BGHZ 140, 111
NJW 1999, 638
WM 1999, 137
BB 1999, 177
ZIP 1999, 193
DB 1999, 328
LM H. 6 / 1999 § 675 BGB Nr. 259 Anm.
Pfeiffer
Zentrale Probleme:
s. Anm zu BGH NJW 1999,
3192 sowie zu BGH NJW 2001, 2630
Amtl. Leitsätze:
a) Bei einem auf Steuerersparnis angelegten
Immobilienverkauf kann die Erstellung eines "persönlichen Berechnungsbeispiels"
über die beim Käufer auftretenden steuerlichen Auswirkungen Gegenstand
eines besonderen Beratungsvertrags sein.
b) Die Verletzung einer vertraglich übernommenen
Beratungspflicht löst auch dann einen Schadensersatzanspruch aus,
wenn sie die objektbezogene Voraussetzung eines Steuervorteils (BGHZ 114,
263 = NJW 1991, 2556 = LM § 459 BGB Nr. 10) zum Gegenstand hat und
nur auf Fahrlässigkeit beruht.
Die Kl. kaufte von der Bekl. mit notariellem Vertrag
vom 31.1./4. 3. 1991 eine Eigentumswohnung. Der "Gesamtaufwand für
den Erwerb" setzte sich aus einem "reinen Wohnungskaufpreis" von 74412
DM und Renovierungskosten in Höhe von 19188 DM zusammen. Die Renovierungskosten
hatte der Urkundsnotar aus dem bei ihm hinterlegten Gesamtaufwand an den
Verwalter des Wohnungseigentums abzuführen. Der Kaufvertrag kam durch
Vermittlung der Firma Z Vermittlungsgesellschaft für Kapitalanlagen
mbH zustande, deren Mitarbeiterin der Kl. ein "persönliches Berechnungsbeispiel"
über die Steuerersparnis in der Erwerbsphase erstellte. Dieses ging
davon aus, daß die Renovierungskosten die Steuerschuld der Kl. im
Anschaffungsjahr als sofort abzugsfähige Werbungskosten verminderten.
Das Finanzamt behandelte die Renovierungskosten dagegen als Anschaffungsaufwand,
der lediglich mit der Abnutzung des Gebäudes abschreibungsfähig
sei. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Kl. hat den Kaufvertrag
aus einer Reihe von Gründen angefochten und die Bekl. aus verschiedenen
rechtlichen Gesichtspunkten auf Zahlung, zuletzt in Höhe von 128982,40
DM (Gesamtaufwand, Finanzierungsdisagio, Verluste aus Vermietung, Steuerberatungskosten)
Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums sowie auf die
Feststellung in Anspruch genommen, daß sie zum Ersatz weiterer, durch
den Kauf verursachter Schäden verpflichtet sei.
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos
geblieben. Die Revision war dagegen erfolgreich und führte zur Aufhebung
und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. verneint eine wirksame Anfechtung
des Kaufvertrags sowie unter Einbeziehung zusätzlicher Geschäftsbesorgungsverträge,
darunter eines mit der T-GmbH (im folgenden: T) abgeschlossenen Steuerberatungsvertrags,
Sittenwidrigkeit und Wucher. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens
bei Vertragsschluß scheitere daran, daß die für die Firma
Z aufgetretene Mitarbeiterin kein Verschulden an der objektiv unrichtigen
Auskunft über die steuerlichen Auswirkungen des Renovierungsaufwands
treffe. Die Bekl. habe unbestritten unter Vorlage zweier Schreiben der
T dargelegt, daß sich die Rechtsprechung des BFH zu der steuerlichen
Absetzbarkeit dieser Kosten erst nach der Erstellung des "persönlichen
Berechnungsbeispiels" geändert habe. Die Mitarbeiterin habe somit
nicht fahrlässig gehandelt, die künftige Entwicklung der Rechtsprechung
sei für sie nicht vorhersehbar gewesen. Dies hält der Revision
nicht stand.
II. Sie beanstandet zu Recht, daß sich das
BerGer. mit der Darstellung der steuerlichen Rechtslage in den Schreiben
der Steuerberatungsgesellschaft begnügt hat. Unbestritten konnte nur
der Inhalt der beiden Schreiben sein, über die Richtigkeit der dort
vertretenen Rechtsmeinung, mithin den Inhalt des deutschen Steuerrechtes,
mußte sich das BerGer. selbst ein Urteil bilden. Hierbei wäre
es ihm nicht verwehrt gewesen, sich der Hilfe eines Steuerfachmanns zu
bedienen (BGH, BGHRZPOO § 293, Steuerrecht 1). Dessen Meinung hätte
es allerdings in vollem Umfang überprüfen müssen, das Ergebnis
dieser Überprüfung wiederum wäre, da es revisibles Recht,
nämlich das Einkommensteuergesetz, zum Gegenstand hatte, uneingeschränkt
der revisionsrechtlichen Kontrolle unterlegen.
Der Senat hat die vom BerGer. unterlassene Prüfung
der Rechtsfrage nachgeholt. Danach wurde zwar erst durch das Urteil des
BFH vom 30. 7. 1991 (BFHE 165, 245; seither st. Rspr., vgl. BFHE 167, 102;
BFH, BFH/NV 1994, 852), mithin nach der Erstellung des "persönlichen
Berechnungsbeispiels", endgültig geklärt, daß Reparaturaufwendungen
beim sogenannten Erhaltungsmodell zu den Anschaffungskosten zählen
und nicht, auch nicht in begrenztem Umfang (vgl. Abschn. 157 Abs. 5 EStR;
BFHE 166, 203), als Erhaltungsaufwand sofort abzugsfähig sind. Anders
als es das BerGer. dem Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft entnimmt,
stellt die Entscheidung vom 30. 7. 1991 aber keine Änderung der Rechtsprechung
dar. Der BFH nimmt vielmehr auf seine frühere, zum gleichen Ergebnis
gelangende Rechtsprechung zum sogenannten Bauherrenmodell (BFHE 158, 546)
Bezug und führt aus, die dortigen Überlegungen kämen "erst
recht" beim Erhaltungsmodell zum Tragen. Im gleichen Sinne hatten zuvor
das FG Hamburg (EFG 1988, 625) und das FG Berlin (EFG 1983, 349) entschieden.
In der Literatur war zwar im Anschluß an das Urteil des BFH vom 14.
11. 1989 der Versuch unternommen worden, das Erhaltungsmodell vom Bauherrenmodell
abzugrenzen und seine steuerlichen Vorteile, wenigstens unter bestimmten
qualifizierten Voraussetzungen, zu retten. Dies verdeutlichte aber nur,
auf welch schwankendem Boden sich die steuerliche Rechnung der Vermittlerin
befand. Deren Mitarbeiterin hätte, wenn sie sich des "persönlichen
Berechnungsbeispiels" bediente, auf die Unsicherheit der steuerlichen Rechtslage
aufmerksam machen müssen. Da sie dies unterlassen hat, hat sie gegen
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen (§ 276 I 2 BGB).
III. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus
anderen Gründen als richtig dar.
1. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens
beim Vertragsschluß scheitert allerdings an der im Revisionsverfahren
nicht angegriffenen Feststellung des BerGer., daß der Mitarbeiterin
der Vermittlerin eine vorsätzliche Pflichtverletzung nicht zur Last
fällt. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, daß
die sofortige Absetzbarkeit des Renovierungsaufwands von den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung (§§ 21, 9 I 1u. 2 EStG) Gegenstand
einer Eigenschaftszusicherung i.S. des § 459 II BGB sein kann. Nach
der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 114, 263 [266f.] = NJW 1991, 2556 =
LM § 459 BGB Nr. 109; vgl. auch bereits BGHZ 79, 183 = NJW 1981, 864
= LM § 459 BGB Nr. 57) kommt als zusicherungsfähige Eigenschaft
der Kaufsache bei Steuervorteilen (dort nach § 7b EStG 1981 bzw. §
15 BerlinFG) zwar nicht die aus dem Gesetz folgende Ermäßigung
der Steuerschuld selbst in Frage; wohl aber kann der Verkäufer den
steuerlichen Vorteil in seinen objektgebundenen Voraussetzungen zusichern.
Darum geht es hier, denn der Renovierungsaufwand, der nach dem "persönlichen
Berechnungsbeispiel" den steuerlichen Vorteil nach sich ziehen sollte,
ist nicht an die Person des Erwerbers, sondern an den Zustand der Sache
geknüpft. Nur auf Fahrlässigkeit beruhende unzutreffende Erklärungen
des Verkäufers, die sich auf zusicherungsfähige Eigenschaften
der Kaufsache beziehen, begründen mit Rücksicht auf das Gewährleistungsrecht,
das Schadensersatz nur bei Nichteinhaltung einer Zusicherung oder bei arglistigem
Verschweigen eines Fehlers vorsieht (§ 463 BGB), keinen Ersatzanspruch
wegen Verschuldens bei Vertragsschluß (BGHZ
60, 319 [322] = NJW 1973, 1234 = LM § 459 BGB Nr. 33; BGHZ 114,
263 [266] = NJW 1991, 2556 = LM § 459 BGB Nr. 109).
2. Eine Haftung der Bekl. auf Schadensersatz kommt
aber wegen der Verletzung einer besonderen vertraglichen Beratungspflicht
in Frage. Die Rechtsprechung hat eine solche Beratungspflicht des Verkäufers
als eine zusätzlich zur Gewährleistung übernommene Nebenpflicht
oder, was hier in Frage kommt, als selbständige Hauptpflicht aus einem
Beratungsvertrag (vgl. Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 6. Aufl.,
Rdnr. 180) in Fällen bejaht, in denen der Verkäufer im Rahmen
eingehender Vertragsverhandlungen und auf Befragen des Käufers jeweils
einen ausdrücklichen Rat erteilt hatte (BGH, NJW 1958, 866 = LM §
459 Abs. 1 BGB Nr. 5; BGH, LM § 433 BGB Nr. 49 = WM 1977, 1027f.;
BGHZ 88, 130 = NJW 1983, 2697 = LM § 477 BGB Nr. 39; BGH, NJW 1984,
2938 = LM § 477 BGB Nr. 41 = ZIP 1984, 962 [965]; vgl. auch Senat,
NJW 1981, 1035 = LM § 249 [E] BGB Nr. 6 = WM 1981, 308). Die Verletzung
einer solchen Beratungspflicht begründet eine Haftung des Verkäufers
auch dann, wenn sich sein Verschulden auf Angaben über zusicherungsfähige
Eigenschaften der Kaufsache bezieht und nur auf Fahrlässigkeit beruht.
So liegen die Dinge hier. Das "persönliche
Berechnungsbeispiel" war das Ergebnis eingehender Vertragsverhandlungen.
Es diente der Bekl. als Instrument zur Vermittlung des auf Steuerersparnis
angelegten Erhaltungsmodells. Damit steht es einem auf Befragen des Käufers
erteilten Rat gleich. Eine Haftung der Bekl. scheidet auch nicht deshalb
aus, weil die T die objektbezogene Steuerberatung übernommen hatte.
Der Vertrag der Kl. mit der Steuerberatungsgesellschaft wurde erst nach
dem Kaufvertrag, nämlich am 25. 3. 1991/10. 5. 1993 abgeschlossen.
Er hatte die steuerliche Abwicklung des "Erhaltungsmodells" zum Gegenstand.
Hiervon ist die vorangegangene Beratung über die steuerliche Zweckmäßigkeit
des Modells angesichts der Einkommensverhältnisse der Kl. zu unterscheiden.
Sie lag nicht im Aufgabenbereich der T.
An der Beurkundungsbedürftigkeit des Kaufvertrags
(§ 313 S. 1 BGB) nahm der Beratungsvertrag nicht teil; denn er diente
zwar der Entschlußfassung über den Kauf, war vom Inhalt dieses
Entschlusses aber nicht abhängig. Es lag mithin kein rechtlicher Zusammenhang
zwischen den Geschäften i.S. der Erstreckung des Urkundserfordernisses
auf das an sich formfreie Geschäft vor (vgl. Senat, NJW 1987, 1069
= LM § 313 BGB Nr. 113 = WM 1987, 215).
3. Die Revisionserwiderung hebt, allerdings unter
dem Gesichtspunkt des vorvertraglichen Verschuldens, darauf ab, daß
die Vermittlung des Immobilienerwerbs typischerweise Maklertätigkeit
sei. Ohne nähere Feststellungen zum Inhalt des von der Bekl. erteilten
Auftrags sei eine Aussage darüber, ob Firma Z deren Erfüllungsgehilfin
gewesen sei, nicht möglich. Der Senat hat indessen den Grundstücksmakler,
dem von einer späteren Kaufvertragspartei die Führung der wesentlichen
Vertragsverhandlungen überlassen worden war, als deren Gehilfen bei
der Erfüllung der vorvertraglichen Sorgfaltspflichten angesehen (Senat,
NJW 1996, 451 = LM H. 3/1996 § 278 BGB Nr. 129 = WM 1996, 315). Die
dazu erforderlichen Feststellungen sind im Berufungsurteil getroffen, denn
danach hatte die Bekl. keinen Kontakt zu den Interessenten aufgenommen
und der Vermittlerin freie Hand gelassen.
Allerdings geht es hier nicht um einen Verstoß
gegen gesetzliche Pflichten im Vorfeld des Kaufvertrags, sondern um die
vertragliche Übernahme der Beratung des Kaufinteressenten und die
Erfüllung der hierbei eingegangenen Pflicht. Stellt sich indessen
bei der Vermittlung des Kaufvertrags diese Aufgabe und ist sie vom Verkäufer
dem Makler überlassen, so kann sich dessen stillschweigende Bevollmächtigung
zum Abschluß des Beratervertrags aus den Umständen ergeben (§
167 BGB). In einem solchen Falle sind an die Kundgabe des Willens, die
Beratung für den Verkäufer zu übernehmen und auszuführen
(§ 164 BGB), keine zu strengen Anforderungen zu stellen; dies gilt
jedenfalls, wenn der Vermittler zweifelsfrei keinen Auftrag vom Käufer
erhalten hat. Von diesen Voraussetzungen ist unter den Parteien auszugehen,
denn die individuelle Beratung über die mit dem "Erhaltungsmodell"
für den Käufer verbundenen Steuervorteile, im Streitfalle anhand
des "persönlichen Berechnungsbeispiels", war eine wesentliche Voraussetzung
für den erfolgreichen Abschluß der Verkaufsbemühungen.
Auf Vortrag, wonach die Firma Z (auch) im Auftrag der Kl. tätig geworden
sei, vermag die Revisionserwiderung nicht zu verweisen.
IV. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und
deshalb an das BerGer. zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen
(§ 565 I ZPO). Dieses wird zu entscheiden haben, ob die Kl. bei ordnungsgemäßer
Beratung, mithin bei einem Hinweis auf die rechtliche Ungefestigtheit des
steuerlichen Ansatzes, den Kaufvertrag abgeschlossen hätte. Ist dies
zu verneinen, ist zu prüfen, ob der Kl. durch den Abschluß des
Kaufs ein Schaden entstanden ist (vgl. die Rspr. des Senats zu dem insoweit
gleichgelagerten Falle des Verschuldens bei Vertragsschluß, Senat,
NJW 1998, 302 = LM H. 4/1998 § 249 [A] BGB Nr. 133 = WM 1997,
2303, und Senat, NJW 1998, 898 = LM H. 5/1998 § 249 [Fa] BGB Nr. 247
= WM 1998, 91). Liegt ein Schaden vor, kann die Kl., worauf ihre Anträge
abzielen, verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn sie vom Vertragsschluß
abgesehen hätte.