Nachweis des Erbrechts
gegenüber Nachlassschuldnern, Erfordernis eines Erbscheins bei
handschriftlichem (Berliner) Testament; Haftung aus §§ 280 I BGB
BGH, Urteil vom 5. April 2016 - XI ZR
440/15 - LG Wuppertal
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Der Erbe kann sein Erbrecht
auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn
dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit
nachweist (Fortführung Senatsurteil vom 7. Juni
2005 - XI ZR 311/04, WM 2005, 1432).
Zentrale Probleme:
Im Anschluss an
BGH v. 7. Juni 2005 - XI ZR 311/04
geht es um die Frage, ob die Bank die Auszahlung an Erben des Kontoinhabers
von der Vorlage eines Erbscheins geltend machen darf. Für das Vorliegen
eines notariellen Testaments und dessen Eröffnungsbeschluss ist das in der
genannten Vorentscheidung bereits verneint worden. Hier geht es nun um eine
klassische Schlusserbfolge aus einem Berlinder Testament. Nach der
vorliegenden Entscheidung kommt es hier darauf an, ob die Bank konkrete
Zweifel an der Erbenstellung haben konnte. Ist das - wie hier - nicht der
Fall, darf sie nicht die Vorlage eines Erbscheins (womit sie nach § 2367 BGB
immer befreit leisten kann) verlangen. Bloß abstrakte Zweifel genügen also
nicht. Damit lag eine Pflichtverletzung aus dem Bankvertrag vor, der die
Erben nach § 280 I BGB zum Ersatz der Kosten für den Erbschein berechtigte.
Zur Frage der Wirksamkeit einer Erbscheinsklausel in Banken-AGB aufnehmen
darf s. BGHZ 198, 250.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Kläger nehmen die beklagte
Sparkasse auf Erstattung von Gerichtskosten für die Erteilung eines
Erbscheins in Anspruch.
2 Die Erblasserin, die im August 2013 verstorbene Mutter der beiden Kläger,
unterhielt bei der Beklagten mehrere Konten, darunter auch Sparkonten. Am
22. August 1988 errichtete sie gemeinsam mit ihrem im Jahr 2001 verstorbenen
Ehemann, dem Vater der Kläger, ein handschriftliches Testament. Darin heißt
es auszugsweise:
"Die endunterzeichneten Ehegatten ... setzen sich
gegenseitig als Erben ein.
Nach dem Ableben des letzten von uns geht das zu diesem Zeitpunkt vorhandene
Vermögen auf unsere beiden aus unserer ehelichen Verbindung geborenen Kinder
... über. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt eines unserer Kinder durch Tod
schon aus der Erbfolge ausgeschieden sein, werden diese Rechte an die Kinder
unserer Kinder weitergegeben. Unsere Enkelkinder bzw. deren Kinder sind
gemäß der gesetzlichen Erbfolge unsere Erben.
Fordert beim Tode des Erstverstorbenen eines unserer Kinder sein
Pflichtteil, soll es auch beim Tode des Letztverstorbenen nur den
Pflichtteil erhalten. ..."
3 Das Testament wurde nach dem Tod des Vaters der Kläger
am 20. November 2001 eröffnet und der Beklagten vorgelegt. Nach dem Tod der
Mutter der Kläger wurde es von dem zuständigen Amtsgericht am 26. September
2013 erneut eröffnet. Im Oktober 2013 forderte die Klägerin zu 1)
die Beklagte unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und
des Eröffnungsprotokolls zur Freigabe der von ihrer Mutter bei der Beklagten
unterhaltenen Konten auf. Dabei handelte sie auch im Namen und mit Vollmacht
des Klägers zu 2). Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 lehnte die
Beklagte dies mit der Begründung ab, dass in dem Testament nicht ein Erbe,
sondern ein Vermächtnisnehmer genannt sei und sie deshalb die Vorlage eines
Erbscheins verlangen müsse. Auf ein erneutes Schreiben der Klägerin zu 1)
antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 4. Dezember 2013 und 15. Januar
2014, sie werde das handschriftliche Testament anerkennen, wenn das Gericht
bestätige, dass in dem Testament zwei Erben genannt seien.
4 Daraufhin erwirkten die Kläger bei dem zuständigen Amtsgericht die
Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wonach sie zu je 1/2-Anteil
Erben nach ihrer Mutter sind. Dafür verauslagten sie Gerichtskosten in Höhe
von 1.770 €. Außer den bei der Beklagten geführten Konten gehörte zum
Nachlass nur noch ein Guthaben bei einer anderen Bank, die jedoch die
Vorlage eines Erbscheins nicht verlangte.
5 Nach Einschaltung der Kundenbeschwerdestelle bei dem Rheinischen
Sparkassen- und Giroverband gab die Beklagte die Konten zugunsten der Kläger
frei. Eine Übernahme der Kosten der Erbscheinserteilung lehnte sie entgegen
dem Schlichtungsvorschlag mit Schreiben vom 16. Mai 2014 ab.
6 Mit der Klage haben die Kläger von der Beklagten die Zahlung von
je 885 € nebst Zinsen an sie als Mitgläubiger verlangt. Die Kläger
halten die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer Nebenpflichtverletzung für
verpflichtet, die Gerichtskosten für den Erbschein zu erstatten. Die
Beklagte hält ihr Vorgehen für berechtigt, um sich zuverlässig gegen die
Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen. Bei einem
handschriftlichen Testament bestehe die Möglichkeit der Fälschung. Zudem sei
für sie nicht erkennbar gewesen, ob einer der Kläger nach dem Tod des Vaters
den Pflichtteil gefordert habe.
7 Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete
Berufung der Beklagten hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Kläger nicht Mitgläubiger seien und der Zinsanspruch erst ab dem
16. Mai 2014 begründet sei; wegen des weitergehenden Zinsanspruchs hat es
die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision ist unbegründet.
I.
9 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
10 Den Klägern stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 280 Abs.
1 BGB auf Erstattung der Gerichtskosten für die Erteilung des Erbscheins in
Höhe von 1.770 € zu. Die Beklagte habe gegen die ihr aus
den Kontoverträgen obliegende Leistungstreuepflicht verstoßen, indem sie die
Freigabe der Konten von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht habe.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei der Erbe
nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen,
sondern könne diesen Nachweis auch in anderer Form führen. Der
Nachweis könne - wie hier - mittels einer beglaubigten Abschrift eines
handschriftlichen Testaments mit Eröffnungsvermerk erfolgen. Zwar
sei bei einem privatschriftlichen Testament die Gefahr einer
Rechtsunkenntnis, einer unentdeckt fehlenden Testierfähigkeit, einer
Fälschung oder eines Verlusts höher als bei einem notariellen Testament.
Dies rechtfertige aber nicht den Schluss, dass ein handschriftliches
Testament den Nachweis einer Erbenstellung grundsätzlich nicht erbringen
könne. Beide Testamentsformen seien nach § 2231 BGB gleichwertig. Der
fehlenden Mitwirkung eines Notars könne bei der Frage Rechnung getragen
werden, ob begründete Zweifel an dem Testamentsinhalt anzunehmen seien. Rein
abstrakte Bedenken genügten nicht.
12 Solche konkreten Zweifel an der Gültigkeit des Testaments und seinem
Inhalt, d.h. an der Erbenstellung der Kläger, bestünden hier nicht. Die
Kläger seien als Schlusserben eingesetzt worden. Hierfür spreche die
Verwendung des Begriffs der Erbfolge für den Fall eines Vorversterbens eines
der beiden Kläger. Dagegen werde der Begriff des Vermächtnisses nicht
verwendet. Zudem werde auch keine andere Person als möglicher Erbe benannt.
Die Zweifelsregelung des § 2087 Abs. 1 BGB bestätige diese Auslegung.
Soweit die Beklagte darauf hinweise, dass sie die Echtheit des
Testaments nicht habe überprüfen können, bleibe dies zu pauschal.
Das Testament sei ihr bereits nach dem Tod des Vaters der Kläger vorgelegt
worden, was die Wahrscheinlichkeit einer Fälschung massiv verringere. Die
Gefahr eines Widerrufs des Testaments, so sie denn bei einem Berliner
Testament überhaupt anzunehmen sei, bestehe auch bei einem öffentlichen
Testament.
13 Schließlich hätten für die Beklagte auch keine konkreten Zweifel an der
Erbenstellung der Kläger aufgrund der in dem Testament enthaltenen
Pflichtteilsstrafklausel bestanden. Die Nachweislücke in der Erbfolge hätte
die Beklagte durch die Einholung eidesstattlicher Versicherungen der
Erbprätendenten schließen können, indem diese versichern, den Pflichtteil
nach dem erstverstorbenen Elternteil nicht geltend gemacht zu haben.
14 Für die Erteilung des Erbscheins seien unstreitig 1.770 € angefallen.
Da die Kläger die einzigen Mitglieder der Erbengemeinschaft seien,
sei davon auszugehen, dass sie sich konkludent dazu ermächtigt hätten,
abweichend von § 2039 BGB die Zahlung von jeweils der Hälfte der
Schadensersatzsumme unmittelbar an sich zu fordern.
II.
15 Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass
die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen
Anspruch der Kläger gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB auf Erstattung
der Gerichtskosten für die Erteilung des Erbscheins bejaht.
16 1. Die Kläger sind als testamentarische Erben ihrer Mutter gemäß
§ 1922 Abs. 1, § 2032 BGB in die Kontoverträge mit der Beklagten
eingetreten. Die Beklagte hat gegen die ihr obliegende vertragliche
Leistungstreuepflicht verstoßen, indem sie die Freigabe der Konten von der
Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht hat. Aus der Leistungstreuepflicht
folgt die generelle Verpflichtung, den Vertragszweck und den Leistungserfolg
weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen (vgl. Senatsurteil vom
7. Juni 2005 - XI ZR 311/04, WM 2005, 1432, 1433
mwN). Dagegen hat die Beklagte verstoßen, indem sie zum Nachweis der
Erbenstellung der Kläger zu Unrecht die Vorlage des handschriftlichen
Testaments nebst Eröffnungsvermerk nicht hat ausreichen lassen und dadurch
die mit der Erteilung des Erbscheins verbundenen Kosten unnötigerweise
verursacht hat.
17 a) Die Kontoverträge mit der Erblasserin enthielten unstreitig keine
Vereinbarung darüber, in welcher Art und Weise nach dem Tode des
Vertragspartners dessen Rechtsnachfolge nachzuweisen ist. Auf eine
entsprechende Regelung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sich
die Beklagte nicht berufen, so dass sich die Frage nach deren Wirksamkeit
nicht stellt (siehe dazu Senatsurteil vom 8.
Oktober 2013 - XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 Rn. 30 ff.). Auch
einer der gesetzlich gesondert geregelten Fälle, in denen der Erbe die
Rechtsnachfolge grundsätzlich durch einen Erbschein nachzuweisen hat
(§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO, § 41 Abs. 1 Satz 1 Schiffsregisterordnung,
§ 86 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen), liegt nicht vor.
18 b) Abgesehen von diesen Sonderregelungen ist der Erbe nicht
verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern hat
auch die Möglichkeit, diesen Nachweis in anderer Form zu erbringen
(BGH, Urteile vom 10. Dezember 2004 - V ZR 120/04, NJW-RR 2005, 599, 600 und
vom 7. Juni 2005 - XI ZR 311/04, WM 2005, 1432,
1433 mwN). Dazu gehören neben dem öffentlichen Testament auch
das eigenhändige Testament oder im Falle gesetzlicher Erbfolge Urkunden, aus
denen sich diese ergibt.
19 Entgegen der Auffassung der Revision kann die Bank bei einem
eigenhändigen Testament auch nicht regelmäßig auf der Vorlage eines
Erbscheins bestehen. Zwar hat die Bank ein berechtigtes Interesse daran, in
den Genuss der Rechtswirkungen der §§ 2366, 2367 BGB zu kommen und so der
aus der Risikosphäre des Gläubigers stammenden Gefahr einer doppelten
Inanspruchnahme zu entgehen. Daraus folgt aber nicht, dass sie
einschränkungslos oder auch nur im Regelfall die Vorlegung eines Erbscheins
verlangen kann (vgl. Senatsurteile vom 7. Juni 2005 -
XI ZR 311/04, WM 2005, 1432, 1433 und vom 8.
Oktober 2013 - XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 Rn. 40, jeweils mwN).
20 Eine solche Sichtweise würde die Interessen des (wahren) Erben, der im
Wege der Universalsukzession (§ 922 BGB) in die Stellung des Erblassers als
Vertragspartner der Bank eingerückt ist, über Gebühr vernachlässigen.
Bei den Anforderungen an den Nachweis der Rechtsnachfolge ist auch
den berechtigten Interessen des oder der Erben an einer möglichst raschen
und kostengünstigen Abwicklung des Nachlasses Rechnung zu tragen. Ihnen ist
regelmäßig nicht daran gelegen, in Fällen, in denen das Erbrecht
unproblematisch anders als durch Vorlage eines Erbscheins nachgewiesen
werden kann, das unnütze Kosten verursachende und zu einer Verzögerung der
Nachlassregulierung führende Erbscheinsverfahren anstrengen zu müssen.
Daran, auch in klaren Erbfolgefällen allein zur Erlangung des
Gutglaubensschutzes der §§ 2366, 2367 BGB regelmäßig auf einem Erbschein
bestehen zu können, hat die Bank kein schutzwürdiges Interesse
(vgl. Senatsurteile vom 7. Juni 2005 - XI ZR
311/04, WM 2005, 1432, 1433 und vom 8. Oktober
2013 - XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 Rn. 41 mwN; Staudinger/Herzog, BGB,
Neubearbeitung 2010, Einl. zu §§ 2353 - 2370 Rn. 23; Keim, ZEV 2014, 277,
280; aA Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2353 Rn. 76; Günther, NJW 2013,
3681, 3682 f.: "in der Regel Erbscheinsvorlage").
21 c) Soweit der Senat für ein eröffnetes öffentliches Testament
angenommen hat, dass dies - entsprechend den Regelungen in § 35 Abs. 1 Satz
2 GBO und § 41 Abs. 1 Satz 2 Schiffsregisterordnung - in der Regel als
ausreichender Nachweis für die Rechtsnachfolge anzusehen sein wird
(vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2005 - XI ZR 311/04, WM 2005, 1432, 1433),
gilt eine solche widerlegbare Vermutung für ein eigenhändiges
Testament nach §§ 2247, 2267 BGB allerdings nicht.
22 Nach § 2231 BGB sind ein notarielles Testament und ein
privatschriftliches Testament zwar erbrechtlich gleichwertig. Im Hinblick
auf ihre Nachweiskraft knüpft das Gesetz daran aber abgestufte Wirkungen.
Soweit das Gesetz dies vorsieht, genügt nur eine beglaubigte Abschrift des
öffentlichen Testaments nebst einer beglaubigten Abschrift des
Eröffnungsprotokolls (§ 348 Abs. 1 Satz 2 FamFG) zum Nachweis der Erbfolge
oder der Verfügungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers, so insbesondere
nach § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GBO zur Grundbuchberichtigung, nach § 12
Abs. 1 Satz 4 HGB bei Handelsregisteranmeldungen, nach § 41
Schiffsregisterordnung bei Berichtigungen im Schiffsregister und nach § 86
Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen i.V.m. § 41
Schiffsregisterordnung bei Berichtigungen im Register für Rechte an
Luftfahrzeugen.
23 Dies rechtfertigt es, dem eröffneten öffentlichen
Testament auch im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber eine
widerlegbare Vermutung zum Nachweis der Erbfolge beizumessen. Das beruht
darauf, dass das öffentliche Testament grundsätzlich nur durch einen Notar
errichtet werden kann (§ 2231 Nr. 1 BGB, § 20 BNotO). Es
hat den Vorzug rechtskundiger Beratung (§§ 17, 30 BeurkG)
und wird grundsätzlich in besondere amtliche Verwahrung genommen (§
34 Abs. 1 Satz 4 BeurkG). Es ist öffentliche Urkunde im Sinne des §
415 ZPO und begründet vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs und
gegebenenfalls der darin bezeugten weiteren Tatsachen (§ 418 Abs. 1 ZPO).
24 Dem eigenhändigen Testament kann dagegen im Verhältnis zwischen
Bank und Kontoinhaber eine solche Vermutungswirkung zum Nachweis der
Erbfolge nicht beigelegt werden. Im Vergleich zum öffentlichen Testament
sind beim eigenhändigen oder privatschriftlichen Testament (§ 2231 Nr. 2, §§
2247, 2267 BGB) die Gefahren der Rechtsunkenntnis, unklarer Formulierungen,
des Urkundenverlusts, seiner Unterdrückung oder Fälschung höher
(vgl. AG Mannheim, ZIP 2007, 2119, 2120; Staudinger/Baumann, BGB,
Neubearbeitung 2012, § 2231 Rn. 14; BeckOGK/Grziwotz, BGB, Stand: 9.
Dezember 2015, § 2231 Rn. 18; MünchKommBGB/Hagena, 6. Aufl., § 2231 Rn. 24;
Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2231 Rn. 2).
25 Aufgrund dessen ist es bei Vorlage einer beglaubigten Ablichtung
eines eigenhändigen Testaments nebst einer beglaubigten Abschrift des
Eröffnungsprotokolls (§ 2259 Abs. 1 BGB, § 348 Abs. 1 Satz 2 FamFG) eine
Frage des Einzelfalls, ob dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr
erforderlichen Eindeutigkeit nachweist. Eine gesteigerte
Auslegungspflicht der Bank besteht allerdings nicht. Andererseits
berechtigen lediglich abstrakte Zweifel die Bank nicht dazu, einen Erbschein
zu verlangen. Nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit
der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge ist die Bank
berechtigt, ergänzende Erklärungen des oder der Erbprätendenten einzuholen
oder sich weitere Unterlagen, wie z.B. das Familienstammbuch oder einen
Erbschein vorlegen zu lassen (vgl. Bunte, AGB Banken, 4. Aufl., Rn.
103; Werkmüller, BKR 2005, 318, 319).
26 Die Beurteilung der Frage, ob die Bank trotz Vorlage eines eigenhändigen
Testaments zum Nachweis der Erbfolge wegen begründeter Zweifel an dessen
Richtigkeit die Einholung eines Erbscheins verlangen kann, obliegt in erster
Linie dem Tatrichter. Seine Auslegung kann aber mit der Revision angegriffen
werden, wenn sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denkgesetze
und Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt.
27 d) Nach diesen Maßgaben ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die
Kläger hätten ihre Erbfolge durch das privatschriftliche Testament mit der
im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachgewiesen,
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie weist keinen durchgreifenden
Rechts- oder Verfahrensfehler auf. Ein solcher wird auch von der Revision
nicht aufgezeigt.
28 Das Testament weist die Kläger, die zudem auch die gesetzlichen
Erben gewesen wären, zweifelsfrei als gewillkürte Erben aus. Hierfür spricht
die Verwendung des Begriffs der Erbfolge für den Fall eines Vorversterbens
eines der beiden Kläger. Der Begriff des Vermächtnisses wird dagegen nicht
verwendet. Zudem hat das Testament der Beklagten bereits nach dem Tod des
Vaters der Kläger vorgelegen, ohne dass sie damals Einwendungen gegen dessen
Gültigkeit erhoben hat.
29 Dass und aus welchen Gründen die Beklagte nunmehr Anlass gehabt hätte,
Zweifel an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten
Erbfolge zu haben, hat sie nicht dargetan. Solche ergeben sich auch
nicht - was die Revision meint - aus der sogenannten
Pflichtteilsstrafklausel. Im Hinblick darauf, dass der jeweils andere Erbe
davon profitiert hätte und daher dessen Berufung auf die Klausel zu erwarten
gewesen wäre, handelt es sich um einen bloß abstrakten Zweifel. Ob
die Beklagte die Freigabe der Konten noch von ergänzenden Erklärungen der
Kläger zur Nichtgeltendmachung des Pflichtteils durch einen von ihnen oder
zur Nichtexistenz weiterer Testamente oder Erbberechtigter hätte abhängig
machen können, bedarf keiner Entscheidung. Ein solches Begehren hat die
Beklagte nicht gestellt. Vielmehr hat sie die Freigabe der Konten in ihren
Schreiben vom 29. Oktober 2013, 4. Dezember 2013 und 15. Januar 2014
ausdrücklich von der Vorlage eines Erbscheins oder einer gerichtlichen
Bestätigung der Erbenstellung der Kläger abhängig gemacht.
30 2. Entgegen der Auffassung der Revision handelte die Beklagte
auch schuldhaft. Ein etwaiger Rechtsirrtum über die Verpflichtung eines
Erben zur Vorlage eines Erbscheins wäre unerheblich, weil nicht
unverschuldet. Dem beklagten Kreditinstitut musste bekannt sein,
dass Erben ihr Erbrecht nach der oben zitierten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht nur durch einen Erbschein, sondern auch auf andere
Weise nachweisen können.
31 3. Die vertragswidrige Forderung der Beklagten, einen Erbschein
vorzulegen, ist für die Beantragung des Erbscheins durch die Kläger
ursächlich geworden. Unstreitig ist der Erbschein ausschließlich
aufgrund des Verlangens der Beklagten beantragt worden und war für die
Abwicklung des Nachlasses im Übrigen nicht erforderlich.
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