Aufklärungspflicht über
die Tarifgestaltung bei der Autovermietung ("Unfallersatztarif") und Haftung
aus culpa in contrahendo (§§ 280 I, 241 II, 311 II BGB)
BGH, Urteil vom 28. Juni
2006 - XII ZR 50/04
Fundstelle:
NJW 2006, 2618
BGHZ 168, 168
Amtl. Leitsatz:
Bietet der Autovermieter den
Unfallgeschädigten ein Fahrzeug zu einem Tarif an, der deutlich über dem
Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und besteht deshalb die
Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt,
muss der Vermieter den Mieter darüber aufklären.
Es kommt nicht darauf an, ob der Vermieter mehrere oder nur einen
einheitlichen Tarif anbietet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es,
den Mieter deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die
(gegnerische) Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise
nicht in vollem Umfang erstatten werde.
Zentrale Probleme:
Eine weitere Nuance im lang anhaltenden Streit über die
"Unfallersatztarife". Bisher ging es stets darum, ob der Schädiger bei einem
Autounfall (bzw. dessen Haftpflichtversicherer) dem Geschädigten die Kosten
für einen während der Reparaturzeit gemieteten Mietwagens auch dann zu
ersetzen hat, wenn dieser zu einem von den Autoversicherern erhöhten Tarif
(sog. "Unfallersatztarif") angeboten wurde. Im Mittelpunkt jener Problematik
steht die Frage des Mitverschuldens in Form der Verletzung der Obliegenheit
zur Schadensminderung (§ 254 II BGB), s. dazu die in der Entscheidung
zitierte Rspr. Hier geht es jetzt darum, ob der Autovermieter den Kunden
darüber aufklären muß, daß seine Tarife im Vergleich zum normalen Miettarif
überhöht sind und er deshalb uU Schwierigkeiten bei der Erstattung hat. Der
BGH bejaht das. Er ist dabei aber zu recht sehr bemüht, das "Kind nicht mit
dem Bade auszuschütten" und eine allgemeine Beratungspflicht über die eigene
Preisgestaltung zu konstruieren. Er verneint das deutlich und stützt die
Aufklärungspflicht allein auf die Gefahr, daß die Haftpflichtversicherung
den Tarif uU nicht voll erstatten werden. Auch insoweit ist die Entscheidung
äußerst sorgsam begründet.
S. zur Abgrenzung/Ergänzung auch
BGH v. 10.1.2007 - XII ZR 72/04: Im Falle einer
positiven Falschauskunft über die Abwicklung mit der Versicherung bedarf es
nicht der Herleitung einer Aufklärungspflicht, weil dann eine
Wahrheitspflichtverletzung vorliegt!
Ein solches vorvertragliches Verschulden führt nach §§ 280 I, 241 II, 311 II
BGB zu einem Schadensersatzanspruch. Der Kunde ist so zu stellen, wie er bei
gehöriger Aufklärung gestanden hätte. Da er in diesem Fall den Vertrag zu
anderen Bedingungen geschlossen hätte (zur Beweislast s. zuletzt
BGH v.
19.05.2006 - V ZR 264/05), besteht ein Anspruch auf Ersatz
des "zuviel Gezahlten", mit welchem der Mieter aufrechnen kann.
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen den Beklagten rückständige
Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.
Mit Vertrag vom 26. April 2003 mietete der Sohn des Beklagten nach einem
Verkehrsunfall, bei dem der von ihm geführte Pkw des Beklagten beschädigt
worden war, von der Klägerin für die Zeit vom 26. April 2003 bis 10. Mai
2003 einen Ersatzwagen zum so genannten Standardtarif von 136,40 € zuzüglich
Mehrwertsteuer je Tag. Die Klägerin stellte 2.137,95 € in Rechnung. Dabei
legte sie ihren "Standard-Tarif - 18 Tage" zugrunde, einen Pauschaltarif,
der insgesamt für den Beklagten etwas günstiger war als die Berechnung nach
dem Einzeltagessatz für 14 Tage. Die Haftpflichtversicherung des
Unfallgegners, dessen volle Haftung für den Unfallschaden nicht streitig
ist, zahlte nur 746,97 €. Die Differenz verlangt die Klägerin vom Beklagten,
der sich darauf beruft, die Klägerin habe vor Abschluss des Mietvertrages
nicht darüber aufgeklärt, dass eine Anmietung zu einem erheblich günstigeren
Tarif möglich gewesen sei, dessen Ersatz von der gegnerischen
Haftpflichtversicherung nicht abgelehnt worden wäre. Wegen der Verletzung
dieser Pflicht stehe ihm ein Schadensersatzanspruch zu, mit dem er
aufrechne.
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 1.390,98 €
nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung ist, abgesehen von einer Reduzierung
des Zinszeitraums um einen Tag, erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der
Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Klageabweisung.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein Mietvertrag
zustande gekommen. Dem Beklagten stehe ein Schadensersatzanspruch, mit dem
er gegen den Mietzinsanspruch der Klägerin aufrechnen könnte, nicht zu. Eine
Pflichtverletzung der Klägerin bei Abschluss des Mietvertrages sei nicht
erkennbar. Die Preiskalkulation der Mietwagenunternehmer bei
Unfallersatzwagen sei zwar nicht immer nachvollziehbar. Auch im vorliegenden
Fall stimme der Vortrag der Klägerin zur Rechtfertigung des Tarifs bei
Unfallersatzwagen nicht mit den tatsächlichen Umständen überein.
Neben dem Standardtarif bei Unfallersatzwagen gebe es noch einen günstigeren
Tarif, wenn der Kunde mit Kreditkarte zahle. Weitere Vergünstigungen gebe es
nicht. Auf die Möglichkeit der Zahlung mit Kreditkarte müsse der Vermieter
nicht hinweisen. Grundsätzlich treffe die Parteien die Pflicht, sich
gegenseitig über die Umstände aufzuklären, die allein der einen Partei
bekannt und für die andere Partei sowie den Vertragsschluss erkennbar von
Bedeutung seien. Der Umfang der Aufklärungspflicht hänge dabei von den
Umständen des Einzelfalls und den Grundsätzen von Treu und Glauben ab. Zwar
verhalte sich der Vermieter vertragswidrig, wenn er trotz ausdrücklicher
Frage des Geschädigten, ob eine Vergünstigung bei Bar- oder Kreditzahlung
möglich sei, nicht oder wahrheitswidrig antworte. Ungefragt müsse er den
Kunden aber nicht darauf hinweisen, dass bei einer Zahlung mittels
Kreditkarte der Mietpreis günstiger werde. Eine solche Hinweispflicht könne
schon deshalb nicht angenommen werden, weil bei der Anmietung eines
Unfallersatzwagens der Einsatz der Kreditkarte des Geschädigten nicht die
Regel sei. Die Anmietung erfolge, weil das Fahrzeug des Anmietenden durch
einen Dritten geschädigt worden sei. Der Geschädigte gehe also davon aus,
dass er einen Ersatzanspruch gegen den Dritten habe und deshalb letztlich
für die Kosten der Ersatzanmietung nicht aufkommen müsse. Bei Einsatz der
Kreditkarte müsste der Geschädigte in Vorleistung treten und würde dem
Mietwagenunternehmer sein Konto zum unbegrenzten Zugriff zur Verfügung
stellen.
Dass der Beklagte die Mietwagenkosten in voller Höhe bezahlen müsse, sei nur
auf den ersten Blick unbillig. Er könne nämlich von der
Haftpflichtversicherung den vollen Ersatz der von ihm zu zahlenden
Mietwagenkosten verlangen. Der Preiskampf zwischen den Versicherern und den
Mietwagenunternehmern könne nicht auf dem Rücken des Geschädigten
ausgetragen werden. Der bei einem Unfall Geschädigte könne deshalb einen
Mietwagen zu dem ihm angebotenen Tarif anmieten, wenn er für ihn nicht
erkennbar außerhalb des Üblichen liege. Da der Geschädigte dem Unfallgegner
gegenüber nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoße, müsse die
gegnerische Haftpflichtversicherung die angefallenen Mietwagenkosten als den
zur Schadenswiedergutmachung erforderlichen Geldbetrag erstatten.
Ein Hinweis auf billigere eigene Internet-Angebote müsse das
Mietwagenunternehmen schon wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der
Vertriebswege und der regelmäßigen Forderung nach Kreditkartenzahlung bei
einer Internet-Buchung nicht geben. Die Frage brauche aber nicht entschieden
zu werden, da die Klägerin erst seit Mai 2003 über das Internet anbiete.
Schließlich müsse der Kunde auch nicht auf mögliche Schwierigkeiten mit der
gegnerischen Haftpflichtversicherung hingewiesen werden. Abgesehen davon,
dass dem Vermieter der Vorwurf eines Verstoßes gegen das
Rechtsberatungsgesetz gemacht werden könne, müsse der Mieter selbst dafür
sorgen, ob und wie er den Schaden ersetzt erhalte. Ein solcher Hinweis wäre
nichtssagend, weil Schwierigkeiten bei der Schadensabwicklung immer möglich
seien und offensichtlich auch nicht alle Haftpflichtversicherer die
Bezahlung der geltend gemachten Mietwagenkosten ablehnten.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
a) Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht des
Vermieters gegenüber dem Mieter eines Unfallersatzwagens besteht, ist in
Rechtsprechung und Literatur streitig.
Eine Aufklärungspflicht wird unter anderem bejaht von OLG Koblenz (NJW-RR
1992, 820); OLG Karlsruhe (DAR 1993, 229, 230); OLG Frankfurt (NZV 1995,
108, 109); OLG Stuttgart (NZV 1999, 169); LG Frankfurt (NZV 1996, 34); LG
Regensburg (Urteil vom 7. Oktober 2003 - 2 S 191/03 - NJW-RR 2004, 455); LG
Dresden (Urteil vom 15. Dezember 2005 - 8 S 122/05 -); LG Gießen (zfs 1994,
287); LG Bonn (Urteil vom 24. Mai 2004, VersR 2004, 1284); AG Frankfurt (NJW-RR
1999, 708); AG Düsseldorf (NJW-RR 2001, 133, 134); AG Ettlingen (Urteil vom
11. Februar 2004 - 3 C 202/03 -); AG Hamburg-Harburg (Urteil vom 16. April
2003 - 647 C 508/02 -); AG Karlsruhe (Urteil vom 16. September 2003 - 5 C
138/03 -); AG Heidelberg (Urteil vom 5. Februar 2004 - 23 C 504/03 -);
MünchKomm/Emmerich BGB 4. Aufl. § 311 Rdn. 141 m.w.N.; Geigel/Rixecker Der
Haftpflichtprozess 24. Aufl. § 3 Rdn. 67; Notthoff VersR 1996, 1200, 1205
und 1998, 144, 146 m.w.N.; Etzel/Wagner VersR 1993, 1192, 1193, 1195;
Griebenow NZV 2003, 353, 356, 357 m.w.N.; Freyber-ger MDR 2005, 301, 303.
Eine Aufklärungspflicht verneinen OLG Karlsruhe (OLG-Report 2004, 535); LG
Heidelberg (Urteil vom 23. September 2004 - 1 S 7/04 -); LG Karlsruhe
(Urteil vom 5. April 2004 - 5 S 203/01 -); LG Erfurt (Urteil vom 4. Juni
2004 - 2 S 3/04 -); LG Berlin (Urteil vom 17. Juli 2003 - 51 S 39/03); LG
Halle (Urteil vom 7. August 2003 - 2 S 52/03 -); LG Düsseldorf (Urteil vom
19. September 2003 - 20 S 36/03 - Schaden-Praxis 2004, 53); LG Freiburg
(Urteil vom 9. Februar 2004 - 1 O 131/03 -); Körber (NZV 2000, 68 f.);
Göhringer (zfs 2004, 437 f.).
Der Bundesgerichtshof konnte die Frage einer Aufklärungspflicht gegenüber
dem Mieter eines Unfallersatzfahrzeuges bisher offenlassen (BGHZ 132, 373
ff.). Sie ist nunmehr zu entscheiden.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 28.
April 2004 - XII ZR 21/02 - NJW 2004, 2674, 2675) obliegt dem Vermieter
grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter hinsichtlich
derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse mit Bezug auf die Mietsache, die
- für den Vermieter erkennbar - von besonderer Bedeutung für den Entschluss
des Mieters zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu
und Glauben erwartet werden kann. Das Bestehen der Aufklärungspflicht
richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der
Person des Mieters und dessen für den Vermieter erkennbarer
Geschäftserfahrenheit oder Unerfahrenheit. Allerdings ist der Vermieter
nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen
Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und entscheiden, ob
der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder nicht. Es ist
seine Sache, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen
Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen zu stellen.
c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Aufklärungspflicht des Vermieters
gegenüber dem Mieter, der nach einem Unfall ein Ersatzfahrzeug anmietet, im
Grundsatz zu bejahen.
aa) Auf dem Markt für Mietwagen herrscht in Deutschland eine Tarifspaltung.
Wer aus privaten oder geschäftlichen Gründen einen Pkw mietet und die Miete
selbst zahlt, hat dafür den so genannten "Normaltarif" zu entrichten.
Benötigt der Geschädigte dagegen nach einem Unfall einen Ersatzwagen, wird
ihm von zahlreichen Vermietern ein so genannter "Unfallersatztarif"
angeboten (Griebenow aaO 353). Dieser übersteigt meist erheblich den für
Selbstzahler angebotenen "Normaltarif". Derzeit liegen die
Unfallersatztarife durchschnittlich um mindestens 100 % über dem örtlichen
"Normaltarif" (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 65. Aufl. § 249 Rdn. 31;
Freyberger aaO). Zuschläge bis zu 200 % über dem "Normaltarif" sind keine
Seltenheit (vgl. Griebenow aaO 353). Selbst Überhöhungen bis zu 465 % kommen
vor (Palandt/Heinrichs aaO m.w.N.).
bb) Ein durchschnittlicher Unfallgeschädigter gerät durch einen
Verkehrsunfall nicht nur unvermittelt, sondern in aller Regel erstmals in
eine Situation, einen Pkw anmieten zu müssen. Hält er den Unfallgegner für
verantwortlich, geht er davon aus, dass dessen Haftpflichtversicherung die
Kosten eines Mietwagens in vollem Umfang übernimmt. Er wird in dieser
Auffassung bestärkt, wenn ihm der Vermieter einen Pkw zum
"Unfallersatztarif" anbietet. Diese Anmietung zum "Unfallersatztarif" kann
sich nachträglich als nachteilig für den Mieter herausstellen. Lehnt die
gegnerische Haftpflichtversicherung die Regulierung nach dem
"Unfallersatztarif" ab, weil der Mieter mit der Vereinbarung dieses Tarifs
gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe, muss der Mieter die
Differenz zum "Normaltarif" aus eigener Tasche bezahlen. Ein Nachteil zu
Lasten des Mieters kann auch dann entstehen, wenn die gegnerische
Haftpflichtversicherung den Haftungsanteil des Mieters am Unfall anders
bewertet und den Schaden des Mieters nicht zu 100 % ersetzt. Der Mieter muss
in diesen Fällen die auf ihn entfallende Quote aus dem "Unfallersatztarif"
selbst tragen. Hätte er zum "Normaltarif" gemietet, hätte er nur die Quote
aus dem "Normaltarif" selbst zu tragen.
cc) Diese Tarifspaltung und die ihm damit drohenden Nachteile sind dem
Mieter in der Regel nicht bekannt. Er geht vielmehr davon aus, dass der
"Unfallersatztarif" gerade für seine Situation entwickelt wurde, von der
gegnerischen Haftpflichtversicherung akzeptiert wird und für ihn insgesamt
eine günstige Regelung darstellt. Er weiß regelmäßig auch nicht, dass er,
falls sein Verursachungsbeitrag nachträglich anders gewertet wird, er bei
Anmietung zum "Normaltarif" einen geringeren Nachteil hätte. Demgegenüber
weiß der Vermieter, dass die Tarifspaltung zu den genannten Nachteilen
führen kann, und er weiß auch, dass dem Mieter weder die Tarifspaltung noch
die ihm daraus drohenden Gefahren vertraut sind, sondern dieser davon
ausgeht, dass die Mietwagenkosten vollständig ersetzt werden, zumindest ihm
aber kein Nachteil entsteht. Mit dem Autovermieter und dem
Unfallgeschädigten stehen sich somit zwei ungleiche Vertragspartner
gegenüber. Treu und Glauben gebieten es in einem solchen Fall, dass der
(wissende) Vermieter den (unwissenden) Mieter aufklärt.
dd) Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Haftpflichtversicherer sei
zur Erstattung der hohen Unfalersatztarife verpflichtet, so dass schon
deshalb keine Aufklärungspflicht bestehen könne. Dem Vermieter könne nicht
zugemutet werden, auf das rechtswidrige Verhalten der Versicherer
hinzuweisen, um sich dadurch letztlich selbst zu schaden. Dem Mieter sei
kein Schaden entstanden, weil er in jedem Fall Anspruch auf Erstattung des
Unfallersatztarifs habe.
Diese Auffassung mag eine gewisse Berechtigung gehabt haben, weil die
Entscheidung des VI. Zivilsenats von 1996 (BGHZ 132 aaO) in der Praxis dahin
ausgelegt wurde, der Geschädigte könne einen Unfallersatztarif stets und
uneingeschränkt ersetzt verlangen (vgl. Freyberger aaO S. 302). Nach der
neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats zu den Unfallersatztarifen
(Urteile vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - NJW 2005, 135 ff.; vom 15.
Februar 2005 - VI ZR 74/04 - NJW 2005, 1041 ff.; vom 15. Februar 2005 - VI
ZR 160/04 -NJW 2005, 1043 ff.; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - BGHZ 163,
19 ff. und vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - NJW 2006, 1506 ff.) ist der
Haftpflichtversicherer gerade nicht ohne Weiteres zur Erstattung von über
dem "Normaltarif" liegenden "Unfallersatztarifen" verpflichtet. Vielmehr
kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach §
249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen
Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender
Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten
darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der
Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die
Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der
Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen
des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichsten Weg der
Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der
Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt -
nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung
eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens)
grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (BGH,
Urteil vom 9. Mai 2006 - VI ZR 117/05 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Einer Aufklärungspflicht steht auch nicht das weitere Argument der Vermieter
entgegen, dass die Haftpflichtversicherer bisher die "Unfallersatztarife"
beglichen hätten.
Seit 1992 bestand zwischen Mietwagenunternehmen und Versicherungswirtschaft
Streit darüber, ob die Haftpflichtversicherung den so genannten
"Unfallersatztarif" zu ersetzen hatte (Freyberger aaO S. 301). Am 7. Mai
1996 entschied der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 132, 373 f.),
dass der Geschädigte dadurch, dass er nach einem Unfall ein Ersatzfahrzeug
zum "Unfallersatztarif" anmietet, nicht gegen die Pflicht verstoße, den
Schaden gering zu halten, vielmehr seien "im Grundsatz" die durch den
Unfallersatztarif entstandenen Kosten erforderlich im Sinne von § 249 BGB.
In der Folge entwickelte sich eine Regulierungspraxis, die den
Unfallersatztarif überwiegend als erstattungsfähig ansah. Die Frage, ob der
Geschädigte auch Zugriff auf preiswertere Tarife hatte, wurde häufig nicht
mehr gestellt (Freyberger aaO 301).
Gleichwohl kam es auch nach dieser Entscheidung immer wieder zu
Schwierigkeiten bei der Regulierung von "Unfallersatztarifen". Die
Instanzgerichte haben es oft abgelehnt, erheblich über dem "Normaltarif"
liegende "Unfallersatztarife" als erstattungsfähig anzusehen (vgl. LG Bonn,
Urteil vom 24. Mai 2004, VersR 1284; LG Freiburg, Urteil vom 11. März 1997,
NJW-RR 1997, 1069; LG Bonn, Urteil vom 25. Februar 1998, NZV 1998, 417; AG
Frankfurt, Urteile vom 20. November 1998, NJW-RR 1999, 708 und vom 6.
September 2001, NZV 2002, 83; AG Düsseldorf, Urteil vom 7. März 2000, NJW-RR
2001, 133) Nach den Feststellungen des LG Regensburg (Urteil vom 7. Oktober
2003 aaO) wird die Durchsetzbarkeit von Unfallersatztarifen in der Praxis
"inzwischen sehr skeptisch bis ablehnend" beurteilt.
2. Umstritten ist der Umfang der Aufklärungspflicht.
a) Das Oberlandesgericht Koblenz (aaO) hat 1992 eine Pflicht des
Autovermieters bejaht, potentielle Kunden über die Art des gewünschten
Vertrages zu befragen und ihnen alle für ihre Entscheidungen wesentlichen
Fakten offen zu legen. Der Kunde sei ungefragt auf mögliche
Abrechnungsschwierigkeiten gegenüber Versicherungen im Falle der Anmietung
zu einem "Unfallersatztarif" und auf im Vergleich zu diesem Tarif günstigere
eigene Tarife des Autovermieters aufmerksam zu machen. Diese Entscheidung
hat in Rechtsprechung und Literatur überwiegend Zustimmung gefunden
(Nachweise bei Körber NZV 2000, S. 68, 75). Auch der 32. Deutsche
Verkehrsgerichtstag 1994 hat empfohlen, den Autovermietern eine Pflicht zur
Aufklärung über ihre verschiedenen Tarife aufzuerlegen. Zur Begründung wird
angegeben, dass es dem durchschnittlichen Mietwagenkunden nur infolge einer
solchen Information möglich sei, Kenntnis über die Möglichkeiten des
Autovermietungsmarktes zu erlangen (Körber aaO). Seit der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 1996 (aaO), in der der VI. Zivilsenat die
Frage, ob den Vermieter eine Aufklärungspflicht treffe, offen gelassen hat,
wird der Umfang der Aufklärungspflicht von den Instanzgerichten sehr
unterschiedlich beurteilt. Es hat sich ein breites Spektrum an Auffassungen
entwickelt.
Das Landgericht Bonn (aaO) ist der Auffassung, der gewerbliche Vermieter
müsse den Mieter insbesondere darauf hinweisen, dass der angebotene
Unfallersatztarif über den Sätzen liege, die von den
Haftpflichtversicherungen übernommen würden; zugleich müsse er über seine
weiteren günstigeren Tarife informieren. Nach Meinung des Amtsgerichts
Ettlingen (aaO) muss der Autovermieter darauf hinweisen, dass neben dem
Unfallersatztarif ein billigerer Normaltarif besteht. Nach Meinung des
Landgerichts Regensburg (aaO) wissen die Autovermieter aufgrund ihrer
Erfahrungen mit Haftpflichtversicherungen und Gerichten, dass die
Durchsetzbarkeit von Unfallersatztarifen inzwischen sehr skeptisch bis
ablehnend beurteilt werde. Auf bevorstehende Schwierigkeiten bei der
Durchsetzung der Mietwagenrechnung müsse der Pkw-Vermieter deshalb vor
Abschluss des Mietvertrages den Mieter hinweisen. Insbesondere müsse er ihn
auch darüber informieren, dass es "Normaltarife" gebe, die vom "Unfalltarif"
erheblich nach unten abwichen. Das Amtsgericht Frankfurt (NJW-RR 1999, 708)
hat entschieden, der Vermieter müsse, wenn er wisse, dass der von ihm
konkret angebotene Mietwagentarif über den Sätzen liege, die von einer
Haftpflichtversicherung ohne Abzug akzeptiert würden, den Unfallgeschädigten
auf die möglicherweise entstehenden Schwierigkeiten bei der Erstattung
hinweisen und den Kunden von sich aus über günstigere Tarife informieren,
und zwar unabhängig davon, ob er selber günstigere Normal- oder
Pauschaltarife anbieten könne. Das Amtsgericht Düsseldorf (aaO) ist der
Ansicht, der Vermieter müsse den Mieter auf die Besonderheiten des
gespaltenen Tarifmarkts hinweisen und ihn darauf aufmerksam machen, dass die
Versicherung des Unfallgegners möglicherweise nicht ohne Weiteres bereit
sein werde, den angebotenen Unfallersatztarif zu akzeptieren.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 28.
April 2004 aaO) richtet sich nicht nur das Bestehen, sondern auch der Umfang
der Aufklärungspflicht nach der Person des Mieters und dessen für den
Vermieter erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder Unerfahrenheit. Allerdings
ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen
und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und
entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder
nicht.
c) Das bedeutet, dass die Interessen des Vermieters gegen die des Mieters
abzuwägen sind. Neben dem Bedürfnis des Unfallgeschädigten nach Information
über die Angebote des Vermieters und den gespaltenen Mietmarkt muss
berücksichtigt werden, dass dem Vermieter nicht zugemutet werden kann, auf
sein jeweils günstigstes Angebot aufmerksam zu machen. Müsste er gar, wie
vom Amtsgericht Frankfurt gefordert (NJW-RR 1999, 708), auf günstigere
Angebote der Konkurrenz hinweisen, wäre er gezwungen, seine Preise
entsprechend anzupassen oder als Anbieter auszuscheiden. In der
Marktwirtschaft hat aber derjenige, der den Vertrag schließt, sich selbst zu
vergewissern, ob er für ihn von Vorteil ist oder nicht. Die Aufgabe der
Preiskontrolle ist in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB primär dem Markt und
dem darauf bestehenden Wettbewerb als "Entdeckungsverfahren" zugewiesen
(Körber aaO S. 75). Eine Offenbarungspflicht des Leistungsanbieters über
seine Preisgestaltung und diejenige der Mitbewerber besteht in der
Marktwirtschaft gerade nicht (Schiemann JZ 1996, 1077, 1078).
d) Der Senat hält es deshalb nicht für erforderlich, dass der Autovermieter
auf günstigere (eigene) oder gar fremde Angebote hinweist. Lediglich dann,
wenn er dem Unfallgeschädigten einen Tarif anbietet, der deutlich über dem
Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und dadurch die Gefahr
besteht, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt,
muss
er den Mieter darüber aufklären. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der
Vermieter mehrere oder - wie im vorliegenden Fall von ihm behauptet - nur
einen einheitlicher Tarif anbietet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist
es, den Mieter deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die
(gegnerische) Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise
nicht in vollem Umfang erstattet (entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts liegt in einem solchen Hinweis kein Verstoß gegen das
Rechtsberatungsgesetz, weil der Hinweis nicht der Rechtsverfolgung gegenüber
dem Haftpflichtversicherer dient); es ist dann Sache des Mieters, sich
kundig zu machen, etwa indem er Kontakt zur Haftpflichtversicherung
aufnimmt, weitere Angebote einholt oder sich anwaltlich beraten lässt.
3. Danach steht dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. (§§ 241
Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB) in Höhe der Klageforderung zu, mit dem
er wirksam gegen diese aufgerechnet hat.
Zwar hat das Landgericht keine Feststellungen zum "Normaltarif" getroffen.
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beklagten liegt der hier
geltend gemachte Mietzins deutlich über dem auf dem örtlich relevanten Markt
bestehenden Normaltarif. Die Klägerin hätte den Beklagten deshalb darauf
hinweisen müssen, dass die Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif
möglicherweise nicht in vollem Umfang ersetzen werde. Es ist davon
auszugehen, dass sich der Beklagte "aufklärungsrichtig" verhalten hätte
(vgl. Palandt/Heinrichs aaO § 280 Rdn. 39 unter Hinweis auf BGHZ 72, 92,
106; 124, 151, 159). Die Unsicherheit darüber, zu welchem Preis der
Beklagte bei ordnungsgemäßer Aufklärung einen Wagen gemietet hätte, geht zu
Lasten des Autovermieters (Körber aaO S. 76). Es ist deshalb davon
auszugehen, dass der Beklagte einen Wagen zu einem günstigeren, vom
Haftpflichtversicherer nicht beanstandeten Tarif angemietet hätte mit der
Folge, dass die Klageforderung nicht entstanden wäre. Der Beklagte kann
gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das
schädigende Verhalten des Vermieters gestanden hätte (Palandt/Heinrichs
aaO § 311 Rdn. 56).
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