Beweislastverteilung bei
der Verletzung von Aufklärungspflichten: Erfordernis des substantiierten
Bestreitens, keine allgemeine Dokumentationspflicht
BGH, Urteil vom 24. Januar
2006 - XI ZR 320/04
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Kreditinstitute haben
keine zivilrechtliche Pflicht oder Obliegenheit zur schriftlichen
Dokumentation der Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten
gegenüber Kapitalanlegern.
Zentrale Probleme:
Die Klägerin nahm nach erheblichen Kursverlusten die
beklagte Bank wegen eines angeblichen Beratungsverschuldens bei der
Umschichtung eines Wertpapierdepots auf Schadensersatz in Anspruch. Sie
behauptete, ein Angestellter der beklagten Bank habe ihr trotz konservativen
Anlageverhaltens die Umschichtung des Depots in Anteile an hochspekulativen
Multimedia-, Biotechnologie-, Software- und Internetfonds empfohlen. Die
Klägerin hat u.a. geltend gemacht, zu ihren Gunsten griffen eine
Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen ein, weil die beklagte Bank die
Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten nicht schriftlich
dokumentiert hat.
Der BGH hat die Revision zurückgewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des
BGH trägt auch im Bereich der Anlageberatung derjenige, der eine
Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür die
Beweislast. Zum Ausgleich der mit dem Nachweis einer negativen Tatsache
verbundenen Schwierigkeiten muß die auf Schadensersatz in Anspruch genommene
Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen,
wie im einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem
Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, daß diese Gegendarstellung nicht
zutrifft.
Diese Beweislastverteilung gilt auch unabhängig davon, ob der Beratungs- und
Aufklärungspflichtige die Erfüllung seiner Pflichten schriftlich
dokumentiert hat. Eine Obliegenheit oder Pflicht zur Dokumentation besteht
nicht. Sie ergibt sich weder aus dem Beratungsvertrag noch aus dem
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Die in § 34 Abs. 1 WpHG aufgeführten
gesetzlichen Aufzeichnungspflichten beziehen sich nur auf den
Geschäftsabschluss und setzen damit erst nach der (unterlassenen) Aufklärung
bzw. Beratung ein. Eine Rechtsverordnung gemäß § 34 Abs. 2 WpHG zur
Begründung weiterer Aufzeichnungspflichten ist bislang nicht erlassen
worden. Auch die so genannten Wohlverhaltensregeln der §§ 31 und 32 WpHG
sowie die zu ihrer Konkretisierung erlassene Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6
WpHG sehen eine Aufzeichnung des Aufklärungs- bzw. Beratungsgespräches nicht
vor. Ebenso wie etwa Anwälte und Steuerberater haben Kreditinstitute -
anders als Ärzte (s. etwa BGH
NJW 2005, 2614) - also
keine allgemeine zivilrechtliche Pflicht oder Obliegenheit zur schriftlichen
Dokumentation der Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten
gegenüber Kapitalanlegern.
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank wegen angeblicher Pflichtverletzungen
im Zusammenhang mit der Umschichtung eines Wertpapierdepots auf
Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin, Ehefrau eines Zahnarztes im Rentenalter, unterhielt bei der
Beklagten ein Depot, in dem sich am 31. Dezember 1999 zu 40,96% Anteile an
Aktienfonds und zu 59,04% Anteile an Rentenfonds befanden. Sie hatte am 5.
September 1996 mit der Beklagten einen "Beratungsvertrag zum D. -Depot"
abgeschlossen und in der Folgezeit ihr Anlagevermögen in eine von der
Beklagten angebotene "Vermögensverwaltung mit Investmentzertifikaten"
eingebracht. Nach einer Besprechung am 28. Februar 2000, an der die
Klägerin, ihr Ehemann und zwei Angestellte der Beklagten teilnahmen,
verkaufte die Klägerin alle im Depot befindlichen Wertpapiere mit einem
Erlös in Höhe von 304.333,27 DM. Stattdessen erwarb sie für insgesamt
300.024,32 DM Anteile an von der Gruppe der Beklagten emittierten
Multimedia-, Biotechnologie-, Software- und Internetfonds. Außerdem nahm sie
zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung durch ihren Sohn ein
Darlehen in Höhe von 150.000 DM zu einem effektiven Jahreszins von 5,906%
auf. Als Sicherheit verpfändete sie die neu erworbenen Wertpapiere. Deren
Kurs verfiel in der Folgezeit. Hierüber führten die Parteien in regelmäßigen
Zeitabständen Telefongespräche. Im April 2002 verkaufte die Klägerin
sämtliche Anteile für 48.327,60 €.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe am 28. Februar 2000 Teile ihres Depots
veräußern wollen, um ihrem Sohn 150.000 DM zuwenden zu können. Ein
Angestellter der Beklagten habe ihr trotz ihres konservativen
Anlageverhaltens die Umschichtung des Depots und die Aufnahme eines Kredits
empfohlen, ohne sie über die Risiken der neu erworbenen Fondsanteile und die
Gefahr, dass bei einem etwaigen Kursverfall das Darlehen nicht mehr
ausreichend gesichert sei, aufzuklären. In den späteren Telefongesprächen
habe der Angestellte trotz des Kursverfalls zum Halten der Anteile geraten.
Die Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 114.659,12 € nebst
Zinsen ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch aus einem Bera-tungs- oder
Aufklärungsverschulden der Beklagten nicht zu. Zwischen den Parteien habe
unabhängig davon, ob der Beratungsvertrag vom 5. September 1996 und die
spätere Vermögensverwaltung beendet worden seien, ein am 28. Februar 2000
stillschweigend geschlossener Beratungsvertrag bestanden. Nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme sei die beweisbelastete Klägerin für ihre Behauptung
beweisfällig geblieben, die Beklagte habe ihre Beratungs- und
Aufklärungspflichten am 28. Februar 2000 verletzt, weil sie die
Depotumschichtung von einer konservativen in eine hochspekulative Anlageform
initiiert habe, ohne auf die damit verbundenen Risiken hinzuweisen. Die
Darstellung des Gesprächs vom 28. Februar 2000 durch die Beklagte sei nicht
widerlegt. Danach habe der Ehemann der Klägerin den entscheidenden Anstoß
zur Änderung des Anlageverhaltens gegeben. Die Klägerin sei dem Drängen
ihres Ehemannes gefolgt, obwohl der Angestellte der Beklagten S. sie über
die erheblichen Risiken der neuen hochspekulativen Anlageform, die nicht
ihrer bisherigen Anlagementalität entspreche, aufgeklärt habe. Die
diesbezüglichen Zeugenaussagen des Ehemannes der Klägerin und des
Angestellten der Beklagten S. stünden einander unvereinbar gegenüber und
ließen keine sicheren Feststellungen zu. Ein wichtiges, für die Darstellung
des Zeugen S. sprechendes Indiz sei ein Schreiben vom 25. April 2002, in dem
der Ehemann der Klägerin sich nicht gegen die Beratung am 28. Februar 2000,
sondern nur gegen das spätere Verhalten des Zeugen S. gewandt habe.
Die angebliche Empfehlung der neu erworbenen Fondsanteile sei für sich
betrachtet keine Pflichtverletzung. Nach den Ausführungen des gerichtlich
bestellten Sachverständigen sei der spätere Kursverfall am 28. Februar 2000
noch nicht vorhersehbar gewesen.
Die Klägerin habe auch nicht nachweisen können, dass der Zeuge S. sie von
ihrem ursprünglichen Vorhaben, die zur Unterstützung ihres Sohnes benötigten
150.000 DM durch den Verkauf von Wertpapieren aufzubringen, abgebracht und
ihr zur Aufnahme eines Darlehens geraten habe. Auch hier widersprächen sich
die Bekundungen des Ehemannes der Klägerin und des Zeugen S. , ohne dass die
Richtigkeit einer dieser Darstellungen feststellbar sei.
Auch für eine fehlerhafte Beratung nach dem 28. Februar 2000 sei die
Klägerin beweisfällig geblieben. Ihr Vortrag, sie selbst habe sich wegen des
fortschreitenden Kursverfalls alle drei Monate telefonisch an den Zeugen S.
gewandt und stets den Rat "Kaufen" oder "Halten" bekommen, sei nicht
erwiesen. Während der Ehemann diesen Vortrag aufgrund von Erzählungen der
Klägerin bestätigt habe, habe der Zeuge S. bekundet, er habe die Klägerin
immer wieder gebeten, die Entscheidung für die neu erworbenen Fondsanteile
erneut zu überdenken.
Die Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO für die Vernehmung der Klägerin als
Partei lägen nicht vor. Die - vom Berufungsgericht angehörte - Klägerin habe
den Anbeweis für die Richtigkeit ihres Vortrags nicht erbracht. Auch der
Grundsatz der Waffengleichheit (EGMR NJW 1995, 1413 ff.) gebiete ihre
Vernehmung als Partei nicht. Die Klägerin und der Zeuge S. seien bei dem
Gespräch am 28. Februar 2000 und den späteren Telefonaten nicht beide
Repräsentanten der jeweiligen Partei gewesen. Die Klägerin sei vielmehr
selbst Partei, während der Zeuge S. ein Angestellter der Beklagten sei.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis
stand.
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte nach ihrem
eigenen Sachvortrag keine Beratungs- oder Aufklärungspflichten verletzt hat,
ist rechtsfehlerfrei und wird von der Revision nicht angegriffen.
2. Rechtlich zutreffend ist auch die Meinung des Berufungsgerichts, die
Klägerin trage die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung einer
Beratungs- oder Aufklärungspflicht der Beklagten.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derjenige, der
eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür die
Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen
Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die
behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im
Einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller
obliegt dann der Nachweis, dass diese Gegendarstellung nicht zutrifft (BGHZ
126, 217, 225; BGH, Urteile vom 16. September 1981 - IVa ZR 85/80, WM 1982,
13, 16, vom 5. Februar 1987 - IX ZR 65/86, WM 1987, 590, 591, vom 9.
November 1989 - IX ZR 261/88, WM 1990, 115 f., vom 3. Dezember 1992 - IX ZR
61/92, WM 1993, 510, 512 und vom 10. Dezember 1998 - IX ZR 358/97, WM 1999,
645, 646). Dies gilt auch für den Bereich der Anlageberatung (Senat, Urteile
vom 9. Mai 2000 - XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1443 und vom
27. Juni 2000 -
XI ZR 174/99, WM 2000, 1685, 1686).
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat in der instanzgerichtlichen
Rechtsprechung (OLG Frankfurt/Main WM 1993, 1030, 1032; OLG Frankfurt/Main
ZIP 1998, 2148, 2149 f.; KG Berlin WM 2002, 746, 748 f.; OLG Köln OLGR 2004,
133; OLG Köln OLGR 2004, 176, 177) und im Schrifttum (Balzer, in: Welter/Lang,
Handbuch der Informationspflichten im Bankverkehr Rdn. 7.93; Baumgärtel,
Handbuch der Beweislast 2. Aufl. Anhang § 282 Rdn. 23; Brandt, Aufklärungs-
und Beratungspflichten der Kreditinstitute bei der Kapitalanlage S. 154;
Musielak/ Foerste, ZPO 4. Aufl. § 286 Rdn. 40; Grüneberg, in:
Bamberger/Roth, BGB § 280 Rdn. 68; Horn, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und
Bankpraxis Rdn. 7/1341; Ellenberger, in: Ellenberger/Schäfer,
Fehlgeschlagene Wertpapieranlagen S. 59, 92; Schäfer/Müller, Haftung für
fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen Rdn. 79 f.; Waldeck, in:
Cramer/Rudolph, Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung S. 647,
654; Wieneke, Discount-Broking und Anlegerschutz S. 215; Drygala WM 1992,
1213, 1221 f.; a.A. Reich WM 1997, 1601, 1605; Tilp, in: Horn/Krämer,
Bankrecht 2002 S. 419, 437 ff.) ganz überwiegend Zustimmung gefunden.
b) Eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen ergeben sich entgegen
der Auffassung der Revision nicht aus einer Verletzung einer
Dokumentationsobliegenheit. Nach dem Sachvortrag der Parteien hat die
Beklagte die Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten zwar nicht
schriftlich dokumentiert. Eine Obliegenheit oder Pflicht zur Dokumentation
bestand aber auch nicht. Sie ergibt sich weder aus dem Beratungsvertrag noch
aus dem Wertpapierhandelsgesetz oder den Richtlinien des
Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel gemäß § 35 Abs. 2 WpHG vom 26.
Mai 1997 (BAnz. S. 6586) bzw. gemäß § 35 Abs. 6 WpHG vom 9. Mai 2000 (BAnz.
S. 13792).
aa) Aus einem Vertragsverhältnis kann sich zwar gemäß § 242 BGB eine
Dokumentationspflicht des Vertragspartners ergeben, der die Belange des
anderen wahrzunehmen hat und dabei Maßnahmen oder Feststellungen trifft, die
der andere nicht selbst erkennen oder beurteilen kann (vgl. BGH, Urteil vom
15. November 1984 - IX ZR 157/83, WM 1985, 138, 139). Eine solche Pflicht,
die etwa Ärzte trifft (BGHZ 72, 132, 138; BGH, Urteil vom 6. Juli 1999 - VI
ZR 290/98, NJW 1999, 3408, 3409 f.), besteht aber bei der Anlageberatung
durch Kreditinstitute ebenso wenig wie bei der Beratung durch Rechtsanwälte
und Steuerberater (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1992 - IX ZR 105/91, WM
1992, 701, 703). Der beratene Anleger kann auch ohne besondere Fachkunde
eigene Aufzeichnungen über das Beratungsgespräch fertigen oder zu dem
Gespräch einen Zeugen hinzuziehen. Selbst ohne Zeugen besteht im Prozess die
Möglichkeit, durch Abtretung oder durch Parteivernehmung eine
beweisrechtlich ebenbürtige Stellung mit der Bank herzustellen (Ellenberger,
in: Ellenberger/Schäfer, Fehlgeschlagene Wertpapieranlagen S. 57, 93 f.;
Schwennicke WM 1998, 1101, 1109; a.A. Roller/ Hackenberg VuR 2005, 127,
129).
bb) Eine Aufzeichnungspflicht folgt auch nicht aus dem
Wertpapierhandelsgesetz.
(1) Die in § 34 Abs. 1 WpHG enumerativ aufgeführten gesetzlichen
Aufzeichnungspflichten beziehen sich nur auf den Geschäftsabschluss und
setzen damit erst nach der (unterlassenen) Aufklärung bzw. Beratung ein
(Balzer, in: Welter/Lang, Handbuch der Informationspflichten im Bankverkehr
Rdn. 7.96; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute
bei der Kapitalanlage S. 253 f.; Horn, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und
Bankpraxis Rdn. 7/1341; Lang, Informationspflichten bei
Wertpapierdienstleistungen § 14 Rdn. 1 und § 19 Rdn. 16; Schäfer/Müller,
Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen Kapitel 1 Rdn. 81;
Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar 3. Aufl. WpHG § 34 Rdn. 13;
Schwennicke WM 1998, 1101, 1108). Die nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 WpHG
aufzuzeichnenden Anweisungen des Kunden schließen dessen inhaltliche
Aufklärung nicht ein. Der Begriff der Anweisung umfasst nur den Auftrag als
solchen, d.h. seine Konditionen und Abwicklung.
Eine Rechtsverordnung gemäß § 34 Abs. 2 WpHG zur Begründung weiterer
Aufzeichnungspflichten ist bislang nicht erlassen worden.
(2) §§ 31, 32 WpHG begründen ebenfalls keine Dokumentationspflicht oder
-obliegenheit (Ellenberger, in: Ellenberger/Schäfer, Fehlgeschlagene
Wertpapieranlagen S. 57, 94; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG 3. Aufl. §
31 Rdn. 94 a, 119 a; Lang, Informationspflichten bei
Wertpapierdienstleistungen § 14 Rdn. 1; Möllers/Ganten ZGR 1998, 773, 803;
Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 109 Rdn.
34; Schwennicke WM 1998, 1101, 1108; Balzer WM 2000, 441, 446 Fn. 69; a.A.
Reich WM 1997, 1601, 1605; vgl. auch Roller/Hackenberg VuR 2005, 127, 128
f.; Tilp, in: Horn/Krämer, Bankrecht 2002 S. 419, 437 ff.).
Die Wohlverhaltensregeln der §§ 31, 32 WpHG sehen eine Aufzeichnung des
Aufklärungs- bzw. Beratungsgespräches nicht ausdrücklich vor. Ein
Dokumentationserfordernis kann auch nicht im Wege der Auslegung aufgrund der
anlegerschützenden Funktion der §§ 31, 32 WpHG angenommen werden. Dadurch
würde den in § 34 Abs. 1 WpHG ausdrücklich geregelten Aufzeichnungspflichten
(vgl. Möllers/Ganten ZGR 1998, 773, 803) und der Ermächtigung gemäß § 34
Abs. 2 WpHG, weitere Aufzeichnungspflichten durch Rechtsverordnung
festzulegen, ein sinnvoller Anwendungsbereich entzogen (vgl. Möllers/Ganten
ZGR 1998, 773, 803). Gerade diese Ermächtigung spricht dafür, dass der
Gesetzgeber eine Erweiterung der Aufzeichnungspflichten allein dem
förmlichen Weg einer Rechtsverordnung vorbehalten wollte.
cc) Aus Nr. 3.7 der zur Zeit des Beratungsgesprächs am 28. Februar 2000
geltenden Richtlinie gemäß § 35 Abs. 2 WpHG des Bundesaufsichtsamtes für den
Wertpapierhandel vom 26. Mai 1997 (BAnz. S. 6586) und aus Abschnitt D der
zur Zeit der späteren Telefongespräche geltenden Richtlinie vom 9. Mai 2000
(BAnz. S. 13792), wonach die Aufklärung des Kunden so durchzuführen ist,
dass sie im Rahmen der Prüfung nach § 35 Abs. 1 oder § 36 Abs. 1 WpHG
nachvollzogen werden kann, ergibt sich ebenfalls keine Dokumentationspflicht
oder -obliegenheit. Bei der Richtlinie handelt es sich um eine
norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die keine neuen Pflichten
begründen kann und die die Zivilgerichte nicht bindet (BGHZ 147, 343, 350;
Döhmel, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung § 4 Rdn. 104; Lang,
Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen § 14 Rdn. 3). Dies
verkennen Kieninger (AcP 199 (1999), 190, 246) und Wieneke (Discount-Broking
und Anlegerschutz S. 215 f.), der die Richtlinie fälschlich als
Rechtsverordnung gemäß § 34 Abs. 2 WpHG ansieht. Der Senat teilt außerdem
die im Schrifttum vertretene Auffassung (Ellenberger, in: Ellen-berger/Schäfer,
Fehlgeschlagene Wertpapieranlagen S. 57, 95; Schwen-nicke WM 1998, 1101,
1108; a.A. Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute
bei der Anlageberatung S. 254), dass die gebotene Nachvollziehbarkeit keine
schriftliche Dokumentation erfordert. Dafür spricht bereits der Wortlaut der
Richtlinie vom 26. Mai 1997, die in Nr. 3.4 und 4.6 ausdrücklich die
Dokumentation der Verweigerung der Kundenangaben bzw. der Ausführung des
Auftrages, in Nr. 3.7 aber lediglich die Nachvollziehbarkeit der Aufklärung
des Kunden vorschreibt. Die Nachvollziehbarkeit kann entgegen der Ansicht
der Revision auch durch organisatorische Maßnahmen, z.B. durch
Mitarbeiterschulungen, Handbücher und Kontrollen, sichergestellt werden (Kümpel,
Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 16.606; vgl. auch Schwark,
Kapitalmarkt-rechts-Kommentar 3. Aufl. WpHG § 31 Rdn. 42).
3. Das Berufungsgericht hat, anders als die Revision meint, die Darlegungs-
und Beweislast auch nicht bei der Verneinung einer Pflichtverletzung in der
Zeit nach dem 28. Februar 2000 verkannt. Es hat die vom Zeugen S. bekundete
wiederholte Empfehlung, die getroffene Anlageentscheidung nochmals zu
überdenken, als ausreichende Beratung angesehen und bei dieser Beurteilung
die Möglichkeit zugrunde gelegt, dass die Klägerin zuvor die
Depotumschichtung gegen den Rat des Bankangestellten S. veranlasst hatte.
Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin trägt, wie dargelegt,
die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung einer Beratungs- oder
Aufklärungspflicht. Sie hat deshalb die Tatsachen darzulegen und zu
beweisen, aus denen sie einen bestimmten Umfang der Beratungs- oder
Aufklärungspflicht herleiten will (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1989 -
IX ZR 261/88, WM 1990, 115, 116). Dazu gehört im vorliegenden Zusammenhang,
dass die Klägerin die Depotumschichtung nicht gegen den Rat der Beklagten
veranlasst hat. Denn bei einer gegen seinen Rat vorgenommenen Anlage enthält
die wiederholte Empfehlung, die Anlageentscheidung nochmals zu überdenken,
die höflich formulierte Information, dass er der Anlage weiterhin negativ
gegenüberstehe.
4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Klägerin nicht als Partei
gemäß § 448 ZPO zu vernehmen, weil sie den Anbeweis für die Richtigkeit
ihrer Darstellung der Telefongespräche nach dem 28. Februar 2000 nicht
erbracht habe, verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen den
Grundsatz der Waffengleichheit.
a) Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Grundsatz der Waffengleichheit
erfordere eine Vernehmung der Klägerin als Partei bereits deshalb nicht,
weil die streitigen Telefongespräche nicht auf beiden Seiten von
"Repräsentanten" der Parteien, sondern auf Seite der Klägerin von ihr selbst
geführt worden seien, ist allerdings rechtsfehlerhaft. Auch in einem solchen
Falle gebietet der Grundsatz der Waffengleichheit, der Partei, die für ein
Vier-Augen-Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit zu geben, ihre
Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen
(Senatsurteil vom 27. September 2005 - XI ZR 216/04, NJW-RR 2005, 61, 63).
b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich aber aus anderen
Gründen auch insoweit als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs wird der Grundsatz der Waffengleichheit gemäß Art. 6
Abs. 1 EMRK (vgl. dazu EGMR NJW 1995, 1413 ff.) nicht verletzt, wenn ein
Gericht nach Vernehmung eines Zeugen davon absieht, die Gegenpartei gemäß §
448 ZPO von Amts wegen zu vernehmen, weil es keine Wahrscheinlichkeit für
die Parteibehauptung erkennt (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR
176/02, WM 2003, 1740, 1742 m.w.Nachw.). Dem Grundsatz der Waffengleichheit,
dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und dem Recht
auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen
Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG ist Genüge
getan, wenn die Partei gemäß § 141 ZPO angehört wird (Senat, Urteil vom 27.
September 2005 - XI ZR 216/04, NJW-RR 2006, 61, 63, m.w.Nachw.). Der
Grundsatz der freien Beweiswürdigung gewährleistet, dass das Ergebnis der
Anhörung ausreichend Gewicht hat (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR
176/02, WM 2003, 1740, 1742). Ein Gericht ist nicht gehindert, im Rahmen der
Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme einer Parteierklärung, auch wenn sie außerhalb einer
förmlichen Parteivernehmung erfolgt ist, den Vorzug vor den Bekundungen
eines Zeugen zu geben (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999,
363, 364, m.w.Nachw.). Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch
dann, wenn nicht nur die Glaubhaftigkeit der Aussage, sondern auch die
Glaubwürdigkeit der Partei in Frage steht. Im Rahmen der freien
Beweiswürdigung sind stets beide Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Den zur
Beurteilung der Glaubwürdigkeit erforderlichen persönlichen Eindruck (vgl.
Senat, Urteil vom 3. Mai 1995 - XI ZR 236/94, NJW-RR 1995, 1210, 1211)
gewinnt das Gericht auch durch die Anhörung gemäß § 141 ZPO.
III. Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
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