Qualifikation einer Zuwendung gegen Erb- und
Pflichtteilsverzicht als Schenkung; Begriff der Schenkung; unmittelbare und
mittelbare Schenkung; Widerruf wegen groben Undanks (§ 530 I BGB)
BGH, Urteil vom 7. Juli 2015 - X ZR
59/13 - OLG München
Fundstelle:
NJW 2016, 324
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Auch bei einer mit einem Erbverzicht
verbundenen Zuwendung ist für deren Qualifikation als Schenkung maßgeblich,
ob sich die Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig
sind.
b) Ob eine unentgeltliche Zuwendung gewollt war, ist unter Würdigung aller
Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgebliche Bedeutung kann hierbei
neben dem Wortlaut des Vertrages über die Zuwendung und den Erbverzicht den
Umständen seines Zustandekommens und seiner Ausgestaltung im Einzelnen
zukommen.
c) Der Verzicht auf das Erb- und Pflichtteilsrecht nimmt der Zuwendung
jedenfalls insoweit nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit, als er nach
dem Willen der Vertragsparteien der Ausgleichung der lebzeitigen Zuwendung
bei der Erbfolge dienen soll. Ein solcher Wille ist mangels gegenläufiger
Anhaltspunkte regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der
Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt.
Zentrale Probleme:
Eine interessante und lehrreiche Entscheidung zum
Schenkungsrecht, die eine bislang vom BGH unentschiedene Streitfrage
betrifft und deshalb auch für BGHZ vorgesehen ist. Vereinfacht geht es
darum, dass ein Vater seiner Tochter den Kauf einer Eigentumswohnung
finanziert. In dem Vertrag, in welchem er sich zur Finanzierung
verpflichtet, wendet er ihr den entsprechenden Geldbetrag zweckgebunden zu.
Im Gegenzug verzichtet die Tochter sowohl auf ihren gesetzlichen Erbteil als
auch auf ihren Pflichtteil. Der Vater verlangt nun wegen groben Undanks nach
§§ 530 I, 812 I BGB die Übertragung des Wohneigentums. Sollte eine Schenkung
vorliegen - was die zentrale Frage dieses Falles ist - stellt sich dabei die
Frage, was eigentlich Gegenstand der Schenkung war. Wenn es die versprochene
Geldsumme ist, ist diese zurückzuzahlen, wenn es die Eigentumswohnung ist,
ist das Eigentum an dieser zu übertragen. Das kann wichtig sein, wenn
mittlerweile eine Wertveränderung der Eigentumswohnung eingetreten ist. §§
516 ff BGB setzen zwar voraus, dass die unentgeltliche Zuwendung "aus dem
Vermögen" des Schenkers erfolgt, jedoch ist auch anerkannt, dass es hierfür
ausreicht, dass sie nur mittelbar aus diesem Vermögen stammt. Das ist eine
Frage der Auslegung. Wird ein Geldbetrag zweckgebunden zur Anschaffung eines
bestimmten Gegenstands überlassen, handelt es sich um eine mittelbare
Schenkung dieses Gegenstandes, so dass dieser im Falle des Widerrufs der
Schenkung nach §§ 528, 530 BGB zurückzuerstatten ist.
Hier kam es nun entscheidend darauf an, ob die Zuwendung "unentgeltlich"
war, denn die Tochter hatte sich ja zu einem Erb- und Pflichtteilsverzicht
verpflichtet (und diesen auch erklärt). Bislang ist das nur für das
Anfechtungsrecht und den Pflichtteilsergänzungsanspruch entschieden worden.
Der Senat weist zutreffend darauf hin, dass es dort aber um ganz andere
Interessenlagen geht. Letztlich vergleicht der BGH den Fall mit einer
Schenkung unter Anrechnung auf den Erb- und Pflichtteil. Er argumentiert
damit, dass letzteres nichts daran ändert, dass der Erblasser zu seinen
Lebzeiten freigiebig ist und selbst nichts erhält und lediglich für einen
gerechten Ausgleich unter seinen Erben sorgen will. Bei einem Erb- und
Pflichtteilsverzicht könne das nicht anders beurteilt werden. Die
Interessenlage des Schenkers, bei Notbedarf (§ 528 BGB) oder groben Undank
(§ 530 BGB) zurückfordern zu können, sei hier nicht unterschiedlich zu
bewerten. Eine Schenkung könne allenfalls dann vorliegen, wenn der Wert des
Zugewendeten hinter dem Wert des zu erwartenden Erb- oder Pflichtteil
zurückbleibt.
Ob hier tatsächlich "grober Undank" iSv § 530 I BGB vorlag, musste der BGH
nicht klären, weil er den Fall an das Berufungsgericht zurückverweist, das
dieses noch nicht geprüft hatte, vgl. zu den daran anzulegenden strengen
Maßstäben etwa
BGH NJW 2002, 1046;
BGH NJW 2006, 2330;
BGH v. 13.11.2012 - X ZR 80/11 (zugleich zur
Rückforderung einer sog. Zweckschenkung aus § 812 I 2 -
Zweckverfehlungskondiktion);
BGH v. 25.3.2014 - X
ZR 94/12.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Der Kläger verlangt die Übertragung
mehrerer Miteigentumsanteile an einem Grundstück, von denen er geltend
macht, er habe sie der Beklagten, seiner Tochter aus erster Ehe, geschenkt.
2 Die Parteien schlossen am 29. Januar 2008 eine notarielle Vereinbarung,
die als "mittelbare Grundbesitzschenkung - Erbvertrag - Erb- und
Pflichtteilsverzicht" bezeichnet ist. Darin heißt es in Abschnitt I, der
Kläger verpflichte sich, der Beklagten einen Geldbetrag in Höhe von
267.176,94 € zu schenken, den sie ausschließlich zum Erwerb einer
bestimmten, im Vertrag näher bezeichneten Eigentumswohnung (Wohnung Nr. 4)
und eines Tiefgaragenstellplatzes sowie von Miteigentumsanteilen in Höhe von
jeweils 18/100 an zwei weiteren bestimmten Eigentumswohnungen auf demselben
Grundstück (Wohnungen Nr. 6 und Nr. 9) verwenden dürfe. Soweit der
schenkungsweise zugewendete Geldbetrag zur Zahlung des Kaufpreises für die
von der Beklagten erworbenen Miteigentumsanteile nicht ausreiche, werde er
durch die Aufnahme eines entsprechenden Kredits durch die Beklagte
finanziert. In den am selben Tag geschlossenen Kaufverträgen über die
Wohnungen wurde festgehalten, dass der Kläger der Beklagten die
Grundstücksanteile schenke, indem er auf den Kaufpreis für die Wohnung Nr. 4
einen Betrag von 120.000 € und hinsichtlich der Wohnungen Nr. 6 und 9 den
auf die Beklagte entfallenden anteiligen Kaufpreis in Höhe von 147.176,94 €
zahle sowie die hierfür anfallende Grunderwerbsteuer für die Beklagte
übernehme. Weiter heißt es dort, die Parteien gingen davon aus, dass es sich
bei den zugewendeten Geldbeträgen um eine mittelbare Grundstücksschenkung
handle. Die Parteien vereinbarten ferner, dass die Schenkungen des Klägers
auf die Erb- und Pflichtteilsrechte der Beklagten anzurechnen sind. Die
Beklagte verpflichtete sich, das erworbene Wohnungs- und Teileigentum nicht
ohne Zustimmung des Klägers zu veräußern oder zu belasten. Hiervon
ausgenommen wurden die Belastung mit Grundpfandrechten zur Finanzierung des
Kaufpreises und die Möglichkeit einer Veräußerung an die Tochter der
Beklagten. Bei Zuwiderhandlung sollte der Kläger die unentgeltliche
Übertragung des Wohnungs- und Teileigentums auf sich verlangen können. In
Bezug auf die Wohnung Nr. 4 verpflichtete sich die Beklagte, diese für die
Dauer von 30 Jahren an den Kläger zu vermieten. Die jährliche Miete sollte
der Summe der von der Beklagten aufzuwendenden Annuitäten, dem Wohngeld und
sonstigen Lasten des Vertragsgegenstands entsprechen. Nach Tilgung der
Darlehen zur Finanzierung des Vertragsgegenstands sollte eine angemessene
Miete vereinbart werden. Für den Fall, dass der Kläger vor der Beklagten
verstirbt, sollte diese verpflichtet sein, die Wohnung zu den gleichen
Bedingungen an die Ehefrau des Klägers zu vermieten. Zur Sicherung dieses
Anspruchs räumte die Beklagte dem Kläger ein lebenslanges Wohnrecht an der
Wohnung Nr. 4 ein. Bezüglich der Wohnungen Nr. 6 und 9, an denen der Kläger
die verbleibenden Miteigentumsanteile für sich selbst erworben hatte,
schlossen die Parteien das Recht jedes Miteigentümers, die Aufhebung der
Gemeinschaft zu verlangen, auf Dauer aus. Im Übrigen trafen die Parteien zu
diesen Wohnungen trotz eines Hinweises des beurkundenden Notars keine
Absprache über die Nutzung.
3 Unter Abschnitt II der notariellen Vereinbarung vom 29. Januar 2008
schlossen die Parteien einen Erbvertrag, in dem der Kläger der Beklagten
ohne Rücksicht auf gegenwärtige oder künftige Pflichtteilsberechtigte ein
Vermächtnis über seine Miteigentumsanteile an den Wohnungen Nr. 6 und 9
aussetzte. Für den Fall, dass die Beklagte zugleich Erbin werden sollte,
sollte das Vermächtnis als Vorausvermächtnis gelten. In Abschnitt III
erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Verzicht auf ihr gesetzliches
Erb- und Pflichtteilsrecht sowie auf das Noterbrecht nach türkischem Recht,
aufschiebend bedingt durch den Vollzug der in Abschnitt I vereinbarten
Schenkung und der Erfüllung der in Abschnitt II zugunsten der Beklagten
angeordneten Vermächtnisse.
4 Der Kläger widerrief die Schenkungen wegen groben Undanks,
nachdem die Beklagte, die mit ihrer Tochter zunächst die in ihrem und im
Miteigentum des Klägers stehenden, baulich miteinander verbundenen Wohnungen
Nr. 6 und Nr. 9 bewohnt hatte, im Jahr 2010 zu ihrem jetzigen Ehemann
gezogen war. Zur Begründung gab er an, die Beklagte habe ihm die
Unterhaltszahlungen, die sie vom Vater ihrer Tochter für diese und sich
selbst erhalten habe, verschwiegen und ihm damit eine Bedürftigkeit
vorgespiegelt, die ihn veranlasst habe, die Beklagte und seine Enkelin über
die Überlassung der Wohnungen hinaus finanziell zu unterstützen. Im Übrigen
habe die Beklagte ihn daran gehindert, die nach ihrem Auszug leerstehende
Wohnung zu vermieten, und den Kontakt zu seiner Enkelin unterbunden.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung
des Klägers hat das Berufungsgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz
1 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger seine Berufungsanträge weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel
entgegen.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
7 I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung unter Bezugnahme auf die
Entscheidung des Landgerichts im Wesentlichen wie folgt begründet:
8 Ein Rückforderungsanspruch nach Widerruf einer Schenkung gemäß § 530 BGB
bestehe nicht, da die Vereinbarungen der Parteien in dem mit "mittelbare
Grundbesitzschenkung" bezeichneten notariellen Vertrag und in den
Kaufverträgen über die Wohnungsanteile nicht als Schenkung im Sinne des §
516 BGB anzusehen seien. Die Beklagte habe durch ihren Erbverzicht eine
Gegenleistung erbracht, die mit der Übertragung der streitgegenständlichen
Grundstücksanteile in einer synallagmatischen Verknüpfung stehe. Werde der
Erbverzicht, wie im Streitfall, nicht unentgeltlich, sondern gegen Abfindung
erklärt, liege dem Erbverzicht und der Abfindung ein schuldrechtliches
Rechtsgeschäft zugrunde, das seinerseits die Verpflichtung des Erblassers
zur Leistung der Abfindung enthalte. Ein solches Rechtsgeschäft sei anders
als die Vollzugsgeschäfte ein gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320 ff.
BGB, der durch die beiden selbständigen Vollzugsgeschäfte
(Erbverzichtsvertrag, Abfindungsübereignung) erfüllt werde. Ebenso wenig sei
das Vorliegen einer Gegenleistung mit Blick auf das vom Kläger angeführte
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Februar 1991 - IX ZR 74/90, BGHZ 113,
393 - zu verneinen. Dort sei lediglich festgestellt worden, dass der
Verzicht auf den Pflichtteil keine Gegenleistung darstelle. Im Streitfall
habe die Beklagte jedoch nicht nur auf ihr Pflichtteilsrecht, sondern auch
auf ihr Erbrecht verzichtet. Da danach eine Schenkung zu verneinen sei,
könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf wegen groben
Undanks gegeben seien.
9 Ein Rückforderungsanspruch nach Bereicherungsrecht wegen Zweckverfehlung
scheide aus, weil der Zuwendung mangels einer entsprechenden Vereinbarung
nicht die vom Kläger behauptete Zweckabrede zugrunde liege, dass die
Beklagte die Wohnungen Nr. 6 und Nr. 9 selbst bewohnt und nicht lediglich
als Vermögensanlage nutzt.
10 Schließlich komme auch eine Rückforderung wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage nicht in Betracht, da die Parteien ersichtlich nicht
vereinbart hätten, dass die Beklagte und ihre Tochter die Wohnungen Nr. 6
und 9 bis an ihr Lebensende selbst bewohnen sollten. Dass dies zwangsläufig
Geschäftsgrundlage geworden sei, könne auch vor dem Hintergrund, dass der
Kläger geltend mache, Beweggrund der Zuwendung sei gewesen, der Beklagten
unkündbaren Wohnraum zu ihrer eigenen und der Absicherung der Enkelin zu
verschaffen, nicht angenommen werden.
11 II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, eine Qualifikation der im
Zusammenhang mit dem Erbverzicht gewährten Zuwendungen an die Beklagte als
Schenkung sei ausgeschlossen, weil die Beklagte nicht nur auf ihr
Pflichtteilsrecht, sondern gleichzeitig auch auf ihr gesetzliches
Erbrecht verzichtet habe.
12 1. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der
Verzicht auf das gesetzliche Erb- oder Pflichtteilsrecht als Gegenleistung
für eine Zuwendung anzusehen ist und dieser damit den Schenkungscharakter
nimmt, ist im Schrifttum umstritten (zum Streitstand
Staudinger/Schotten, BGB, Neube-arb. 2010, § 2346 Rn. 124). Ein Teil des
Schrifttums nimmt einen entgeltlichen Vertrag an (Erman/Simon, BGB, 14.
Aufl., Vor § 2346 Rn. 6), wobei teilweise danach differenziert wird, ob auf
das gesetzliche Erbrecht oder lediglich auf das Pflichtteilsrecht verzichtet
wird. Im ersten Fall soll es sich im Hinblick darauf, dass der Verzichtende
bei der Berechnung der Pflichtteilsquoten nach § 2310 Satz 2 BGB nicht
mitgezählt wird, um ein entgeltliches, im zweiten Fall dagegen um ein
unentgeltliches Rechtsgeschäft handeln (Zimmer, NJW 2009, 1146). Zum Teil
wird die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Erbverzicht gegen
Abfindung grundsätzlich um ein entgeltliches Rechtsgeschäft handle, jedoch
bei einem groben Missverhältnis zwischen der Abfindung und der Erberwartung
von einer gemischten Schenkung auszugehen sei (Soergel/Damrau, BGB, 13.
Aufl., § 2346 Rn. 3; Zimmer, NJW 2009, 1146). Manche Autoren wollen die
Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls (MünchKomm.BGB/Lange, 6.
Aufl., § 2325 Rn. 29; Soergel/Dieckmann, BGB, 13. Aufl., § 2325 Rn. 18) oder
vom Willen der Vertragsparteien (Keller, ZEV 2005, 229, 232) abhängig
machen. Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass die Abfindung, die
ausschließlich für einen Erbverzicht gewährt werde, ohne dass der
Verzichtende noch sonstige Verpflichtungen übernehme, eine objektiv
unentgeltliche Zuwendung des Erblassers an den Verzichtenden darstelle
(Staudinger/Schotten, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 124 bis 140;
Staudinger/Olshausen, BGB, Neubearb. 2005, § 2325 Rn. 7; Staudinger/Chiusi,
Neubearb. 2013, BGB, § 516 Rn. 43; Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2325
Rn. 16).
13 2. Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Qualifikation solcher
Zuwendungen bisher unter dem Aspekt der Anfechtbarkeit nach dem
Anfechtungsgesetz und im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf den
Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB befasst.
14 a) Für das Recht der Gläubigeranfechtung hat der Bundesgerichtshof
entschieden, dass der Verzicht auf den Pflichtteil in aller Regel keine
Gegenleistung sei, die eine Verfügung zugunsten des Verzichtenden zu einer
entgeltlichen mache (BGH, Urteil vom 28. Februar 1991 - IX ZR 74/90, BGHZ
113, 393). Nach dem Zweck der Vorschriften des Anfechtungsgesetzes,
Gläubiger entgeltlich begründeter Rechte gegen die Folgen unentgeltlicher
Verfügungen des Schuldners zu schützen, sei entscheidend für die Annahme der
Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit, ob der Schuldner bei objektiver
Betrachtung einen Gegenwert für seine Zuwendung erhalten habe; subjektive
Vorstellungen und Absichten des Schuldners und seines Vertragspartners seien
hierbei außer Betracht zu lassen. Ein Pflichtteilsverzicht sei keine
Gegenleistung für eine im Zusammenhang damit erbrachte Zuwendung, da der
Schuldner aus der maßgeblichen Sicht der Gläubiger dabei nur etwas aus
seinem Vermögen weggebe, aber nichts hinzuerwerbe, in das die Gläubiger
vollstrecken könnten. Erst wenn objektiv ein Gegenwert in das Vermögen des
Schuldners geflossen sei, bestehe Anlass zu prüfen, ob die Beteiligten die
Gegenleistung als Entgelt angesehen hätten oder mit der Verfügung des
Schuldners Freigebigkeit bezweckt gewesen sei.
15 b) In Bezug auf die Frage, ob eine für einen Erbverzicht gewährte
Abfindung der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 Abs. 1 BGB unterliegt, hat
der Bundesgerichtshof für nicht entscheidend erachtet, ob die Abfindung als
eine entgeltliche oder unentgeltliche Leistung anzusehen sei. Der
Pflichtteilsergänzung unterliege jedenfalls nur, was über ein Entgelt oder
eine angemessene Abfindung für den Erbverzicht hinausgehe (BGH, Urteil vom
3. Dezember 2008 - IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 Rn. 16). Für die Frage, ob
dies der Fall sei, könne sich der Pflichtteilsberechtigte auf die in der
Rechtsprechung bei gemischten Schenkungen anerkannte Beweiserleichterung
berufen, nach der eine Schenkung zu vermuten sei, soweit zwischen Leistung
und Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich
hinausgehendes Missverhältnis bestehe (BGH, NJW 2009, 1143 Rn. 17).
16 3. Ob eine Zuwendung Schenkung ist, hängt demgegenüber davon ab,
ob sich die Vertragsparteien darüber einig sind, dass die Zuwendung
unentgeltlich erfolgt (§ 516 Abs. 1 BGB). Hierfür sind weder die Wertungen
des Anfechtungsrechts noch des Pflichtteilsrechts maßgeblich. Für
die Qualifikation der Unentgeltlichkeit im Anfechtungsrecht kommt es
wesentlich auf die Beeinträchtigung der Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger
an, die sich ergibt, wenn sich der Schuldner Teilen seines Vermögens
entäußert, ohne dass ihm hierfür andere Vermögenswerte zufließen. Im
Pflichtteilsrecht steht hingegen die Erwägung im Vordergrund, den
Auswirkungen lebzeitiger Verfügungen des Erblassers auf die Höhe des
Pflichtteilsanspruchs sachgerecht Rechnung zu tragen und eine unangemessene
Erhöhung ebenso zu vermeiden wie eine unangemessene Schmälerung oder
Manipulation der Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten durch mit Rücksicht
auf den Erbfall getroffene Vereinbarungen. Für die
schenkungsrechtliche Qualifikation müssen hingegen in erster Linie
schenkungsrechtliche Wertungen maßgeblich sein.
17 Der Schenkungscharakter einer Zuwendung hat unter anderem zur
Folge, dass der Schenker die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften
über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen kann,
wenn und soweit er nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen
angemessenen Unterhalt zu bestreiten und seine gesetzlichen
Unterhaltspflichten zu erfüllen (§ 528 Abs. 1 BGB). Er hat
ferner zur Folge, dass die Schenkung widerrufen werden kann, wenn sich der
Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen
Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht (§ 530 Abs.
1 BGB). Beide Rückforderungsmöglichkeiten
tragen der Unentgeltlichkeit der Schenkung Rechnung. Der Schenker darf zwar
keine Gegenleistung erwarten. Seine Freigebigkeit rechtfertigt es aber, das
Rechtsgeschäft ganz oder teilweise rückabzuwickeln, wenn der Schenker oder
ein ihm gegenüber Unterhaltsberechtigter innerhalb eines Zeitraums von zehn
Jahren nach Vollzug der Schenkung in Not gerät und der Beschenkte zur
Rückgewähr ohne Gefährdung seines eigenen Unterhalts in der Lage ist.
Entsprechendes gilt, wenn der Beschenkte es dem Schenker gegenüber in
erheblichem Maß an von Dankbarkeit geprägter Rücksichtnahme fehlen lässt
(BGH, Urteil vom 13.
November 2012 - X ZR 80/11, NJW-RR 2013, 618 Rn. 10 f.;
Urteil vom 25. März 2014 - X ZR 94/12, NJW 2014, 3021 Rn.
18). Diese Rechte hat auch der Schenker, der bestimmt, dass die
Schenkung an einen Abkömmling bei der Erbauseinandersetzung zur Ausgleichung
zu bringen ist (§ 2050 Abs. 3 BGB) oder auf den Pflichtteil angerechnet
werden soll (§ 2315 Abs. 1 BGB). Denn die Anordnung der Ausgleichungs- oder
Anrechnungspflicht nimmt der Zuwendung nicht den Charakter der Freigebigkeit
und rechtfertigt es daher auch nicht, dem Schenker die Rechte aus §§ 528,
530 BGB zu nehmen. Vielmehr bringt der Schenker mit der Anordnung der
Ausglei-chungs- oder Anrechnungspflicht nur zum Ausdruck, dass er seine
lebzeitigen und letztwilligen, gleichermaßen "unentgeltlichen"
Vermögenszuwendungen in ein Gleichgewicht bringen möchte.
18 Ist im Schenkungsvertrag vereinbart, dass die Ausgleichung in der
Weise geschehen soll, dass der beschenkte Abkömmling auf sein Erb- und
Pflichtteilsrecht verzichtet, kann grundsätzlich nichts anderes gelten
(so zutreffend Staudinger/Schotten, aaO Rn. 131 mwN).
Verliert der Zuwendende nach der Zuwendung sein verbliebenes Vermögen und
gerät hierdurch in wirtschaftliche Not, wäre es nicht zu rechtfertigen, ihm
den Anspruch aus § 528 BGB gegen den Beschenkten zu versagen (und
dementsprechend auch nach § 93 Abs. 1 SGB XII übergeleitete Ansprüche des
Sozialhilfeträgers auszuschließen), weil der Beschenkte auf sein - in diesem
Fall wertloses - Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat. Damit würde das
Gegenteil der erstrebten Ausgleichung bewirkt, nämlich der zu Lebzeiten des
Erblassers Beschenkte dauerhaft besser gestellt als der Erb- oder
Pflichtteilsberechtigte. Ebenso wenig wäre es zu
rechtfertigen, dem Zuwendenden im Falle grober Undankbarkeit den Anspruch
aus § 530 BGB zu versagen. Denn auch damit würde das Gegenteil der
erstrebten Ausgleichung gegenüber einem Abkömmling erreicht, den der
Erblasser von der Erbfolge ausschließen und dem er unter den Voraussetzungen
des § 2333 BGB sogar den Pflichtteil entziehen kann. Dabei sind die
Voraussetzungen der Pflichtteilsentziehung zwar strenger als die
Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf wegen groben Undanks. Auch §
530 Abs. 1 BGB setzt aber eine schwere Verfehlung voraus, und diese kann
etwa auch in einem schweren vorsätzlichen Vergehen gegen den Schenker oder
eine der in § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB genannten Personen (§ 2333 Abs. 1 Nr. 2
BGB) oder in einer böswilligen Verletzung der dem Beschenkten gegenüber dem
Schenker obliegenden Unterhaltspflicht (§ 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB) bestehen.
Jedenfalls in den Fällen des § 2333 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BGB werden regelmäßig
auch die Voraussetzungen des § 530 Abs. 1 BGB erfüllt sein, blieben aber
folgenlos, wenn die Zuwendung deshalb als entgeltlich qualifiziert würde,
weil der Zuwendungsempfänger zur Ausgleichung der Zuwendung auf sein
Pflichtteilsrecht verzichtet hat.
19 Der Verzicht auf das Erb- oder Pflichtteilsrecht nimmt deshalb
der Zuwendung jedenfalls insoweit nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit,
als er - nach dem Willen der Vertragsparteien - der Ausgleichung der
lebzeitigen Zuwendung bei der Erbfolge dienen soll. Ein solcher
Wille ist bei Fehlen gegenläufiger Anhaltspunkte regelmäßig anzunehmen, wenn
die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar
übersteigt. Demgegenüber kann es gegen eine Schenkung sprechen, wenn
die Zuwendung wertmäßig deutlich hinter der Erberwartung zurückbleibt.
20 Eine solche Differenzierung nach der Höhe der Erberwartung steht nur
scheinbar in Widerspruch dazu, dass der IV. Zivilsenat für die Frage, ob die
vom Erblasser gewährte Leistung über ein Entgelt oder eine angemessene
Abfindung für den Erbverzicht hinausgeht und mithin ein
Pflichtteilergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB besteht, gerade
berücksichtigt, dass eine Schenkung zu vermuten ist, wenn zwischen Leistung
und Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich
hinausgehendes Missverhältnis besteht, und dies im entschiedenen Fall
verneint, weil die Abfindung den Wert der Hälfte des Nachlasses, auf den der
Abkömmling verzichtete, zwar überstieg, zu diesem aber nicht in einem
auffallenden, groben Missverhältnis stand (BGH, NJW 2009, 1143 Rn. 17 f.).
Denn damit soll, wie oben ausgeführt, ausdrücklich nicht zwischen einem
entgeltlichen und einem unentgeltlichen Erbverzicht unterschieden werden
(BGH, NJW 2009, 1143 Rn. 16), sondern mit der vom IV. Zivilsenat zitierten
Literatur vermieden werden, dass zu einer infolge des Verzichts eintretenden
Erhöhung des Pflichtteils nach § 2310 Satz 2 BGB zusätzlich ein
Pflichtteilergänzungsanspruch tritt (BGH, NJW 2009, 1143 Rn. 15). In diesem
- und nur in diesem - Zusammenhang genügt es daher nicht, wenn die Abfindung
in etwa dem Wert des zu erwartenden Erbteils entspricht.
21 4. Ob und gegebenenfalls inwieweit hiernach eine Schenkung vorliegt, hat
der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu
entscheiden, denen sich Anhaltspunkte für den maßgeblichen Willen der
Vertragsparteien entnehmen lassen. Maßgebliche Bedeutung kann hierbei neben
dem Wortlaut des Vertrages über die Zuwendung und den Erbverzicht
insbesondere den Umständen seines Zustandekommens und seiner Ausgestaltung
im Einzelnen zukommen.
22 5. Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung des Charakters der
Zuwendungen des Klägers an die Beklagte den Willen der Parteien nicht
ermittelt, sondern ausschließlich darauf abgestellt, dass die Beklagte nicht
nur auf ihr Pflichtteilsrecht, sondern gleichzeitig auch auf ihr
gesetzliches Erbrecht verzichtet hat. Seine Entscheidung kann daher keinen
Bestand haben.
23 III. Der Beschluss des Berufungsgerichts ist danach aufzuheben. Die Sache
ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie nicht zur
Endentscheidung reif ist.
24 Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
25 1. Bei der Ermittlung des Willens der Parteien wird das Berufungsgericht
zu beachten haben, dass die Parteien die Zuwendungen des Klägers an die
Beklagte in der notariellen Vereinbarung vom 29. Januar 2008 ausdrücklich
als Schenkung bezeichnet und überdies die Bedingungen hierfür im ersten
Abschnitt der Vereinbarung geregelt haben, während der Erbverzicht erst im
dritten Teil der notariellen Vereinbarung festgehalten ist. Die Parteien
haben außerdem festgelegt, dass die Beklagte die Zuwendungen des Klägers nur
für einen bestimmten Zweck, nämlich ausschließlich zum Erwerb der in der
Vereinbarung näher bezeichneten Wohnung und der Wohnungsanteile verwenden
darf. Schon dies spricht dafür, dass es dem Kläger nicht in erster Linie um
die Erlangung einer Erbverzichtserklärung der Beklagten, sondern vielmehr
darum ging, der Beklagten Vermögen zuzuwenden, um sie und ihre Tochter in
einer schwierigen finanziellen Lage zu unterstützen und abzusichern. Auch
die Verknüpfung der Zuwendungen mit der Auflage, das Geld zum Erwerb von
Wohnraum zu verwenden, spricht eher für einen Schenkungscharakter. Wäre es
dem Kläger vorrangig auf den Erbverzicht angekommen, hätte es näher gelegen,
die Zuwendung ohne eine Auflage zu gewähren. Diese Umstände indizieren, dass
die Parteien den Erbverzicht der Beklagten nicht als Hauptleistung
betrachtet haben, für die diese die Zuwendungen des Klägers als
Gegenleistung erhalten sollte. Es liegt vielmehr näher, dass die Parteien
die Zuwendungen des Klägers als Hauptgegenstand der Vereinbarung angesehen
und den Erbverzicht lediglich als eine besondere Form der Anrechnung dieser
Zuwendungen auf das Erbrecht der Beklagten gewählt haben. Hierfür spricht
nicht zuletzt auch, dass die notarielle Vereinbarung nicht nur Regelungen
über die Zuwendungen des Klägers an die Beklagte einerseits und den
Erbverzicht der Beklagten andererseits enthält, sondern die Parteien im
zweiten Teil der Vereinbarung, also noch vor dem Erbverzicht, einen
Erbvertrag über ein Vermächtnis des Klägers zugunsten der Beklagten
geschlossen haben, und damit die Vereinbarung auch eine Verfügung von Todes
wegen enthält. Schließlich könnte auch der Umstand, dass in der notariellen
Vereinbarung trotz des Erbverzichts die Möglichkeit einer Erbeinsetzung der
Beklagten nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern ausdrücklich einbezogen
worden ist, dafür sprechen, dass die zugewendeten Beträge nicht als Entgelt
für einen Erbverzicht bestimmt waren, sondern der Erb- und
Pflichtteilsverzicht lediglich als Mittel der erbrechtlichen Ausgleichung
der Zuwendung dienen sollte.
26 2. Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Zuwendungen des
Klägers an die Beklagte als Schenkungen zu qualifizieren sind, wird es die
von seinem Standpunkt aus zutreffend offen gelassene Frage zu prüfen haben,
ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks
vorliegen.
|