"Fernwirkung" von
Beweisverwertungsverboten im Zivilprozeß - "fruit of the poisonous
tree"-Doktrin im deutschen Recht?
BGH, Urteil vom 1. März
2006 - XII ZR 210/04
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsätze:
a) Zur Verwertbarkeit
eines gerichtlichen Abstammungsgutachtens, das nicht hätte eingeholt werden
dürfen, weil die Anfechtung der Vaterschaft auf eine heimlich eingeholte
DNA-Analyse gestützt war (Fortführung der Senatsurteile
BGHZ 162, 1 und vom 12. Januar 2005 - XII ZR 60/03 - FamRZ 2005, 342
ff.).
b) Zu den prozessualen Möglichkeiten des Kindes, die Rechtmäßigkeit einer
solchen Beweisanordnung durch Zwischenurteil klären zu lassen.
Zentrale Probleme:
Der u. a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hatte am 12. Januar 2005 entschieden, dass eine ohne
Zustimmung des Kindes bzw. seiner allein sorgeberechtigten Mutter eingeholte
sogenannte DNA-Vaterschaftsanalyse im Rahmen einer
Vaterschaftsanfechtungsklage nicht verwertet werden kann (s. dazu die Anm.
zu BGHZ 162, 1 ff.).
Er hatte nunmehr über einen Fall zu entscheiden, in dem das
Oberlandesgericht im Jahre 2004 – also vor Bekanntwerden dieser
Rechtsprechung- die gegenteilige Auffassung vertreten und deshalb ein
Blutgruppengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten
Sachverständigen eingeholt hatte, demzufolge die Vaterschaft des Klägers
ausgeschlossen war. Es hatte deshalb der Klage stattgegeben und
festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater sei.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision machte das beklagte Kind geltend,
auch dieses Gutachten dürfe nicht verwertet werden, weil es in
prozeßordnungswidriger Weise erhoben worden sei. Da die Beweisanordnung auf
dem Verstoß gegen das Verbot der Berücksichtigung des „heimlichen“
DNA-Vaterschaftstests beruhe, setze sich das Verwertungsverbot, dem dieses
Privatgutachten unterliege, an dem vom Gericht eingeholten Gutachten fort
(sogenannte Fernwirkung).
Dem ist der Senat nicht gefolgt. Auch unter Berücksichtigung der sogenannten
„fruit
of the poisonous tree“-Doktrin sei das Ergebnis einer gerichtlichen
Beweisaufnahme im Zivilprozeß nicht schon deshalb unverwertbar, weil der
Beweis nicht hätte erhoben werden dürfen. Ein solches –in der
Zivilprozeßordnung nicht vorgesehenes- Verwertungsverbot komme allenfalls in
Betracht, wenn die Einholung oder Verwertung des gerichtlichen Gutachtens
einen erneuten Eingriff in die Grundrechte des Kindes bedeute, den es auch
unter Berücksichtigung verfassungsrechtlich geschützter Rechte des Klägers
nicht hinzunehmen brauche.
Die in den USA in Strafprozeß mit besonderer Rigidität
vertretene "fruit
of the poisonous tree“-Doktrin besagt, daß auch mittelbar
aufgrund eines Verfahrensverstoßes erlangte Beweisergebnisse stets einem
Verwertungsverbot unterliegen, weil sonst der Zweck der
Beweisverwertungsverbote unterlaufen werden könnte (daher: "Frucht des
verbotenen Baumes"). Bsp.: Durch eine durch Folter erlangte Aussage
(Verstoß gegen § 136a StPO) wird die Tatwaffe gefunden, an der sich
Fingerabdrücke des Täters befinden - darf die Waffe als Beweis verwertet
werden?
In Deutschland spricht man auch von der "Fernwirkung" von
Beweisverwertungsverboten. Die Übernahme der amerikanischen Doktrin wird
aber auch vom Bundesgerichtshof in Strafsachen grundsätzlich abgelehnt.
Grund dafür ist, dass die Beweisverbote im amerikanischen Recht vor
allem der Disziplinierung der Polizei dienen sollen, während in
Deutschland kein Parteienprozeß stattfindet, sondern eine eigenständige
Wahrheitserforschung durch das Gericht parallel zur
staatsanwaltschaftlichen und beide auch zugunsten des Angeklagten zu
ermitteln verpflichtet sind. Bestimmte Fernwirkungen sind aber auch in
Deutschland anerkannt (etwa bei Verstößen im Rahmen von Post- und
Telekommunikationsüberwachung), s. dazu etwa BGH NJW 2003, 1727, 1728
(Beweisverwertungsverbot bei mitgehörtem Telefonat).
Der BGH verweigert hier bewußt eine generelle
Stellungnahme zum Problem, sondern entscheidet nur den Einzelfall aufgrund
einer Abwägung der Grundrechte der Beteiligten. Aus dem Gebot der
Berücksichtigung des gesamten Inhalts einer durchgeführten Beweisaufnahme (§
286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) folge, daß mangels anderweitiger gesetzlicher
Regelung ein Verbot der Verwertung eines vom Gericht erhobenen Beweises nur
in Betracht kommt, wenn die Beweiserhebung ein verfassungsrechtlich
geschütztes Recht einer Partei verletzt, ohne daß dies zur Gewährleistung
eines im Rahmen der Güterabwägung als höherwertig einzuschätzenden
Interesses der anderen Partei oder eines anderen Rechtsträgers nach dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt erscheint. Dabei kommt er
zu dem Ergebnis, daß die Rechte des Kindes hier –anders als bei der
Verwertung des „heimlichen“ Vaterschaftstests- hinter dem Recht des Klägers
auf Kenntnis seiner Vaterschaft und auf Berücksichtigung des in einem
rechtsförmigen Verfahren eingeholten Abstammungsgutachtens zurückstehen
müsse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, daß das Kind im Verfahren die
Möglichkeit gehabt hätte, durch ein Zwischenurteil klären zu lassen, ob es
sich dem Blutgruppengutachten unterziehen müsse.
©sl 2006
Tatbestand:
Mit Urkunde vom 11. Januar 1996 erkannte der Kläger an, Vater des am 25.
Januar 1995 geborenen Beklagten zu sein. Er schloss mit dessen Mutter am 18.
Januar 1996 die Ehe, deren Scheidung er inzwischen begehrt und aus der zwei
weitere Kinder hervorgegangen sind.
Mit der vorliegenden, am 3. Juli 2003 bei Gericht eingegangenen und am 25.
August 2003 zugestellten Vaterschaftsanfechtungsklage begehrt der Kläger
festzustellen, dass er nicht der Vater des Beklagten sei.
Das Amtsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der Vortrag des
Klägers, es bestehe keine Ähnlichkeit des Beklagten mit seiner Familie, sei
bei sachgerechter Beurteilung nicht geeignet, Zweifel an seiner Vaterschaft
zu wecken; er genüge daher nicht den Anforderungen an die Schlüssigkeit
einer Vaterschaftsanfechtungsklage. Gleiches gelte für das von ihm
vorgelegte DNA-Vaterschaftsgutachten vom 29. Juli 2002, auch wenn er danach
als biologischer Vater auszuschließen sei. Dieses Gutachten sei nämlich vor
Gericht nicht verwertbar, weil es ohne Kenntnis und Zustimmung des Beklagten
und damit unter Verstoß gegen dessen Recht auf informationelle
Selbstbestimmung eingeholt worden sei.
Auf die Berufung des Klägers holte das Berufungsgericht, dessen Entscheidung
in FamRZ 2005, 1491 f. veröffentlicht ist, ein Blutgruppengutachten eines
öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für
Blutgruppengutachten ein. Dieses gelangte zu dem Ergebnis, die Vaterschaft
des Klägers sei offenbar unmöglich. Das Berufungsgericht gab sodann der
Klage statt.
Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten, mit der er die
Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die am 25. August 2003
rechtshängig gewordene Klage die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600 b
Abs. 1 BGB gewahrt. Der Beklagte sei für seine Behauptung beweisfällig
geblieben, "schon bald nach seiner Geburt" (25. Januar 1995) habe seine im
Vergleich zu seinen beiden (1996 und 1999 geborenen) Schwestern deutlich
dunklere Hautfarbe den Kläger veranlasst, mehr als nur vage Zweifel an der
zuvor anerkannten Vaterschaft zu äußern. Zudem habe die Mutter des Beklagten
anfängliche Zweifel des Klägers durch ihren Hinweis zu zerstreuen versucht,
es handele sich um ein in ihrer (dem Kläger nicht bekannten) Familie auch
sonst vorkommendes Merkmal, und damit eine Erklärung geliefert, die dem als
Arzt mit den Vererbungsgesetzen vertrauten Kläger habe einleuchten dürfen.
Somit sei die Anfechtungsfrist nicht vor Kenntnis des Klägers vom Ergebnis
des 2002 eingeholten privaten Abstammungsgutachtens in Lauf gesetzt worden.
Das wird von der Revision nicht angegriffen und ist auch sonst
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Allerdings rügt die Revision zu Recht, das Berufungsgericht hätte die
Klage - anders als das Amtsgericht - nicht schon aufgrund des vom Kläger
vorgelegten privaten Abstammungsgutachtens als schlüssig ansehen und deshalb
auch nicht allein daraufhin Beweis erheben dürfen.
Wie der Senat - nach Verkündung des hier angefochtenen Urteils - entschieden
hat, kann nämlich ein heimlich eingeholtes DNA-Gutachten vor Gericht nicht
verwertet werden. Es ist daher auch als Parteivortrag ungeeignet, die
Schlüssigkeit einer Vaterschaftsanfechtungsklage herbeizuführen (Senatsurteile
vom 12. Januar 2005 BGHZ 162, 1 = FamRZ 2005, 340 ff. und - XII ZR 60/03
-FamRZ 2005, 342 ff.). Daran hält der Senat uneingeschränkt fest.
Um ein solches "heimlich" eingeholtes DNA-Gutachten handelt es sich hier, da
es an der erforderlichen Einwilligung des Kindes in die Untersuchung seiner
DNA fehlte. Der Kläger konnte als nur gemeinsam mit der Mutter zur
Vertretung des Kindes Berechtigter (§§ 1626 a Abs. 1 Nr. 2, 1629 Abs. 1 Satz
2 BGB) diese Einwilligung nicht anstelle des Kindes erteilen.-
3. Der Senat hat in diesen Entscheidungen zu erkennen gegeben, dass die
bisherigen hohen Anforderungen der Rechtsprechung an die Umstände, mit denen
ein Anfangsverdacht im Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu begründen ist, zu
überdenken sein werden (vgl. Senatsurteile vom 12.
Januar 2005 aaO jeweils unter 2). Ob die vom Kläger hier vorgebrachten
Verdachtsmomente (dunklere Hautfarbe, fehlende Ähnlichkeit) einen
ausreichenden Anfangsverdacht zu begründen vermochten, kann hier jedoch
dahinstehen.
Denn es kommt nicht darauf an, ob das Berufungsgericht die Klage bereits
wegen des vorgelegten Privatgutachtens für schlüssig gehalten hat, wovon
angesichts der Begründung der Revisionszulassung auszugehen sein dürfte.
Auch wenn das Berufungsgericht den weiteren Vortrag des Klägers in
Verbindung mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2003
überreichten Lichtbild des Beklagten und seiner Schwestern als schlüssig
angesehen und deswegen Beweis erhoben hat, wie die Revisionserwiderung dem
vor Einholung des gerichtlichen Gutachtens erteilten Hinweis des
Vorsitzenden vom 4. März 2004 entnimmt, ergäbe sich nichts anderes. Ferner
bedarf es keiner Entscheidung, in welchem Umfang eine solche Beurteilung der
revisionsrechtlichen Prüfung unterliegt. Denn auch dann, wenn das
Berufungsgericht mangels Schlüssigkeit der Klage die Einholung eines
Gutachtens eines öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für
Blutgruppengutachten nicht hätte anordnen dürfen, führt dieser
Verfahrensfehler nicht zur Aufhebung des auf dieses Gutachten gestützten
Urteils.
Es ist davon auszugehen, dass der Kläger sich das für ihn günstige und
seinen Vortrag bestätigende Ergebnis des gerichtlichen Gutachtens
stillschweigend zu eigen gemacht hat, und zwar zugleich mit der Verlesung
seines Berufungsantrages in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2004.
Spätestens damit erwies sich seine Klage, mag sie zuvor auch unschlüssig
gewesen sein, nunmehr als schlüssig (vgl. Erman/Holzhauer BGB 11. Aufl. §
1600 b Rdn. 4) und auch als begründet. Denn auch die Revision zieht die
Richtigkeit dieses Gutachtens nicht in Zweifel.
Dies gilt hier auch dann, wenn der Auffassung des OLG Celle (FamRZ 2006, 54,
55 a.E.) zu folgen wäre, nicht schon die Zustellung einer unschlüssigen
Vaterschaftsanfechtungsklage wahre die Frist des § 1600 b Abs. 1 BGB,
sondern erst die Erklärung des Klägers in diesem Verfahren, sich auf das
Ergebnis eines vom Gericht gleichwohl eingeholten Gutachtens zu berufen.
Denn auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2004 war die
zweijährige Anfechtungsfrist selbst dann noch nicht abgelaufen, wenn sie mit
Kenntnis des Klägers vom Ergebnis des Privatgutachtens vom 29. Juli 2002 zu
laufen begonnen hätte, wie das Berufungsgericht meint.
Im Übrigen vermag der Senat dieser Auffassung des Berufungsgerichts ohnehin
nicht zu folgen. Die Ausschlussfrist des § 1600 b Abs. 1 BGB soll den
Anfechtungsberechtigten, der von Umständen erfährt, die gegen seine
Vaterschaft sprechen, im Interesse der Rechtssicherheit in den
Familienbeziehungen und im Interesse des Kindes zwingen, innerhalb einer
angemessenen Frist zu entscheiden, ob er von der Möglichkeit,
Anfechtungsklage zu erheben, Gebrauch machen will oder nicht (vgl. auch
EuGHMR FamRZ 2006, 181 Rz. 39). Verwehrt ihm die Rechtsprechung des Senats
aber, eine solche Klage auf eine heimlich eingeholte DNA-Analyse zu stützen,
kann auch die Kenntnis von deren Ergebnis die Frist des § 1600 b Abs. 1 BGB
nicht auslösen. Denn nach dieser Vorschrift beginnt die Frist erst mit der
Kenntnis von Umständen zu laufen, auf die die Klage zulässigerweise und mit
Aussicht auf Erfolg gestützt werden kann.
4. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, auch das gerichtliche
Gutachten unterliege als ein in prozessordnungswidriger Weise gewonnenes
Beweisergebnis einem Verwertungsverbot: Da seine Einholung auf einem
Verstoß gegen das Verbot der Berücksichtigung des "heimlich" eingeholten
DNA-Gutachtens beruhe, setze sich das Verwertungsverbot, dem dieses
Privatgutachten unterliege, an dem vom Gericht eingeholten Gutachten fort.
Damit postuliert die Revision eine "Fernwirkung", die vor allem im
Strafprozessrecht (vgl. BGHSt 35, 32 ff.) auch als "fruit-of-the
poisonous-tree"-Doktrin (vgl. Justice Frankfurter in Nardone v. United
States, U.S. Supreme Court 308 U.S. 338 [1939]) nach wie vor kontrovers
diskutiert wird. Sie betrifft die Frage, ob ein an sich zulässiges
Beweismittel dann einem Verwertungsverbot unterliegt, wenn es ohne eine
zuvor in rechtswidriger Weise gewonnene Information nicht hätte erlangt
werden können.
Ob und in welchem Umfang die hierzu für den strafrechtlichen Bereich
vorgeschlagenen Lösungsansätze auch auf den Zivilprozess zu übertragen sind,
kann und braucht im Rahmen der vorliegenden Entscheidung nicht generell
geklärt zu werden. Jedenfalls ist die in der Zivilprozessordnung nicht
geregelte Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise und Beweismittel im
Zivilprozess in Rechtsprechung und Literatur noch nicht dogmatisch
befriedigend geklärt und erscheint nach wie vor eher konturenlos (vgl.
Kiethe MDR 2005, 965). Auch der Senat kann daher nicht umhin, sich auf eine
einzelfallbezogene Lösung zu beschränken.
a) Bei dem hier vom Berufungsgericht von Amts wegen eingeholten
Abstammungsgutachten handelt es sich nicht um ein Beweismittel, das sich die
vom Beweisergebnis begünstigte Partei auf rechtswidrige oder gar strafbare
Weise selbst verschafft hat. Die Lehre, die der Verwertung rechtswidrig
erlangter Beweismittel mit dem Arglisteinwand der gegnerischen Partei
begegnen will (vgl. Peters ZZP 76, 145, 150 f. m.N.; Kaissis, Die
Verwertbarkeit materiell rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess,
Diss. Heidelberg 1978 S. 46 ff.), bietet deshalb hier keinen geeigneten
Lösungsansatz. Denn der Kläger handelt nicht arglistig, wenn er sich ein
Beweisergebnis zu eigen macht, das er der Amtsermittlung des Gerichts
verdankt, gleichgültig, ob diese prozessordnungswidrig war oder nicht.
b) Daran schließt sich die weitere Frage an, wie sich ein solches
prozessordnungswidrig vom Gericht gewonnenes Beweisergebnis auswirkt.
aa) Ein Beweisergebnis ist im Zivilprozess nicht schon deshalb
unberücksichtigt zu lassen, weil es unter Verstoß gegen Vorschriften des
Verfahrensrechts gewonnen wurde (vgl. Senatsurteil vom 2. November 1988
- IVb ZR 109/89 - FamRZ 1989, 373 zu § 294 Abs. 2 ZPO a.F.). Denn nicht
aus jedem Beweisgewinnungsverbot folgt auch ein Beweisverwertungsverbot
(vgl. Fahl JuS 1996, 1013, 1014). Dem entspricht, dass das
Rechtsmittelgericht den Tatsachenvortrag einer Partei auch dann zu
berücksichtigen hat, wenn die Vorinstanz ihn nach § 296 Abs. 1 ZPO als
verspätet hätte zurückweisen müssen (vgl. BVerfG NJW 1985, 1150). Soweit es
sich hierbei um Vorschriften handelt, die der Verfahrensbeschleunigung
dienen, leuchtet dies unmittelbar ein, weil der einmal verfehlte
Regelungszweck auch durch Nichtberücksichtigung eines solchen Vortrags nicht
mehr erreicht werden könnte (vgl. Roth JZ 2005, 174, 176).
Es kommt auch sonst immer wieder vor, dass ein Instanzgericht rechtsirrig
von der Schlüssigkeit eines Parteivortrages ausgeht und deshalb Beweise
erhebt, deren Ergebnis sich die darlegungspflichtige Partei zu eigen und
damit ihren Vortrag erst schlüssig macht. Ein typischer Unterfall ist der
Ausforschungsbeweis. Auch in diesem Fall handelt es sich um ein
prozessordnungswidrig gewonnenes Beweisergebnis. Soweit ersichtlich,
bestehen in der eher spärlichen Rechtsprechung und Literatur hierzu aber
allein deswegen keine Bedenken gegen die Verwertung dieses Ergebnisses
(vgl. Peters aaO S. 157 m.N.; OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 1727 f.).
bb) Etwas anderes mag gelten, wenn der Verstoß gegen verfahrensrechtliche
Vorschriften (etwa gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit und
Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme) geeignet ist, die Güte des
Beweisergebnisses zu beeinträchtigen (vgl. Peters aaO S. 158 m.N.). Ein
derartiger Verstoß liegt hier aber nicht vor. Der gerügte Verfahrensfehler
betrifft allein die Anordnung der Beweisaufnahme, nicht aber die Art und
Weise ihrer Durchführung.
cc) Aus dem Gebot der Berücksichtigung des gesamten Inhalts einer
durchgeführten Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) folgt, dass mangels
anderweitiger gesetzlicher Regelung ein Verbot der Verwertung eines vom
Gericht erhobenen Beweises nur in Betracht kommt, wenn die Beweiserhebung
ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht einer Partei verletzt, ohne dass
dies zur Gewährleistung eines im Rahmen der Güterabwägung als höherwertig
einzuschätzenden Interesses der anderen Partei oder eines anderen
Rechtsträgers nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt
erscheint (vgl. OLG Celle aaO).
c) Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.
aa) Zwar darf das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten nicht verwertet
werden, weil es sich um ein Beweismittel handelt, das der Kläger sich
widerrechtlich, nämlich unter Verstoß gegen das Grundrecht des Beklagten auf
in-formationelle Selbstbestimmung, verschafft hat (vgl. Senatsurteile vom
12. Januar 2005 aaO).
bb) Hingegen verstößt die Verwertung des vom Gericht in einem rechtsförmigen
Verfahren eingeholten Gutachtens weder gegen das informationelle
Selbstbestimmungsrecht des Beklagten, noch verstieß die vom Gericht
angeordnete Blutentnahme gegen dessen Grundrecht auf körperliche Integrität
(Art. 2 GG). § 372 a ZPO sieht insoweit für den Fall einer nach § 355 Abs. 2
ZPO grundsätzlich unanfechtbaren Beweisanordnung die Pflicht vor, eine
Blutentnahme und deren Untersuchung auch gegen den eigenen Willen zu dulden.
Diese Verpflichtung wäre im übrigen sinnlos, wenn das auf diese Weise
gewonnene Beweisergebnis anschließend nicht verwertbar wäre.
Zwar setzt auch § 372 a ZPO voraus, dass die Feststellung der Abstammung
entscheidungserheblich und beweisbedürftig ist (vgl. Zöller/Greger ZPO 25.
Aufl. § 372 a Rdn. 3), was im Falle der Unschlüssigkeit einer
Vaterschaftsanfechtungsklage nicht der Fall ist. Um in einem solchen Fall
einen nicht gerechtfertigten Eingriff in Grundrechte abwehren zu können,
steht der Testperson aber ein Weigerungsrecht analog §§ 386 - 389 ZPO zu,
das entgegen § 355 Abs. 2 ZPO auch mit dem Fehlen der Erforderlichkeit der
Abstammungsfeststellung begründet und im Rahmen eines Zwischenstreits nach §
387 ZPO geltend gemacht werden kann, über den durch Zwischenurteil zu
entscheiden ist (vgl. Zöller/Greger aaO § 372 a Rdn. 13). Gegen ein solches
Zwischenurteil hätte das Berufungsgericht hier die Revision aus den gleichen
Gründen zulassen müssen, aus denen es die Revision gegen das hier
angefochtene Endurteil zugelassen hat.
Von diesem Weigerungsrecht des seinerzeit 9 Jahre alten und deshalb der
erforderlichen Verstandesreife für eine eigene Entscheidung ermangelnden
Beklagten hat der für ihn nach § 1909 Abs. 1 BGB bestellte
Ergänzungspfleger, der hierzu berufen gewesen wäre (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ
1998, 563, 564), keinen Gebrauch gemacht. Die Prozessbevollmächtigten des
Beklagten haben der Einholung eines Abstammungsgutachtens mit Schriftsatz
vom 29. März 2004 zudem lediglich mit der Begründung widersprochen, sie sei
aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zumutbar, weil die Anfechtungsfrist
bereits abgelaufen sei. Gegen den die Begutachtung anordnenden
Beweisbeschluss vom 1. April 2004 haben sie keine Gegenvorstellungen mehr
erhoben.
cc) Es kann dahinstehen, ob deshalb bereits davon ausgegangen werden kann,
der Beklagte habe sich, in seiner Willensbildung durch den Ergänzungspfleger
vertreten, der Begutachtung freiwillig unterzogen oder den damit verbundenen
Eingriff in seine Grundrechte gebilligt. Der Umstand, dass er der
Beweisanordnung unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach abgelaufene
Anfechtungsfrist widersprochen hatte, steht dem jedenfalls nicht zwingend
entgegen, da ihm dieser Einwand auch nach Einholung des
Abstammungsgutachtens erhalten blieb.
Jedenfalls wiegt ein etwa gleichwohl anzunehmender, allein auf der vom
Revisionsgericht später nicht gebilligten Auffassung des Oberlandesgerichts
in einer höchst umstrittenen Rechtsfrage beruhender erneuter Eingriff in das
in-formationelle Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Integrität einer
Partei dann nicht so schwer, dass er im Statusverfahren zur Unverwertbarkeit
des eingeholten Abstammungsgutachtens führen müsste. Dies gilt jedenfalls
dann, wenn das Verfahren - wie hier - dem Grundrechtsträger
Verfahrensgarantien einräumt, die es ihm ermöglichen, sich gegen eine
prozessordnungswidrig angeordnete Blutgruppenuntersuchung zur Wehr zu
setzen. In diesem Fall ist nämlich nicht nur das dem Interesse des Kindes
entgegenstehende, aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitende
Recht des Klägers auf Kenntnis seiner Vaterschaft oder Nichtvaterschaft
(vgl. BVerfG FamRZ 816, 820 unter C I 3 c) in die Güterabwägung
einzubeziehen, sondern auch dessen Recht, die ihm vom Gericht in einem
rechtsförmigen Verfahren bereits verschaffte Kenntnis im
Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu verwerten.
Anders als bei der Güterabwägung, die der Senat in seinen Urteilen vom 12.
Januar 2005 (aaO S. 342 und 344) im Hinblick auf die Verwertung eines
heimlich eingeholten DNA-Gutachtens vorgenommen hatte, brauchen diese Rechte
des Klägers hier nicht hinter den Grundrechten des Beklagten zurückzustehen.
Denn für den Beklagten ist es eher zumutbar, die statusrechtliche Folge
einer vor Gericht durch ein nach den einschlägigen Richtlinien erstattetes
Abstammungsgutachten zweifelsfrei nachgewiesenen und von ihm selbst nicht
mehr bestrittenen Nichtvaterschaft des Klägers hinzunehmen, als für den
Kläger, an einer nach diesem Beweisergebnis nicht bestehenden Vaterschaft
einschließlich der sich daraus ergebenden Unterhaltspflicht festgehalten zu
werden. |