Aufklärungspflichten der
finanzierenden Bank über die Sittenwidrigkeit des finanzierten Geschäfts und
vorsätzliche Täuschungen des Vertragspartners des finanzierten Geschäfts
("Schrottimmobilien"); Haftung aus culpa in contrahendo; Voraussetzungen der
Verwirkung von Schadensersatzansprüchen und verbraucherschützenden
Widerrufsrechten
BGH, Urteil vom 17. Oktober
2006 - XI ZR 205/05
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die Bank muss den
kreditsuchenden Kunden nicht nur auf eine erkannte Sittenwidrigkeit der
Kaufpreisvereinbarung, sondern auch auf eine erkannte arglistige Täuschung
des Verkäufers gemäß § 123 BGB über wesentliche Eigenschaften der Kaufsache
und/oder auf eine damit häufig verbundene vorsätzliche culpa in contrahendo
ungefragt hinweisen.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung resümiert in sehr lehrreicher Weise den
derzeitigen Stand der Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten der
finanzierenden Bank im Falle des Immobilienstrukturvertriebs
("Schrottimmobilien")., s. dazu . die Anm. zu
BGH v. 19.9.2006 - XI ZR 204/04, zu
BGH NJW 2006, 2099 sowie die Entscheidung
BGH v. 26.9.2006 - XI ZR 283/03.
©sl 2006
Tatbestand:
1 Die Kläger fordern von der beklagten Bank Schadensersatz wegen eines
Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit dem Erwerb einer minderwertigen
Eigentumswohnung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2 Im Spätherbst 1993 wurden die Kläger, ein damals 45-jähriger Angestellter
und seine damals 42-jährige, als Vorarbeiterin tätige Ehefrau, von einem
Bekannten ihrer Tochter auf den Erwerb einer Eigentumswohnung zum Zwecke der
Steuerersparnis angesprochen. Durch weitere Vermittlung des für die
Wirtschaftsberatung H. (nachfolgend: Vermittlerin) tätigen Zeugen R. , der
den Klägern einen Prospekt der Vermittlerin vorlegte, entschlossen sich die
Kläger im November 1993 zum Erwerb der Wohnung Nr. ... in der
Wohnungseigentumsanlage G. straße in D. . Am 10. Dezember 1993 schlossen sie
darüber einen notariellen Kaufvertrag zum Preis von 256.650 DM und
bestellten am selben Tag eine Grundschuld über 295.000 DM für die Beklagte.
3 Am 22. Dezember 1993 unterzeichneten die Kläger in ihrer Wohnung zur
Finanzierung des Kaufpreises einen von dem Zeugen R. vermittelten und in der
Filiale der Beklagten vorbereiteten Darlehensvertrag über mehrere
Teilkredite von insgesamt 295.000 DM (nominal), der keine Widerrufsbelehrung
nach dem Haustürwiderrufsgesetz enthielt. Im Wertermittlungsbogen nahm der
damalige Filialleiter der Beklagten auf den Prospekt der Vermittlerin Bezug,
in dem die Größe der Wohnung mit 87 qm und ihr Preis mit 256.650 DM
angegeben waren. Die Kaufpreiszahlung erfolgte über das bei der Beklagten
geführte Notaranderkonto, wobei auf Anweisung des Verkäufers ein Betrag von
108.750 DM an die Vermittlerin als Provision floss.
4 Nachdem eine von der Beklagten im Jahre 1995 durchgeführte Bewertung der
Eigentumswohnung zu einem Verkehrswert von lediglich 156.000 DM gekommen
war, schlossen sich die Kläger mit anderen geschädigten Käufern zu einer
Interessengemeinschaft zusammen und unterrichteten im Februar 1996 den
Vorstand der Beklagten über das aus ihrer Sicht pflichtwidrige und eine
Schadensersatzhaftung begründende Geschäftsgebaren ihrer Filialen. Nach
Ablauf der im Darlehensvertrag festgelegten fünfjährigen Zinsbindungsfrist
vereinbarten die Vertragsparteien Ende 1998 einen neuen Zinssatz für das
Darlehen, ohne dass die Kläger hierbei nochmals den Vorwurf eines
Aufklärungsverschuldens erhoben.
5 Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. April 2002 ließen die Kläger ihre
Darlehensvertragserklärungen nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen. Sie
haben zur Begründung einer Schadensersatzhaftung der Beklagten vor allem
geltend gemacht: Deren damaliger Filialleiter sowie der Kreditsachbearbeiter
hätten bei Abschluss des Kreditvertrages gewusst, dass sie, die Kläger,
aufgrund arglistiger Täuschung durch die Vermittlerin eine minderwertige,
baufällige und wesentlich ältere als im Prospekt der Vermittlerin angegebene
Wohnung gekauft hätten. Die Finanzierung der weitgehend wertlosen Immobilien
sei erst nach deren Besichtigung durch Mitarbeiter der Beklagten erfolgt.
6 Die Kläger machen als Schaden die Differenz zwischen den bis Ende 2002
erzielten Mieteinnahmen und den gezahlten monatlichen Darlehensraten, den
Nebenkosten sowie den Reparaturen nebst Sonderumlagen der Hausverwaltung
geltend, wobei sie den Gesamtschaden unter Berücksichtigung erzielter
Steuervorteile mit 53.302 € beziffern. Mit der Klage fordern sie einen
Teilbetrag von 39.819,69 € zuzüglich Zinsen sowie die Freistellung von der
Darlehensschuld Zug um Zug gegen Übertragung der Eigentumswohnung.
7 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist
erfolglos geblieben. Mit der - vom erkennenden Senat - zugelassenen Revision
verfolgen sie ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
9 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
10 Den Klägern stehe gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen
Verschuldens bei Vertragsschluss zu. Die engen Voraussetzungen, unter denen
nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Bank hinsichtlich des
finanzierten Objekts ausnahmsweise eine vorvertragliche Aufklärungs- und
Hinweispflicht treffe, lägen nicht vor. Die Beklagte habe bei Abschluss des
Kreditvertrages bezüglich des Verkehrswertes der von den Klägern erworbenen
Eigentumswohnung keinen konkreten Wissensvorsprung gehabt. Dass die Wohnung
nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen nur 81 qm groß sei und
damals lediglich ca. 107.000 DM wert gewesen, die Kaufpreisvereinbarung also
sittenwidrig sei, sei den Mitarbeitern der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt
nicht positiv bekannt gewesen. Nach der zutreffenden Würdigung der
Zeugenaussagen durch das Landgericht hätten Angestellte der Beklagten
insoweit sowie zum Zustand der vermittelten Eigentumswohnungen vielmehr nur
einen vagen Verdacht gehabt.
11 Darüber hinaus sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Kläger auch
verwirkt oder im Hinblick auf den Grundsatz des "venire contra factum
proprium" nicht mehr durchsetzbar. Da die Kläger das neue Konditionenangebot
der Beklagten Ende 1998 trotz des vorher erhobenen Vorwurfs einer
Schadensersatzpflicht der Beklagten widerspruchslos angenommen hätten, habe
die Beklagte davon ausgehen und darauf vertrauen dürfen, von den Klägern
künftig nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
12 Der Darlehensvertrag der Parteien sei auch nicht wirksam widerrufen
worden, da ein etwaiges Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz
ebenfalls verwirkt und damit erloschen sei. Eine Anfechtung des Vertrages
wegen arglistiger Täuschung scheide gleichfalls aus, weil die Mitarbeiter
der Vermittlerin in Bezug auf das Kreditgeschäft keine Erfüllungsgehilfen
der Beklagten, sondern Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB gewesen seien,
deren falsche Angaben sich die Beklagte nicht zurechnen lassen müsse.
II.
13 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden
Punkten nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nach dem
derzeitigen Sach- und Streitstand ein Schadensersatzanspruch der Kläger
gegen die Beklagte wegen schuldhafter Verletzung einer vorvertraglichen
Aufklärungs- und Hinweispflicht weder auszuschließen noch verwirkt.
14 1. Eine Schadensersatzhaftung der Beklagten wegen schuldhafter Verletzung
einer eigenen Aufklärungspflicht lässt sich - wie die Revision zu Recht rügt
- mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht ablehnen. Sie
übersieht, dass die Bank ihren kreditsuchenden Kunden nicht nur auf eine
erkannte Sittenwidrigkeit der Kaufpreisvereinbarung, sondern auch auf eine
erkannte arglistige Täuschung des Verkäufers oder Vermittlers über
wesentliche Eigenschaften der Kaufsache und/oder auf eine damit häufig
verbundene vorsätzliche culpa in contrahendo ungefragt hinweisen muss.
Überdies entspricht sie, was die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich
eines die Aufklärungs- und Hinweispflicht begründenden konkreten
Wissensvorsprungs der kreditgebenden Bank anbetrifft, nicht der neuen
Rechtsprechung des erkennenden Senats.
15 a) Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
ist eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger und
Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft
allerdings nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Dies kann
der Fall sein, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der
Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als
Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen
Risiken des Anlagegeschäfts hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand
für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im
Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl an den Bauträger als auch an
einzelne Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn
sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten
Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann
(vgl. etwa Senat BGHZ 159, 294, 316; 161, 15, 20 sowie Senatsurteile vom 9.
November 2004 - XI ZR 315/03, WM 2005, 72, 76 und vom 15. März 2005 - XI ZR
135/04, WM 2005, 828, 830). Schon nach diesen Grundsätzen ist eine
Schadensersatzpflicht der Beklagten entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts nicht auszuschließen.
16 Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze zwar im Ausgangspunkt nicht
verkannt, sondern ist davon ausgegangen, dass der Kaufpreis der
Eigentumswohnung von 256.650 DM angesichts des vom Sachverständigen
festgestellten Wertes von nur rund 107.000 DM sittenwidrig überhöht war.
Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht für das Bestehen
einer Aufklärungspflicht Kenntnis der Mitarbeiter der Beklagten von der
Sittenwidrigkeit der Kaufpreisvereinbarung verlangt hat. Indessen durfte es
eine Schadensersatzhaftung der Beklagten, wie die Revision zu Recht geltend
macht, nicht allein deshalb ablehnen. Die kreditgebende Bank trifft, was
das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat, eine Aufklärungs- und
Warnpflicht nämlich auch dann, wenn sie bei Vertragsschluss weiß, dass für
die Bewertung des Kaufobjektes wesentliche Umstände durch Manipulation
verschleiert wurden (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1991 - XI ZR
8/91, WM 1992, 216, 218), oder dass der Vertragsschluss ihres Kunden auf
einer arglistigen Täuschung des Verkäufers im Sinne des § 123 BGB (vgl.
BGH, Urteile vom 1. Juli 1989 - III ZR 277/87, WM 1989, 1368, 1370 und vom
11. Februar 1999 - IX ZR 352/97, WM 1999, 678, 679) bzw. auf einer
vorsätzlichen culpa in contrahendo beruht. Dass der von den Klägern
geschlossene Kaufvertrag hier sittenwidrig und nichtig ist, es also einer
Anfechtung gemäß § 123 BGB oder einer schadensersatzrechtlichen
Rückabwicklung nach den Regeln der culpa in contrahendo nicht bedarf,
entlastet die Beklagte nach dem Schutzgedanken der Aufklärungs- und
Hinweispflicht nicht. Eine der Beklagten möglicherweise bekannte Täuschung
der Kläger über den Zustand, das Alter und die Größe der Eigentumswohnung
hat das Berufungsgericht nicht geprüft.
17 b) Überdies wird das Berufungsurteil der erst nach seiner Verkündung
modifizierten Rechtsprechung des erkennenden Senats zur tatsächlichen
Vermutung eines Wissensvorsprungs der kreditgebenden Bank nicht gerecht.
Nach dieser Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 16.
Mai 2006 - XI ZR 6/04, WM 2006, 1194, 1200 f. Tz. 50 ff., für BGHZ
vorgesehen, und vom 19. September 2006 - XI ZR
204/04, Umdruck S. 11 ff., für BGHZ vorgesehen) können sich die
Anleger in Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der
kreditgewährenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten
Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die
Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden
Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch
unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des
Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die Kenntnis der Bank von
einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn
Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und
die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise
zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder
Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten besonderen
Finanzierungsvermittler, angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben
des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des
Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so
dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufdrängt, die Bank habe sich
der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.
18 Bei Anwendung dieser im Urteil des erkennenden Senats vom
16. Mai 2006 (XI ZR 6/04, WM 2006, 1194, 1200 f., Tz.
53-55) näher dargelegten Grundsätze besteht nach dem im
Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt eine eigene
vorvertragliche Hinweis- und Aufklärungspflicht der kreditgebenden
Beklagten, weil sowohl ihre Kenntnis von dem sittenwidrig überhöhten
Kaufpreis als auch von den vorsätzlich falschen Angaben der für den
Verkäufer tätig gewordenen Vermittlerin sowie ihres Prospekts über den
damaligen Wert sowie über andere verkehrswesentliche Eigenschaften der
Eigentumswohnung widerleglich vermutet wird, so dass von einem erkennbaren
konkreten Wissensvorsprung der Beklagten gegenüber den Klägern bei Abschluss
des Darlehensvertrages auszugehen ist.
19 Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachvortrag wussten Mitarbeiter
der Beklagten, deren Kenntnis sie sich zurechnen lassen muss, dass die
veräußerten Eigentumswohnungen weit überteuert und überdies mit erheblichen
Baumängeln behaftet waren. Die Unrichtigkeit der Angaben der Vermittlerin in
ihrem Prospekt und bei den von deren Mitarbeiter R. geführten
Vertragsverhandlungen über den Wert der streitgegenständlichen Wohnung sowie
deren baulichen Zustand war evident, zumal vor der Kreditvergabe eine
Ortsbesichtigung durch Mitarbeiter der Beklagten stattgefunden haben soll.
Darüber hinaus musste - worauf die Revision mit Recht hinweist - den für die
Beklagte handelnden Angestellten auch die Diskrepanz zwischen dem
tatsächlichen Baujahr des Gebäudes einerseits und dem von der Vermittlerin
im Prospekt genannten Baujahr 1991 andererseits ins Auge springen.
20 Die Kenntnis der Beklagten von diesen evident fehlerhaften Angaben
über den Wert und andere wertbildende Eigenschaften der Eigentumswohnung
wird widerlegbar vermutet, weil auch die weiteren Voraussetzungen für die
Beweiserleichterung nach dem im Revisionsverfahren maßgeblichen Sachvortrag
der Kläger vorliegen. Danach bestand zwischen der Beklagten, dem Verkäufer
der Eigentumswohnung und der eingeschalteten Vermittlerin eine
institutionalisierte Zusammenarbeit, die den Vertrieb der erforderlichen
Darlehen einschloss. Grundlage dieser planmäßigen und arbeitsteiligen
Zusammenarbeit bildete ein gemeinsames Vertriebskonzept der Beklagten und
der Vermittlerin, in dessen Rahmen ca. 150 bis 200 Eigentumswohnungen an
interessierte Kapitalanleger verkauft wurden. Die Finanzierung der mit Hilfe
der Vermittlerin veräußerten Immobilien erfolgte weitgehend durch die
Beklagte, deren damaliger Filialleiter mit dem Inhaber der Vermittlerin
persönlich verbunden war.
21 Auch den Klägern wurde die Finanzierung der von ihnen erworbenen
Eigentumswohnung durch den eingeschalteten Strukturvertrieb angeboten. Sie
hatten niemals persönlichen Kontakt mit der Beklagten. Die Vermittlerin, der
die konzeptionelle Finanzierungsbereitschaft der Beklagten bekannt war,
benannte diese den Klägern gegenüber als finanzierendes Institut und legte
ihnen ein entsprechendes Darlehensvertragsformular der Beklagten zur
Unterschrift vor.
22 Ihre danach bestehende Aufklärungs- und Warnpflicht wegen eines konkreten
erkennbaren Wissensvorsprungs über die speziellen Risiken der zu
finanzierenden Kapitalanlage hat die Beklagte auf der Grundlage des im
Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalts schuldhaft verletzt. Sie hat
die Kläger daher nach den Regeln der culpa in contrahendo in Verbindung mit
dem in § 249 Satz 1 BGB normierten Grundsatz der Naturalrestitution so zu
stellen, wie sie ohne die Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten
gestanden hätten. Dabei ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung, die im
konkreten Fall zu widerlegen der Beklagten obliegt, davon auszugehen, dass
die Kläger sich bei einer Aufklärung über den wirklichen Wert der
Eigentumswohnung und/oder deren Mängel oder tatsächliches Alter entweder
sofort auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages berufen, den Vertrag nach § 123
BGB angefochten oder die Haftung des Verkäufers wegen vorsätzlicher culpa in
contrahendo geltend gemacht hätten.
23 2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ein etwaiger
Schadensersatzanspruch der Kläger auch nicht verwirkt.
24 Ein Recht ist nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 BGB) verwirkt, wenn der Berechtigte es über längere Zeit nicht geltend
gemacht und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des
Berechtigten darauf eingerichtet hat und auch einrichten durfte, dass dieser
das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird (st.Rspr.,
siehe z.B. BGHZ 43, 289, 292; 84, 280, 281; 105, 290, 298).
25 Diese engen Voraussetzungen sind, wie die Revision zu Recht rügt, im
vorliegenden Streitfall nicht erfüllt. Zwar haben die Kläger sich mit der
Erhebung der Klage mehrere Jahre Zeit gelassen. Hierbei darf aber nicht
unberücksichtigt bleiben, dass Ersatzansprüche des Geschädigten aus culpa in
contrahendo bis zur Geltung des neuen Schuldrechts grundsätzlich der
allgemeinen dreißigjährigen Regelverjährung im Sinne des § 195 BGB a.F.
unterlagen (siehe BGH, Urteil vom 30. März 1990 - V ZR 13/89, NJW 1990,
1658, 1659; MünchKommBGB/Grothe 4. Aufl. § 195 Rdn. 13 m.w.Nachw.), so
dass die Beklagte noch über einen langen Zeitraum mit einer Inanspruchnahme
seitens der Kläger rechnen musste. Jedenfalls haben die Kläger keinen
konkreten Vertrauenstatbestand geschaffen, der ihr jetziges Klagebegehren
als ein widersprüchliches und damit gegen Treu und Glauben verstoßendes
Verhalten erscheinen lässt. Der Umstand, dass sie das von der Beklagten
nach Ablauf der fünfjährigen Zinsbindungsfrist unterbreitete Angebot auf
Änderung der Vertragskonditionen angenommen haben, ohne sich dabei auf eine
Aufklärungspflichtverletzung zu berufen, reicht hierfür nicht aus.
Überdies ist für eine im Vertrauen auf die Nichtgeltendmachung eines
etwaigen Schadensersatzanspruches getroffene Vermögensdisposition der
Beklagten (zu diesem Erfordernis siehe BGHZ 67, 56, 68; BGH, Urteil vom
29. Februar 1984 - VIII ZR 310/82, NJW 1984, 1684 m.w.Nachw.) in den
Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen.
26 3. Ebenso wenig ist ein etwaiges Widerrufsrecht der Kläger nach dem
Haustürwiderrufsgesetz gemäß § 242 BGB verwirkt. Der erkennende Senat
hat erstmals in seiner Entscheidung vom 9. April 2002 (BGHZ
150, 248, 253 ff.) § 5 Abs. 2 HWiG in Umsetzung des
Urteils des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 (WM 2001, 2434 - Heininger)
dahingehend ausgelegt, dass das Widerrufsrecht nach dem
Haustürwiderrufsgesetz nicht durch das Widerrufsrecht des § 7 Abs. 2
VerbrKrG ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Bereits am 29. April 2002
haben die Kläger von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht. Nichts spricht
dafür, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt berechtigterweise darauf
vertrauen durfte oder gar darauf vertraut hat, die Kläger würden ihr
Widerrufsrecht nicht ausüben. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das
Widerrufsrecht sei verwirkt, ist danach nicht haltbar.
III.
27 Da zu dem von den Klägern geltend gemachten Schadensersatzanspruch
ausreichende Feststellungen des Berufungsgerichts fehlen, war das
angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit
hatten, ihr bisheriges Vorbringen unter Berücksichtigung der modifizierten
Rechtsprechung des Senats zu ergänzen, Feststellungen zur widerleglich
vermuteten Kenntnis der Beklagten über die Sittenwidrigkeit der
Kaufpreisvereinbarung und/oder die arglistige Täuschung der Kläger durch die
Vermittlerin und zum institutionalisierten Zusammenwirken der Beklagten mit
der Vermittlerin zu treffen haben.
|