Verhältnis von kaufrechtlicher Gewährleistung (§
437 BGB) und Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB); Rechtsfolgen des
Fehlens der Geschäftsgrundlage: Anspruch auf Vertragsanpassung; unmittelbare
Leistungsklage bei verweigerter Mitwirkung
BGH, Urteil vom 30. September 2011 - V ZR 17/11
Fundstelle:
NJW 2012, 373
JZ 2012, 418 m. Anm. Teichmann
BGHZ 191, 139
Amtl. Leitsatz:
a) Der Anspruch der durch eine Störung der
Geschäftsgrundlage benachteiligten Partei auf Vertragsanpassung verpflichtet
die andere Partei, an der Anpassung mitzuwirken. Wird die Mitwirkung
verweigert, kann die benachteiligte Partei auf Zustimmung zu der als
angemessen erachteten Anpassung oder unmittelbar auf die Leistung klagen,
die sich aus dieser Anpassung ergibt.
b) Die Verletzung der Verpflichtung, an der Anpassung des Vertrages
mitzuwirken, kann Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen. Zu
einem Rücktritt vom Vertrag berechtigt sie die benachteiligte Partei nur
unter den Voraussetzungen des § 313 Abs. 3 BGB.
Zentrale Probleme:
Eine überaus lehrreiche und zu
Recht für BGHZ vorgesehene Entscheidung zur Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)
sowie zu ihrem Verhältnis zum Gewährleistungsrecht. Von besonderem Interesse
sind neben der lehrbuchartigen Prüfungen der Voraussetzungen auch die
Ausführungen zu den Rechtsfolgen einer Geschäftsgrundlagenstörung nach § 313
BGB. Der Senat bejaht einen daraus resultierenden Anspruch auf
Vertragsanpassung. Wirkt der andere Teil daran nicht mit, liegt darin eine
(vertragliche) Pflichtverletzung, die nach § 280 I BGB zum Schadensersatz
(hier: Ersatz des Verzugsschadens nach §§ 280 II, 286 BGB) führen kann. Der
Berechtigte kann in einem solchen Fall auch direkt auf die Leistung aus dem
anzupassenden Vertrag klagen. Das Urteil ersetzt dann wohl in einer Art
verdeckten Gestaltungsklage zugleich die vom anderen Teil abzugebende
Willenserklärung (§ 894 ZPO), s. dazu auch
BGH v. 3.12.2014 - XII ZB 181/13. Zur Möglichkeit eines Rücktritts, den § 313
III BGB nur für den Fall der Unzumutbarkeit einer Vertragsanpassung
vorsieht, kommt der Senat hier nur über die besondere Konstellation des
Einzelfalles: Dem Beklagten wird insoweit Einverständnis mit dieser
Rechtsfolge unterstellt (s. Tz. 27), s. dazu auch die kritische Anm. von
Teichmann JZ 2012, 418.
Ein Konkurrenzverhältnis zum Gewährleistungsrecht bestand hier deshalb
nicht, weil die geringere Grundstücksgröße keinen Sachmangel begründete (da
die angenommene Größe nicht vereinbart, sondern lediglich Motiv für die Höhe
der Gegenleistung war).
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©sl 2011
Tatbestand:
1 Mit notariellem Vertrag vom 4. November 2008
verpflichtete sich der Beklagte, eine unvermessene Fläche "von ca. 28.699 m2",
welche auf einem dem Vertrag beigefügten Lageplan eingezeichnet ist, an die
klagende Stadt zu übertragen. Als Gegenleistung übertrug die Stadt ein
28.699 m2 großes Flurstück an den
Beklagten. Ferner verpflichtete sie sich, einen auf einem Grundstück des
Beklagten gelegenen Weg in näher bestimmtem Umfang in Bitumen herzustellen.
Unter der Überschrift "Mangelhaftung" schlossen die Parteien Rechte wegen
eines Sachmangels aus und hielten ferner fest, dass wechselseitig keine
Garantie für Größe, Güte und Beschaffenheit des jeweiligen Kaufgegenstandes
übernommen werde.
2 Die Vermessung der in dem Lageplan eingezeichneten Fläche ergab eine Größe
von nur 18.632 m2. Die Klägerin
forderte daraufhin den Beklagten, welcher zwischenzeitlich als Eigentümer
der an ihn veräußerten Fläche in das Grundbuch eingetragen worden war, zu
einer Anpassung des Vertrages auf. Nachdem der Beklagte weder dem
Anpassungsvorschlag der Klägerin zugestimmt noch einen anderen Vorschlag
unterbreitet hatte, erklärte diese im Januar 2010 den Rücktritt vom
Vertrag.
3 Die Klägerin verlangt die Rückauflassung des an den Beklagten übertragenen
Grundstücks, hilfsweise die Zahlung von 18.120,60 € als Wertausgleich, sowie
Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Der Beklagte will im Wege der
Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Herstellung des Weges in
Bitumen erreichen.
4 Das Landgericht hat dem Antrag auf Rückübertragung stattgegeben; die
weitergehende Klage (Anwaltskosten) und die Widerklage hat es abgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage
abgewiesen und der Widerklage stattgegeben; die wegen der vorgerichtlichen
Anwaltskosten eingelegte Anschlussberufung der Klägerin ist ohne Erfolg
geblieben.
5 Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihren Klageantrag und den Antrag auf Zurückweisung der Widerklage
in vollem Umfang weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der
Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
6 Das Berufungsgericht hält den Vertrag für wirksam, insbesondere die
Leistung der Klägerin für ausreichend bestimmt. Die an den Beklagten zu
übertragende Fläche sei anhand der mitbeurkundeten Planzeichnung eindeutig
zu identifizieren. Die Klägerin sei auch nicht wegen Fehlens der
Geschäftsgrundlage oder wegen eines Sachmangels berechtigt, vom Vertrag
zurückzutreten. Die Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
werde durch die spezielleren Regelungen des Sachmängelrechts verdrängt.
Diese begründeten im konkreten Fall aber keinen Anspruch, weil die Parteien
nicht nur eine Haftung für Sachmängel ausgeschlossen, sondern ferner
vereinbart hätten, dass sie wechselseitig keine Garantie für die Größe des
jeweiligen Kaufgegenstands übernähmen. Angesichts dessen könne in der
Größenangabe "ca. 28.699 m2" keine
Vereinbarung einer Sollbeschaffenheit gesehen werden. Aufgrund der
fortbestehenden Wirksamkeit des Tauschvertrages sei die Klägerin zu dem
vereinbarten Ausbau des Weges verpflichtet. Ersatz vorgerichtlicher
Anwaltskosten könne die Klägerin schon mangels zugrundeliegenden
Hauptanspruchs nicht verlangen.
II.
7 Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8 1. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass der
zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nicht wegen fehlender
inhaltlicher Bestimmtheit der an die Klägerin verkauften Teilfläche
unwirksam ist.
9 Entgegen der Ansicht der Revision kommen der schriftlichen Größenangabe
("ca. 28.699 m2") im Text des
Vertrages und der zeichnerischen Darstellung in dem Lageplan, die eine
Fläche von nur 18.632 m2 umfasst, keine gleichrangige Bedeutung mit
der Folge zu, dass das Vereinbarte wegen der daraus folgenden Unbestimmtheit
seines Inhalts keine Bindung zu erzeugen vermag (§§ 145, 147 BGB;
vgl. Senat, Urteil vom 23. April 1999 - V ZR 54/98, NJW-RR 1999, 1030;
Urteil vom 23. November 2001 - V ZR 282/00, WM 2002, 202). Wird bei
dem Verkauf einer noch nicht vermessenen Grundstücksfläche der
Vertragsgegenstand - wie hier - in der notariellen Urkunde sowohl durch eine
bestimmte Grenzziehung in einem maßstabsgerechten Plan als auch durch eine
als ungefähr bezeichnete Flächenmaßangabe bestimmt, geht der objektive
Inhalt der Verkäufer- und der Käufererklärung in der Regel dahin, dass bei
Differenzen zwischen der bezifferten und der der Grenzziehung entsprechenden
umgrenzten Flächengröße die Bezifferung ohne Bedeutung und die Umgrenzung
allein maßgeblich ist (Senat, Urteil vom 30. Januar 2004 - V ZR
92/03, NJW-RR 2004, 735; Urteil vom 13. Juni 1980 - V ZR 119/79, WM 1980,
1013, 1014; Urteil vom 15. März 1967 - V ZR 60/64, WM 1967, 489). So liegt
es auch hier.
10 Der Einwand der Revision, der Klägerin sei es auf ein Tauschverhältnis
1:1 und damit auf die Größe der an sie zu übertragenden Fläche angekommen,
rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die unzutreffende Vorstellung
der Klägerin, die in dem Plan eingezeichnete Fläche entspreche - zumindest
annähernd -der Flächenangabe im Vertragstext, ändert nichts daran, dass ihr
objektiv erklärter Wille dahin ging, die in dem Plan eingezeichnete und auf
dieser Grundlage zu vermessenden Fläche zu erwerben. Dass diese Erklärung
von einem Irrtum bei der Willensbildung beeinflusst war, ist für die
Bestimmung des Leistungsgegenstands ohne Bedeutung.
11 2. Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung des
Berufungsgerichts, die Klägerin könne sich wegen dieses Irrtums nicht auf
einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB
berufen.
12 a) Richtig ist zwar, dass § 313 BGB im Anwendungsbereich der
Sachmängelhaftung nicht herangezogen werden kann, da andernfalls die den
Bestimmungen der §§ 437 ff. BGB zugrunde liegende Risikoverteilung über die
Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert würde (vgl.
BGH, Urteil vom 21. Februar 2008 - III ZR 200/07, MDR 2008, 615, 616 sowie
Senat, Urteil vom 7. Februar 1992 - V ZR 246/90, BGHZ 117, 159, 162 mwN zu
dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Schuldrecht). Das gilt auch
dann, wenn die Voraussetzungen einer Mängelhaftung im Einzelfall - etwa
aufgrund eines wirksamen Haftungsausschlusses - nicht vorliegen.
13 b) Allerdings besteht der Vorrang nur insoweit, als der
maßgebliche Umstand überhaupt geeignet ist, Sachmängelansprüche auszulösen
(vgl. Senat, Urteil vom 7. Februar 1992 - V ZR 246/90, aaO, S.
163). Das trifft auf die Größenangabe einer unvermessenen Teilfläche im
Vertragstext nicht zu, wenn die verkaufte Fläche, wie hier, auf einem
maßstabsgerechten und mitbeurkundeten Plan eingezeichnet worden ist. Wie das
Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend erkennt, bestimmt sich
die zu übertragende Fläche in einem solchen Fall nämlich allein nach der
mitbeurkundeten Planzeichnung. Das hat zur Folge, dass sich auch die
Sollbeschaffenheit des Grundstücks hinsichtlich Lage, Zuschnitt und Größe
nach der Zeichnung richtet. Mit der herausgemessenen Fläche von 18.632 m2
erhält die Klägerin mithin den Kaufgegenstand in der vereinbarten
Beschaffenheit; ein Sachmangel liegt gerade nicht vor.
14 Ebenso verhielt es sich in der Entscheidung des Senats vom 30. Januar
2004 (V ZR 92/03, NJW-RR 2004, 735), welche Anlass für die
Revisionszulassung durch das Berufungsgericht gegeben hat.
Auch dort
konnte die im Vertrag enthaltene Flächenangabe von 4000 m2
nicht Grundlage von Sachmängelansprüchen sein, weil sich der Kaufgegenstand
(einschließlich seiner Sollbeschaffenheit) allein nach der Eintragung der
Fläche in einem Lageplan richtete. Vermochte die Abweichung der bezifferten
von der zeichnerisch dargestellten Flächengröße aber keinen Sachmangel zu
begründen, war der Rückgriff auf die Grundsätze des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage nicht durch die Vorschriften über die Sachmängelhaftung
gesperrt.
15 3. a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht auch der
wechselseitige vertragliche Ausschluss der Sachmängelhaftung und einer
Garantie für die Größe, Güte und Beschaffenheit der Grundstücke einem
Anspruch wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht entgegen. Zwar
ist § 313 BGB nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung der
Geschäftsgrundlage ein Risiko verwirklicht, das nach den vertraglichen
Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fällt (BGH,
Urteil vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03, NJW 2006, 899, 901; Urteil vom
16. Februar 2000 - XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714, 1716; Senat, Urteil vom 1.
Juni 1979 - V ZR 80/77, BGHZ 74, 370, 373). So verhält es hier aber
nicht.
16 Nach den im Berufungsurteil in Bezug genommenen und mangels förmlicher
Gegenrüge auch für das Revisionsverfahren zugrunde zulegenden Feststellungen
des Landgerichts ist Geschäftsgrundlage die Annahme der Parteien
bzw. die dem Beklagten erkennbar gewordene und von ihm nicht beanstandete
Vorstellung der Klägerin geworden, dass die zu tauschenden Grundstücke
zumindest annähernd dasselbe Flächenmaß haben. Objektiver Ausdruck
dessen ist die Angabe der Größe der an die Klägerin zu übertragenden
unvermessenen Fläche im Vertragstext ("ca. 28.699 m2"),
die der ebenfalls in den Vertrag aufgenommenen Größe des als Gegenleistung
an den Beklagten zu übereignenden Grundstücks (28.699 m2)
entspricht. Die maßgebliche Annahme bezieht sich dabei allerdings
nicht auf eine bestimmte Beschaffenheit des einzelnen Grundstücks, sondern
auf das Flächenverhältnis der Grundstücke zueinander und damit auf das
Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung (Tauschverhältnis 1:1).
17 Das Risiko einer erheblichen Verschiebung dieses Äquivalenzverhältnisses
- sei es zu Lasten der Klägerin, sei es zu Lasten des Beklagten, wenn die in
den Plan eingezeichnete Fläche deutlich größer als angenommen gewesen wäre -
ist durch den Ausschluss jeglicher Mängelansprüche nicht der
hierdurch benachteiligten Vertragspartei auferlegt worden. Einer
solchen Annahme steht bereits entgegen, dass es sich bei der Differenz
zwischen der bezifferten und der der Grenzziehung im Lageplan entsprechenden
Flächengröße weder um einen Sachmangel noch um die Abweichung von einer
bestimmten Beschaffenheit handelt (vgl. oben II. 2. b). Der Ausschluss
darauf bezogener Rechte enthält also keine Aussage darüber, wer das Risiko
einer Störung des angestrebten Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und
Gegenleistung tragen sollte.
18 b) Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die Vorstellung, die in
dem Lageplan ausgewiesene Fläche entspreche 28.699 m2
und damit der Größe des von der Klägerin an den Beklagten tauschweise zu
übereignenden Grundstücks, auf einen Fehler im Verantwortungsbereich der
Klägerin bei der Einzeichnung in den Lageplan zurückgehen dürfte.
Ansprüche wegen beiderseitigen Irrtums über die für die Preisbildung
maßgeblichen Umstände setzen nicht voraus, dass die Fehlvorstellung auf
Seiten des Anspruchstellers unverschuldet ist; auch führt der Umstand, dass
eine zur Geschäftsgrundlage erhobene fehlerhafte Berechnung, Bewertung oder
sonstige Einschätzung von einer der Parteien stammt, grundsätzlich nicht
dazu, dass der anderen Partei eine Anpassung des Vertrages von vornherein
unzumutbar wäre.
III.
19 Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil
die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des
Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die
Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
20 1. Dies führt hinsichtlich des Hauptantrages zur Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils. Der Klägerin steht ein Anspruch auf
Rückauflassung des dem Beklagten übertragenen Grundstücks entsprechend § 346
Abs. 1 BGB zu, da sie wegen der Störung der Geschäftsgrundlage berechtigt
war, den Vertrag aufzulösen.
21 a) Angesichts der dem Tauschvertrag zugrunde liegenden Vorstellung, beide
Grundstücke seien aufgrund übereinstimmender Größe wertgleich (§ 313 Abs. 2
BGB; siehe oben zu II. 3. a) und einer Flächendifferenz von mehr als 10.000
rr|2 - dies entspricht einer Abweichung von 35 % gegenüber der von den
Parteien zugrunde gelegten Größe - ist der Klägerin ein Festhalten
an dem Vertrag in seiner ursprünglichen Form nicht zuzumuten, während dem
Beklagten ein Abgehen von dem Vereinbarten, beispielsweise durch
Rückübertragung eines der Größendifferenz entsprechenden Teils der ihm
übertragenen Fläche, angesonnen werden konnte.
22 b) Obwohl eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in
erster Linie zu einem Anspruch auf Vertragsanpassung führt, ist die
Klägerin berechtigt, sich von dem Vertrag zu lösen.
23 aa) Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Beklagte
vorprozessual die Aufforderungen zu Verhandlungen über eine
Vertragsanpassung ignoriert und die Klägerin daraufhin den Rücktritt vom
Vertrag erklärt hat.
24 (1) Zwar kann die Weigerung einer Vertragspartei, dem
berechtigten Verlangen der anderen Partei auf Anpassung des Vertrags zu
entsprechen, ausnahmsweise dazu führen, dass dieser ein weiteres Festhalten
an dem unveränderten Vertrag unzumutbar wird und sie daher zum sofortigen
Rücktritt vom Vertrag berechtigt ist. Dies kommt insbesondere in
Betracht, wenn andernfalls der Vertrag unter den als unzumutbar
anzuerkennenden Bedingungen zunächst fortgeführt werden und der
Anpassungsgläubiger noch weitere Nachteile als die bereits entstandenen auf
sich nehmen müsste (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1968 - VII ZR 89/66,
NJW 1969, 233, 234 für einen Bauvertrag).
25 Grundsätzlich besteht ein Rücktrittsrecht aber nicht allein
deshalb, weil der von einer Störung der Geschäftsgrundlage Begünstigte trotz
entsprechender (und berechtigter) Aufforderung, die Mitwirkung an einer
Vertragsanpassung verweigert. Der Rücktritt ist in § 313
Abs. 3 BGB nur nachrangig für den Fall vorgesehen, dass eine
Vertragsanpassung nicht möglich oder einer der Parteien nicht (mehr)
zumutbar ist (vgl. PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn.
25; Erman/Hohloch, BGB, 13. Aufl., § 313 Rn. 44). Angesichts der
Möglichkeit, den Anpassungsanspruch gerichtlich durchzusetzen, führt die
Weigerung des Begünstigten, an einer Vertragsanpassung mitzuwirken, für sich
genommen nicht dazu, dass dem Benachteiligten ein weiteres Festhalten an dem
Vertrag und dessen (künftige) Anpassung unzumutbar wird (vgl. AnwK/Krebs,
BGB, § 313 Rn. 83 sowie Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242 Rn. 268; zur
praktischen Durchsetzbarkeit eines Anspruchs auf Verhandlungen siehe - für
einen Vorvertrag - Senat, Urteil vom 12. Mai 2006 - V
ZR 97/05, NJW 2006, 2843, 2845 Rn. 26). Auch der Klägerin wäre
es zumutbar gewesen, ihren Anspruch auf Anpassung des Vertrages gerichtlich
durchzusetzen.
26 (2) Ein Rücktrittsrecht lässt sich auch nicht auf die Vorschrift
des § 323 Abs. 1 BGB stützen; diese wird durch die speziellere, vorrangig
auf eine Aufrechterhaltung des Vertrages gerichtete Regelung des § 313 Abs.
3 BGB verdrängt (so zutreffend Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2.
Aufl., § 313 Rn. 91; AnwK/Krebs, BGB, § 313 Rn. 83 aE; a.A.
Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 313 Rn. 41).
27 bb) Auch ohne wirksamen Rücktritt kommt es aber dann zu einer von
der benachteiligten Partei gewünschten Rückabwicklung des Vertrages, wenn
die Gegenseite im Prozess nur die Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 bzw. Abs.
2 BGB in Abrede stellt, ohne sich für den Fall, dass das Gericht eine
Störung der Geschäftsgrundlage annehmen sollte, gegen die Rückabwicklung des
Vertrages als deren Rechtsfolge zu wenden. Angesichts der Pflicht, an einer
Vertragsanpassung mitzuwirken, kommt einem solchen Verhalten der objektive
Erklärungswert zu, mit dem Vorschlag der Gegenseite (Rückabwicklung)
einverstanden zu sein (vgl. dazu
Senat,
Urteil vom 12. Mai 2006 - V ZR 97/05, NJW 2006, 2843, 2845 Rn. 26). Die
in § 313 Abs. 3 BGB angeordnete Nachrangigkeit des Rücktritts steht dem
nicht entgegen. Sie beruht auf dem Gedanken, dass die Auflösung eines
Vertrages tiefer in die Privatautonomie eingreift als dessen Anpassung (vgl.
PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn. 25), kommt also nicht
zum Tragen, wenn beiden Parteien nicht (mehr) an einer Aufrechterhaltung des
Vertrages gelegen ist.
28 So liegt es auch hier. Der Beklagte hat in den Vorinstanzen zwar in
Abrede gestellt, dass die Klägerin aus der Flächendifferenz Rechte herleiten
kann, aber für den Fall, dass ein Anspruch nach § 313 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2
BGB besteht, sich weder gegen die Auflösung des Vertrages als dessen
Rechtsfolge gewendet noch die Wirksamkeit des Rücktritts wegen Vorrangs der
Vertragsanpassung in Zweifel gezogen. Die mögliche Bereitschaft des
Beklagten zu Zugeständnissen im Rahmen eines auf die Beendigung des
Rechtsstreits gerichteten Vergleichs steht einem solchen Einwand nicht
gleich.
29 2. Eine abschließende Entscheidung ist auch hinsichtlich der Widerklage
und des mit der Anschlussberufung verfolgten Antrags auf Ersatz
vorgerichtlicher Anwaltskosten zu treffen.
30 a) Die Revision ist insoweit ebenfalls zulässig, da sie unbeschränkt
zugelassen worden ist. Der Tenor des Berufungsurteils enthält keine
Einschränkung. Zwar kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung auch
aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Hierfür dürfen
sich die Ausführungen aber nicht lediglich mit einer Begründung für die
Zulassung der Revision befassen, vielmehr muss aus den Entscheidungsgründen
der Wille des Berufungsgerichts, die Revision in bestimmter Hinsicht zu
beschränken, klar und eindeutig hervorgehen (Senat, Beschluss vom 29. Januar
2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366 mwN). Daran fehlt es hier. In
den Entscheidungsgründen heißt es, die Revision sei vor dem Hintergrund der
Senatsentscheidung vom 30. Januar 2004 (NJW-RR 2004, 735) und der dort nicht
angenommenen Verdrängung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
durch die Regelungen des Gewährleistungsrechts erfolgt. Das lässt den Willen
zu einer beschränkten Revisionszulassung nicht erkennen. Denn von der Frage,
ob sich die Klägerin auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann,
hängen auch der mit der Widerklage verfolgte Anspruch auf Herstellung des
Weges und ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Kosten
ab. Dass das Berufungsgericht die Zurückweisung der Anschlussberufung auch
auf einen zweiten, von dem Bestehen eines Rückgewähranspruchs unabhängigen
Grund gestützt hat, lässt diesen Zusammenhang nicht entfallen.
31 b) Hinsichtlich der Widerklage ist das erstinstanzliche Urteil
wiederherzustellen. Mit dem Rücktritt vom Vertrag ist die Grundlage für die
Verpflichtung der Klägerin entfallen, den Weg auf dem Grundstück des
Beklagten in Bitumen herzustellen.
32 c) Auf die Anschlussberufung der Klägerin sind ihr die geltend
gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des
Verzuges zuzuerkennen (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 286 BGB).
33 aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Beklagte
vorprozessual zunächst von der Klägerin selbst aufgefordert worden, an der
Vertragsanpassung mitzuwirken. Indem er hierauf nicht reagiert hat,
ist der Beklagte in Verzug geraten (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Denn der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.
November 2001 (BGBl. I S. 3138) eingeführte Anspruch auf Vertragsanpassung
nach § 313 Abs. 1 BGB verpflichtet die durch eine Störung der
Geschäftsgrundlage begünstigte Vertragspartei, im Zusammenwirken mit der
anderen Partei eine Anpassung des Vertrages herbeizuführen. Hierbei handelt
es sich um eine vertragliche Mitwirkungspflicht, deren Verletzung
Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann (so
auch Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 313 Rn. 41; Dauner-Lieb/ Dötsch,
NJW 2003, 921, 925; Riesenhuber, BB 2003, 2697, 2699; einschränkend
MünchKomm-BGB/Roth, 5. Aufl., § 313 Rn. 93).
34 Der dagegen erhobene Einwand, eine Verhandlungspflicht könne
nicht vollstreckt werden und sei daher abzulehnen (z.B.
PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn. 20; Bamberger/Roth/Unberath,
BGB, 2. Aufl., § 313
Rn. 85; Jauernig/Stadler, BGB, 13. Aufl. § 313 Rn. 27; AnwK/Krebs, BGB, §
313 Rn. 81), überzeugt nicht. Mit dem Anspruch der benachteiligten
Partei auf Vertragsanpassung korrespondiert die Verpflichtung der
begünstigten Partei, an dieser Anpassung mitzuwirken. Anspruch und
Verpflichtung sind zwei Seiten desselben Rechts. Durchgesetzt wird die
Mitwirkungspflicht demgemäß durch die gerichtliche Geltendmachung des
Anpassungsanspruchs. Hierzu kann die benachteiligte Partei eine von ihr
formulierte Änderung des Vertrages zum Gegenstand der Klage machen
(vgl. Senat, Urteil vom 12. Mai 2006 - V ZR 97/05,
NJW 2006, 2843, 2845 Rn. 26 für die aus einem Vorvertrag folgende
Mitwirkungspflicht) oder aber unmittelbar auf die Leistung klagen,
die sich aus der von ihr als angemessen erachteten Vertragsanpassung ergibt.
Letzteres ist nicht nur die Geltendmachung des Anspruchs aus der Anpassung,
sondern zugleich die Durchsetzung des Anspruchs auf Anpassung
(ähnlich jurisPK-BGB/Pfeiffer, 5. Aufl., § 313 Rn. 70; aA
PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn. 20).
35 bb) Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin stellte eine
durch den Verzug bedingte und zweckentsprechende Maßnahme zur
Rechtsverfolgung dar. Dass der Anwalt nach einer letztmaligen Aufforderung
zur Mitwirkung bei der Vertragsanpassung den Rücktritt vom Vertrag erklärt
und anschließend mit der Rückauflassung des Grundstücks eine andere Leistung
als die angemahnte Leistung von dem Beklagten verlangt hat, ändert nichts
daran, dass seine Inanspruchnahme durch den Verzug des Beklagten bedingt und
zur Durchsetzung der Rechte der Klägerin erforderlich war (vgl. BGH, Urteil
vom 9. März 2011 - VIII ZR 132/10, NJW 2011, 1222, 1224 Rn. 23).
IV.
36 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
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