I. Hintergrund der Schuldrechtsmodernisierung 2002

Nach über 100 Jahren hat der Gesetzgeber wesentliche Teile des Allgemeinen und Besonderen Schuldrechts sowie das Verjährungsrecht einer Neuregelung unterzogen.

1. Europarechtlicher Hintergrund

Letzter Anlaß hierzu war die Umsetzung mehrerer privatrechtlicher EG-Richtlinien, nämlich der Richtlinie 1999/44/EG vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ("Verbrauchsgüterkaufrichtlinie"), der Richtlinie 2000/31/EG vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("e-commerce Richtlinie") sowie der Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ("Zahlungsverzugsrichtlinie"). Insbesondere erstere zwang den deutschen Gesetzgeber zum 1.1.2002 zu bedeutenden Änderungen im Bereich des Kaufrechts für zwischen Unternehmern und Verbrauchern geschlossene Verträge.

2. Die "Große Lösung"

Freilich hätten sich die Vorgaben der genannten Richtlinien auch durch punktuelle Änderungen des geltenden Rechts ohne eine umfassende Schuldrechtsreform im Rahmen einer "kleinen Lösung" innerhalb oder außerhalb des BGB umsetzen lassen. Dies war im Vorfeld der Reform heftig umstritten. Der Gesetzgeber hat sich aber dazu entschlossen, die Umsetzung der Richtlinien zum Anlaß einer seit längerem diskutierten umfassenden Änderung der Kodifikation des Allgemeinen und Besonderen Schuldrechts sowie des Verjährungsrechts zu nehmen.

3. Die Vorarbeiten der Schuldrechtskommission

Die Geschichte der Schuldrechtsreform ist nämlich wesentlich älter, als der äußere Anlaß der Richtlinienumsetzung. Sie geht wohl zurück auf einen Vorstoß des damaligen Bundesjustizministers Hans-Jochen Vogel, der das Projekt im Jahre 1978 erstmals im Deutschen Bundestag und auf dem 52. Deutschen Juristentag vorstellte. Nachdem das Bundesjustizministerium in der Folgezeit eine Reihe von wissenschaftlichen Gutachten in Auftrag gegeben hatte, die 1981 und 1983 in drei Bänden veröffentlicht wurden (s. Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1981 und 1983), legte eine im Jahre 1984 ebenfalls vom Bundesjustizministerium eingesetzte Schuldrechtkommission, der bedeutende Juristen aus Wissenschaft und Praxis angehörten, im Jahre 1991 einen Abschlußbericht zur Überarbeitung des Schuldrechts vor, der einen Entwurf zur Änderung des Verjährungsrechts, des Allgemeinen Leistungsstörungsrechts, des Kaufrechts und des Werkvertragsrechts enthielt (s. Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992; dazu Rolland NJW 1992, 2376 ff). Dieser sog. "Kommissionsentwurf" orientierte sich insbesondere im Leistungsstörungsrecht und im Kaufrecht an dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf (CISG). Im übrigen sah der Kommissionsentwurf ein gegenüber der lex lata stärker vereinheitlichtes Verjährungsrecht vor. Im Jahre 1994 beriet der 60. Deutsche Juristentag in seiner zivilrechtlichen Abteilung den Entwurf mit insgesamt positiver Tendenz. In der Wissenschaft stieß er vereinzelt auf grundsätzliche Kritik, in Wirtschaft und Industrie auf kategorische Ablehnung. Eine breite Diskussion hat allerdings nie stattgefunden, das Projekt versank rechtspolitisch in eine Art "Dornröschenschlaf".

4. Wiederaufnahme durch die Bundesregierung: Vom "Diskussionsentwurf" bis zum "Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts" vom 26.11.2001 (BGBl. 2001 I 3138 ff)

Aus Anlaß der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sowie nach ersten Änderungen im BGB im Bereich des Verbraucherschutzes durch das am 30.6.2000 in Kraft getretene "Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro" hat die Bundesregierung dann die Idee einer "großen" Schuldrechtsreform wieder aufgenommen. Im August 2000 wurde der Öffentlichkeit relativ überraschend der "Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes" vorgestellt. Dieser erfuhr auf einer von den Professoren Wolfgang Ernst (Bonn) und Reinhard Zimmermann (Regensburg) organisierten Tagung in Regensburg im November 2000 z.T. heftige Kritik von Seiten der Wissenschaft (s. dazu den Tagungsbericht von Gsell/Rüfner NJW 2001, 424 ff sowie Ernst/Zimmermann [Hrsg.], Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001). Diese sowie die auf einer weiteren, von den Professoren Reiner Schulze und Hans Schulte-Nölke (Münster) initiierten Tagung in Münster im Januar 2001 (s. dazu den Tagungsbericht von Artz NJW 2001, 1703 ff sowie Schulze/Schulte-Nölke [Hrsg.], Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001) geäußerte, deutlich konstruktivere Kritik, führte im März 2001 zu einer "Konsolidierten Fassung" des Diskussionsentwurfs. Letztere geht auf die Arbeiten einer weiteren vom Bundesjustizministerium eingesetzten Expertenkommission zurück und beseitigte wesentliche Mängel des ursprünglichen Diskussionsentwurfs. Die "Konsolidierte Fassung" war dann u.a. Gegenstand einer Sondertagung der Zivilrechtslehrervereinigung im März 2001 in Berlin (s. dazu die Beiträge in JZ 2001, 473 ff). Auch diese konnte freilich die erhebliche Kontroverse um das Projekt einer "großen" Lösung in der Wissenschaft nicht beenden. Im Mai 2001 haben die Bundesregierung sowie die Regierungsfraktion des Bundestages dann den "Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts" (BT-Drucks. 14/6040) parlamentarisch auf den Weg gebracht. Nach Stellungnahme des Bundesrats vom 13.7.2001 und Gegenäußerung der Bundesregierung hierzu (BT-Drucks. 14/6857) wurde das Gesetz schließlich in der Fassung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 9.10.2001 (BT-Drucks. 14/7052) am 11.10.2001 verabschiedet, hat am 9.11.2001 den Bundesrat passiert und ist am 29.11.2001 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. Teil I Nr. 61/2001 vom 29.11.2001 S. 3138 ff) Es wird - wie geplant - am 1.1.2002 in Kraft treten. Die durch das Reformwerk vorgenommenen Änderungen betreffen vor allem das Verjährungsrecht, das Leistungsstörungsrecht, das Kauf- und Werkvertragsrecht sowie die Integration bisher in Nebengesetzen geregelter Materien insbesondere aus dem Bereich des vertragsrechtlichen Verbraucherschutzes. Außer an den genannten Vorarbeiten orientiert sich die Neuregelung auch an den zwischenzeitlich vorgenommenen Arbeiten zur internationalen Rechtsvereinheitlichung, insbesondere den "Principles of European Contract Law" der Europäischen Vertragsrechtskommission sowie den bei UNIDROIT erarbeiteten "Principles of International Commercial Contracts".

II. Der wesentliche Inhalt der Neuregelungen

1. Die Reform des Verjährungsrechts

Die Inkohärenz der bisherigen Verjährungsregelungen des BGB mit Fristen von 6 Monaten bis 30 Jahren wurde zu Recht seit langem beklagt. Sie war insbesondere im Bereich der kauf- und werkvertragsrechtrechtlichen Gewährleistung einer der Gründe für das "Ausweichen" von Problemfeldern des Besonderen Schuldrechts auf Rechtsinstitute wie etwa die culpa in contrahendo und die positive Forderungsverletzung. Die einschneidendste Änderung im Verjährungsrecht besteht in der Herabsetzung der bisher 30-jährigen Regelverjährung auf 3 Jahre (§ 195 BGB). Hinsichtlich des Verjährungsbeginns mußte der Gesetzgeber jedoch angesichts dieser massiven Verkürzung der Regelverjährung auf ein subjektives System wechseln: Die Regelverjährung beginnt nunmehr erst mit dem Zeitpunkt der Entstehung und der Kenntniserlangung bzw. des Kennenmüssens des Gläubigers von den anspruchsbegründenen Umständen und der Person des Schuldners (§ 199 Abs. 1 BGB). Dieser Systemwechsel war notwendiger "Preis" für die radikale Verkürzung der Regelverjährung. Unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers verjähren der regelmäßigen Frist unterliegende Ansprüche spätestens in 10 Jahren ab ihrer Entstehung (§ 199 Abs. 4), sofern es sich nicht um Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit oder sonstige Schadensersatzansprüche handelt, für welche § 199 Abs. 2, 3 BGB eine differenzierte Sonderregelung vorsehen. Besondere Verjährungsregeln von 10 bzw. 30 Jahren gelten für Ansprüche auf die Übertragung bzw. Einräumung von bestimmten dinglichen Rechten an Grundstücken einschließlich der betreffenden Gegenleistung (§ 196 BGB), für bestimmte dingliche und familienrechtliche Ansprüche sowie für titulierte Ansprüche (§ 197 BGB). Im übrigen ändert sich - abgesehen von einer Modernisierung der Terminologie - systematisch nichts Wesentliches. Bei der Frage des Verjährungsablaufs verschiebt sich die Tendenz ein wenig von der - nunmehr "Neubeginn" genannten - Unterbrechung der Verjährung hin zu Hemmungstatbeständen. Weiterhin Gegenstand einer Sonderregelung ist die - erheblich verlängerte - Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen im Kauf- und Werkvertragsrecht. Damit sind die bisherigen Abgrenzungsprobleme von allgemeinem und besonderem Leistungsstörungsrecht wie etwa das Verhältnis von Mangel(folge)schaden und Nebenpflichtverletzung oder die Abgrenzung zu deliktischen Ansprüchen ("Weiterfresserproblematik") zwar nicht sämtlich behoben, aber doch wesentlich entschärft.

2. Integration von Nebengesetzen, Verbraucherschutz

Ein weiteres zentrales Anliegen der Reform war die Reintegration von bisher in Nebengesetzen verteilten Sondermaterien einschließlich der neu zu schaffenden Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf in das BGB. Damit sollte einer fortschreitenden kodifikatorischen Rechtszersplitterung Einhalt geboten werden. Nachdem durch die Bündelung der verbraucherschützenden Widerrufsrechte in §§ 361a,b BGB a.F. sowie weitere verbraucherrechtliche Spezialregelungen (§§ 13, 14, 241a, 661a BGB) durch das "Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts" vom 27.6.2000 bereits ein erster Schritt zur Integration insbesondere des vertragsrechtlichen Verbraucherschutzes in das BGB unternommen wurde, finden sich dort nunmehr im wesentlichen unverändert die Regelungen über "Haustürgeschäfte" (§§ 312 f BGB, bisher HtWiG), über Fernabsatzverträge (§§ 312b ff BGB, bisher FernAG), über Teilzeit-Wohnrechteverträge (§§ 481 ff, bisher TzWrG) sowie über Verbraucherkreditverträge (§§ 491 ff BGB, bisher VerbrKrG). Auch das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist - systematisch vollkommen und inhaltlich weitgehend unverändert - in die §§ 305 ff BGB integriert worden. Die wesentlichen inhaltlichen Neuerungen im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehen neben der generellen Geltung für Versicherungsverträge, der eingeschränkten Geltung im Individualarbeitsrecht (§ 310 Abs. 4) sowie der Einschränkung der Ausnahmevorschriften für Post- und Telekommunikation insbesondere in der Aufnahme des Transparenzgebotes in die Generalklausel der Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) sowie in der Abschaffung der Möglichkeit, die Haftung für Körperschäden auf grobe Fahrlässigkeit zu beschränken (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB). Die verfahrensrechtlichen Regelungen des bisherigen AGB-Gesetzes über die Verbandsklage wurden - zusammen mit anderen Regelungen - in einem dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz – UKlaG) zusammengefaßt. Der Umsetzung der "e-commerce-Richtlinie" dient eine neue Regelung über die Verhaltenspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e BGB). Hinsichtlich der verbraucherschützenden Informationspflichten werden im BGB nur die Grundaussagen getroffen. Im übrigen wird jeweils auf die neugeschaffene "Verordnung über Informationspflichten nach Bürgerlichem Recht" (s. Art. 238 ff EGBGB) verwiesen.

3. Die Reform des Leistungsstörungsrechts

a) Vereinheitlichung des Leistungsstörungsrechts, Pflichtverletzung als zentraler Haftungstatbestand

Ein wesentliches Ziel der Reform war es, das Leistungsstörungsrecht durchsichtiger und klarer zu machen und von seiner "Zweispurigkeit" zu befreien. Die Änderungen sind dabei weit überwiegend systematischer und nicht materiell-inhaltlicher Art. Sämtliche Leistungsstörungstatbestände im Besonderen Teil des Schuldrechts sollen nunmehr dem Allgemeinen Schuldrecht entstammen bzw. auf diesem aufbauen. Hierzu dient als zentraler Tatbestand des Leistungsstörungsrechts der Begriff der "Pflichtverletzung". Die Kategorie der Unmöglichkeit wird zwar nicht - wie anfänglich vorgesehen - als Rechtsbegriff aufgehoben, ihre Bedeutung reduziert sich aber im Wesentlichen auf die Frage des Schicksals der Primärleistungspflicht.

b) Unmöglichkeit als Befreiungsgrund von der Primärleistungspflicht

Nach § 275 Abs. 1 BGB führt nunmehr jede Art der Unmöglichkeit ohne Rücksicht auf ihren objektiven oder subjektiven Charakter, den Zeitpunkt ihres Eintritts oder die Frage des Vertretenmüssens zur Befreiung des Schuldners von der Primärleistungspflicht. Wie § 275 Abs. 4 BGB klarstellt, präjudiziert dies freilich nicht die Frage der sich daraus ergebenden Sekundäransprüche. Auch die anfängliche objektive Unmöglichkeit führt, wie § 311a Abs. 1 BGB klarstellt, anders als nach bisherigem Recht (§ 306 BGB a.F.) nicht mehr zur Nichtigkeit des Vertrages. Der Satz "impossibilium nulla est obligatio" ist damit für das deutsche Recht nur noch für die Frage der Primärleistungspflicht zutreffend. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Fälle der "faktischen" sowie der "moralischen" Unmöglichkeit in § 275 Abs. 2 und 3 BGB als Einredetatbestand kodifiziert. In allen Fällen der Leistungsbefreiung nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger - wie bereits bisher - die Herausgabe eines etwaigen Surrogates verlangen (§ 285 BGB). Das Schicksal der Gegenleistungspflicht im synallagmatischen Vertrag ist nunmehr in § 326 BGB geregelt, der im Wesentlichen den Regelungsgehalt der bisherigen §§ 323 ff BGB a.F. zusammenfaßt.

c) Haftung für Pflichtverletzung, Vertretenmüssen

Zentraler Haftungstatbestand für die Verletzung der Pflicht aus einem Schuldverhältnis ist § 280 BGB. Danach haftet der Schuldner für den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden. Die Haftung ist abhängig vom Vertretenmüssen, welches allerdings vermutet wird. Sämtliche bisher auf die sog. "positive Forderungsverletzung" gestützten Schadensersatzansprüche haben damit nunmehr eine Grundlage im Gesetzestext. Für den Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung sowie für den "Schadensersatz statt der Leistung" (bisher: "Schadensersatz wegen Nichterfüllung") stellt das Gesetz in den §§ 281 ff BGB jedoch besondere Voraussetzungen auf. Hier finden sich Sonderregelungen für den Fall der verspäteten oder mangelhaften Leistung (§ 281 BGB), den Fall der Nebenpflichtverletzung (§ 282 BGB) sowie für den Schadensersatz im Falle der Unmöglichkeit (§§ 283, 311a Abs. 2 BGB). Die wesentlichen inhaltlichen Neuerungen bestehen, abgesehen von terminologischen Änderungen, für die Verspätung der Leistung im Wegfall des Erfordernisses einer Ablehnungsandrohung (bisher: § 326 BGB a.F.), in der Haftung auf das positive Interesse auch im Falle anfänglicher objektiver Unmöglichkeit (§ 311a Abs. 2 BGB), im Wegfall der strengen Garantiehaftung im Falle anfänglichen Unvermögens sowie in der Tatsache, daß das Rücktrittsrecht des Gläubigers für den Fall des Ausbleibens der Leistung bzw. der mangelhaften Leistung nunmehr unabhängig vom Vertretenmüssen des Schuldners ausgestaltet ist und damit auch die bisherige Wandelung erfaßt (§ 323 BGB). In Abweichung vom bisherigen Recht gestattet § 325 BGB darüber hinaus ausdrücklich eine Kombination von Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung. Das Erfordernis des Vertretenmüssens in Bezug auf den Schadensersatz wegen Pflichtverletzung bedeutet freilich nicht, daß die Neuregelung keinen Raum für eine verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners etwa im Falle anfänglichen Unvermögens, bei Gattungs- und Geldschulden oder im Falle der Eigenschaftszusicherung ließe. Alle diese Fragen sind nunmehr ausschließlich im Begriff des "Vertretenmüssens" in § 276 BGB enthalten, der um die Fälle der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos erweitert wurde und damit eine zentrale Rolle im System des Leistungsstörungsrechts übernimmt. Nur dies erlaubte es, auf Vorschriften wie etwa § 279 BGB a.F. (Unvermögen bei Gattungsschuld) oder § 463 S. 1 BGB a.F. (Haftung für zugesicherte Eigenschaften) zu verzichten, ohne in der Sache etwas zu ändern. Eine verschuldensunabhängige Haftung durch Garantieübernahme ist damit weiterhin möglich. Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger auch Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (§ 284 BGB).

d) Rücktritts- und Widerrufsrecht

Umgestaltet und radikal vereinfacht wurden die Regelung der §§ 346 ff BGB über die Ausgestaltung des Rücktrittsrechts. Diese gelten nunmehr gleichermaßen für gesetzliche und vertragliche Rücktrittsrechte. Dies und die Tatsache, daß in zahlreichen Vorschriften, die eine Rückabwicklung von Leistungen vorsehen, auf die §§ 346 ff BGB verwiesen wird (z.B. §§ 281 Abs. 5, 326 Abs. 4, 439 Abs. 4, 441 Abs. 4, 635 Abs. 4, 638 Abs. 4 BGB), macht die Vorschriften neben dem Bereicherungsrecht zu zentralen Rückabwicklungsregelungen des Schuldrechts. Die komplizierten und teilweise höchst unklaren Verweisungen auf das vertragliche Rücktrittsrecht, die das bisherige Recht für gesetzliche Rücktrittsrechte und das Wandelungsrecht enthielt, konnten dadurch entfallen. Aufgehoben wurden weiter die Vermutungsregelungen in Bezug auf vertragliche Rücktrittsrechte im Fall des "relativen Fixgeschäfts" (§ 361 BGB a.F.) sowie bei vereinbartem Eigentumsvorbehalt (§ 455 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Anders als nach bisherigem Recht wird der Bestand des Rücktrittsrechts nun nicht mehr von der Frage abhängig gemacht, ob der Rücktrittsberechtigte zur Rückgabe des empfangenen Gegenstandes imstande ist. Diese gesamte Problematik ist nunmehr in die Frage der Wertersatzpflicht verlagert (§ 346 Abs. 2, 3 BGB). Dort finden sich weiterhin bedeutende Privilegierungen des Berechtigten im Falle gesetzlicher Rücktrittsrechte (§ 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB). Die Regelungen über das verbraucherschützende Widerrufs- und Rückgaberecht (§§ 355 ff BGB) wurden den veränderten Regelungen des Rücktrittsrechts angepaßt. Erste Korrekturen erfolgten durch Art. 25 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten.

e) Kodifizierung richterrechtlicher Rechtsinstitute

Ein weiteres Anliegen des Gesetzes war die Kodifizierung bestehender richterrechtlicher Rechtsinstitute. Durch den zentralen Haftungstatbestand der Pflichtverletzung in § 280 Abs. 1 BGB sowie die gesetzliche Verankerung der Nebenpflichten aus dem Schuldverhältnis in § 241 Abs. 2 BGB hat nunmehr die positive Forderungsverletzung (pFV) eine gesetzliche Verankerung gefunden. Gleiches gilt durch die gesetzliche Regelung der vorvertraglichen Pflichten in § 311 Abs. 2, 3 BGB für das Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo). Eine sachliche Änderung ist damit ebensowenig verbunden wie mit der gesetzlichen Verankerung der Lehre von der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB und des Kündigungsrechts von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund in § 314 BGB.

4. Die Reform des Kaufrechts

Umfassende Änderungen sowohl systematischer als auch inhaltlicher Art hat hingegen das Kaufrecht erfahren. Die §§ 433 - 453 BGB regeln als "Untertitel 1" "Allgemeine Vorschriften", der "Untertitel 2" enthält in den §§ 454 - 473 BGB Regelungen über "Besondere Arten des Kaufs", die auf den allgemeinen Vorschriften aufbauen. Dabei handelt es sich um die - im Wesentlichen unveränderten - Regelungen über den Kauf auf Probe (§§ 454 f BGB), den Wiederkauf (§§ 456 ff BGB) sowie über den Vorkauf (§§ 463 ff BGB). "Untertitel 3" regelt in den §§ 474 - 479 den Verbrauchsgüterkauf. Da bereits die "Allgemeinen Vorschriften" auf dem durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorgegebenen Modell (Erfüllungstheorie, Nacherfüllungsanspruch, Gewährleistungsfristen) beruhen, kommt das Gesetz hier mit vergleichsweise wenigen Sonderregelungen aus.

a) Wesentliche inhaltliche Neuerungen

Neben einer Präzisierung des Sachmangelbegriffs in Bezug auf Werbeaussagen (§ 434 Abs. 1) und Montagefehler (§ 434 Abs. 2), dessen Erweiterung auf die aliud- und Zuweniglieferung (§ 434 Abs. 3 BGB) sowie Sonderbestimmungen für den Fall einer Verkäufergarantie besteht die wohl bedeutendste und rechtpolitisch uneingeschränkt zu begrüßende Neuerung im Kaufrecht in der Einführung eines gegenüber den anderen Rechtsbehelfen grundsätzlich vorrangigen Nacherfüllungsanspruchs des Käufers bzw. eines damit korrespondierenden Rechts des Verkäufers zur "zweiten Andienung" auch beim Stückkauf (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB). Gleichsam als Voraussetzung dafür wird eine Pflicht des Verkäufers zur Lieferung einer mangelfreien Sache eingeführt (§ 433 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB). Die sog. "Erfüllungstheorie", der bisher auch die Rechtsprechung gefolgt war, ist somit nunmehr Gesetz. Das Gewährleistungsrecht beim Kauf nähert sich dadurch strukturell und inhaltlich stark dem werkvertraglichen Gewährleistungsrecht an, das seit jeher einen vorrangigen Nachbesserungsanspruch kennt (§ 633 BGB a.F., §§ 634 Nr. 1, 635 BGB n.F.). Die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf wird kodifikatorisch aufgegeben. Ebenso bedeutsam ist die radikale Verlängerung der Gewährleistungsfristen von bisher minimal 6 Monaten (§ 477 Abs. 1 BGB a.F.) auf nunmehr minimal 2 Jahre (§ 438 Abs. 1 BGB). Wesentliche Neuerungen ergeben sich - in Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie - für zwischen Unternehmern und Verbrauchern geschlossenene Kaufverträge. Die §§ 474 ff BGB enthalten hier Sonderregelungen über den Gefahrenübergang beim Versendungsverkauf. Weiter wird die Möglichkeit, die Gewährleistung vertraglich auszuschließen bzw. zu beschränken, ganz drastisch eingeschränkt, ja weitgehend aufgehoben (§ 475 Abs. 1 BGB). Dem vom Verbraucher in Anspruch genommenen Verkäufer wird zur Kompensation dieser sehr strengen Haftung ein erleichterter Regreßanspruch sowie ein Aufwendungsersatzanspruch gegen seinen Lieferanten gewährt, der in der Lieferkette "weitergegeben" wird (§ 478 BGB).

b) Systematische Neuerungen

Aus der Einführung einer Verpflichtung des Verkäufers zur Lieferung einer mangelfreien Sache und dem daraus folgenden Nacherfüllungsanspruch ergeben sich vielfältige Konsequenzen im Bereich des Leistungsstörungsrechts, weil die Lieferung einer mangelhaften Sache nun einen Fall (teilweiser) Nichterfüllung darstellt. Damit wird zugleich ein wesentliches systematisches Ziel der Reform des Leistungsstörungsrechts, nämlich der Wegfall eines besonderen Gewährleistungsrechts beim Kauf verwirklicht: Die kaufrechtliche Sachmängelgewährleistung schließt an das allgemeine Leistungsstörungsrecht an und geht weitestgehend in ihm auf. Das Gewährleistungsrecht wird damit vom "lästigen Fremdkörper" zu einem Anwendungsfall der allgemeinen Regeln über die Nichterfüllung bzw. Schlechterfüllung. Das zeigt sich daran, daß es keine speziellen kaufrechtlichen Regelungen über die Wandelung (§§ 462, 467 BGB a.F.) und den Schadensersatz (§ 463 BGB a.F.) mehr gibt, sondern diese nunmehr in einem nach allgemeinen Regeln zu behandelnden Rücktrittsrecht (§ 323, 346 ff BGB) und in den allgemeinen Regelungen über den Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (§ 280 ff BGB) aufgehen. Die Haftung für die Zusicherung von Eigenschaften ist nunmehr als Frage des Vertretenmüssens im neuen § 276 BGB angesiedelt. Damit soll nach der Intention des Gesetzgebers auch die Unterscheidung zwischen Rechts- und Sachmangel sowie zwischen Stück- und Gattungskauf wenn nicht beseitigt, so doch beträchtlich verringert werden. Gleiches soll angesichts der einheitlichen Anspruchsgrundlage für die Unterscheidung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden gelten, wenngleich hier wohl insbesondere in Bezug auf die unterschiedlichen Verjährungsregeln Abgrenzungsprobleme zwischen der Haftung für Mangelfolgeschäden, der Haftung für Nebenpflichtverletzungen und der deliktischen Haftung verbleiben werden. Schadensersatz "statt der ganzen Leistung" (den sog. "großen Schadensersatz") kann der Käufer nach der Neuregelung allerdings nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB). Genuin kaufrechtliche Rechtsbehelfe des Käufers sind nur noch der Nacherfüllungsanspruch (§ 439 BGB) sowie die Minderung (§ 441 BGB), die nunmehr in Parallele zum Rücktrittsrecht ebenfalls als Gestaltungsrecht konzipiert ist (§ 441 Abs. 1 BGB). Die bisher vertretenen komplizierten Wandelungs- und Minderungstheorien und die sich daraus ergebenden Folgefragen sind damit obsolet geworden.

5. Neuregelungen im Werkvertragrecht

Weniger einschneidend sind dagegen die Änderungen im Werkvertragrecht. Sie beschränken sich neben der Verlängerung der Gewährleistungsfristen im Wesentlichen auf eine systematische Anpassung des Gewährleistungsrechts an das neue Allgemeine Leistungsstörungsrecht sowie bestimmte Detailregelungen wie etwa über den Kostenvoranschlag (§ 632 Abs. 3 BGB). Da bereits nach bisherigem Recht die werkvertragliche Gewährleistung von einem vorrangigen Nachbesserungsrecht des Bestellers ausgegangen war (§ 633 BGB a.F.), ist der sachliche Unterschied zum bisherigen Recht insoweit gering. Obsolet wird allerdings die kaum noch nachvollziehbare Unterscheidung der Rechtsprechung zwischen "näheren" und "entfernteren" Mangelfolgeschäden. Von erheblicher Bedeutung ist hingegen die Verlängerung der Gewährleistungsfristen und die hierbei getroffene Unterscheidung zwischen körperlichen und geistigen Werken (§ 634a BGB). Damit soll etwa für Planungs- und Beratungsleistungen, bei denen eine lange Zeit zwischen Pflichtverletzung und Entstehung bzw. Erkennbarkeit des Schadens liegen kann, vermieden werden, daß Ansprüche bereits vor ihrer Entstehung verjähren. Auch dies wird freilich erhebliche Abgrenzungsprobleme nach sich ziehen. Durch die weitgehende Annäherung von kaufrechtlichem und werkvertragsrechtlichem Gewährleistungsrecht konnte die Regelung über Werklieferungsverträge (§ 651 BGB) radikal vereinfacht werden. Nunmehr finden ohne Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen weitestgehend die Vorschriften über den Kauf Anwendung, wenn Gegenstand des Vertrages die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen ist.

6. Neuregelungen im Darlehensrecht

Inhaltlich ebenfalls ohne wesentliche Neuerungen ist die Neuregelung des Darlehensrechts. Die Änderungen beschränken sich hier weitestgehend auf eine Neustrukturierung sowie auf eine sprachliche Modernisierung des Rechts der Kreditvergabe. Der aus dem Verbraucherkreditgesetz bekannte Begriff des "Kredits", der als Oberbegriff für das Gelddarlehen, einen Zahlungsaufschub und sonstige Finanzierungshilfen diente, wird aufgegeben. Stattdessen werden die sich dahinter verbergenden unterschiedlichen Erscheinungsformen des Kredits eigenständig geregelt: Der Titel 3 (§§ 488 ff BGB) wird unter Übernahme der bisher im Verbraucherkreditgesetz niedergelegten Regelungen in die Untertitel "Darlehensvertrag", "Finanzierungshilfen" und "Ratenlieferungsverträge" untergliedert. Die §§ 607 ff BGB regeln hingegen nur noch den Sachdarlehnsvertrag. Mit der Integration des Verbraucherkreditgesetzes sind keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen des bisherigen Rechts verbunden. Auch im übrigen entspricht die Neuregelung des Darlehensrechts inhaltlich bis auf einige wenige Ausnahmen der bisherigen, nur fragmentarisch kodifizierten Rechtslage.

7. Amtliche Überschriften

Schließlich erhalten die einzelnen Vorschriften des BGB nunmehr durchgehend amtliche Überschriften.

III. Das BGB und die Europäische Rechtsvereinheitlichung

Das neue Schuldrecht wird in der Gestalt, die es nunmehr bekommen hat, sicher nicht die Haltbarkeitsdauer des bisherigen, über 100 Jahre alten Schuldrechts haben: Auf der Agenda der nächsten 50 Jahre steht die Vereinheitlichung des Privatrechts der Europäischen Union. Zwar läßt sich derzeit schon wegen des Fehlens umfassender gemeinschaftsrechtlicher Kompetenzen nicht konkret voraussagen, in welchem Zeitraum dies geschehen wird, jedoch ist es sicher von Vorteil, im "Wettbewerb der Rechtsordnungen" in Bezug auf ein zukünftiges Europäisches Zivilgesetzbuch eine moderne, klare Kodifikation des Schuldrechts zu haben, welche vielleicht geeignet ist, ein gutes Stück der vorzüglichen Dogmatik des deutschen Schuldrechts in ein künftiges Europäisches Zivilrecht zu transportieren und den legitimen Einfluß des deutschen Gesetzgebers und der deutschen Rechtswissenschaft auf die Gestaltung des europäischen Rechts aufrechtzuerhalten. Insofern ist das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht nur ein bedeutender Schritt zur Aufrechterhaltung einer einheitlichen Kodifizierung des deutschen Rechts, sondern durch seine "Europatauglichkeit" auch ein Schritt in die Richtung einer europäischen Rechtsvereinheitlichung.