Sachmängelhaftung beim Kauf:
Selbstvornahme der Nacherfüllung durch den Käufer
AG Daun, Urt. v. 15.1.2003 - 3 C 664/02
(rechtskräftig)
Fundstelle:
ZGS 2003, 398 mit Anm. Lorenz
NJW-RR 2003, Heft 21
S. dazu auch den Telefonkommentar in Ausgabe
10/2003 der NJW-Cassetten/NJW Audio-CD
(Eigener) Leitsatz:
Kein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung bei
Selbstvornahme der Nacherfüllung vor Ablauf der Nacherfüllungsfrist.
Zentrale Probleme:
Die Käuferin hatte Mängel des gekauften
Fahrzeugs in einer Werkstatt beheben lassen und verlangt nunmehr vom
Verkäufer die Kosten dieser Reparatur im Wege des Schadensersatzes. Die
Entscheidung behandelt mit einer solchen „Selbstvornahme der
Mängelbeseitigung“ ein Grundsatzproblem des neuen Kaufrechts, das seinen
Kern im durch die Schuldrechtsreform eingeführten „Vorrang der
Nacherfüllung“ bzw. im Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung hat:
Der Käufer, der eine mögliche Nacherfüllung i.S.v. § 439 BGB selbst
vornimmt, um anschließend im Wege des Schadensersatzes deren Kosten geltend
zu machen oder den Kaufpreis zu mindern, bringt den Verkäufer um die Chance,
sich den Kaufpreis durch eigene Anstrengungen zu verdienen. Freilich kennt
das neue Recht keinen absoluten Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs.
Insbesondere ergibt sich dieser auch nicht aus der Reihenfolge der
Aufzählung der Rechtsbehelfe des Käufers in § 437 Nr. 1 – 3 BGB, sondern
lediglich mittelbar aus dem Fristsetzungserfordernis der weiteren
Rechtsbehelfe. Besteht ein solches Fristsetzungserfordernis, scheitern
sowohl der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs.
1, 3, 281 BGB als auch Rücktritt und Minderung an deren Fehlen. Hat der
Käufer aber den Mangel – wie hier – vor Ablauf einer (erforderlichen) Frist
selbst behoben, fällt das Fristsetzungserfordernis weg: Ab diesem Zeitpunkt
liegt dann nämlich (nachträgliche) Unmöglichkeit der Nacherfüllung i.S.v. §
275 BGB vor (was nicht immer der Fall ist, s. etwa
BVerfG v. 26.9.2006 - 1 BvR 2389/04.). Anspruchsgrundlage für den Schadensersatz ist dann nicht mehr
§§ 280 Abs. 1, 281 BGB, sondern §§ 280 Abs. 1, 283 BGB. Ein Anspruch des
Käufers auf Schadensersatz „statt der Leistung“ scheitert dann aber am
fehlenden Vertretenmüssen. Dessen Bezugspunkt liegt nämlich für den
Schadensersatz statt der Leistung bei einem bei Vertragsschluß zwar
vorliegenden, aber erst nachträglich unbehebbar gewordenen Mangel nicht im
Sachmangel selbst, sondern in der Unmöglichkeit seiner Behebung im Wege der
Nacherfüllung. Diese aber hat der Käufer zu vertreten, der vor Ablauf einer
erforderlichen Nacherfüllungsfrist den Mangel selbst beseitigt (anders
freilich, wenn der Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB bereits wegen der
Entbehrlichkeit der Fristsetzung - §§ 281 Abs. 2, 440 BGB - oder wegen deren
fruchtlosen Ablauf bereits entstanden war).
Damit wäre im vorliegenden Fall ein Schadensersatzanspruch statt der
Leistung selbst dann ausgeschlossen sein, wenn der Verkäufer den
ursprünglichen Mangel zu vertreten hätte, ihn also gekannt hätte. Dogmatisch
exakt scheitert damit im vorliegenden Fall der geltend gemachte
Schadensersatzanspruch nicht – wie das AG argumentiert – an der fehlenden
Fristsetzung, sondern am fehlenden Vertretenmüssen des Verkäufers. Ähnlich
verhält es sich mit Rücktritt und Minderung: Auch diese scheitern nicht an
der fehlenden Fristsetzung, sondern – wegen der vom Käufer verursachten
Unmöglichkeit der Nacherfüllung – an § 326 Abs. 5 i.V.m. § 323 Abs. 6 BGB:
Der zum Rücktritt berechtigende Umstand ist in diesem Fall ebenfalls nicht
der Mangel, sondern die Unmöglichkeit seiner Behebung. Das schließt mit dem
Rücktritt die mit jenem in § 441 Abs. 1 BGB gleichgeschaltete Minderung aus.
Der Gegenleistungsanspruch des Verkäufers bleibt nach § 326 Abs. 1 S. 2 BGB
vollumfänglich erhalten, so daß auch eine anteilige Rückforderung nach § 326
Abs. 4 BGB nicht in Betracht kommt. § 323 ist tatbestandlich schon deshalb
nicht erfüllt, weil es im Falle der Unmöglichkeit der Nacherfüllung wegen §
275 Abs. 1 BGB insoweit an einer fälligen Leistungspflicht fehlt.
Vergegenwärtigt man sich aber, daß es sich in einem Fall wie dem
vorliegenden dogmatisch um einen Fall vom Schuldner (= Käufer) zu
vertretender (teilweiser i.S.v. qualitativer) Unmöglichkeit handelt, so kann
man freilich bei diesem Ergebnis nicht stehen bleiben. Vielmehr hat sich der
Verkäufer in direkter Anwendung von § 326 Abs. 2 S. 2 BGB die infolge der
Befreiung von der Nacherfüllungspflicht ersparten Aufwendungen anrechnen zu
lassen und muß diese nach § 326 Abs. 4 BGB erstatten. Diese sind freilich
keineswegs automatisch mit den Nachbesserungsaufwendungen des Käufers
gleichzusetzen. Entscheidend ist allein, ob der Verkäufer zur
Mängelbeseitigung verpflichtet gewesen wäre und welche Aufwendungen i.S.v. §
439 Abs. 2 BGB er hierfür gehabt hätte. Gerade im vorliegenden Fall dürften
diese wesentlich niedriger gewesen sein, als die von der Kl. geltend
gemachten Kosten. Die Begrenzung auf ersparte Nacherfüllungsaufwendungen
sorgt dafür, daß die Anwendung von § 326 Abs. 2 S. 2 BGB nicht die
Fristsetzungserfordernisse und den daraus resultierenden Vorrang der
Nacherfüllung unterläuft, wie das etwa der Fall wäre, wenn man dem Käufer
einen Anspruch auf Ersatz seiner Mängelbeseitigungskosten aus dem
Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder einer
Nichtleistungskondiktion zuspräche. Letzteres ist durch den abschließenden
Charakter von § 440 BGB ganz zweifellos ausgeschlossen.
Zu den Einzelheiten der Problematik s. Lorenz NJW 2003, 1417 ff
sowie die
Übersichten zum Kaufrecht auf der Seite zur
Schuldrechtsmodernisierung.
S. aber auch AG Kempen, Urt. v. 18.8.2003 -11 C
225/02 und LG Aachen v.
23.10.2003 - 6 S 99/03, wo die hier vertretene Ansicht ausdrücklich abgelehnt wird.
©sl 2003
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt von
dem Beklagten Schadensersatz aus einem Kaufvertrag über einen gebrauchten
Pkw. Nach dem Erwerb des Fahrzeuges ließ die Klägerin an dem Fahrzeug
Reparaturen im Gesamtbetrag von 914,29 € ausführen. Diesen Betrag macht sie
als Schadensersatz gegen den beklagten Verkäufer geltend. Sie trägt vor,
daß die Mängel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorhanden gewesen seien
und dem Beklagten bei sorgfältiger Untersuchung nicht verborgen geblieben
sein können. Der Beklagte behauptet, daß das Fahrzeug bei Übergabe
mangelfrei gewesen sei. Kurz vor Veräußerung an die Klägerin sei es noch
einem "Gebrauchtwagen-Check" bei einem Sachverständigen unterzogen worden,
wobei keine der von der Klägerin behaupteten Mängel festgestellt worden
seien.
Die Klage hatte keinen
Erfolg.
Aus den Gründen:
Der Klägerin steht der
vorliegend geltendgemachte Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nicht
zu, da sie den Beklagten nicht zur Nacherfüllung aufgefordert hat. Es kann
daher vorliegend dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin behaupteten
Mängel tatsächlich bei Vertragsschluss vorlagen oder ob es sich dabei um
dem Fahrzeugalter entsprechende
Verschleißerscheinungen handelte. Die Geltendmachung des
Schadensersatzanspruches gem. § 437 Nr. 3 BGB setzt nämlich gem. §§ 440,
281 BGB voraus, dass der Verkäufer zuvor unter Fristsetzung vergeblich zur
Nacherfüllung aufgefordert wurde. Dies ist vorliegend unstreitig nicht
geschehen. Eine solche Aufforderung zur Nacherfüllung war vorliegend auch
nicht entbehrlich, weil sie unzumutbar gewesen wäre. Da der Verkäufer gem. §
439 Abs. 2 BGB die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen
zu tragen hat, hätte die Klägerin ihn auch risikolos zur Nacherfüllung
auffordern können, als das Fahrzeug angeblich überhaupt nicht mehr ansprang.
Erst wenn der Beklagte sich daraufhin geweigert hätte, das Fahrzeug zwecks
Nachbesserung zurückzuholen, wäre die Klägerin berechtigt gewesen, die
Mängel anderweitig beheben zu lassen.
Schließlich beziehen sich
die von der Klägerin vorgelegten Reparaturrechnungen der Fa. X lediglich auf
die Heizungsanlage und das Fahrwerk (Stoßdämpfer, Lenkung) des Fahrzeuges,
nicht aber auf die Zündanlage. Es müßte danach ohne weiteres, möglich
gewesen sein, das Fahrzeug zum Beklagten zwecks Durchführung der
Nacherfüllungsarbeiten zu bringen.
Da aber - wie ausgeführt -
die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nicht vorliegen, ist
die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.
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