Zuzahlung von etwa 225 € mit der
Inanspruchnahme der Beklagten zugewartet habe. Dabei verkennt das
Berufungsgericht die Ambivalenz eines Zuwartens des falsch beratenen Käufers
bis zu seiner Entscheidung, gegen den Verkäufer wegen dessen Falschberatung
vorzugehen.
25 aa) Dass der Kläger erst im Jahr 2010 die Klage erhoben hat, lässt sich
ohne Weiteres mit seinem Vortrag vereinbaren, dass er einen mit erheblichen
Kosten und Risiken verbundenen Rechtsstreit zur Durchsetzung eines Anspruchs
auf schadensersatzrechtliche Rückabwicklung jedenfalls solange gescheut
habe, wie er keine Chancen dafür gesehen habe, die Falschberatung durch den
Vermittler zu beweisen. Hiervon geht auch die Revisionserwiderung aus.
26 bb) Die Kausalitätsvermutung wird auch nicht durch die Tatsache
entkräftet, dass der Kläger sich nicht unmittelbar nach Aufdeckung des
Beratungsfehlers zu einem außergerichtlichen Vorgehen gegen die Vermittlerin
oder die Beklagte entschlossen hat. Das Zuwarten des Klägers ist zwar ein
Indiz dafür, dass die Belastung für ihn insofern tragbar war, als sie nicht
zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führte. Ein solches
Verhalten des Käufers rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass der
Beratungsfehler für seinen Kauf-entschluss irrelevant gewesen ist, er also
auch bei richtiger Beratung gekauft hätte. Die gegenteilige Annahme des
Berufungsgerichts berücksichtigt nicht, dass sich die Situation für den
Käufer bei einer Aufdeckung des Beratungsfehlers vor und nach dem Erwerb
grundsätzlich anders darstellt. Wird der Fehler noch vor dem Vertragsschluss
entdeckt, kann der Käufer ohne weitere wirtschaftliche Nachteile von dem
Erwerb Abstand nehmen. Nach dem Erwerb muss der Käufer jedoch abwägen, ob
ein Vorgehen gegen den Verkäufer unter Berücksichtigung der damit
verbundenen Risiken für ihn sinnvoll ist oder ob es aus wirtschaftlichen
Erwägungen zweckmäßiger erscheint, sich mit dem unvorteilhaften Kauf
abzufinden. Der Käufer ist nicht im Interesse des Verkäufers gehalten,
sofort nach der Entdeckung eines Beratungsfehlers die
schadensersatzrechtliche Rückabwicklung des Kaufvertrags zu verlangen. Das
Interesse des Verkäufers gegenüber einer verspäteten Inanspruchnahme wird -
wie sonst auch - durch die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§
195 BGB) geschützt.
III.
27 Das angegriffene Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach dem Vortrag des Klägers
wäre die auf schadensersatzrechtliche Rückabwicklung gerichtete Klage
begründet.
28 1. a) Bei Zugrundelegung des Klagevorbringens ist zwischen den
Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Nach der Rechtsprechung des
Senats ist das der Fall, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender
Vertragsverhandlungen, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat
erteilt. Gleiches gilt, wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der
Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile
des Erwerbs vorlegt, welches der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses
dienen soll (Senat, Urteil vom 31. Oktober 2003 - V ZR 423/02, BGHZ
156, 371, 374; Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 279/11, NJW 2013, 1873 Rn. 7;
Urteil vom 19. Dezember 2014 - V ZR 194/13, NJW 2015, 1510 Rn. 8).
29 b) Die Beratung durch die Vermittlerin ist der beklagten
Verkäuferin nach § 164 Abs. 1 BGB zuzurechnen, da diese in deren Namen und
mit deren Vollmacht handelte. Dass die Beratung eines Vermittlers
auch im Namen des Verkäufers erfolgt, kann sich daraus ergeben, dass der
Berater in den verwendeten Prospekten als Vertriebspartner des Verkäufers
genannt ist, dass er von dem Verkäufer zur Verfügung gestellte
Berechnungsbeispiele verwendet oder dass - wie hier - der Verkäufer auf
einen Kontakt mit dem Kaufinteressenten verzichtet und es dem mit dem
Vertrieb beauftragten Berater überlässt, die Vertragsverhandlungen bis zur
Abschlussreife zu führen (Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 279/11, NJW
2013, 1873 Rn. 12; Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 9/13, Grundeigentum
2014, 118 Rn. 8).
30 Die Vermittlerin handelte auch mit Vollmacht des Klägers. Dies gilt
selbst dann, wenn der Vermittlerin im Innenverhältnis zu der Beklagten eine
Beratung der Kaufinteresssenten im Namen der Verkäuferin untersagt war.
Ein Beratungsvertrag mit dem Verkäufer kann auch zustande kommen,
wenn es an einer Innenvollmacht des Vermittlers fehlt oder wenn eine solche
Vollmacht auf Grund von Beschränkungen im Innenverhältnis zwischen dem
Verkäufer und dem Vermittler Beratungsverträge nicht umfasst. Aus den
Umständen kann sich nämlich eine stillschweigend erteilte Außenvollmacht des
Vermittlers (§ 167 Abs. 1 Fall 2 BGB) ergeben (Senat, Urteil vom
27. November 1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140, 111, 136 f.; Urteil vom 19.
Dezember 2014 - V ZR 194/13, NJW 2015, 1510 Rn. 11). Dabei kommt es
entscheidend darauf an, ob der Käufer den Umständen bei objektiver
Betrachtung eine solche Vollmacht entnehmen darf und welchen Umfang sie
danach aus seiner objektiven Sicht hat (Senat, Urteil vom 19. Dezember 2014
- V ZR 194/13, aaO). Vor diesem Hintergrund hat das erstinstanzliche Gericht
rechtsfehlerfrei eine Außenvollmacht der Vermittlerin unter Hinweis darauf
bejaht, dass die Beklagte keinen Kontakt zu dem Kläger hatte, sondern der
Vermittlerin bei den Verhandlungen mit dem Kläger freie Hand gelassen, diese
die Vertragsverhandlungen hat führen und den Vertrag in ihrer Vertretung hat
abschließen lassen.
31 2. Die Beratung war nach den Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil
schon deshalb fehlerhaft, weil dem Kläger ein im Berechnungsbeispiel nicht
ausgewiesener, nicht umlagefähiger Aufwand von jährlich 1.400 € entsteht.
32 3. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen fehlerhafter Beratung ist
- entgegen der von dem erstinstanzlichen Gericht vertretenen Rechtsansicht -
nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger ein undatiertes Protokoll
über die Beratung unterzeichnet hat.
33 a) Das Beratungsprotokoll enthält keinen Haftungsausschluss für
Beratungsfehler. Eine dahingehende Auslegung, wie sie das Landgericht
vorgenommen hat, hielte einer rechtlichen Prüfung durch das Revisionsgericht
nicht stand, weil sie dem anerkannten Grundsatz widerspricht, dass in erster
Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende
objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen ist (Senat, Urteil vom 18.
Dezember 2015 - V ZR 191/14, WM 2016, 361 Rn. 27; BGH, Urteil vom 10.
Dezember 1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 16; Urteil vom 11. September 2000
- II ZR 34/99, NJW 2001, 144). Eine Haftungsfreizeichnung für
Beratungsfehler des Vermittlers findet in dem Wortlaut der von dem Kläger
unterzeichneten Erklärungen keine Stütze. Eine Erklärung einer Seite, dass
nicht gehaftet werde, wenn die Angaben der Vermittlerin über den monatlichen
Eigenaufwand sich im Nachhinein als falsch erweisen sollten, ist in dem
Beratungsprotokoll nicht zu finden. Dieses enthält allein Bestätigungen des
Klägers, von der Vermittlerin über die geplante Finanzierung aufgeklärt und
über die Höhe der voraussichtlichen monatlichen Zahlung informiert worden zu
sein.
34 b) Das Landgericht hat zudem die Voraussetzungen einer konkludent
vereinbarten Haftungsfreizeichnung verkannt. Die Annahme einer nach Beratung
des Käufers über die mit dem Erwerb einer Immobilie verbundenen Belastungen
konkludent vereinbarten Haftungsfreizeichnung setzt voraus, dass konkrete
Anhaltspunkte für einen Willen des Käufers vorliegen, auf
Schadensersatzansprüche wegen eines Beratungsfehlers zu verzichten. Daran
fehlt es.
35 Der Senat hat bereits entschieden, dass eine nach erfolgter Beratung
vereinbarte Freizeichnungsklausel grundsätzlich weder das Zustandekommen des
Beratungsvertrags hindert noch die dem Grunde nach durch den Beratungsfehler
bereits entstandene Schadensersatzpflicht wieder zu Fall bringt (vgl. Senat,
Urteil vom 13. Oktober 2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874, 1875; Urteil vom
10. November 2006 - V ZR 73/06, juris Rn. 6). Eine erst in diesem Zeitpunkt
vereinbarte Haftungsfreizeichnung stellt sich als Erlass künftig - hier mit
dem Abschluss des Kaufvertrags - entstehender Schadensersatzansprüche des
Käufers aus fehlerhafter Beratung dar. Erlassverträge nach § 397 BGB über
noch nicht entstandene Ansprüche sind zwar möglich (vgl. BGH, Urteil vom 27.
September 1956 - II ZR 68/55, BB 1956, 1086; Urteil vom 28. November 1963 -
II ZR 41/62 BGHZ 40, 326, 330; Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 8/06, NJW
2007, 2556 Rn. 12). An die Feststellung des für eine solche Vereinbarung
erforderlichen Erlasswillens sind aber strenge Anforderungen zu stellen; ein
Verzichtswille darf nicht vermutet werden (Senat, Urteil vom 30. September
2005 - V ZR 197/04, BGHReport 2006, 4, 5; Urteil vom 8. Mai 2015 - V ZR
56/14, WM 2015, 1327 Rn. 26; BGH, Urteil vom 9. Februar 2009 - II ZR 292/07,
BGHZ 179, 344 Rn. 29). Das gilt auch für die Annahme eines Verzichts auf
künftige Ansprüche (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 8/06, NJW 2007,
2556 Rn. 12). Da bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher
Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer
interessengerechten Auslegung beachtet werden muss und die der Erklärung
zugrunde liegenden Umstände besondere Bedeutung haben (vgl. BGH, Urteil vom
15. Januar 2002 - X ZR 91/00, NJW 2002, 1044, 1046), bedarf es konkreter
Anhaltspunkte für die Feststellung des Willens des Käufers, durch eine
nachträglich vereinbarte Haftungsfreistellung auf Ansprüche aus fehlerhafter
Beratung zu verzichten. Umstände, die den Schluss auf einen solchen Willen
des Klägers zuließen, mit der Unterzeichnung des Beratungsprotokolls auf
Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Beratung zu verzichten, sind weder
festgestellt noch vorgetragen.
IV.
36 Die Revision erweist sich daher als begründet; der angefochtene Beschluss
ist aufzuheben (§ 522 Abs. 3, § 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nach dem festgestellten Sachverhältnis
nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil das Landgericht es
für möglich gehalten hat, dass die „Geschichte" in großen Teilen von dem
Zeugen E. und dem Kläger konstruiert worden sei, um eine Haftung der
Beklagten zu erreichen und das Berufungsgericht - von seinem
Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - hierzu keine Feststellungen getroffen
hat.
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