Kein Ersatz ersparter
Nacherfüllungsaufwendungen bei Selbstvornahme der Nacherfüllung (Bestätigung
von BGH NJW 2005, 1384);
Nacherfüllungsaufwendungen als Bestandteil des Schadensersatzes statt der
Leistung bei Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 281 Abs. 2 BGB
BGH, Urteil vom 22. Juni
2005 - VIII ZR 1/05
Fundstelle:
NJW 2005, 3211
Amtl. Leitsatz:
Beim Kauf eines Tieres
können besondere Umstände, die nach § 437 Nr. 3 i.V.m. § 281 Abs. 2 BGB die
sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruches statt der Leistung
rechtfertigen, dann vorliegen, wenn der Zustand des Tieres eine
unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich
erscheinen läßt, die vom Verkäufer nicht rechtzeitig veranlaßt werden
könnte.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
BGH NJW 2005, 1384, zu
BGH v. 7.12.2005 - VIII ZR 126/05
sowie zu BGH v. 21.12.2005 -
VIII ZR 49/05. Der Senat bekräftigt
jene Entscheidung entgegen der dagegen geäußerten Kritik und schließt auch
(in der Literatur vorgeschlagene) Ersatzansprüche aus GoA oder
Bereicherungsrecht aus. Er stützt dies - ohne auf die in der Literatur
geäußerte Kritik der Sache nach einzugehen - wiederum auf den angeblich
abschließenden Charakter von § 437 BGB und den angeblichen "Vorrang der
Nacherfüllung". S. dazu auch die Anm. zu
OLG München v. 21.7.2006 - 19 U
2503/05, wo ein solcher Anspruch aus § 326
II 2 BGB erstmals bejaht wurde.
Vollkommen zutreffend sind aber die Ausführungen des BGH zur Entbehrlichkeit
der Fristsetzung. Dies zeigt, daß die Problematik der "eigenmächtigen
Selbstvornahme" nur dann relevant wird, wenn eine erforderliche
Nachfristsetzung nicht erfolgt ist. Das bedeutet, daß zunächst die
Entbehrlichkeit der Fristsetzung zu prüfen ist. Von Interesse sind in
diesem Zusammenhang auch die Ausführungen zur sachlichen Reichweite der
Entbehrlichkeit der Fristsetzung. Der Senat deutet an, daß im Falle von
"Notfallmaßnahmen" die Fristsetzung uU nur für diese, nicht aber für die
weitere, darüber hinausgehende Mängelbeseitigung entbehrlich sein kann.
©sl 2005
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Erstattung der Kosten für die tierärztliche
Behandlung eines Hundes, den der Kläger vom Ehemann der Beklagten gekauft
hatte.
Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 7. September 2002 erwarb der Kläger von
dem inzwischen verstorbenen Ehemann der Beklagten einen Terrier-Welpen zum
Preis von 390 €. Kurze Zeit nach der Übergabe erkrankte das Tier an blutigem
Durchfall, der durch verschiedene Bakterien verursacht worden war. Der
Kläger brachte den Welpen am 11. September 2002 zu einer Tierarztpraxis an
seinem Wohnort. Für diesen Arztbesuch und für die weiteren tierärztlichen
Behandlungen, die sich bis zum 7. Oktober 2002 hinzogen, entstanden dem
Kläger Kosten von insgesamt 379,39 €.
Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs hat der Kläger vorgetragen,
die festgestellte Erkrankung sei ausschließlich auf unzulängliche und
unhygienische Haltung und Behandlung des Welpen vor der Übergabe an ihn, den
Kläger, zurückzuführen. Er habe mit dem etwa 30 km entfernt wohnenden
Ehemann der Beklagten telefonisch Verbindung aufnehmen wollen; dabei habe er
die Beklagte von der Erkrankung des Welpen in Kenntnis gesetzt und diese
habe ihm zum Abwarten geraten. Im übrigen sei eine Fristsetzung zur
"Nachbesserung" entbehrlich gewesen, weil Gefahr im Verzug bestanden habe.
Das Amtsgericht hat der zuletzt auf 576,39 € gerichteten Klage stattgegeben
und die Berufung zugelassen. Nachdem der Kläger die Klage in Höhe eines
Betrages von 179 € zurückgenommen hatte, hat das Landgericht die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat
ausgeführt:
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin ihres
verstorbenen Ehemannes (§ 1922 BGB) ein Anspruch auf Ersatz der für die
Behandlung des Welpen angefallenen und noch geltend gemachten Tierarztkosten
in Höhe von 379,39 € zu. Ein solcher Anspruch des Klägers ergebe sich
allerdings nicht, wie das Amtsgericht angenommen habe, aus §§ 437, 440, 281
BGB, da der Kläger den Ehemann der Beklagten nicht zur Nacherfüllung
aufgefordert habe. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sei es für den
Kläger nicht unzumutbar gewesen, sich mit dem erkrankten Welpen zunächst zu
dem Ehemann der Beklagten zu begeben, um dort eine Heilbehandlung des Tieres
zu verlangen, so daß ein Nacherfüllungsverlangen mit entsprechender
Fristsetzung entbehrlich gewesen wäre. Soweit es aus Gründen des
Tierschutzes aus Sicht des Klägers geboten gewesen sein könne, keine weitere
Zeit verstreichen zu lassen und unverzüglich tierärztliche Hilfe in Anspruch
zu nehmen, könne dies allenfalls für die erste Notfallbehandlung gelten. Die
nicht mehr notfallmäßigen - wenn auch objektiv erforderlichen -
Anschlußbehandlungen hätten ohne weiteres von dem Ehemann der Beklagten
veranlaßt werden können, auch wenn dieser seinerseits einen Tierarzt hätte
einschalten müssen, wie die Sachverständige bei der mündlichen Erläuterung
ihres Gutachtens im Termin vor dem Amtsgericht ausgeführt habe. Jedenfalls
hinsichtlich der Anschlußbehandlungen könne eine Aufforderung zur
Nachbesserung mit Fristsetzung nicht als entbehrlich angesehen werden.
Dem Kläger stehe aber ein Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten
Behandlungskosten zu, weil diese den Kosten entsprächen, die der Ehemann der
Beklagten selbst zur ordnungsgemäßen Nacherfüllung hätte aufwenden müssen.
Ein derartiger Anspruch auf Ersatz der Kosten, die der Käufer für eine sonst
erforderliche eigene Mängelbeseitigung erspart habe, sei zwar nicht in
direkter oder zumindest analoger Anwendung des § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB
begründet. Der Anspruch sei jedoch über § 684 BGB aus dem Bereicherungsrecht
herzuleiten. Der Käufer handle bei einer selbst vorgenommenen Nacherfüllung
in der Regel mit Fremdgeschäftsführungswillen. Diese Fremdgeschäftsführung,
die allerdings nicht nach § 683 Satz 1 BGB berechtigt sei, da sie weder dem
(mutmaßlichen) Willen des Käufers entspreche noch in seinem objektiven
Interesse liege, verpflichte den Käufer zur Herausgabe der Bereicherung.
Danach könne der Käufer nur die Aufwendungen ersetzt verlangen, die der
Verkäufer selbst erspart habe und die auch von ihm nach § 439 Abs. 2 BGB zu
tragen gewesen wären. Da nach den Erläuterungen der Sachverständigen die
durchgeführten Behandlungen zur Genesung des Tieres erforderlich gewesen
seien und zwingend von einem Tierarzt hätten erbracht werden müssen, nicht
also beispielsweise vom Ehemann der Beklagten selbst hätten erbracht werden
können, seien die von diesem ersparten Aufwendungen (ausnahmsweise)
identisch mit den beim Kläger für die tierärztliche Behandlung entstandenen
Kosten.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis,
nicht aber in der Begründung stand. Der Kläger kann von der Beklagten
unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes statt der Leistung Ersatz
seiner Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung des Welpen verlangen;
eine vorherige (erfolglose) Nachfristsetzung war unter den besonderen
Umständen des Falles ausnahmsweise entbehrlich (§§ 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
2. Halbs., 280, 437 ff. BGB).
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Kläger bei
Nichtbeachtung der Voraussetzungen der §§ 437 f. BGB für einen
kaufrechtlichen Schadensersatzanspruch auch nicht in direkter oder analoger
Anwendung des § 326 Abs. 4, Abs. 2 Satz 2 BGB Erstattung der von dem Ehemann
der Beklagten ersparten Behandlungskosten verlangen könnte.
Wie der Senat in seiner nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen
Entscheidung vom 23. Februar 2005 (VIII ZR
100/04, NJW 2005, 1348 = WM 2005, 945, zur Veröffentlichung in BGHZ
bestimmt) ausgesprochen hat, setzt der Anspruch des Käufers auf
Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB voraus,
daß der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur
Nacherfüllung bestimmt hat, soweit nicht einer der gesetzlich geregelten
Ausnahmetatbestände eingreift. Beseitigt der Käufer den Mangel selbst, ohne
dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu
haben, kann er auch nicht gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB (analog) die
Anrechnung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für eine
Mangelbeseitigung auf den Kaufpreis verlangen oder den bereits gezahlten
Kaufpreis in dieser Höhe zurückfordern. Zur Begründung hat der Senat darauf
hingewiesen, daß die §§ 437 ff. BGB insoweit abschließende Regelungen
enthalten, die auch einen Anspruch auf Herausgabe ersparter Aufwendungen in
unmittelbarer bzw. analoger Anwendung des § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB
ausschließen; anderenfalls würde dem Käufer im Ergebnis ein
Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers zugebilligt, auf das der
Gesetzgeber bewußt verzichtet hat. Zudem würde der Vorrang des
Nacherfüllungsanspruchs unterlaufen, der den §§ 437 ff. BGB zugrundeliegt.
An diesem Ergebnis ist trotz der im Schrifttum geäußerten Kritik (Gsell, ZIP
2005, 922; Lorenz, NJW 2005, 1321; Bydlinski, ZGS 2005, 129; Katzenstein,
ZGS 2005, 184; zustimmend dagegen: Dauner-Lieb, ZGS 2005, 169; Sutschet, JZ
2005, 574; Luckey, BGHReport, 2005, 751) festzuhalten.
Nicht gefolgt werden kann jedoch der Auffassung des Berufungsgerichts, dem
Käufer sei bei einer den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften nicht
entsprechenden eigenmächtigen Nachbesserung ein Anspruch nach §§ 684 Satz 1,
812 BGB auf Ersatz der von dem Verkäufer ersparten Mängelbeseitigungskosten
zuzubilligen. Der abschließende Charakter der in den §§ 437 ff. BGB
normierten Rechte des Käufers bei Mängeln (Senatsurteil aaO unter II, 2 b)
verbietet nicht nur eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 326 Abs.
2 Satz 2 BGB, sondern ebenso den vom Berufungsgericht gewählten Weg eines
Aufwendungsersatzes nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag in
Verbindung mit dem Bereicherungsrecht (Senatsurteil aaO unter II, 2 c).
2. Das Urteil erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als richtig (§ 561
ZPO). Der Kläger kann unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des
Schadensersatzes statt der Leistung die Erstattung seiner Aufwendungen für
die tierärztliche Behandlung verlangen. Nach §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 2 BGB
ist die nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur
Nacherfüllung unter anderem dann entbehrlich, wenn besondere Umstände
vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige
Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. Ein solcher
Ausnahmefall ist hier gegeben.
a) Das Berufungsgericht selbst schließt es nicht aus, daß die unverzügliche
Inanspruchnahme tierärztlicher Hilfe schon aus Gründen des Tierschutzes
geboten war. Nach den getroffenen Feststellungen ist mit dem Amtsgericht
sogar davon auszugehen, daß es sich bei der ersten tierärztlichen Behandlung
am 11. September 2002 um eine Notfallmaßnahme handelte, die aus damaliger
Sicht keinen Aufschub duldete und auch einen Transport des erkrankten Hundes
zum Wohnort des Ehemannes der Beklagten nicht zuließ. Wie die
Sachverständige nach den Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das
Berufungsgericht Bezug genommen hat, in ihrem schriftlichen Gutachten und
bei ihrer mündlichen Anhörung erläutert hat, war die sofortige tierärztliche
Behandlung bei dem Welpen geboten und erforderlich, auch wenn sich bei der
Erstuntersuchung herausstellte, daß eine lebensbedrohliche Erkrankung nicht
vorlag.
Unter diesen Umständen war der Kläger nicht gehalten, und es war ihm auch
nicht zumutbar, mit dem kleinen Tier im Auto eine Strecke von 30 km
zurückzulegen, um den Welpen zu dem Ehemann der Beklagten zurückzubringen,
damit dieser nunmehr die nötigen tierärztlichen Untersuchungen selbst
einleiten konnte. Nach der in § 281 Abs. 2 BGB vorgeschriebenen
Interessenabwägung ist diese etwa dann zugunsten des Käufers vorzunehmen,
wenn bei einem mit der Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen
Zeitverlust ein wesentlich größerer Schaden droht als bei einer vom
Gläubiger sofort vorgenommenen Mängelbeseitigung (vgl. BT-Drucks.
14/6040, S. 140; ebenso Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 281 Rn. 15).
Dieser Gedanke ist auch für den vorliegenden Fall heranzuziehen, in dem bei
einem Zeitverlust die Gefahr eines größeren Schadens drohte und überdies
Gesichtspunkte des Tierschutzes ein sofortiges Handeln erforderlich machten.
b) Durfte der Kläger danach die tierärztliche Behandlung des erkrankten
Welpen am 11. September 2002 veranlassen, ohne vorher den Verkäufer zur
Durchführung einer solchen Maßnahme innerhalb einer bestimmten Frist
aufgefordert zu haben, so gilt dies in gleicher Weise auch für die weiteren
notwendigen tierärztlichen Behandlungstermine. Eine Aufforderung des
Verkäufers zur weiteren Nachbesserung mit der Möglichkeit, den behandelnden
Tierarzt zu wechseln, war unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach
§ 281 Abs. 2 BGB entbehrlich. Ob bei einer in mehreren Schritten
vorzunehmenden Beseitigung eines Mangels einer anderen Sache - etwa bei
einer umfangreicheren Autoreparatur - der Käufer nach einer von einem
Dritten durchgeführten Notmaßnahme nunmehr wieder den Verkäufer einschalten
muß, kann offen bleiben. Bei der medizinischen Behandlung eines akut
erkrankten Tieres, insbesondere eines Hundewelpen, die sich über einen
Zeitraum von 4 Wochen hinzieht, erscheint bei der gebotenen
Interessenabwägung ein derartiger Wechsel für den Käufer unzumutbar und
unzweckmäßig. Das gilt umso mehr, als sich die Kosten der Behandlung -
absehbar - in Grenzen hielten und nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts in gleicher Höhe auch angefallen wären, wenn der Ehemann
der Beklagten nach entsprechender Aufforderung des Klägers die medizinisch
gebotene weitere Behandlung des Welpen veranlaßt hätte. Bei einem Wechsel
des Tierarztes wären möglicherweise sogar Mehrkosten entstanden, weil dieser
nicht an eine eigene Erstuntersuchung hätte anknüpfen können.
III. Nach alledem stellt sich das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig
dar. Die Revision ist deshalb zurückzuweisen.
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