Inhaltskontrolle (§ 138
I BGB) und Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) von Eheverträgen bei
"strukturellem Ungleichgewicht"
BGH, Urteil vom 5. Juli
2006 - XII ZR 25/04
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zur
Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen mit einer Schwangeren (Anschluss an
Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444 ff.).
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung legt lehrbuchartig den derzeitigen Stand
der Rspr. zur Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen dar. S. dazu
insebsondere BVerfG 1
BvR 12/92 v. 6.2.2000 = NJW 2001, 957 sowie BGH NJW 2004, 930
= BGHZ 158, 81 und BGH v. 9.7.2008 - XII
ZR 6/07
©sl 2006
Tatbestand:
Die Antragsgegnerin, die durch notariell beurkundeten Ehevertrag teilweise
auf Scheidungsfolgen verzichtet hatte, nimmt den Antragsteller im Rahmen des
Scheidungsverbundverfahrens auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch.
Der 1963 geborene Antragsteller und die 1965 geborene Antragsgegnerin
heirateten am 2. August 1995. Aus der Ehe gingen die Söhne Jakob, geboren am
20. September 1995, und die Zwillinge Hans und Paul, geboren am 9. März
1998, hervor.
Am 21. Juli 1995 schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, in dem
sie u.a. Gütertrennung vereinbarten und - vorbehaltlich der nachfolgenden
Regelung - wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten.
Hinsichtlich des Unterhalts vereinbarten die Parteien im Einzelnen:
"Herr T. ... verpflichtet sich, an
seine zukünftige Ehefrau, ..., für den Fall der Scheidung ihrer Ehe
Unterhalt gemäß den nachfolgend getroffenen Vereinbarungen zu zahlen.
4.1 Sollte für die Ehe Antrag auf Scheidung innerhalb der ersten 8
Jahre, gerechnet vom Zeitpunkt der Eheschließung an, gestellt werden,
gleich von welcher Seite, verpflichtet sich Herr T. ..., ab der
Rechtskraft des Scheidungsurteils monatlich einen Unterhaltsbetrag in
Höhe von DM 1.500,-- (eintausendfünfhundert) an seine zukünftige
Ehefrau, ..., auf die Dauer von zwei Jahren, zu zahlen. Der
Unterhaltsbetrag erhöht sich auf DM 2.000,-- (zweitausend), wenn ein
gemeinsames Kind vorhanden ist und dieses das 3. Lebensjahr nicht
vollendet hat, oder bei Vorhandensein mehrerer gemeinsamer Kinder das
Jüngste von ihnen das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der
erhöhte Unterhaltsbetrag ist solange zu zahlen, bis das gemeinsame Kind,
oder bei Vorhandensein mehrerer gemeinsamer Kinder das Jüngste von ihnen
das 3. Lebensjahr vollendet hat.
4.2 Sollte in der Zeit nach Ablauf der ersten acht Jahre bis zur
Beendigung des 13. Jahres, gerechnet vom Zeitpunkt der Eheschließung an,
Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt werden, gleich von welcher Seite,
ist auf die Dauer von zwei Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt der
Rechtskraft des Scheidungsurteils an, ein monatlicher Unterhalt in Höhe
von DM 2.000,-- (zweitausend) zu zahlen.
4.3 Sollte nach Ablauf des 13. Jahres, gerechnet vom Zeitpunkt der
Eheschließung an, Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt werden, gleich
von welcher Seite, ist auf die Dauer von zwei Jahren, gerechnet vom
Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils an, ein monatlicher
Unterhalt in Höhe von DM 2.500,- (zweitausendfünfhundert) zu zahlen.
4.4 Die Dauer der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt verlängert
sich in den Fällen gemäß Ziffer 4.1 bis 4.3 über den jeweils
vereinbarten Zeitraum hinaus, wenn ein gemeinsames Kind, oder mehrere
gemeinsame Kinder vorhanden sind und bei der Mutter leben. In diesem
Fall endet die Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten Unterhalts
dann, wenn das gemeinsame Kind das 16. Lebensjahr vollendet, oder bei
Vorhandensein mehrerer gemeinsamer Kinder das Jüngste von ihnen das 16.
Lebensjahr vollendet, gleichgültig ob die Ehefrau durch die Erziehung
der Kinder an der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit gehindert ist
oder nicht."
Über den Versorgungsausgleich haben die
Parteien keine Vereinbarung getroffen.
Der Antragsteller erzielte bis März 2003 als Prokurist des F. T.
Mineralölvertriebs ein Gehalt von monatlich 7.780 € brutto. Nach dem Tod
seines Vaters im Februar 2003 erhielten der Antragsteller und sein Bruder
aufgrund eines Erbauseinandersetzungsvertrages das Betriebsvermögen des
Vaters. Beide sind seitdem Geschäftsführer von zwei Gesellschaften mit
beschränkter Haftung und beziehen von jeder Gesellschaft ein Gehalt.
Die Antragsgegnerin ist Diplom-Betriebswirtin; sie war vor der Ehe in einer
Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt und erzielte ein jährliches Bruttoeinkommen
von 100.000 DM.
Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien geschieden, den
Versorgungsausgleich durch Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von
monatlich 60,33 € auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin
durchgeführt, ihr die Ehewohnung zugewiesen und den Antragsteller gemäß
seinem Anerkenntnis zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 766,94 € (1.500
DM) ab Rechtskraft der Scheidung bis zum 9. März 2014 verurteilt. Den
weitergehenden Unterhaltsantrag hat es abgewiesen. Auf die Berufung der
Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil teilweise
abgeändert und ihr wie folgt Unterhalt - zuzüglich Zinsen auf die
rückständigen Beträge - zuerkannt: für die Zeit vom 11. April bis 31. Mai
2003 und die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 4. Januar 2004 monatlich 1.164 €,
für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. November 2003 monatlich 1.198 €, für
die Zeit vom 5. bis 31. Januar 2004 1.189,75 €, für die Zeit ab 1. Februar
2004 monatlich 1.624,94 €. Die Eventualwiderklage des Antragstellers, mit
der dieser für den Fall, dass das Berufungsgericht die notarielle
Vereinbarung bezüglich des Ehegattenunterhalts für unwirksam halten sollte,
beantragt hat, den Unterhaltsantrag insgesamt abzuweisen, ist als unzulässig
verworfen worden. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der
Antragsteller sein zweitinstanzliches Begehren weiter.
Aus den Gründen::
Die Revision hat keinen Erfolg.
A. Anschlussberufung:
Das Berufungsgericht hat den als Eventualwiderklage bezeichneten Antrag als
Anschlussberufung behandelt und als verfristet verworfen. Dagegen bestehen
aus Rechtsgründen keine Bedenken ... (wird ausgeführt).
B. Berufung:
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2004,
805 ff. veröffentlicht ist, kann die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt
gemäß § 1570 BGB nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse verlangen.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Der Ehevertrag halte einer gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des Art. 2
Abs. 1 i.V. mit Art. 6 Abs. 2 und 4 GG nicht stand, da er eine auf
ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz des
Antragstellers widerspiegele. Ihm sei es in erster Linie darum gegangen, die
wirtschaftlichen Folgen einer eventuellen Scheidung für sich gering zu
halten. Dies sei zwar zu akzeptieren, soweit es um die vereinbarte
Gütertrennung und den ebenfalls vereinbarten Pflichtteilsverzicht gehe, da
insoweit angesichts des Familienunternehmens berechtigte Interessen des
Antragstellers sowie seines Bruders bestünden. Die Beschneidung des
Betreuungsunterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin gemäß § 1570 BGB könne
dagegen nicht hingenommen werden, weil sie hierdurch unangemessen
benachteiligt werde. Der Antragsteller habe selbst eingeräumt, dass die
Antragsgegnerin bei der Erörterung des Ehevertrages erklärt habe, dass sie
mit dem Betrag nicht zurechtkomme. Sie habe dann offensichtlich nachgegeben,
weil sie die geplante Heirat andernfalls in Gefahr gesehen habe. Insofern
spreche schon der zeitliche Ablauf für sich. Nachdem nach Bekanntwerden der
Schwangerschaft Differenzen zwischen den Parteien aufgetreten seien und die
Antragsgegnerin deshalb zu ihrer Mutter gezogen sei, habe ihr der
Antragsteller am 9. Juli 1995 einen Heiratsantrag gemacht. Der
Hochzeitstermin sei auf den 2. August 1995 vereinbart worden. Danach habe
der Antragsteller der Antragsgegnerin den Entwurf für den Ehevertrag
vorgelegt und eindeutig erklärt, dass ohne Unterzeichnung eine Heirat nicht
stattfinden werde. Zu dieser Zeit hätten Monate der Ungewissheit hinter der
Antragsgegnerin gelegen, in denen sie mit dem Problem belastet gewesen sei,
entweder ihren Beruf aufgeben zu müssen oder zu versuchen, die
Doppelbelastung durch Beruf und Kindesbetreuung auch im Hinblick auf ihre
erhebliche Verschuldung nach dem Kauf einer Eigentumswohnung zu tragen. Nach
der für sie positiven Entwicklung durch den Heiratsantrag sei sie dann mit
dem Ehevertrag und der Aussicht konfrontiert worden, ohne eine
Unterzeichnung des Vertrages wieder vor den geschilderten Problemen zu
stehen. Bei dieser Situation sei von einer einseitigen Dominanz des
Antragstellers bei den Vertragsverhandlungen auszugehen, der in gesicherten
Verhältnissen lebe, jedenfalls solange das Familienunternehmen
wirtschaftlich erfolgreich sei, während sich die Antragsgegnerin in einer
Drucksituation befunden habe.
Zwar beinhalte der Ehevertrag keinen so genannten Globalverzicht, da der
Versorgungsausgleich nicht ausgeschlossen und eine Vereinbarung über den
Betreuungsunterhalt getroffen worden sei. Es könne jedoch nicht außer Acht
gelassen werden, dass der vereinbarte Unterhalt weit unter dem gesetzlichen
Unterhalt liege. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin
unstreitig vor der Aufgabe ihrer Berufstätigkeit ein jährliches
Bruttoeinkommen von 100.000 DM erzielt habe. Aufgrund der nachfolgenden
Aufgabenverteilung in der Ehe habe sie dieses Einkommen und die Chance einer
weiteren beruflichen Entwicklung auf lange Zeit verloren. Beides sei bei der
inhaltlichen Prüfung des Ehevertrages, wie sie gemäß den Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts anhand der Art. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 2 und 3 GG
vorzunehmen sei, zu berücksichtigen. Es könne dahinstehen, ob der Ehevertrag
als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB anzusehen sei, jedenfalls müsse eine
Korrektur gemäß § 242 BGB erfolgen.
Dass die im Ehevertrag getroffene Regelung unangemessen sei, ergebe sich
auch daraus, dass der vereinbarte Unterhalt von 766,94 € monatlich noch
nicht einmal ausreiche, um die Miete in Höhe von 825 € aufzubringen, die die
Antragsgegnerin für die von ihr und den Kindern bewohnte Wohnung zahlen
müsse. Wenn die Antragsgegnerin auf einen Unterhalt in der vereinbarten Höhe
beschränkt werde, würden auch die Interessen der Kinder betroffen, weil die
Antragsgegnerin entweder arbeiten und sich sodann der Betreuung der Kinder
nicht in vollem Umfang widmen könne, oder aber ihre Lebensverhältnisse in
einer Weise einschränken müsse, die sich zwangsläufig auch auf die Kinder
auswirken würde. Die deshalb gebotene Anpassung führe zu dem Ergebnis, dass
der Antragsgegnerin der volle Betreuungsunterhalt zustehe. Dadurch, dass sie
aufgrund der Betreuung der Kinder an einer vollen Berufstätigkeit gehindert
sei und noch auf lange Zeit gehindert sein werde, erleide sie Nachteile in
beruflicher und finanzieller Hinsicht, die selbst durch den nach den §§
1570, 1578 BGB zuzubilligenden Betreuungsunterhalt nicht in vollem Umfang
ausgeglichen würden. Dabei sei es fraglich, ob sie in Zukunft eine
berufliche Position erreichen könne, die sie ohne die langjährige
Kinderbetreuung eventuell erreicht hätte. Dass die Antragsgegnerin ihren
Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 Ziff. 6 BGB verwirkt habe, weil sie sich
einem anderen Mann zugewandt und dies zum Anlass der Trennung genommen habe,
könne nicht angenommen werden. Der Antragsteller habe den Vortrag nicht
bestritten, dass das kurzzeitige Verhältnis mit einem anderen Mann lange
beendet gewesen sei, bevor es im November 1999 zu einer tätlichen
Auseinandersetzung gekommen sei, bei der die Antragsgegnerin Verletzungen
erlitten habe.
II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung
stand.
1. Wie der Senat in seinem - nach Erlass der hier angefochtenen Entscheidung
ergangenen - Urteil vom 11. Februar 2004 (BGHZ 158,
81 ff.) dargelegt hat, darf die grundsätzliche Disponibilität der
Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen
Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden
kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die
individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht
gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den
belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des
anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen
Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint.
Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei um so schwerer wiegen
und die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung bedürfen, je
unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den
Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich
gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird
man eine Rangabstufung vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst,
welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgeregelungen für den
Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben (vgl. etwa Senatsurteile
BGHZ 158 aaO, 97 ff. und vom 25. Mai 2005 - XII
ZR 221/02 - FamRZ 2005, 1449, 1450 und - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444,
1446).
Ob aufgrund einer vom gesetzlichen Scheidungsfolgenrecht abweichenden
Vereinbarung eine evident einseitige Lastenverteilung entsteht, die
hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar erscheint, hat der
Tatrichter zu prüfen. Er hat dabei zunächst - im Rahmen einer
Wirksamkeitskontrolle - zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt
ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen
Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - losgelöst von der
zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen
Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder
teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die
gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist eine
Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertrags-schluss
abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse,
den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie die
Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von
den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen
Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem
Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den
benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen.
Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht
kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des
gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen
Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen
Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen
Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp
oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten
gerechtfertigt wird.
Soweit ein Vertrag danach Bestand hat, erfolgt sodann eine
Ausübungskontrolle nach § 242 BGB. Dafür sind nicht nur die Verhältnisse
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob
sich nunmehr - im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft - aus dem
vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige
Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten auch
bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und
seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei
verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist. Hält die Berufung
eines Ehegatten auf den vertraglichen Ausschluss der Scheidungsfolge der
richterlichen Rechtsausübungskontrolle nicht stand, so führt dies im Rahmen
des § 242 BGB noch nicht zur Unwirksamkeit des vertraglich vereinbarten
Ausschlusses. Der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die
den berechtigten Belangen beider Parteien in der nunmehr eingetretenen
Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt (Senatsurteile
BGHZ 158 aaO 100 f. und vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - aaO S. 1446).
2. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Ehevertrag der Parteien gemäß
§ 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist, zwar letztlich offen gelassen, aber
angenommen, der Vertrag halte jedenfalls einer gerichtlichen Kontrolle am
Maßstab der Artt. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 2 und 4 GG nicht stand und sei deshalb
in dem Sinne anzupassen, dass der gesetzliche Unterhalt geschuldet werde.
Dagegen bestehen im Endergebnis keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Auch wenn das Berufungsgericht das Ergebnis der Wirksamkeitskontrolle
gemäß § 138 Abs. 1 BGB hat dahinstehen lassen, hat es in tatrichterlicher
Verantwortung eine Gesamtwürdigung der maßgebenden Umstände vorgenommen,
insbesondere Feststellungen zu der Situation bei Abschluss des Ehevertrages
und den für die Antragsgegnerin hierdurch eintretenden persönlichen,
beruflichen und wirtschaftlichen Folgen getroffen. Diese Feststellungen
rechtfertigen die Würdigung, dass die getroffene Unterhaltsregelung keinen
Bestand hat, weil sie offensichtlich zu einer derart einseitigen
Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - losgelöst von der
künftigen Entwicklung - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die
Anerkennung der Rechtsordnung zu versagen ist.
b) Das Oberlandesgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die
Schwangerschaft der Ehefrau bei Abschluss der Vereinbarung für sich allein
nicht ausreicht, die Nichtigkeit der Vereinbarung zu begründen. Dies ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den getroffenen Feststellungen war es
der Wunsch der Antragsgegnerin, dass das erwartete Kind ehelich geboren
werde. Der Antragsteller habe sich jedoch geweigert, sie ohne Ehevertrag zu
heiraten. Deshalb habe sie trotz Bedenken letztlich den Vertrag
unterschrieben, weil für sie die Befürchtung im Vordergrund gestanden habe,
der Doppelbelastung von Kindererziehung und Beruf nicht gewachsen zu sein
und zugleich den Verbindlichkeiten aus der Finanzierung der - aus
steuerlichen Gründen erworbenen -Eigentumswohnung nicht nachkommen zu
können. Dieser Geschehensablauf vermag zwar allein eine Sittenwidrigkeit der
Vereinbarung nicht zu begründen, bildet aber ein Indiz für eine schwächere
Verhandlungsposition der Antragsgegnerin. Der Vertrag ist daher einer
verstärkten richterlichen Kontrolle zu unterziehen, wobei in einer
Gesamtschau alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen sind (vgl.
Senatsurteil vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/04 - aaO S. 1447).
c) Der Ehevertrag ist allerdings nicht schon deshalb sittenwidrig, weil
die Ehegatten den Betreuungsunterhalt abweichend von den gesetzlichen
Vorschriften geregelt haben. Zwar gehört der Betreuungsunterhalt zum
Kernbereich der Scheidungsfolgen. Das bedeutet indessen nicht, dass er
keiner ehevertraglichen Modifizierung zugänglich wäre. Entscheidend ist
vielmehr, ob die getroffene Regelung die Antragsgegnerin - gemessen an den
Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses - in sittenwidriger Weise
benachteiligt.
Das ist in zeitlicher Hinsicht nicht der Fall, da der Ehevertrag vorsieht,
dass die Antragsgegnerin den festgelegten Unterhalt beanspruchen kann, bis
das jüngste Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat, vorausgesetzt es lebt bei
ihr. Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob die Mutter durch die Erziehung
des Kindes bzw. der Kinder an einer beruflichen Tätigkeit gehindert ist.
Dies geht jedenfalls teilweise über die von der Rechtsprechung entwickelten
Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit des Kinder betreuenden Ehegatten
hinaus (vgl. hierzu die Nachweise bei Kalthoener/Büttner/Niepmann Die
Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 403).
Die Parteien haben in ihrem Ehevertrag allerdings auch die Höhe des
Betreuungsunterhalts abweichend von den gesetzlichen Vorgaben geregelt und
einen Betrag von 1.500 DM (bzw. von 2.000 DM, wenn das jüngste Kind das 3.
Lebensjahr noch nicht vollendet hat) vereinbart, falls innerhalb von acht
Jahren nach der Heirat Scheidungsantrag gestellt wird. Mit weiterem
zeitlichem Bestand der Ehe sollte dieser Betrag auf 2.000 DM bzw. 2.500 DM
steigen. Dass die genannten Beträge nach der Vorstellung der Parteien unter
Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes hätten hochgerechnet werden sollen,
wird von der Revision erstmals geltend gemacht und steht in Widerspruch zu
der vom Antragsteller im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung, er habe
"keinen Cent mehr zu zahlen" als erstinstanzlich anerkannt. Abgesehen davon
ist die Auffassung der Revision, im Rahmen der rechtlichen Bewertung sei
nicht der nominal vereinbarte Betreuungsunterhalt zugrunde zu legen, sondern
der unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes hochgerechnete Betrag,
weil dem unterhaltsberechtigten Ehegatten die entsprechende Kaufkraft habe
zur Verfügung stehen sollen, unbehelflich. Eine solche Wertsicherungsabrede
hätte gemäß § 1410 BGB der notariellen Beurkundung bedurft, deren Fehlen im
Zweifel zur Nichtigkeit jedenfalls der Unterhaltsvereinbarung geführt hätte
(§§ 125, 139 BGB). Eines rechtlichen Hinweises auf eine vertragliche
Verpflichtung zur Zahlung höheren Unterhalts bedurfte es deshalb nicht.
Eine Festlegung von Unterhaltsbeträgen rechtfertigt das Verdikt der
Sittenwidrigkeit nicht schon immer dann, wenn der eheangemessene Unterhalt
(§ 1578 BGB) - nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden oder
vorhersehbaren Einkommensverhältnissen - nicht erreicht ist. Zu
berücksichtigen ist aber bereits, dass der für den Zeitraum von acht Jahren
zwischen Heirat und Scheidungsantrag vereinbarte Betrag von 1.500 DM nur 200
DM über dem Betrag lag, der nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1. Juli
1992) dem notwendigen Eigenbedarf (Existenzminimum) eines erwerbstätigen
Ehegatten entsprach. Da der Vertrag keine Wertsicherungsklausel enthält, war
absehbar, dass der vereinbarte Unterhalt nicht ausreichen würde, um das
Existenzminimum für die Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu decken. Schon
nach der vom 1. Januar 1996 an geltenden Düsseldorfer Tabelle war insofern
für einen erwerbstätigen Ehegatten ein Betrag von 1.500 DM vorgesehen. Von
ausschlaggebender Bedeutung ist aber in jedem Fall, wenn die vertraglich
vorgesehene Unterhaltshöhe nicht annähernd geeignet ist, die ehebedingten
Nachteile des ein Kind betreuenden Ehegatten auszugleichen.
Die Antragsgegnerin war vor der Ehe als Diplom-Betriebswirtin in einem
Anwaltsbüro tätig und erzielte ein Bruttojahreseinkommen von 100.000 DM. Aus
Anlass der Eheschließung und der ca. sechs Wochen später erfolgten
Niederkunft ist sie zunächst aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und hat sich
der Familienarbeit gewidmet. Nach den Regelungen des Ehevertrages, die
insofern nur eine Kinderbetreuung durch die Mutter und einen darauf
gründenden Unterhaltsanspruch vorsehen, muss davon ausgegangen werden, dass
dies auch der Lebensplanung der Parteien entsprach.
Bei dieser Sachlage werden die Nachteile, die die Antragsgegnerin in
finanzieller Hinsicht, ihrer beruflichen Entwicklung sowie beim Aufbau einer
Altersversorgung und eines eigenen Vermögens erleidet, bei weitem nicht
ausgeglichen. Eine angemessene Kompensation steht dem nicht gegenüber. Dass
die Antragsgegnerin den Betrag von 1.500 DM monatlich erhalten würde, bis
das jüngste Kind 16 Jahre alt ist, stellt einen solchen Ausgleich nicht dar.
Denn selbst bei der Betreuung von nur einem Kind wird dem betreuenden
Ehegatten eine Erwerbsobliegenheit grundsätzlich nicht vor Vollendung des
achten Lebensjahres des Kindes angesonnen. Die Nachteile, die die
Antragsgegnerin bis dahin finanziell und beruflich erleiden würde, würden
durch einen zeitlich länger bestehenden Unterhaltsanspruch in der
betreffenden Höhe auch nicht annähernd kompensiert. Es spricht alles dafür,
dass sie sich auf diese sie erheblich benachteiligende Regelung nur
eingelassen hat, um die in Aussicht gestellte Heirat nicht zu gefährden und
der befürchteten Doppelbelastung durch Beruf und Kindererziehung nicht
ausgesetzt zu sein. Dafür, dass die besonderen Verhältnisse der Ehegatten,
der von ihnen angestrebte oder gelebte Ehetyp oder sonstige gewichtige
Belange des begünstigten Ehegatten eine solche Regelung rechtfertigen
würden, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Mit Rücksicht darauf kann die
in dem Ehevertrag enthaltene Unterhaltsregelung jedenfalls keinen Bestand
haben. Sie ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
3. Rechtsfolge der Nichtigkeit der Unterhaltsregelung ist, dass der
Antragsteller der Antragsgegnerin gemäß § 1570 BGB Unterhalt nach Maßgabe
der ehelichen Lebensverhältnisse schuldet. Diesen Unterhalt hat das
Berufungsgericht unter Berücksichtigung der beiderseitigen Einkünfte
errechnet. Dagegen sind aus Rechtsgründen keine Bedenken zum Nachteil des
Antragsgegners ersichtlich. Auch die Revision erinnert hiergegen nichts.
4. Der Unterhalt ist nicht nach § 1579 Nr. 6 BGB ganz oder teilweise zu
versagen. Wie das Berufungsgericht von der Revision unangegriffen
festgestellt hat, war das Verhältnis der Antragsgegnerin zu einem anderen
Mann bereits beendet, als es nach einer im November 1999 stattgefundenen
tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien, bei der die
Antragsgegnerin verletzt wurde, zur Trennung kam.
|