Ansprüche bei
Annullierung eines Fluges nach der
FluggastrechteVO; Verhältnis zum nationalen Recht; Haftung aus § 280 I
BGB
BGH, Urteil vom 25. März
2010 - Xa ZR 96/09
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
1. Ein Luftfahrtunternehmen hat,
sobald eine erhebliche Störung im Flugplan auftritt, nach vernünftigem
Ermessen zu entscheiden, ob im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen dem
Interesse der Fluggäste an einer Durchführung des ursprünglich geplanten
Flugs und dem Interesse an einer möglichst frühzeitigen Bekanntgabe einer
notwendigen Annullierung der Flug bereits zu annullieren ist.
2. Aus Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ergibt sich kein
Schadensersatzanspruch. Die Grundlage für einen nach dieser Vorschrift
vorausgesetzten Anspruch muss sich aus dem nationalen Recht ergeben. Bei
Anwendung des deutschen Sachrechts schuldet ein Luftfahrtunternehmen gemäß §
280 Abs. 1 BGB seinen Fluggästen Schadensersatz, wenn es schuldhaft seine
Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 nicht
erfüllt.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ist eine gute Einführung in die Rechte
der Passagiere nach der
Fluggastverordnung (VO EG Nr.
261/2004) sowie ihr Verhältnis zum nationalen Recht. Kernaussage:
Schadensersatzansprüche blieben letzterem vorbehalten, bei Anwendung
deutschen Rechts also § 280 BGB. Dabei muß wohl gar nicht auf ein
vertragliches Schuldverhältnis zwischen dem Flugbeförderer und dem Passagier
abgestellt werden (das etwa bei einem Reisevertrag häufig gar nicht oder nur
in Form eines Vertrages zwischen Veranstalter und Fluggesellschaft zugunsten
des Reisenden besteht, s. dazu
BGHZ 93,
271). Die VO begründet durch die vertragsunabhängige Verpflichtung,
einen Ersatzflug bereitzustellen, ein gesetzliches Schuldverhältnis. Auch
auf ein solches ist § 280 I BGB selbstverständlich anwendbar. Freilich wäre
ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für einen Ersatzflug als Schadensersatz
statt der Leistung zu qualifizieren, der nur unter den Voraussetzungen der
§§ 280 I, III, 281 BGB ersetzbar ist. Unmöglichkeit (in Form des absoluten
Fixgeschäfts) liegt i.d.R. nicht vor, s. dazu sowie zur Abgrenzung zum
Reisevertrag die Anm. zu BGH
NJW 2009, 2743.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt von dem beklagten Luftfahrtunternehmen
... wegen der Annullierung eines Flugs unter anderem Ausgleichszahlungen
sowie die Erstattung der Kosten für einen Ersatzflug.
2 Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau einen Flug für den 25.
Oktober 2007 um 10.00 Uhr von Jerez de la Frontera (Spanien) nach Hahn.
Dieser Flug wurde von der Beklagten annulliert, weil das für den Flug
vorgesehene Flugzeug wegen Nebels nach Sevilla umgeleitet wurde und sodann
von dort direkt nach Hahn zurückflog. Die Beklagte bot dem Kläger und seiner
Ehefrau einen Ersatzflug für den übernächsten Tag an, den diese ablehnten.
Der Kläger buchte stattdessen für sich und seine Ehefrau noch für denselben
Tag bei einem anderen Luftfahrtunternehmen einen Flug über Madrid nach
Frankfurt am Main. Die Beklagte erstattete dem Kläger den gezahlten
Flugpreis von 20,-- €.
3 Mit seiner Klage hat der Kläger aus eigenem und von seiner Ehefrau
abgetretenem Recht Ausgleichszahlungen gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7
Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und
des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichsund
Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei
Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der
Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABl. 2004 Nr. L 46 S. 1 (im Folgenden:
Verordnung) in Höhe von jeweils 400,-- €, die
Erstattung der Kosten für den Ersatzflug in Höhe von 579,72 €, für
zusätzliche Verpflegung in Jerez in Höhe von 51,-- €, für die Beförderung
von Frankfurt am Main nach Hahn in Höhe von 24,-- €, für zusätzliche
Parkgebühren in Höhe von 8,-- €, jeweils nebst Zinsen, sowie die Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt.
4 Das Amtsgericht hat dem Kläger die geltend gemachten Verpflegungskosten
sowie die anteiligen Anwaltskosten zugesprochen und die Klage im Übrigen
abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage
in Höhe von insgesamt 1.062,72 € nebst Anwaltskosten stattgegeben und die
Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, der sich der Kläger
angeschlossen hat, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Aus den Gründen:
5 A. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig. ... (wird ausgeführt)
8 B. Die Revision und die Anschlussrevision sind begründet.
9 I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger stünden wegen der
Annullierung des gebuchten Flugs aus eigenem und abgetretenem Recht
Ausgleichzahlungen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der
Verordnung in Höhe von jeweils
400,-- € zu. Die Voraussetzungen, unter denen ein ausführendes
Luftfahrtunternehmen nach Art. 5 Abs. 3 der
Verordnung zu Ausgleichszahlungen
nicht verpflichtet ist, lägen nicht vor. Die Beklagte habe nicht ausreichend
dargelegt, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um die
Annullierung des Flugs zu verhindern. Die Beklagte habe insbesondere nicht
konkret dargelegt, warum das für den Flug vorgesehene und wegen des Nebels
in Sevilla gelandete Flugzeug auf dem Rückweg nach Deutschland nicht in
Jerez zwischengelandet sei und die dort wartenden Fluggäste aufgenommen
habe, statt leer von Sevilla nach Deutschland zurückzufliegen. Die
Wetterbedingungen hätten dies mittlerweile zugelassen. In Jerez habe nur bis
11.30 Uhr Nebel geherrscht, ab 11.45 Uhr sei es überwiegend, ab 12.30 Uhr
nur noch teilweise wolkig gewesen. Die Beklagte habe auch nicht konkret
dargelegt, dass eine solche Zwischenlandung aus flugtechnischer oder
flugorganisatorischer Sicht nicht möglich gewesen sei. Aufgrund dessen könne
dahinstehen, ob es der Beklagten, wie vom Kläger geltend gemacht, auch
zumutbar gewesen wäre, die Fluggäste mit Bussen nach Sevilla und von dort
aus mit dem vorgesehenen Flugzeug nach Hahn zu befördern.
10 Darüber hinaus stehe dem Kläger wegen der Annullierung des Flugs nach
Art. 12 der Verordnung weitergehender Schadensersatz in Höhe der Kosten für
den Ersatzflug, die Beförderung von Frankfurt am Main nach Hahn sowie die
zusätzlichen Parkgebühren zu. Die gewährte Ausgleichszahlung sei jedoch auf
den Schadensersatzanspruch hälftig anzurechnen.
11 II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
12 1. Ausgleichsansprüche gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der
Verordnung stehen dem Kläger weder
aus eigenem noch aus dem abgetretenen Recht seiner Ehefrau zu.
13 a) Die Grundvoraussetzungen eines solchen Anspruchs, dass der Fluggast
von einer Annullierung betroffen und diese von dem Luftfahrtunternehmen
außerhalb der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der
Verordnung genannten Fristen
mitgeteilt wurde, sind hinsichtlich des Klägers und seiner Ehefrau erfüllt.
Die Beklagte hat die Annullierung erst am Flugtag bekannt gegeben.
14 b) Die Beklagte ist jedoch gemäß Art. 5 Abs. 3 der
Verordnung von Ausgleichszahlungen
befreit, weil die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die
sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen
ergriffen worden wären.
15 aa) Die Annullierung des vom Kläger gebuchten Flugs beruhte nach den nach
§ 529 Abs. 1 ZPO auch für die Entscheidung des Berufungsgerichts
maßgeblichen Feststellungen des Amtsgerichts auf dem am Morgen des 25.
Oktober 2007 in Jerez herrschenden Nebel. Dieser Nebel, auf den die Beklagte
naturgemäß keinen Einfluss hatte, erlaubte die Landung des vorgesehenen
Flugzeugs in Jerez weder zur hierfür vorgesehenen Ankunftszeit noch zur
geplanten Abflugszeit des vom Kläger gebuchten Flugs, weshalb das Flugzeug
nach Sevilla umgeleitet wurde.
16 bb) Ob dieser Umstand für eine Befreiung von Ausgleichszahlungen gemäß
Art. 5 Abs. 3 der
Verordnung bereits ausreicht, weil
das ausführende Luftfahrtunternehmen in einem solchen Fall nur nachweisen
muss, dass sich die zur Annullierung führenden außergewöhnlichen Umstände
(hier die Wetterbedingungen) nicht hätten vermeiden lassen (so OLG Koblenz,
Urt. v. 11.1.2008 - 10 U 385/07, RRa 2008, 181, 182; offen gelassen von KG,
Urt. v. 23.11.2009 - 20 U 62/08, in juris Tz. 30), oder ob entsprechend der
Ansicht des Berufungsgerichts - für die neben Erwägungsgrund 15 schon
sprechen könnte, dass die Annullierung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung auf
außergewöhnliche Umstände zurückgehen (be caused; être due) muss - der
Anspruch auf Ausgleichszahlung erst dann ausgeschlossen ist, wenn weiterhin
auch die Annullierung selbst bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht
hätte vermieden werden können, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Die
Beklagte hätte die Annullierung nicht durch zumutbare Maßnahmen vermeiden
können.
17 cc) Die Annullierung wäre zwar vermieden worden, wenn die Beklagte die
Auflösung des Nebels abgewartet hätte und sodann das für den Flug
vorgesehene, in Sevilla gelandete Flugzeug in Jerez hätte zwischenlanden
lassen, um die dort wartenden Fluggäste aufzunehmen. Ein solches Vorgehen
war der Beklagten indessen nicht zuzumuten.
18 Gemäß dem Erwägungsgrund 12 der
Verordnung gehört es zu deren
Zielen, die betroffenen Fluggäste möglichst frühzeitig über die Annullierung
eines Flugs zu unterrichten, um ihnen eine zumutbare anderweitige
Beförderung anbieten zu können und damit sie frühzeitig umdisponieren
können. Dementsprechend wird das Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 5 Abs. 1
Buchst. c der Verordnung von Ausgleichszahlungen befreit, wenn es die
Annullierung innerhalb bestimmter Fristen vor dem Abflug bzw. unter
Gewährung angemessener Alternativen für eine anderweitige Beförderung
mitteilt. Die Verordnung bezweckt demnach nicht nur, eine Annullierung zu
vermeiden, sondern auch eine notwendige Annullierung möglichst frühzeitig
den Fluggästen mitzuteilen, weil erst hierdurch die Unterstützungsleistungen
gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 8 der
Verordnung insbesondere in Form der
Wahrnehmung einer anderweitigen Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt
zur Anwendung kommen können.
19 Daraus folgt jedoch nicht, dass bereits geringfügige Verzögerungen oder
sonstige Störungen des Flugbetriebs, sofern sie nur unvermeidbar sind,
ausreichen, um eine Annullierung zu rechtfertigen, selbst wenn sie nur eine
geringfügige Abweichung von der geplanten Abflugszeit erwarten lassen.
Vielmehr hat das Luftverkehrsunternehmen, sobald eine erhebliche Störung im
Flugplan auftritt, nach "vernünftigem Ermessen" zu entscheiden, ob im
Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen dem Interesse der Fluggäste an einer
Durchführung des ursprünglich geplanten Flugs und dem Interesse an einer
möglichst frühzeitigen Bekanntgabe einer notwendigen Annullierung der Flug
bereits zu annullieren ist. Dabei sind auch die Interessen anderer Fluggäste
zu berücksichtigen, die von der Entscheidung betroffen sind, weil sich die
verspätete Durchführung des Flugs oder seine Annullierung auf weitere
geplante Flüge auswirken würde. Für diese Entscheidung ist eine Prognose
erforderlich, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt sich der geplante
Flug wahrscheinlich durchführen lässt. Auch in anderen Konstellationen, für
die eine solche Prognose relevant wird, stellt die Verordnung maßgeblich auf
ein vernünftiges Ermessen ("prévoit raisonnablement", "reasonably expects")
ab. So sind die Prognosen, ob eine Beförderung zu verweigern sein wird (Art.
4 Abs. 1 der Verordnung), ob Unterstützungsleistungen gemäß Art. 9
anzubieten sind, weil die zu erwartende Abflugszeit eines neuen Flugs nicht
mehr für den gleichen Tag zu erwarten ist (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b), und
insbesondere ob solche Unterstützungsleistungen anzubieten sind, weil eine
Verspätung von zwei, drei oder vier Stunden - gestaffelt entsprechend der
Flugstrecke - zu erwarten ist, jeweils nach vernünftigem Ermessen zu
treffen. Die Entscheidung, ob und wann den Fluggästen die Annullierung eines
Flugs mitzuteilen ist, ist deshalb entsprechend diesem von der Verordnung
für ähnliche Konstellationen vorgegebenen Maßstab zu treffen.
20 dd) Nach einem solchen Maßstab war es der Beklagten am 25. Oktober 2007
nicht zuzumuten, länger abzuwarten, um eine zuverlässigere Prognose treffen
zu können, wann die Wetterbedingungen in Jerez eine Zwischenlandung des in
Sevilla gelandeten und für den vom Kläger gebuchten Flug vorgesehenen
Flugzeugs zulassen würden.
21 Der Pilot des für den annullierten Flug vorgesehenen Flugzeugs erhielt
nach den getroffenen Feststellungen ca. 20 Minuten vor der vorgesehenen
Landung, d.h. gegen 9.15 Uhr, einen Wetterbericht, demzufolge keine
ausreichende Sicht für eine Landung bestand. Nach Fliegen einer
Warteschleife über 10 bis 15 Minuten entschied sich der Pilot mangels
besserer Sicht, den Flughafen von Sevilla anzufliegen. Wie lange der Nebel
andauern werde, war zu diesem Zeitpunkt nicht mit Sicherheit vorhersehbar;
tatsächlich hielt er bis 11.30 Uhr an. Angesichts der geplanten Abflugszeit
von 10.00 Uhr entsprach es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt vernünftigem
Ermessen, die Risiken für eine weitere, erhebliche Verschiebung der
Abflugszeit als so erheblich einzuschätzen, dass die Entscheidung über eine
Annullierung des Flugs nicht weiter aufzuschieben war. Hätte es die
Beklagte, wie es das Berufungsgericht für geboten gehalten hat, unternehmen
wollen, die Genehmigung für eine Zwischenlandung in Jerez auf dem Rückflug
des in Sevilla gelandeten Flugzeugs nach Hahn einzuholen, hätte sie - sofern
eine solche Genehmigung überhaupt kurzfristig erlangbar gewesen wäre - damit
entweder zuwarten müssen, bis erkennbar wurde, wann die Wetterverhältnisse
eine Landung in Jerez ermöglichen würden, oder sie hätte die Genehmigung für
einen voraussichtlich sicheren späten Zeitpunkt beantragen müssen. In jedem
Fall war mit einer mehrstündigen Verzögerung des Abflugs in Jerez zu
rechnen. Angesichts dessen durfte die Beklagte auch berücksichtigen, dass es
ihr die unmittelbare Rückführung des in Sevilla gelandeten Flugszeugs nach
Hahn ermöglichte, Auswirkungen des Nebels in Jerez auf den Flugplan für
weitere Flüge, für die dieses Flugzeug ebenfalls vorgesehen war, zu
vermeiden oder jedenfalls in engen Grenzen zu halten. Im Hinblick auf die
unklaren Wetterbedingungen und die mit einer Zwischenlandung verbundenen
luftverkehrsrechtlichen und logistischen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten
war damit nach vernünftigem Ermessen keine Prognose für die Durchführbarkeit
des geplanten Flugs erkennbar, nach der ein weiteres Abwarten auf bessere
Wetterverhältnisse und die Durchführung einer Zwischenlandung der Beklagten
zuzumuten gewesen wären.
22 Die Annullierung beruhte damit nicht nur auf einem unvermeidbaren Grund -
dem Nebel -, sondern war auch im Übrigen nicht durch Anstrengungen zu
vermeiden, die der Beklagten mit Rücksicht auf die Interessen ihrer
Fluggäste zuzumuten waren. Die Beklagte ist deshalb von Ausgleichszahlungen
gemäß Art. 5 Abs. 3 der
Verordnung befreit.
23 2. Es hält der rechtlichen Nachprüfung gleichfalls nicht stand, dass das
Berufungsgericht dem Kläger den in der Berufungsinstanz noch anhängig
gebliebenen Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 611,72 €
(Ersatzflug, Beförderung nach Hahn, Parkgebühren) zugebilligt hat (auf den
es sodann 400,-- € Ausgleichsleistung angerechnet hat).
24 a) Fluggästen steht ein Anspruch auf Ersatz ihres weitergehenden
Schadens zu, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen seine Verpflichtungen
aus der Verordnung schuldhaft nicht erfüllt. Ein Schadensersatzanspruch
ergibt sich indessen nicht aus Art. 12 der Verordnung. Diese Vorschrift
setzt einen Schadensersatzanspruch voraus, begründet ihn aber nicht. Die
Grundlage für einen solchen Anspruch ist vielmehr in dem anwendbaren
nationalen Recht zu suchen. Im Streitfall unterliegt der
Luftbeförderungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten deutschem
Sachrecht. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. Juni
2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom
I"), ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6, findet nach Art. 29 dieser Verordnung auf den
Streitfall noch keine Anwendung. Grundsätzlich wäre nach Art. 28 Abs. 1,
Art. 31 Abs. 1 EGBGB das Sitzrecht des beklagten Luftfahrtunternehmens, hier
das ... Recht, anzuwenden (BGHZ 182, 24 Tz. 34 ff.). Beide Parteien haben
sich jedoch hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten
Schadensersatzanspruchs ausschließlich auf Vorschriften des deutschen Rechts
berufen, zuletzt in der Revisionsbegründung und der
Anschlussrevisionsbegründung; hierdurch haben sie stillschweigend eine
Rechtswahl i.S. des Art. 27 Abs. 1 EGBGB getroffen (vgl. statt vieler BGHZ
103, 84, 86; 154, 276, 278; MünchKomm-BGB/Martiny, 5. Aufl., Art. 3 Rom I-VO
Rn. 53 m.w.N.).
25 Nach dem deutschen Sachrecht steht dem Kläger
gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz von Mehrkosten
zu, wenn diese auf einer schuldhaften Verletzung der Pflichten der Beklagten
gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung beruhen.
Nach dieser Vorschrift haben Fluggäste unter anderem Anspruch auf eine
anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen
zum frühestmöglichen Zeitpunkt; damit einher geht die Pflicht des
Luftfahrtunternehmens, eine solche anderweitige Beförderung anzubieten und
durchzuführen.
26 b) Ob die Beklagte diese Pflicht verletzt hat, kann der Senat auf der
Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht
abschließend entscheiden. Aufgrund der Annullierung des geplanten Fluges
konnten die Fluggäste nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung wählen zwischen der
vollständigen Erstattung des Flugpreises, anderweitiger Beförderung zum
Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt
und anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren
Reisebedingungen zu einem späteren, vom Fluggast gewünschten Zeitpunkt. Das
Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger den
Flugpreis von 20,-- € erstattet hat. Es hat jedoch weder festgestellt, dass
der Kläger die Erstattung, noch dass er die anderweitige Beförderung zum
frühestmöglichen Zeitpunkt gewählt hat. Für die revisionsrechtliche Prüfung
ist daher bei der Revision der Beklagten zugrunde zu legen, dass der Kläger
den Anspruch auf anderweitige Beförderung verloren hat, und bei der
Anschlussrevision, dass dies nicht der Fall ist. Trifft ersteres zu, wäre
die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, den Kläger und seine Ehefrau
anderweitig zu befördern, womit es an einer Pflichtverletzung für den
geltend gemachten Schadensersatzanspruch fehlen würde.
27 c) Hatten der Kläger und seine Ehefrau hingegen eine anderweitige
Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt gewählt, kommt es darauf an, ob
die Beklagte mit dem erst für den übernächsten Tag, den 27. Oktober 2007,
angebotenen Ersatzflug ihrer Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung hinreichend gerecht geworden ist. Dazu hat das Berufungsgericht
keine Feststellungen getroffen. Das Berufungsgericht wird in diesem Fall zu
klären haben, ob die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger und seiner
Ehefrau einen Ersatzflug zu einem früheren Zeitpunkt als dem 27. Oktober
2007 anzubieten, insbesondere ob sie ihnen, wie vom Kläger geltend gemacht,
eine Busbeförderung nach Sevilla und einen Rückflug mit dem dort wegen des
Nebels gelandeten Flugzeug hätte anbieten müssen.
28 d) Sollte sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch als
begründet erweisen, wäre dieser nicht gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der
Verordnung im Wege der Anrechnung zu reduzieren, weil dem Kläger keine
anrechenbaren Ausgleichsansprüche zustehen.
29 III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben. Soweit der Kläger
Ausgleichszahlungen begehrt hat, kann der Senat in der Sache selbst
entscheiden und das klageabweisende Ersturteil wiederherstellen. Im Übrigen
ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.. |