NJW 1984, 446
Vgl. auch BAG NJW 1999,
3653
Zentrales Problem:
Ist ein Arbeitsvertrag etwa wegen §§
105, 107, 134 oder 138 BGB bzw. nach erfolgter Anfechtung (§ 142 I
BGB) nichtig und wurde das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt,
so besteht nach ganz h.M. dennoch ein sog. fehlerhaftes Arbeitsverhältnis
(auch "faktisches Arbeitsverhältnis"), da eine Rückabwicklung
nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen für den Arbeitnehmer
extrem unbillig. Dies gilt allerdings nur dann, wenn keine vorrangigen
Interessen der Allgemeinheit oder schutzwürdiger Personen bestehen.
Letzteres kann insbesondere bei der Beteiligung Minderjähriger der
Fall sein. Das Arbeitsverhältnis wird dann für die Vergangenheit
als wirksam behandelt, die Anfechtung wird entgegen § 142 I BGB durch
ein nur ex nunc wirkendes Auflösungsrecht ersetzt. Ähnliche Grundsätze
gelten im Gesellschaftsrecht ("fehlerhafte Gesellschaft"), vgl. hierzu
BGH NJW 1992, 1501 sowie BGH
NJW 1992, 1503.
1. Ein bereits in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag
kann grundsätzlich nicht mit rückwirkender Kraft angefochten
werden. Das gilt jedoch dann nicht uneingeschränkt, wenn das Arbeitsverhältnis
- aus welchen Gründen auch immer - zwischenzeitlich wieder außer
Funktion gesetzt worden ist. In diesem Falle wirkt die Anfechtung auf den
Zeitpunkt der Außerfunktionssetzung des Arbeitsvertrages zurück.
2. Fordert der Arbeitgeber die Vorlage eines
'handgeschriebenen Lebenslaufes', so erwartet er einen vom Stellenbewerber
'eigenhändig' geschriebenen Lebenslauf.
3. In der Einreichung eines handgeschriebenen
Lebenslaufes liegt jedenfalls dann zugleich auch die Einwilligung zur Einholung
eines graphologischen Gutachtens, wenn der Stellenbewerber in einem Begleitschreiben
auf die Vorzüge der angewandten Graphologie hinweist.
Die Kl. bewarb sich bei der Bekl. um eine Stelle
als Gebietsleiterin im Außendienst. Die Bekl. hat daraufhin die Kl.
u. a. telegrafisch 'zur Vervollständigung Ihrer Bewerbungsunterlagen
... um umgehende Zusendung eines handgeschriebenen (handgeschrieben ist
wichtig) Lebenslaufs' gebeten. Diesen Lebenslauf ließ die Kl. von
ihrem Prozeßbevollmächtigten und Wohnungsnachbarn Rechtsanwalt
Dr. R schreiben, mit ihrem Namen unterschreiben und übersandte ihn
mit einem Begleitschreiben vom 3. 12. 1976 an die Bekl. In dem Begleitschreiben
heißt es u. a.: 'Auch ich halte viel von angewandter Graphologie,
vor allem, wenn sie durch die ausgezeichneten Methoden der wissenschaftlichen
Psychologie ergänzt wird.' Das anschließend eingeholte Schriftgutachten,
von dem die Bekl. die Vergabe gehobener Positionen stets abhängig
macht, fiel überaus positiv aus. Die Bekl. stellte daraufhin die Kl.
zum 1. 10. 1977 ein. Durch von S (Leiter des Außendienstes) unterzeichnetes
Schreiben vom 24. 2. 1978 kündigte die Bekl. das Arbeitsverhältnis
ordentlich zum 31. 3. 1978. Die Kl. beanstandete sofort, daß S keine
auf ihn lautende Vollmachtsurkunde vorgelegt hatte. Im Hinblick auf diesen
Umstand gab das ArbG der Kündigungschutzklage statt. In der Berufungsinstanz
hat die Bekl. ergänzend ausgeführt, die Kl. habe sich vor Abschluß
des Anstellungsvertrages ihr gegenüber eine arglistige Täuschung
zu Schulden kommen lassen, denn sie habe den erbetenen handschriftlichen
Lebenslauf nicht eigenhändig ge- und unterschrieben, obwohl sie in
ihrem Begleitschreiben einer evt. graphologischen Begutachtung bereits
im voraus zugestimmt habe. Erst durch ein Sachverständigengutachten
vom 1. 2. 1979 habe die Bekl. letzte Gewißheit darüber erlangt,
daß weder das Bewerbungsschreiben der Kl. vom 5. 11. 1976 noch der
handschriftliche Lebenslauf von ihr selbst stammten. Daraufhin habe sie
das Arbeitsverhältnis mit der Kl. - nach Anhörung und mit Zustimmung
ihre Betriebsrates - durch Schreiben vom 2. 2. 1979 wegen der arglistigen
Täuschung fristlos gekündigt und den Anstellungsvertrag gleichzeitig
angefochten. Darauhin hat das LAG die Klage abgewiesen. Die Revision der
Kl. blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
... IV. Die von der Bekl. mit Schreiben vom 2.
2. 1979 erklärte Anfechtung des Anstellungsvertrages wegen arglistiger
Täuschung ( § 123 I BGB) hat das Arbeitsverhältnis der Parteien
entgegen der Auffassung des LAG nicht erst mit Zugang des Anfechtungsschreibens,
sondern bereits zum 31. 3. 1978 aufgelöst.
1. In Übereinstimmung mit den Ausführungen
des LAG, die revisionsrechtlich insoweit keinen Rechtsfehler erkennen lassen,
ist davon auszugehen, daß von der Kl. die Vorlage eines von ihr selbst
geschriebenen Lebenslaufes zum Zwecke der Einholung eines Schriftgutachtens
verlangt worden ist.
a) Die bloße Anforderung eines handgeschriebenen
Lebenslaufes ist zur Vervollständigung des Persönlichkeitsbildes
in der betrieblichen Praxis vielfach üblich und kann aus Ordnungsgesichtspunkten
grundsätzlich nicht mißbilligt werden. Soll der handgeschriebene
Lebenslauf allerdings der Einholung eines graphologischen Gutachtens dienen,
so bedarf es wegen der damit verbundenen Gefährdung des durch die
Art. 1 I und Art. 2 I GG geschützten Persönlichkeitsrechte der
ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht
des Menschen, selbst frei darüber entscheiden zu können, ob und
inwieweit er dem Ausleuchten seiner Persönlichkeit mit Mitteln, die
über jedermann zur Verfügung stehende Erkenntnismöglichkeiten
hinausgehen, gestatten will; die Einholung eines graphologischen Gutachtens
ohne Einwilligung des Betroffenen ist unzulässig und verpflichtet
nach §§ 823, 847 BGB gegebenenfalls zum Schadensersatz
(vgl. LAG Freiburg, NJW 1976, 310; Wiese, ZfA 1971, 292 f., 311 ff. m.
w. Nachw.).
b) Die Kl. hat in eine graphologische Begutachtung
ihres eingereichten 'handgeschriebenen' Lebenslaufes ausdrücklich
eingewilligt. Das hat das LAG zutreffend aus dem Begleitschreiben der Kl.
vom 3. 12. 1976 entnommen. Die Kl. hat darin unmißverständlich
zum Ausdruck gebracht, die von der Bekl. offenbar beabsichtigte graphologische
Begutachtung erkannt und gebilligt zu haben ...
Bei vernünftiger Würdigung unter Berücksichtigung
von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte konnte demnach das Schreiben
der Kl. vom 3. 12. 1976 aus der Sicht des Empfängers - und nur auf
den Empfängerhorizont kommt es an (vgl. BAGE 1, 237 = NJW 1955, 807;
BAG, AP § 44 TVAL II Nr. 1) - nur so wie von der Bekl. und vom
LAG interpretiert, verstanden werden, nämlich dahingehend, daß
sich die Kl. mit einer von ihr zunächst nur allerdings vermuteten
graphologischen Begutachtung ausdrücklich einverstanden erklärt
hat.
2. Die Kl. hat dadurch, daß sie der Bekl.
zwar einen 'handgeschriebenen', nicht aber einen von ihr 'eigenhändig'
verfaßten Lebenslauf eingereicht und ferner in dem Begleitschreiben
ihr Einverständnis mit einer graphologischen Begutachtung zum Ausdruck
gebracht hat, eine arglistige Täuschung begangen (§ 123 I BGB).
Sie hat bei der Bekl. bewußt unrichtige Vorstellungen über den
Aussteller des Lebenslaufes und über das Vorliegen eines Einverständnisses
mit einer graphologischen Begutachtung erwecken wollen und erweckt.
a) Eine Täuschung scheidet nicht deswegen
aus, weil die Bekl. von der Kl. nur einen 'handgeschriebenen', nicht aber
einen 'eigenhändig geschriebenen' Lebenslauf erbeten hat. Die Bekl.
hat nämlich nicht den Lebenslauf eines Dritten oder einen von einem
Dritten für die Kl. handgeschriebenen Lebenslauf angefordert, sondern,
wie der Telegrammwortlaut 'zur Vervollständigung Ihrer Bewerbungsunterlagen'
ausweist, ihren von ihr selbst, d. h. eigenhändig geschriebenen Lebenslauf.
In diesem Sinne hat die Kl., wie von ihr selbst vorgetragen, das Telegramm
auch verstanden. Schon daraus ergibt sich, daß die Kl. bei der Bekl.
bewußt unrichtige Vorstellungen über den Aussteller des Lebenslaufes
und damit auch über das Vorliegen ihres Einverständnisses erwecken
wollte. Diese Schlußfolgerung des LAG verstößt demnach
auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, zumal
es der Kl. unbenommen war und auch möglich gewesen wäre, nicht
nur auf ein fehlendes Einverständnis mit einer graphologischen Begutachtung
hinzuweisen, sondern auch darauf, daß es sich bei dem eingereichten
Lebenslauf nicht um einen von ihr selbst, d. h. eigenhändig geschriebenen
Lebenslauf handelt.
Der Hinweis der Revision, niemand sei verpflichtet,
jemandem, der sich verfassungswidrig zu benehmen gedenke, auch noch durch
eine richtige Interpretation seiner Absichten entgegenzukommen, vermag
das Verhalten der Kl. nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet ihrer inneren
Vorbehalte hat die Kl. ihre Einwilligung zur graphologischen Begutachtung
erteilt, ohne hierzu gezwungen oder von der Bekl. ersucht oder veranlaßt
worden zu sein; daran muß sich die Kl. festhalten lassen ( §
116 S. 1 BGB).
Die Feststellung des LAG, daß die Kl. wußte,
durch ihre Täuschung bei der Bekl. einen Irrtum hervorzurufen, wodurch
deren rechtsgeschäftlicher Wille unlauter beeinflußt, jedenfalls
mitbeeinflußt werden mußte (Mitverursachung genügt, vgl.
Kramer, in: MünchKomm, § 123 BGB Rdnr. 11; Hadding, StudKomm.
BGB, § 123 Anm. II 3; Enneccerus-Nipperdey, BGB-AT, 15. Aufl., §
174 I 3 m. w. Nachw.), unterliegt revisionsrechtlich mithin keinen Bedenken.
b) Die Bekl. hat die Anfechtung des Anstellungsvertrages
auch innerhalb der Jahresfrist des § 124 I BGB erklärt.
Denn nach der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für
den Senat gem. § 561 II ZPO bindenden Feststellungen des LAG hat die
Bekl. von der arglistigen Täuschung der Kl. erst am 1. 2. 1979 positive
Kenntnis erlangt. Bloßes Kennenmüssen oder die Vermutung der
Täuschung reicht - wie die Revision offenbar annehmen will - jedenfalls
nicht aus, um die Frist des § 124 I BGB in Lauf zu setzen (vgl.
BGH, NJW 1984, 173 = WM 1973, 750; Palandt-Heinrichs, BGB, 41. Aufl., §
124 Anm. 2).
3. Im arbeitsrechtlichen Schrifttum und in
der Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, daß die Regelung
des BGB über die Anfechtung eines Rechtsgeschäftes ( §§
119 ff. BGB) grundsätzlich auch für die Anfechtung eines Arbeitsvertrages
gilt und demgemäß ein wirksam angefochtener Arbeitsvertrag nach
§ 142 BGB mit rückwirkender Kraft (ex-tunc-Wirkung) beseitigt
wird. Im Hinblick auf den Charakter des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches
Gemeinschaftsverhältnis und nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten
einer Rückabwicklung hat sich - ebenso wie bei anderen Dauerschuldverhältnissen
(Gesellschafts- und Vereinsrecht) - in der Rechtsprechung und in der Literatur
die Meinung durchgesetzt, daß ein bereits in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag
nicht mehr mit rückwirkender Kraft angefochten werden kann. §
142 I BGB finde, so wird argumentiert, auf das bereits begonnene Arbeitsverhältnis
als Dauerrechtsverhältnis keine Anwendung. Anstelle der rückwirkenden
Nichtigkeit wird der Anfechtung nur die kündigungsähnliche Wirkung
der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft zugeschrieben.
Die dogmatische Begründung ist innerhalb dieser h. M. allerdings unterschiedlich;
es wird von Anfechtung ex nunc oder einem besonderen Lossagungsrecht gesprochen
(zur Rechtsentwicklung und zum Meinungsstand vgl. BAGE 5, 159 = NJW 1958,
516; BAGE 11, 270 = NJW 1962, 74; BAGE 22, 344 = NJW 1970, 1941; BAG, AP
§ 63 HGB Nr. 32; BAG, AP § 123 BGB Nr. 19; Hueck-Nipperdey,
ArbR, 7. Aufl., 1. § 32; Lieb, ArbR - Schwerpunkte, 2. Aufl.,
§ 1 II 2; Picker, ZfA 1981, 1 ff.; Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages,
1955; Söllner, ArbR, 7. Aufl., § 28 II 2; Sommer, AR-Blattei
'Anfechtung im Arbeitsrecht I'; Zöllner, ArbR, 2. Aufl., § 11
II 1b; vgl. ferner § 17c des Arbeitsgesetzentwurfes, wonach
eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung nur binnen
drei Wochen erfolgen soll und sie ausgeschlossen ist, wenn die der Täuschung
zugrunde liegenden Umstände ihre Bedeutung für das Arbeitsverhältnis
verloren haben oder das Arbeitsverhältnis drei Jahre gedauert hat;
vgl. dazu BAGE 22, 278 = AP § 123 BGB Nr. 17 = NJW 1970, 1565).
Eine weitergehende Einschränkung des Anfechtungsrechts sieht
§ 5 des DGB-Entwurfes zum Arbeitsverhältnisrecht vor (RdA 1977,
166).
a) Der auch vom LAG vertretenen h. M. ist im Grundsatz
beizuspflichten, jedenfalls bezüglich des bereits in Vollzug gesetzten
Arbeitsvertrages. Denn einer undifferenzierten und schematischen Anwendung
steht der Umstand entgegen, daß die Anfechtung mit ex-nunc-Wirkung
eine Ausnahme von dem vom Gesetzgeber in § 142 BGB aufgestellten
Grundsatz darstellt und sich eine Abweichung hiervon demnach nur dann und
nur insoweit auch dogmatisch rechtfertigen läßt, als diese durch
sachliche Gründe geboten erscheint. Sind solche Gründe nicht
vorhanden, entstehen insbesondere keine Rückabwicklungsschwierigkeiten,
ist es auch nicht gerechtfertigt, abweichend von § 142 I BGB
der Anfechtung nur Wirkung für die Zukunft beizumessen. Das ist dann
der Fall, wenn der Arbeitsvertrag noch nicht in Funktion gesetzt, d. h.
das Arbeitsverhältnis noch nicht aktualisiert ist. Das Festhalten
an der ex-nunc-Wirkung würde in einem solchen Falle nur dem Täuschenden
zu einem unbilligen und durch nichts zu rechtfertigenden Vorteil verhelfen.
Darauf weist Mayer=Maly (Anm. zu AP § 63 HGB Nr. 32) zutreffend
hin.
Gleiches muß aber auch dann gelten, wenn
- wie vorliegend - das Arbeitsverhältnis zwar zunächst aktualisiert
worden ist, zu einem späteren Zeitpunkt, aus welchen Gründen
auch immer, aber wieder außer Funktion gesetzt wird und der Arbeitnehmer
von da ab keine Arbeitsleistungen mehr erbringt. Eine Notwendigkeit, an
der Ausnahme festzuhalten, also nur eine ex-nunc-Wirkung der Anfechtung
anzunehmen, läßt sich dann dogmatisch ebenfalls nicht rechtfertigen.
Auch bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung wirkt die Anfechtung auf
den Zeitpunkt zurück, zu dem das Arbeitsverhältnis 'außer
Funktion gesetzt' ist. Die Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem die Anfechtung
zurückwirkt, kann zwar im Einzelfall schwierig sein; es kann unklar
oder bestritten sein, wann das Arbeitsverhältnis außer Funktion
gesetzt worden ist. Derartige, die Rechtssicherheit und die Rechtsklarheit
möglicherweise beeinträchtigende Unklarheiten, die z. B. auch
im Zusammenhang mit Kündigungen auftreten, sind als Folge der entsprechenden
Anwendung des Grundsatzes, daß Ausnahmen eng auszulegen sind und
im Interesse einer gesetzestreuen Anwendung der auch unbestreitbar im Arbeitsrecht
anzuwendenden Anfechtungsregeln des BGB in Kauf zu nehmen.
b) Mit dieser Auffassung befindet sich der Senat
nicht in Widerspruch zu seiner eigenen Entscheidung vom 18. 4. 1968 - 2
AZR 145/67 - (AP § 63 HGB Nr. 32 m. abl. Anm. Mayer=Maly = SAE
1969, 72 m. Anm. Löwisch = AR-Blattei 'Anfechtung im Arbeitsrecht':
Entscheidung 4 m. Anm. Sommer). In dem entschiedenen Falle hatte der Kl.
die Arbeit an einem Freitag angetreten, den Arbeitsplatz im Laufe des Vormittags
zur Besorgung der noch fehlenden Angestelltenversicherungskarte aber wieder
verlassen. Vom darauffolgenden Montag an war der Kl. arbeitsunfähig
krank. Etwa drei Wochen später erfolgte die Anfechtung. Aufgrund dieses
anders gearteten Sachverhalts hat der Senat seinerzeit eine 'Infunktionssetzung'
des Arbeitsvertrages bejaht, die Rückwirkung der Anfechtung abgelehnt
und dem Kl. Gehaltsansprüche zugesprochen. Denn eine echte 'Außerfunktionssetzung'
des Arbeitsverhältnisses ist nicht erfolgt; die 'Außerfunktionssetzung'
des Arbeitsverhältnisses beruhte nicht, wie im vorliegenden Falle,
auf einer Arbeitgeberkündigung, sondern auf einer vom Willen beider
Vertragsparteien unabhängigen Erkrankung des Arbeitnehmers. Die auf
Erkrankung zurückzuführende und in der Regel nur vorübergehene
Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers setzt das Arbeitsverhältnis
aber nicht 'außer Funktion', wie letztlich schon aus der gesetzlichen
Regelung über die Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle
( § 616 BGB; § 1 LohnFG; § 63 HGB; §
133c GewO) folgt. Insoweit ist daher auch eine unterschiedliche rechtliche
Beurteilung geboten und ein Widerspruch zu der vorliegend vom Senat vertretenen
Auffassung nicht ersichtlich. Soweit gleichwohl aus der Entscheidung vom
18. 4. 1968 (AP § 63 HGB Nr. 32) eine divergierende Auffassung
abgeleitet werden könnte, wird diese ausdrücklich aufgegeben.
c) Da aufgrund der, wenn auch unwirksamen Kündigung
vom 24. 2. 1978 das Arbeitsverhältnis der Parteien am 31. 3. 1978
außer Funktion gesetzt worden ist, wirkt die von der Bekl. mit Schreiben
vom 2. 2. 1979 erklärte Anfechtung des Anstellungsvertrages wegen
arglistiger Täuschung ( § 123 I BGB) auf diesen Zeitpunkt zurück:
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist mit Ablauf des 31.
3. 1978 beendet worden. Die Kl. hat daher für die Zeit ab 1. 4. 1978
auch keinen Anspruch auf Gehaltszahlung. Um dem von der Kl. auf §
615 BGB gestützten Anspruch zu begegnen, bedarf es infolgedessen auch
nicht des Umweges über die Arglisteinrede.
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