Zuvielforderung bei
Verzugseintritt durch Überschreiten der Leistungszeit (§ 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB); einseitige Bestimmung der (vertraglichen) Leistungszeit nach §§ 315,
316 BGB; einseitige Bestimmung der Zahlungszeit als Mahnung; Verbindung der
fälligkeitsbegründenden Handlung mit der Mahnung; Erfordernis des
Vertretenmüssens (§ 286 IV) und Rechtsirrtum
BGH, Urt. v. 12. Juli 2006
- X ZR 157/05
Fundstelle:
NJW 2006, 3271
Amtl. Leitsatz:
a) Für die Frage, ob und
unter welchen Voraussetzungen der Schuldner trotz einer Zuvielforderung des
Gläubigers in Verzug gerät, gelten auch im Falle eines durch Überschreitung
der kalendermäßig bestimmten Leistungszeit herbeigeführten Verzuges die
Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zum Verzug durch eine Zuvielmahnung
entwickelt hat.
b) Dem Zahlungsverzug des Kunden eines Versorgungsunternehmens, der nicht
bis zu der in der ursprünglichen Rechnung genannten Leistungszeit bezahlt
hat, steht nicht entgegen, dass das Versorgungsunternehmen seine Tarife und
infolgedessen seine Rechnungen nachträglich herabgesetzt hat. Denn dies
ändert nichts daran, dass die ursprünglichen Tarife bis zu ihrer Änderung
gültig und deshalb die darauf beruhenden Rechnungsbeträge bis dahin
geschuldet waren. Etwas Anderes gilt nur im Sonderfall einer unbilligen
Leistungsbestimmung (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Zentrale Probleme:
Zur Zuvielforderung bei der Mahnung s.
BGH
NJW 1999, 3115 sowie die Anm. zu
BGH
NJW 2006, 769.
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, welche die
Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Land Berlin betreibt, hat den
beklagten Grundstückseigentümer, das Land Berlin, auf rückständiges
Straßenreinigungsentgelt für die Jahre 1998 bis 2002 nebst Verzugszinsen in
Anspruch genommen. Die Parteien streiten inzwischen nur noch über einen Teil
der Zinsen.
Die Klägerin hatte dem Beklagten für das 1.137.251 qm große Grundstück
"Waldpark Wuhlheide" mit Rechnungen vom 14. Dezember 2001 für das Jahr 1998
558.208,28 €, für 1999 554.595,39 €, für 2000 540.057,76 € und für 2001
517.471,96 € in Rechnung gestellt, die laut Vermerk auf den Rechnungen
jeweils am 31. Dezember 2001 fällig sein sollten, sowie mit Rechnung vom 17.
Januar 2002 für das Jahr 2002 509.943,36 €, fällig zum 30. Juni 2002. Mit
Sondergutschriften vom 22. April 2003 ermäßigte die Klägerin wegen
rückwirkend geänderter Tarife ihre Rechnungen für 1999 auf 482.455,99 €, für
2000 auf 477.918,36 €, für 2001 auf 455.503,14 € und für 2002 auf 448.031,40
€. Der Beklagte zahlte auf alle Rechnungen jeweils nur Teilbeträge. Von der
Klägerin auf den Rest verklagt, hat er unter anderem eingewandt, dass Teile
seines Grundstücks als Forst genutzt würden, weshalb er gemäß § 7 Abs. 5
StrRG Berlin, wonach Eigentümer von Grundstücken, die als Forst genutzt
werden, vom Entgelt befreit sind, für das ganze Grundstück nichts zu
bezahlen brauche. In diesem Punkt hat das Landgericht ihm teilweise Recht
gegeben und der Klägerin Entgelt nur für die nicht forstlich, sondern als
Grünfläche oder Privatstraße genutzten Grundstücksteile zur Größe von
726.087 qm zuerkannt.
Verzugszinsen hat das Landgericht der Klägerin erst ab Zustellung des
Mahnbescheids am 14. Juni 2003 zugesprochen. Nur insoweit hat die Klägerin
Berufung eingelegt, mit der sie im Hinblick auf die in ihren Rechnungen
bestimmten Fälligkeitsdaten ihren Anspruch auf Zinsen schon ab 1. Januar
bzw. ab 1. Juli 2002 weiterverfolgt hat. Die Berufung ist vom
Berufungsgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg. Der Anspruch der Klägerin auf
Verzugszinsen ist aufgrund des zum Teil durch Mahnung, zum Teil durch
Bestimmung der Leistungszeit nach dem Kalender herbeigeführten Verzuges des
Beklagten begründet (§§ 288 Abs. 1 Satz 1, 284 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1
BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - im Folgenden: a.F.;
Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB).
I. Das Berufungsgericht hat einen Verzug des Beklagten aufgrund der in den
Rechnungen genannten Fälligkeitsdaten wegen eines entschuldigenden
Rechtsirrtums des Beklagten abgelehnt. Die Klägerin habe erstmalig unter dem
14. Dezember 2001 bzw. 17. Januar 2002 für die Jahre ab 1998 Beträge in
Rechnung gestellt, von denen nunmehr rechtskräftig feststehe, dass sie
überhaupt nur in Höhe von zwei Dritteln berechtigt seien. Der Beklagte sei
damals nicht in der Lage gewesen, die tatsächlich geschuldeten Entgelte
festzustellen. Zum einen seien später nicht unerhebliche Korrekturen der
Rechnungshöhe wegen nachträglicher Tarifänderungen erfolgt, zum anderen habe
die Klägerin
die Herausrechnung der Waldstücke erst im Verlauf des vorliegenden Prozesses
akzeptiert. Vergeblich berufe sich die Klägerin darauf, dass der Beklagte
zumindest eigene Berechnungen unter Abzug der Forstflächen hätte anstellen
müssen. Dies sei dem Beklagten in Anbetracht der Tatsache, dass über die
richtige Entgelthöhe noch ein langwieriger Prozess vor dem Landgericht
geführt worden sei, nicht möglich und auch nicht zumutbar gewesen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, war die Klägerin berechtigt,
in ihren Rechnungen die Leistungszeit nach dem Kalender zu bestimmen und so
gemäß § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (jetzt: § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zu
bewirken, dass der Beklagte mit dem Ablauf dieser Leistungszeit ohne Mahnung
in Verzug geriet. Grundsätzlich erfordert die Bestimmung der
Leistungszeit zwar eine Vereinbarung der Vertragsparteien. Der erkennende
Senat hat indessen bereits klargestellt, dass auch ein einseitiges
Bestimmungsrecht des Gläubigers nach §§ 316 Abs. 1, 315 BGB in Betracht
kommt und dass der Klägerin ein solches einseitiges Bestimmungsrecht
hinsichtlich der Leistungszeit zusteht. Dabei kann die Klägerin die
Festlegung der Leistungszeit nicht etwa nur in Form von Allgemeinen
Leistungsbedingungen vornehmen, sondern auch individuell in Einzelfällen,
wenn die in ihren Leistungsbedingungen enthaltenen Fälligkeitstermine
mangels rechtzeitiger Rechnungstellung bereits verstrichen sind. Dann kann
die Klägerin die Leistungszeit auch in ihren Rechnungen bestimmen (Urt. v.
15.02.2005 - X ZR 87/04, NJW 2005, 1772).
Das hat sie hier getan. In ihren Rechnungen hieß es zwar: "Der Betrag in EUR
ist wie folgt fällig: Fällig am ...". Damit wollte die Klägerin aber
erkennbar nicht im buchstäblichen Sinne des Wortes "Fälligkeit" den
Zeitpunkt bestimmen, von dem ab der Gläubiger, die Leistung fordern kann,
sondern den Zeitpunkt, bis zu dem der Schuldner leisten soll. Die Klägerin
setzte dem Beklagten also ein Zahlungsziel.
2. Gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung der Leistungszeit bestehen bei
der Rechnung vom 17. Januar 2002, fällig zum 30. Juni 2002, keine Bedenken.
Hinsichtlich der Rechnung vom 14. Dezember 2001 wendet der Beklagte hingegen
zu Recht ein, dass er die ihm obliegende Berechnung des nach Abzug der
Forstflächen geschuldeten Entgelts nicht in der Zeit zwischen dem Empfang
der Rechnung am 21. Dezember und der darin genannten Leistungszeit, dem 31.
Dezember, bewerkstelligen konnte. In diesen Zeitraum fielen nur zwei
Werktage, nämlich der 27. und der 28. Dezember. Diese reichten für die vom
Beklagten anzustellenden Ermittlungen und Berechnungen ersichtlich nicht
aus. Infolgedessen war die Bestimmung der Leistungszeit unbillig und damit
unwirksam (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), so dass der Beklagte nicht aufgrund
kalendermäßiger Bestimmung der Leistungszeit in Verzug geraten konnte.
Stattdessen trat jedoch Verzug durch Mahnung ein (§§ 284 Abs. 1 Satz
1 BGB a.F.; jetzt: § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). In der einseitigen
Bestimmung eines Zahlungsziels durch den Gläubiger liegt eine Mahnung
(vgl. Staudinger/Bittner, BGB (2004), § 271 Rdn. 19; Staudinger/Löwisch aaO
§ 286 Rdn. 68), wenn - wie hier - der Gläubiger den Schuldner auffordert,
die Rechnung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu begleichen, und damit die
für eine Mahnung erforderliche eindeutige Leistungsaufforderung zum Ausdruck
bringt (Staudinger/Löwisch § 286 Rdn. 41). Der Wirksamkeit dieser Mahnung
steht nicht entgegen, dass sie im Text der Rechnung stand, welche
Voraussetzung für die Fälligkeit der Entgeltforderung war (Sen.Urt. NJW
2005, 1772). Denn die Mahnung kann mit der Erklärung verbunden werden,
welche die Fälligkeit erst herbeiführt.
Der durch die Mahnung bewirkte Verzug des Beklagten trat allerdings nicht
schon am Tage nach Fristablauf, dem 1. Januar 2002, ein, weil zu diesem
Zeitpunkt noch das Verschulden des Beklagten fehlte (§ 285 BGB a.F.;
jetzt: § 286 Abs. 4 BGB). Da die Klägerin in ihrer Rechnung Entgelt auch
für die Waldflächen forderte, die nach der rechtskräftigen Entscheidung des
Landgerichts aufgrund einer Ausnahmevorschrift vom Entgelt befreit waren,
war der Beklagte zunächst durch eine von ihm nicht zu vertretende
Ungewissheit über Bestehen und Umfang seiner Schuld an der Leistung
verhindert. Ihm war eine angemessene Frist zur Überprüfung der tatsächlichen
und rechtlichen Grundlagen der Ansprüche der Klägerin zuzubilligen
(Staudinger/Löwisch § 286 Rdn. 144, 147); denn er musste aus ihren
Rechnungen erst den Waldanteil herausrechnen, bevor er zahlen konnte.
Hierfür angemessen war eine Frist von zwei normalen, nicht durch Festtage
geschmälerten Wochen, das heißt von zehn Werktagen. Ein
verzugsbegründendes Verschulden des Beklagten konnte erst mit Ablauf der
angemessenen Frist eintreten, also am 12. Januar 2002.
3. Der Ansicht des Berufungsgerichts, Verzug scheitere insgesamt am
fehlenden Verschulden des Beklagten, weil dieser seinerzeit die tatsächlich
von ihm geschuldete Entgelthöhe nicht habe ermitteln können, kann nicht
beigetreten werden. Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die
Leistung wegen eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat (§
285 BGB a.F.; jetzt: § 286 Abs. 4 BGB). Zu vertreten hat der Schuldner
Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hier handelte der
Beklagte zumindest fahrlässig, also unter Außerachtlassung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfaltn(§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.; jetzt: § 276 Abs. 2
BGB), als er die Forderungen der Klägerin auch, soweit sie berechtigt waren,
zum Teil nicht bezahlte.
a) Der vom Berufungsgericht als Entschuldigungsgrund angesehene Umstand,
dass die Klägerin die anfänglichen Rechnungssummen später durch
Sondergutschriften herabsetzte, nachdem am 31. März 2003 die Tarife für die
Jahre 1999 bis 2002 mit Rückwirkung abgesenkt worden waren, vermag den
Beklagten nicht zu entlasten. Dem Zahlungsverzug des Kunden eines
Versorgungsunternehmens, der nicht bis zu der in der ursprünglichen Rechnung
genannten Fälligkeitszeit bezahlt hat, steht nicht entgegen, dass das
Versorgungsunternehmen seine Tarife und infolgedessen seine Rechnungen
nachträglich herabsetzt. Denn dies ändert nichts daran, dass die
ursprünglichen Tarife bis zu ihrer Änderung gültig und deshalb die darauf
beruhenden Rechnungsbeträge geschuldet waren. Etwas anderes gilt nur in dem
Sonderfall einer unbilligen Leistungsbestimmung (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB),
der durch eine nachträgliche Tarifermäßigung aber nicht indiziert wird und
im Übrigen hier schon deshalb nicht angenommen werden kann, weil der
Beklagte die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung nicht erhoben hat.
Es ist somit davon auszugehen, dass bis zu der Tarifänderung keine
Zuvielforderung der Klägerin vorlag. Deshalb stellt sich an dieser Stelle
auch nicht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine
Zuvielforderung des Gläubigers den Verzugseintritt hindert. Denn eine
Zuvielforderung liegt insoweit nicht vor.
b) Die Nichtzahlung des Beklagten wird ebenso wenig dadurch entschuldigt,
dass die Klägerin ihm auch für die mit Wald bestandenen Teilflächen das
Reinigungsentgelt in Rechnung stellte, obwohl diese gemäß der
Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 5 StrRG Berlin davon befreit waren.
Insoweit lag eine Zuvielforderung vor, jedoch hätte der Beklagte den
berechtigten Teil der Rechnungen gleichwohl fristgerecht begleichen müssen.
aa) Für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Schuldner
trotz einer Zuvielforderung des Gläubigers in Verzug gerät, gelten auch im
Falle eines durch Überschreitung der kalendermäßig bestimmten Leistungszeit
herbeigeführten Verzuges die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zum
Verzug durch eine Zuvielmahnung entwickelt hat. Denn in beiden Fällen geht
es gleichermaßen darum, ob die Säumnis des Schuldners wegen der teilweise
fehlenden Berechtigung des vom Gläubiger geltend gemachten
Leistungsanspruchs entschuldigt ist.
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt eine
Zuvielforderung die Wirksamkeit der Mahnung und damit den Verzug
hinsichtlich der verbleibenden Restforderung nicht in Frage, wenn der
Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falles als
Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen
muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen
geringeren Leistung bereit ist (Urt. v.
25.06.1999 - V ZR 190/98, NJW 1999, 3115 m.w.N; v. 28.01.2000 - V ZR
252/98, WM 2000, 586). So lag es hier, wo der Beklagte mit Rücksicht darauf,
dass die Klägerin erkennbar auf Liquidität angewiesen war und deshalb in
jedem Fall den berechtigten Teil ihrer Rechnungen bis zum angegebenen
Fälligkeitsdatum bezahlt sehen wollte und in diesem Zusammenhang auch zur
Annahme einer geringeren Leistung als gefordert bereit war, wie die Tatsache
zeigt, dass sie die von dem Beklagten erbrachten Teilleistungen nicht
zurückwies. Allerdings kann eine unverhältnismäßig hohe, weit übersetzte
Zuvielforderung den zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten
lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich
nicht als wirksam gemahnt ansieht. Am Verschulden fehlt es auch dann, wenn
der Schuldner die wirklich geschuldete Forderung nicht allein ausrechnen
kann, weil sie von ihm unbekannten internen Daten des Gläubigers abhängt
(BGH, Urt. v. 13.11.1990 - XI ZR 217/89, NJW 1991, 1286; v. 09.02.1993 - XI
ZR 88/92, NJW 1993, 1260).
cc) Jedoch kommt keiner dieser beiden Entschuldigungsgründe dem Beklagten
zugute. Um eine weit übersetzte Forderung, die den berechtigten Teil in den
Hintergrund treten ließ, handelte es sich nicht, weil die Rechnungen der
Klägerin auch unter Berücksichtigung der Entgeltfreiheit der Waldflächen
noch zu 64 % berechtigt waren. Der Beklagte konnte dies auch ohne
unzumutbare Mühe selbst errechnen. Da er das Größenverhältnis der
Waldflächen zum Gesamtgrundstück anhand des Liegenschaftskatasters ermitteln
konnte, hätte er die Rechnungsbeträge lediglich um den entsprechenden
Bruchteil zu kürzen brauchen. Diese Berechnung hing nicht von internen, dem
Beklagten nicht zugänglichen Daten der Klägerin ab.
c) Schließlich ist die Nichtzahlung des Beklagten auch nicht auf einen
unverschuldeten Rechtsirrtum zurückzuführen. Sollte das Berufungsgericht
mit seinem Hinweis, dass über die endgültige Entgelthöhe vor dem Landgericht
noch etwa ein Jahr lang gestritten worden sei, dem Beklagten einen
Rechtsirrtum des Inhalts zugutegehalten haben, dass er wegen der teilweise
forstlichen Nutzung für das Gesamtgrundstück kein Entgelt zahlen müsse, so
hätte ein solcher Irrtum den Beklagten nicht entlastet, weil er nicht
unverschuldet gewesen wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fordert der
Geltungsanspruch des Rechts grundsätzlich, dass der Verpflichtete das Risiko
eines Irrtums über die Rechtslage selbst trägt; an das Vorliegen eines
unverschuldeten Rechtsirrtums sind daher strenge Maßstäbe anzulegen. Der
Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich
Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig
beachten (vgl. nur Urt. v. 04.07.2001 - VIII ZR 279/00, NJW 2001, 3114).
Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum nur dann, wenn der Irrende bei
Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen
Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (Urt. v.
18.04.1974 - KZR 6/73, NJW 1974, 1903, 1905; v. 26.01.1983 - IVb ZR 351/81,
NJW 1983, 2318, 2321; v. 18.12.1997 - I ZR 79/95, NJW 1998, 2144, 2145;
MünchKomm./Ernst, BGB, 4. Aufl., § 286 Rdn. 112).
Im vorliegenden Fall hätten der Beklagte bzw. sein Prozessbevollmächtigter,
für dessen Verschulden er nach § 278 BGB einzustehen hat, erkennen können,
dass mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 5
StrRG Berlin, die Grundstücke mit Erholungswert privilegieren will, eine
Auslegung dahin, dass bei einer lediglich teilweise forstlichen Nutzung des
Grundstücks auch nur eine anteilige Entgeltbefreiung zuzubilligen ist, in
Betracht kam. Der Beklagte musste daher mit der entsprechenden
Gesetzesauslegung und Entscheidung des Landgerichts von vornherein rechnen.
An die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, es habe sich um
einen unverschuldeten Rechtsirrtum gehandelt, ist der Senat nicht gebunden,
weil sie durch Rechtsfehler beeinflusst ist. Das Berufungsgericht hat sich
allein auf die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens gestützt, die indessen
für die entscheidende Frage, ob der Beklagte mit der vom Landgericht
vorgenommenen Auslegung des § 7 Abs. 5 StrRG Berlin rechnen musste, nichts
hergibt. Den sonstigen Prozessstoff hat das Berufungsgericht unter Verstoß
gegen § 286 ZPO nicht ausgeschöpft.
4. Nach alledem war dem Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen im
Wesentlichen stattzugeben. Nur hinsichtlich der Differenz zwischen dem von
der Klägerin geltend gemachten Verzugsbeginn am 1. Januar 2002 und dem
tatsächlichen Beginn am 12. Januar 2002 und hinsichtlich eines geringfügigen
Minderbetrages der zu verzinsenden Hauptforderung - 231,32 € - war die Klage
abzuweisen. Die Klägerin hat Zinsen auf 538.123,85 € und weitere 115.903,39
€, insgesamt also auf 654.027,24 € verlangt. Das Landgericht hat ihr indes
nur 653.795,92 € zugesprochen.
5. Die vom Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einer nach
Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens geleisteten Überzahlung von
1.510,32 € auf die Hauptforderung stellt neues Vorbringen dar, das im
Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann (§ 559 Abs. 1 ZPO). Als
neue Tatsache ist es auch anzusehen, wenn sich die materielle Rechtslage
durch Ausübung eines Gestaltungsrechts wie der Aufrechnung verändert hat (BGHZ
1, 234, 239).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
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