Beweisverwertungsverbot bei heimlich eingeholtem DNA-Vaterschaftstest
BGH, Urteil
vom 12. Januar 2005 - XII ZR 227/03
Fundstelle:
NJW 2005, 497
BGHZ 162, 1
Amtl. Leitsatz:
Zur Frage der Verwertbarkeit
einer heimlich eingeholten DNA-Analyse im Vaterschaftsanfechtungsverfahren.
Zentrale Probleme:
Es geht um eine Vaterschaftsanfechtungsklage. Für deren Schlüssigkeit
genügt es aber nicht, daß der Anfechtende vorträgt, möglicherweise nicht der
Vater zu sein. Es bedarf vielmehr eines substantiierten Anfangsverdachts,
d.h. der Kläger muß konkrete Umstände vortragen, die bei objektiver
Betrachtung geeignet sind, Zweifel an seiner Vaterschaft zu wecken und die
Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend
erscheinen zu lassen.
Der BGH kommt hier zu dem Ergebnis, daß ein solcher Anfangsverdacht nicht
auf eine „heimliche“ DNA-Vaterschaftsanalyse gestützt werden kann: Die
Untersuchung des genetischen Materials eines anderen Menschen ohne dessen
ausdrückliche Zustimmung verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung. Dieses Grundrecht des Kindes braucht auch nicht hinter dem
Interesse des als Vater geltenden Mannes zurückzustehen, sich Gewißheit über
seine biologische Vaterschaft zu verschaffen. Deshalb darf das Ergebnis
einer solchen Untersuchung in einem Zivilprozeß auch nicht als Grundlage
eines Anfangsverdachts verwertet werden.
Auch die Weigerung des Kindes oder der Mutter als seiner gesetzlichen
Vertreterin, der Einholung einer solchen Analyse oder der Verwertung ihres
Ergebnisses zuzustimmen, ist als solche regelmäßig nicht geeignet, einen
Anfangsverdacht zu begründen.
S. auch BGH NJW 2003, 1727, 1728
(Beweisverwertungsverbot bei mitgehörtem Telefonat) sowie
BGH v. 1.3.2006 - XII ZR 210/04.
©sl 2005
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege erneuter Anfechtungsklage die Feststellung,
nicht der Vater der am 3. Oktober 1994 geborenen Beklagten zu sein.
Mit Urkunde der Stadt S. vom 20. Oktober 1994 (UR-Nr. ) hatten der Kläger
die Vaterschaft anerkannt und das Jugendamt der Stadt S. als gesetzlicher
Vertreter der Beklagten diesem Anerkenntnis zugestimmt.
Eine im Jahre 2001 erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage, die der Kläger auf
ein Gutachten über seine verminderte Zeugungsfähigkeit gestützt hatte, war
abgewiesen und die dagegen eingelegte Berufung des Klägers durch
rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 9. August 2002 (15
UF 42/02) zurückgewiesen worden.
Seine erneute Anfechtungsklage stützt der Kläger auf das Ergebnis einer
DNA-Vaterschaftsanalyse, die er ohne Kenntnis und ohne Einverständnis der
allein sorgeberechtigten Mutter der Beklagten am 21. Oktober 2002 in Auftrag
gegeben hatte. Nach dem Privatgutachten vom 1. November 2002 ist mit 100 %
Sicherheit ausgeschlossen, daß der Spender der einen Probe der Vater des
Spenders (oder der Spenderin) der zweiten Probe ist.
Insoweit behauptet der Kläger, Grundlage der Untersuchung sei zum einen sein
eigener Speichel, zum anderen ein von der Beklagten benutztes Kaugummi
gewesen. Die gesetzliche Vertreterin der Beklagten widerspricht der
Verwertung des Gutachtens.
Das Amtsgericht wies die Anfechtungsklage des Klägers ab. Das
Oberlandesgericht, dessen Entscheidung u.a. in FamRZ 2004, 481 ff.
veröffentlicht ist, wies die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurück.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches
Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die
Revision hat keinen Erfolg.
I. Die Vorinstanzen haben die erneute Anfechtungsklage für zulässig erachtet,
weil ihr insbesondere die Rechtskraft des zwischen den Parteien ergangenen
früheren Urteils vom 9. August 2002 nicht entgegenstehe. Denn die
Rechtskraft jenes Urteils erstrecke sich allein darauf, daß die dem Kläger
2001 attestierte verminderte Zeugungsfähigkeit nicht geeignet sei, den für
die Erhebung einer Anfechtungsklage erforderlichen Anfangsverdacht zu
begründen, während es sich nunmehr bei dem außergerichtlich eingeholten
DNA-Gutachten, demzufolge der Kläger von der Vaterschaft ausgeschlossen sei,
um einen anderen, neuen Lebenssachverhalt handele.
Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteile vom 22.
April 1998 - XII ZR 229/96 - FamRZ 1998, 955, 956 a.E. und vom 30. Oktober
2002 - XII ZR 345/00 - FamRZ 2003, 155, 156) und wird von der Revision als
ihr günstig nicht angegriffen.
II. 1. Das Berufungsgericht verneint, wie auch schon das Amtsgericht, die
Schlüssigkeit der Anfechtungsklage. Das außergerichtlich eingeholte
DNA-Gutachten sei nämlich nicht geeignet, den hierfür erforderlichen
Anfangsverdacht, das Kind stamme nicht von ihm, zu begründen. Abgesehen
davon, daß das Gutachten keine Feststellungen dazu enthalte, von wem das
untersuchte genetische Material stamme, könne das Ergebnis dieser
Untersuchung aus prozes-sualen Gründen im Anfechtungsverfahren nicht
verwertet werden, weil das untersuchte Material, soweit es von der Beklagten
stammt, ohne deren Zustimmung bzw. der Zustimmung ihrer gesetzlichen
Vertreterin und damit in rechtswidriger Weise erlangt sei. Denn die
heimliche DNA-Analyse des genetischen Materials eines anderen verletze
dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausformung als Recht auf
informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Dem stehe zwar ein
Recht des Klägers auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner
Vaterschaft gegenüber. Die Abwägung dieser beiden gegenläufigen
Grundrechtspositionen ergebe aber nicht, daß das Grundrecht der Beklagten
auf informationelle Selbstbestimmung dahinter zurückstehen müsse.
2. Dies hält den Angriffen der Revision stand.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1998
aaO und vom 30. Oktober 2002 aaO) reicht das bloße Vorbringen des Klägers,
er sei nicht der Vater des Kindes und ein gerichtliches
Sachverständigengutachten werde seine Vaterschaft ausschließen, für eine
Vaterschaftsanfechtungsklage nicht aus. Vielmehr muß der Kläger Umstände
vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der
Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Kläger zu wecken und die
Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz
fernliegend erscheinen zu lassen.
Daran fehlt es, ohne daß es hier schon einer Entscheidung bedarf, welche
Anforderungen an die Umstände, mit denen ein Anfangsverdacht zu begründen
ist, im einzelnen gegebenenfalls weiterhin zu stellen sind.
a) Entgegen der Auffassung der Revision begründet nicht schon die Weigerung
der Mutter und gesetzlichen Vertreterin der Beklagten, die Einholung des
DNA-Gutachtens nachträglich zu genehmigen und in seine Verwertung
einzuwilligen, als solche einen die Anfechtungsklage schlüssig machenden
Anfangsverdacht. Sie stellt auch keine Beweisvereitelung dar. Insbesondere
vermag der Senat sich nicht der von Mutschler (FamRZ 2003, 74, 76 a.E.)
vertretenen Ansicht anzuschließen, allein die Weigerung der Mutter oder des
Kindes, auf Bitten des (gesetzlichen) Vaters an einer DNA-Begutachtung
mitzuwirken, könne je nach den Umständen des Falles einen ausreichenden
Anfangsverdacht der Nichtvaterschaft begründen. Denn ein solches Verhalten
ist Ausfluß des - negativen - informationellen Selbstbestimmungsrechts.
Dieses würde ausgehöhlt, wenn die Weigerung, an einer außergerichtlichen
Begutachtung mitzuwirken, die Vaterschaftsanfechtungsklage eröffnen würde,
mit der Folge, daß die Informationen, die dieses Grundrecht schützen will,
immer dann im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme preisgegeben werden
müßten, wenn dies dem Willen des Betroffenen zuwiderläuft und die
freiwillige Preisgabe deshalb zuvor abgelehnt wurde.
Erst recht kann hier die Weigerung der gesetzlichen Vertreterin der
Beklagten, der Verwertung bereits rechtswidrig erlangter Informationen
nachträglich zuzustimmen, nicht als ein die Anfechtungsklage eröffnender
Umstand angesehen werden. Denn wenn das Gesetz eine Verpflichtung,
Untersuchungen zum Zwecke der Feststellung der Abstammung zu dulden, nur
unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, kann ihre Verweigerung nicht dazu
herangezogen werden, diese Voraussetzungen zu bejahen.
b) Auch die Vorlage eines heimlich eingeholten DNA-Gutachtens ist zur
Darlegung solcher Umstände nicht geeignet.
aa) Insoweit kommt es auf die Rüge der Revision nicht an, das
Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft versäumt, den angebotenen
Zeugenbeweis dafür zu erheben, daß eine der der Gutachterin vorgelegten
Speichelproben von einem von der Beklagten ausgespuckten Kaugummi und damit
von ihr stamme.
Desgleichen kommt es auch nicht auf die weitere Rüge an, das
Berufungsgericht habe seine Entscheidung nicht auf den erstmals im
Berufungsurteil erwähnten zusätzlichen Gesichtspunkt stützen dürfen, es sei
auch nicht nachgewiesen, daß die zweite Speichelprobe vom Kläger stamme,
ohne zuvor gemäß § 139 Abs. 2 ZPO auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen zu
haben.
Denn auch dann, wenn feststünde, daß die Gutachterin genetisches Material
der beiden Parteien untersucht hat, ist dieses Gutachten aus den vom
Berufungsgericht zutreffend dargelegten Gründen nicht nur als Beweismittel,
sondern auch als Parteivortrag im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht
verwertbar und daher unbeachtlich.
bb) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht sei zu
Unrecht von einer Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts
der Beklagten ausgegangen, weil auch diese ein schutzwürdiges Interesse an
der Feststellung ihrer Abstammung habe, das sich somit mit dem Interesse des
Klägers decke. Die Beklagte hat zwar ebenfalls ein grundgesetzlich
geschütztes Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung; die Entscheidung darüber,
ob sie dieses Recht wahrnehmen und ein entsprechendes Interesse geltend
machen will, bleibt aber ihr allein bzw. ihrer gesetzlichen Vertreterin
überlassen, zumal ihr Interesse auch dann schutzwürdig ist, wenn es dahin
geht, ihren gesetzlichen Status als Kind des Klägers gerade nicht in Frage
stellen zu lassen. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen
Abstammung schließt nämlich auch das Recht auf Unkenntnis ein (vgl. Bohnert
FPR 2002, 383, 389).
Soweit die Revision geltend macht, mit ihrer Weigerung verfolge die
gesetzliche Vertreterin der Beklagten nicht deren Interessen, sondern nur
ihr höchst egoistisches Eigeninteresse, ist dies schon revisionsrechtlich
als neuer Sachvortrag unbeachtlich.
3. Auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung, daß das
informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beklagten hier nicht hinter dem
Interesse des Klägers an der Feststellung seiner Nichtvaterschaft
zurückstehen müsse, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
a) Jede Untersuchung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greift
in das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte
Persönlichkeitsrecht, hier in der Ausprägung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung, ein. Dieses darf nur im überwiegenden Interesse der
Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die
Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz des öffentlichen
Interesses unerläßlich ist (vgl. BVerfG NJW 2001, 2320, 2321). Welcher
Stellenwert diesem Grundrecht beizumessen ist, ergibt sich beispielsweise
aus der gesetzlichen Einschränkung des § 81 g StPO in Verbindung mit § 2 des
DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes (DNA-IFG vom 7. September 1998 BGBl. I
2646), die eine Feststellung und Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters
eines verurteilten Straftäters nur zuläßt, wenn Grund zu der Annahme
besteht, daß gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von
erheblicher Bedeutung zu führen sind.
Diesem Schutz des Grundrechts eines jeden Menschen, die Untersuchung seines
Genoms grundsätzlich von seiner Zustimmung abhängig zu machen, dienen auch
Art. 5 der Allgemeinen Erklärung zum menschlichen Genom und zu den
Menschenrechten (UNESCO Universal Declaration on the Human Genome and Human
Rights) vom 11. November 1997; Art. II-68 der Verfassung der Europäischen
Union (Amtsblatt C 310/43 vom 16. Dezember 2004); Art. 8 der Europäischen
Menschenrechtskonvention und, soweit es sich um das Recht eines Kindes
handelt, Art. 8 Abs. 1 und Art. 16 der UN-Kinderrechtskonvention vom 20.
November 1989 (BGBl. 1992 II 121).
b) Dies ist auch bei der Verwertung von Beweisen oder Kenntnissen im
gerichtlichen Verfahren zu beachten, gleichgültig, ob es sich um einen
Strafprozeß oder Zivilprozeß handelt. Denn der Richter hat kraft
Verfassungsgebots zu prüfen, ob von der Anwendung zivilrechtlicher
Vorschriften im Einzelfall Grundrechte berührt werden. Trifft dies zu, dann
hat er diese Vorschriften im Lichte der Grundrechte auszulegen und
anzuwenden (vgl. BVerfG NJW 1991, 2411 f. m.w.N.) und darf dies nicht als
praxisfern (vgl. Huber FamRZ 2004, 825, 826) oder als Ausfluß einer
"verfassungsrechtlichen Überhöhung" (vgl. Spickhoff FamRZ 2003, 1581 f.)
abtun.
So dürfen etwa rechtswidrig erlangte Kenntnisse aus dem heimlichen Mithören
eines Telefonats nur ganz ausnahmsweise in einem gerichtlichen Verfahren
verwertet werden, etwa dann, wenn sich der Beweisführer in einer
notwehrähnlichen Situation befindet oder erpresserischen Drohungen oder
einem kriminellen Angriff auf seine berufliche Existenz auf andere Weise
nicht begegnen kann. Demgegenüber reicht allein das Interesse, sich ein
Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus (vgl.
BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BGH, Urteil vom 18. Februar 2003 - XI ZR 165/02
- NJW 2003, 1727, 1728).
Demgemäß ist eine ohne Wissen des Betroffenen vorgenommene DNA-Analyse
beispielsweise auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht geeignet, eine
Verdachtskündigung zu rechtfertigen, sondern unterliegt einem
Verwertungsverbot (vgl. VGH Baden-Württemberg NJW 2001, 1082; vgl. auch EuGH
NJW 1994, 3005 ff.: Aufhebung einer Entscheidung, soweit sie auf einem
anläßlich einer Einstellungsuntersuchung ohne Einwilligung vorgenommenen
Lymphozytentest beruht).
c) Dies führt dazu, daß heimlich veranlaßte DNA-Vaterschaftsanalysen
rechtswidrig (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 64. Aufl. Einf. vor § 1591, Rdn.
11) und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder
seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar sind (vgl. Bohnert FPR 2002,
383, 389; Musielak-Foerste ZPO 4. Aufl. § 286 Rdn. 7), und zwar auch nicht
zur schlüssigen Darlegung von Zweifeln an der Vaterschaft im Sinne des §
1600 b BGB (vgl. Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 286 Rdn. 15 b a.E.; im
Ergebnis ebenso OLG Köln FamRZ 2004, 1987 a.E.), weil auch dies einen
erneuten Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und die informationelle
Selbstbestimmung des Kindes bedeuten würde (vgl. Rittner/Rittner NJW 2002,
1745, 1751).
d) Dieser Auffassung entsprechen offenbar auch Überlegungen der
Bundesregierung, heimliche Vaterschaftsgutachten im Rahmen eines künftigen
Gendiagnostikgesetzes (Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen)
insgesamt zu verbieten (Nachweise bei Staudinger/Rauscher BGB [2004] Einl.
zu §§ 1589 ff. Rdn. 113 a.E.).
Derartige Bestrebungen sind auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland
festzustellen, ohne daß die nachstehend angeführten Beispiele Anspruch auf
Vollständigkeit erheben:
In Belgien zielen mehrere Gesetzesinitiativen darauf ab, private
DNA-Analysen auf Veranlassung des Vaters und/oder der Mutter zuzulassen,
dies jedoch nur innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes, sowie auf
Betreiben des Kindes innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Eintritt
seiner Volljährigkeit; im übrigen sollen private Analysen unzulässig sein
(vgl. z.B. Art. 5, 6 und 16 der Proposition de loi visant à réglementer
l'usage des analyses génétiques ä des fins d'identification en matière de
filiation, Chambre des Représentants de Belgique Dokument Nr. 51 0066/001);
in Frankreich sind außergerichtliche DNA-Analysen ohne Zustimmung des
Betroffenen untersagt (vgl. Art. 16-11 Code Civil, Art. 145-15 und Art.
145-20 des Code de la Santé publique, eingefügt durch Gesetz Nr. 94-654 vom
29. Juli 1994 - Loi relative au don et à l'utilisation des éléments et
produits du corps humain, à l'assistance médicale, à la procréation et au
diagnostic prénatal, i.V.m. Art. 226-28 Code Pénal); in Großbritannien sind
DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen verboten (section 45 Human
Tissue Act 2004); in Kanada (Provinz Quebec) bedürfen DNA-Analysen
grundsätzlich der Zustimmung des Betroffenen und unterliegen andernfalls vor
Gericht dem Verwertungsverbot des Art. 2858 Code Civil du Québec (vgl.
Obadia, L'incidence des tests d'ADN sur le droit québécois de la filiation,
McGill Law Journal 2000, 483, 502, 507); in der Schweiz sollen
außergerichtliche DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen untersagt
werden (vgl. Art. 5, 6, 32, 34 und 36 des Bundesgesetzes über genetische
Untersuchungen beim Menschen - GUMG - vom 8. Oktober 2004 Bundesblatt 2004,
5483; Ablauf der Referendumsfrist: 27. Januar 2005).
e) Dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes steht auch ein
ebenfalls aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitendes Recht des
Vaters oder Scheinvaters auf Kenntnis seiner Vaterschaft (vgl. BVerfG FamRZ
2003, 816, 820 unter C I 3 c; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Januar 1999
-XII ZR 117/97 - FamRZ 1999, 716) nicht entgegen. Dieses ist nicht als
höherwertig anzusehen (vgl. Rittner/Rittner aaO 1749; einschränkend Erman/
Holzhauer BGB 11. Aufl. § 1600 b Rdn. 8; a.A. Reichelt/Schmidt/Schmidtke
FamRZ 1995, 777, 779 unter B I b; Staudinger/Rauscher aaO Einl. zu §§ 1589
ff. Rdn. 116). Das zeigt sich schon daran, daß seine Durchsetzung im
Vater-schaftsanfechtungsverfahren u.a. durch die gesetzliche Fristenregelung
des § 1600 b BGB wesentlich eingeschränkt ist, während das aus dem
informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes folgende Recht, der
Erhebung oder Verwertung genetischer Daten zu widersprechen, demgegenüber
keiner zeitlichen Schranke unterworfen ist. Auch hat der Gesetzgeber sich
bei der Kind-schaftsrechtsreform im Jahre 1997 dagegen entschieden, in jedem
Fall die biologische Abstammung eines Kindes zu klären, und statt dessen
hingenommen, daß die biologische Vaterschaft zugunsten des Kindeswohls unter
anderem dann in den Hintergrund tritt, wenn ein Kind aufgrund seiner Geburt
in die Ehe der Mutter bereits in einem Familienverbund aufwächst (vgl.
Rittner/Rittner aaO 1749).
Zudem verleiht das Recht auf Kenntnis der eigenen Vaterschaft oder
Nichtvaterschaft selbst dann, wenn es dem Grundrecht auf Kenntnis der
eigenen Abstammung gleichzustellen wäre, noch kein Recht auf Verschaffung
solcher Kenntnis (vgl. Senatsurteil BGHZ 156, 153, 164 f. m.N.).
Das Interesse des Vaters oder Scheinvaters, sich Gewißheit über seine
Vaterschaft zu verschaffen, kann auch dann nicht als höherrangig angesehen
werden, wenn es der Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche, denen er als
gesetzlicher Vater ausgesetzt ist, dienen soll.
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