Übersicht zum EBV
aa) "Nicht mehr berechtigter Besitzer":
Umstritten ist die Anwendbarkeit der §§ 985, 986 und der §§ 987 ff. nach
Beendigung eines Besitzrechtsverhältnisses (vgl. Fall 5 sowie
Staudinger-Gursky, § 985 Rz. 22 ff., vor §§ 987-993 Rz. 13 ff.):
(1) Nach der sog. Subsidiaritätslehre sind in dieser Konstellation sowohl
§ 985 als auch §§ 987 ff. gegenüber anderen vertraglichen oder gesetzlichen
Rückabwicklungsansprüchen subsidiär.
(2) Die ganz h.M. und Rechtsprechung geht von Anspruchskonkurrenz zwischen
der Vindikation und ihren Nebenfolgen und konkurrierenden Ansprüchen aus;
Argument: andernfalls bliebe für § 985 nur bei unfreiwilligem Besitzverlust
Raum; hier hilft aber schon § 1007 II ohne Rücksicht auf Eigentum.
Beispiel: | E verleiht sein Fahrrad an
D; nach Ablauf der Leihzeit gibt D das Rad nicht zurück. |
bb) "Nicht so berechtigter Besitzer":
Nach einer älteren Lehre sollten §§ 987 ff. auch auf einen berechtigten
Besitzer anwendbar sein, der die inhaltlichen Grenzen seines Besitzrechts
überschreitet. Dies wird heute überwiegend abgelehnt. Argument: die
durch §§ 987 ff. beabsichtigte Privilegierung des gutgläubigen unrechtmäßigen
Besitzers paßt schon für den unrechtmäßigen Fremdbesitzer nicht
uneingeschränkt, daher erst recht nicht für den berechtigten Fremdbesitzer;
zudem dürfen Haftungsprivilegien des berechtigten Besitzers (z.B. §§ 558 I,
606) durch §§ 987 ff. nicht unterlaufen werden (Medicus, BR Rz. 582). Zum
Problem der Mietzinsherausgabe bei unberechtigter Untervermietung vgl.
jüngst Gursky, JZ 1997, 1154, 1155.
Beispiel: | E verleiht sein Fahrrad an
D; D zerstört vorsätzlich das Rad. |
Zweck der §§ 987 ff. ist der Schutz des redlichen und unverklagten Besitzers;
Argument: § 993 I 2. HS; diesem wird als Ausgleich dafür, daß er die Sache an den
Eigentümer herausgeben muß und zugleich das Risiko des Rückerhalts der für die
Sache erbrachten Gegenleistung trägt ("Rückholrisiko"), ein Recht auf Behalten
der Nutzungen und die Freiheit von Schadensersatzansprüchen des Eigentümers
gewährt (vgl. Staudinger-Gursky vor §§ 987-993 Rz. 4).
aa) Problem: dogmatische Einordnung des § 986 als Einwendung oder
Einrede (vgl. Staudinger-Gursky § 986 Rz. 1): § 986
ist nach h.M. trotz
des mißverständlichen Wortlauts ("kann verweigern") eine von Amts wegen
zu berücksichtigende Einwendung; Argument: Regelungszusammenhang mit den
unstreitig Einwendungen enthaltenden §§ 1004 II und 1007 III, (vgl.
Fall 5).
ABC
Beispiel: | E vermietet sein Fahrrad an D; noch vor Ende der Mietzeit klagt
er gegen D auf Herausgabe gem. § 985. Ein Versäumnisurteil kann hier
nicht ergehen, wenn man § 986 als Einwendung erachtet. |
bb) Mögliche Besitzrechte:
(1) Dingliche Besitzrechte:
Insbesondere aus beschränkten dinglichen Rechten, z.B. des Nießbrauchers
(§ 1036 I) oder des Pfandgläubigers (§§ 1205, 1227, 1253 I).
Sehr umstritten ist, ob das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers
diesem ein dingliches Recht zum Besitz gibt. Verneinend Rspr., allerdings
mit Korrektur des Ergebnisses durch § 242, sowie ein Teil der Lit. mit dem
Argument, daß das Anwartschaftsrecht noch keine unmittelbare
Herrschaftsbeziehung zu der Sache begründe; bejahend dagegen h.Lit.,
da der Anwartschaftsberechtigte bereits eine dem Eigentum angenäherte
Position innehabe. Relevant wird das Problem im wesentlichen nur beim
gutgläubigen Zweiterwerb des Anwartschaftsrechts vom Nichteigentümer,
da ansonsten der Schutz durch das obligatorische Besitzrecht aus dem
Kaufvertrag eingreift (vgl. Fall 7 sowie Staudinger-Gursky § 986 Rz.10).
(2) Relative Besitzrechte:
Insbesondere aus Miete, Pacht, Leihe, Kauf. Relative Besitzrechte sind
auch auf familien-, erb- oder gesellschaftsrechtlicher Grundlage möglich
(Familienrecht: z.B. das Recht jedes Ehegatten auf Mitbesitz an dem
anderen gehörendem Hausrat; Erbrecht: z.B. §§ 1985, 2205).
(3) Kein Besitzrecht i.S.v. § 986
begründen nach h.M. die Zurückbehaltungsrechte gem. §§ 273, 1000; diese
sind selbständige Gegenrechte gegen den Anspruch aus § 985 (a.A.
BGH, NJW 1995, 2627 f.).
Argumente: §§ 273, 1000 stellen Einreden, nicht
wie § 986 eine Einwendung dar; Rechtsfolge § 274 statt Ausschluß des
Anspruchs aus § 985 wie § 986; Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen auch
hinsichtlich der Wirkung auf die Verjährung (vgl. § 202 II sowie
Staudinger-Gursky § 986 Rz. 23 und Fall 5).
cc) Die einzelnen Alternativen von § 986:
(1) Eigenes Recht zum Besitz, § 986 I 1 1. Alt.:
Das Recht zum Besitz muß gerade dem vindizierenden Eigentümer gegenüber
bestehen. Bei dinglichen Besitzrechten ist das wegen deren absoluter
Wirkung immer der Fall. Relative Besitzrechte wirken grds. nur gegenüber
dem eigenen Vertragsgegner; ausnahmsweise Erstreckung auf Rechtsnachfolger:
§§ 571, 549 a, 986 II.
(2) Abgeleitetes Recht zum Besitz (Besitzrechtskette), § 986 I 1 2. Alt.:
Die Voraussetzungen sind im einzelnen:
- Der unmittelbare Besitzer muß gegenüber dem Zwischenmann zum Besitz
berechtigt sein. Entgegen dem zu eng gefaßten Wortlaut kommt es nicht
darauf an, daß der Zwischenmann mittelbarer Besitzer ist (z.B.
Weiterverkauf); vgl. BGHZ 111, 142.
- Der Zwischenmann muß gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt
sein.
- Der Zwischenmann muß zur Weitergabe des Besitzes an den unmittelbaren
Besitzer befugt gewesen sein.
(3) Besitzrecht gem. § 986 II (vgl. Staudinger-Gursky § 986 Rz. 40 ff.):
§ 986 II bedeutet, daß der Besitzer einer nach § 931 veräußerten Sache sein
relatives Besitzrecht auch dem neuen Eigentümer entgegenhalten kann.
§ 986 II behandelt die Veräußerung gem. § 931 so, als ob sie durch
Abtretung des Anspruchs aus § 985 erfolgte (was nicht möglich ist, vgl.
unten 2.b.aa) und knüpft daran eine dem § 404 ähnliche Rechtsfolge. §
986 II gilt analog bei Veräußerung durch den mittelbar besitzenden
Eigentümer nach §§ 930, 870, da auch in diesem Fall das Eigentum "über
den Kopf des unmittelbaren Besitzers hinweg" übertragen wird.
Beispiel: | E vermietet sein Fahrrad für 1 Jahr an M. Kurze Zeit später
veräußert E das Fahrrad gem. §§ 929, 931 an D. Gegenüber dem
Herausgabeanspruch von D kann M ein Recht zum Besitz gem. § 986 II
geltend machen. |
aa) Herausgabe bedeutet Auskehrung des gerade vorhandenen Besitzes,
d.h. Herausgabe der Sache in ihrem jeweiligen Zustand und jeweils an dem
Ort, an dem sie sich gerade befindet.
Umstritten ist, ob der mittelbare Besitzer über die Übertragung
des mittelbaren Besitzes (durch Abtretung des Herausgabeanspruchs aus dem
Besitzmitlungsverhältnis, § 870) hinaus auch die Herausgabe des
unmittelbaren Besitzes schuldet, d.h. direkt zur Herausgabe der Sache
verurteilt werden kann (vgl. Staudinger-Gursky § 985 Rz. 53 ff.).
Die h.M. läßt dies zu, da ein lediglich auf Abtretung des
Herausgabeanspruchs gerichtetes Urteil ins Leere ginge, wenn der mittelbare
Besitzer die Sache von dem unmittelbaren Besitzer zurückerhält. Der
Einwand, daß dem mittelbaren Besitzer dann, wenn er nicht in der
Lage ist, die Sache herauszugeben, wegen § 283 I eine
verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht droht, wird (soweit die
Anwendbarkeit von § 283 auf § 985 überhaupt bejaht wird, vgl. unten 2.b.dd)
durch teleologische Reduktion des § 283 entkräftet: Der mittelbare
Besitzer darf nur dann zur Herausgabe verurteilt werden, wenn er (1)
entweder imstande ist, die Sache von dem unmittelbaren Besitzer
zurückzuerlangen, oder (2) er sein Herausgabeunvermögen gemäß
§§ 989 ff. zu vertreten hat.
Beispiel: | E vermietet Fahrrad an X,
der es an Y weitervermietet. |
bb) Herauszugeben ist die Sache grds. an den Eigentümer; ausnahmsweise jedoch gem. § 986 I 2 an den berechtigten Zwischenbesitzer.
aa. § 398 ist unanwendbar.
Die isolierte Abtretung des Anspruchs aus § 985 ist nicht möglich, denn der
Anspruch ist nichts anderes als das Eigentum selbst in seiner speziellen
Abwehrfunktion. Bei § 931 wird deshalb der schuldrechtliche Anspruch aus
dem Besitzmittlungsverhältnis abgetreten (vgl. Medicus BR Rz. 445). Möglich
ist allerdings eine Ermächtigung zur Geltendmachung (prozessual: gewillkürte
Prozeßstandschaft), da der Anspruch hier weiterhin dem Eigentümer zusteht.
Beispiel: | D stiehlt Fahrrad des E.
E vermietet Rad an F und ermächtigt ihn zur Geltendmachung des
Herausgabeanspruchs. |
bb. §§ 275 ff. sind mit Ausnahmen unanwendbar.
§ 985 entfällt schon tatbestandlich mit Besitzverlust des Anspruchsgegners,
ohne daß auf § 275 abgestellt werden müßte. Wegen der Sonderregelung in
§§ 989 ff. sind §§ 275 ff. auch nicht analog anwendbar (mit
Ausnahme der §§ 276, 278, 282, die §§ 989 ff. ergänzen).
cc. § 281 ist unanwendbar (h.M.).
Argumente: "Opfergrenze" überschritten; § 816 enthält abschließende Regelung
(vgl. Fall 4); beachte im übrigen §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667.
Beispiel: | D stiehlt Fahrrad des E
und veräußert es an G, der es (mit Gewinn) an X
weiterveräußert. |
dd. § 283 ist modifiziert anwendbar (h.M., str.).
Argument: Der dingliche Gläubiger darf bei seiner Rechtsverfolgung nicht
schlechter gestellt werden als der schuldrechtliche. Um Wertungswidersprüche
zu den §§ 985 ff. zu vermeiden, wird § 283 jedoch zweifach eingeschränkt:
(1): Da der von § 283 vorausgesetzte Verlust des Primäranspruchs
wegen der Untrennbarkeit von Eigentum und Vindikation (oben aa) nicht
eintreten kann, besteht die Schadensersatzpflicht nur Zug um Zug gegen
Übereignung des Vindikationsgegenstands (§ 255 analog).
(2): Zur Einschränkung des § 283 bei mittelbarem Besitz vgl. oben
a.aa. Nach a.A. (Staudinger-Gursky § 985 Rz. 58) ist § 283 auf § 985 generell
unanwendbar, da § 283 Unmöglichkeit voraussetzt, die bei § 985 nicht denkbar
ist (vgl. oben bb)).
ee. §§ 284 ff. sind nur i.R.v. § 990 II (Spezialregelung) anwendbar.
Beispiel: | Ehemann kauft Ehefrau das
Einverständnis mit einer Ehescheidung durch Übertragung eines wertvollen
Gegenstandes in sittenwidriger Weise ab, so dass auch das dingliche
Geschäft gemäß § 138 BGB nichtig ist. |
aa. Voraussetzungen:
(1) Vindikationslage zur Zeit der schädigenden Handlung.
(2) Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs:
Voraussetzung ist, daß die auf den Anspruch aus § 985 (bzw. § 894)
gestützte Klage bereits im Zeitpunkt des schadensbegründenden Verhaltens
des Besitzers rechtshängig war (§ 261 ZPO).
(3) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe (vgl. Staudinger-Gursky § 989 Rz. 6 ff.):
(a) "Verschlechterung" ist jede körperliche Beschädigung der Sache und
jede Beeinträchtigung ihrer Funktionstauglichkeit, die durch unsachgemäße
Behandlung, nicht ordnungsgemäße Unterhaltung oder als Abnutzung durch
normalen Gebrauch der Sache eingetreten ist. Nicht erfaßt sind demnach
insbesondere Beschädigungen der Sache durch bloßen Zeitablauf und
bloße Vorenthaltungsschäden; diese sind nur durch §§ 992, 823 ff. oder
§§ 990 II, 286 erfaßt.
(b) "Untergang" der Sache ist der Verlust ihrer rechtlichen
Selbständigkeit gem. §§ 946 ff. oder ihre physische Vernichtung durch
Verbrauch oder Zerstörung.
(c) Die "sonstige Unfähigkeit des Besitzers zur Herausgabe der Sache"
erfaßt jeden die Vindikation vereitelnden Besitzverlust beim
Anspruchsgegner, insbesondere die Besitzweitergabe zum Zweck der
Veräußerung an einen Dritten.
(4) Verschulden:
(a) Verschuldensmaßstab: Nach h.M. ist der technische Verschuldensbegriff
der §§ 276 ff. einschlägig. Verschuldet ist damit insbesondere die
freiwillige Veräußerung der Sache, aber auch ihre Abnutzung durch normalen
Gebrauch. Nach a.A. bedeutet Verschulden i.S.d. § 989 Verschulden gegen
sich selbst.
(b) Verschuldensfähigkeit: §§ 276 I 3, 827 f. Das Verschulden gesetzlicher
Vertreter und Bewahrgehilfen wird gem. § 278 zugerechnet.
(c) Beweislast: § 282 !
bb) Rechtsfolge:
Schadensersatzanspruch nach §§ 249 ff.; Umfang: Gesamter auf der
Verschlechterung oder dem Umgang beruhender Vermögensschaden des
Eigentümers einschließlich entgangenen Gewinns, § 252. Bei unwirksamer
Veräußerung gilt § 255. Der Anspruch verjährt gemäß § 195 in 30 Jahren.
aa) Voraussetzungen:
(1), (3), (4) wie oben a)
(2) Bösgläubigkeit:
(a) Bösgläubigkeit bei Besitzerwerb, § 990 I 1
(aa) Begriff der Bösgläubigkeit: Vgl. die hier (auch für unbewegliche Sachen) geltende Legaldefinition des § 932 II: Bösgläubig ist der Besitzer, wenn ihm bei Erwerb des Besitzes bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß er zum Besitz nicht berechtigt ist.
(bb) Maßgeblicher Zeitpunkt der Bösgläubigkeit ist demnach in Abgrenzung zu § 990 I 2 allein der des Besitzerwerbs; später schadet grobe Fahrlässigkeit nicht mehr.
(cc) Sonderproblem zur Frage des Zeitpunkts des Besitzerwerbs: Kann die
Umwandlung von rechtmäßigem Fremd- in unrechtmäßigen Eigenbesitz als
selbständiger Besitzerwerb angesehen werden. Dafür spricht die
Wesensverschiedenheit von Fremd- und Eigenbesitz; allerdings stellt
§ 990 nur auf den Erwerb des Besitzes schlechthin ab (vgl. auch "nicht
so berechtigter Besitzer" oben A I 1 b bb sowie Fall 3).
Beispiel: | E verleiht sein Fahrrad an D,
der es später an X veräußert. |
(b) Nachträgliche Bösgläubigkeit, § 990 I 2
War der Besitzer beim Besitzerwerb selbst noch gutgläubig, tritt die
verschärfte Haftung gemäß § 990 I 2 erst dann ein, wenn er nachträglich von
seiner fehlenden Besitzberechtigung positive Kenntnis erlangt. Dies
setzt über Kenntnis der die Nichtberechtigung begründenden Tatsachen
hinaus Kenntnis der Rechtslage voraus (h.M. und st.Rspr.; vgl. Gursky,
JZ 1997, 1154, 1157).
(c) Maßgebliche Person:
(aa) Grundsätzlich müssen die Voraussetzungen der Kenntnis oder grobfahrlässigen Unkenntnis in der Person des Besitzers selbst erfüllt sein. Sonderfälle:
(bb) Bösgläubigkeit nicht voll Geschäftsfähiger (vgl. Staudinger-Gursky § 990 Rz. 34 ff.): Unstreitig ist die Bösgläubigkeit des gesetzlichen Vertreters zuzurechnen, wenn dieser für den Minderjährigen Besitz erwirbt. Umstritten ist jedoch, ob dem Minderjährigen eigene Bösgläubigkeit schadet. Nach h.M. kommt es analog §§ 827, 828 bei Verschuldensfähigkeit auf die eigene Bösgläubigkeit des Minderjährigen an; nach a.A. ist analog § 166 stets nur die Bösgläubigkeit des gesetzlichen Vertreters maßgeblich. Eine differenzierende Ansicht überträgt die zu § 819 entwickelten Grundsätze auf § 990: Bei Abwicklung eines fehlgeschlagenen Vertrags: § 166; bei deliktsähnlicher Haftung: § 827 f.
(cc) Zurechnung bösen Glaubens des Gehilfen (vgl. Fall 6): Unmittelbar
sind weder § 166, § 278, noch § 831 anwendbar. Nach einem Teil der Lit.
gilt § 831 analog; Argumente: deliktsähnlicher Tatbestand,
Gleichbehandlung von Sachbeschädigungen vor und nach Besitzerwerb.
Nach h.M. und st.Rspr. (Gursky, JZ 1997, 1154, 1159) ist
§ 166 jedenfalls dann analog heranzuziehen, wenn die
Hilfsperson selbständig und eigenverantwortlich tätig wird; Argumente:
§ 166 enthält den problemnächsten Rechtsgedanken und ermöglicht
wertungsgleiche Entscheidung wie bei §§ 932 ff.
Keine selbständige Anspruchsgrundlage, sondern Rechtsgrundverweisung
auf §§ 284 ff. bei Verzug mit der Erfüllung der Herausgabepflicht
aus § 985. Es kommen Ansprüche gem. § 286 I, II in Betracht; Haftung
insbesondere auch für zufälligen Sachuntergang (§ 287 S. 2). Aus § 990
II e contrario läßt sich ableiten, daß der gutgläubige Besitzer nicht
nach Verzugsgrundsätzen haftet.
aa) Bedeutung:
Keine selbständige Anspruchsgrundlage, sondern Rechtsgrundverweisung
auf §§ 823 ff., die die Sperrwirkung des EBV gegenüber dem Deliktsrecht
aufhebt (vgl. Staudinger-Gursky § 992 Rz. 2 a.E.).
bb) Besitzverschaffung durch schuldhafte verbotene Eigenmacht oder Straftat:
(a) Besitzverschaffung durch schuldhafte verbotene Eigenmacht
§ 992 ist insoweit teleologisch zu reduzieren, als die verbotene
Eigenmacht (§ 858) zusätzlich verschuldet sein muß (vgl.
Staudinger-Gursky § 992 Rz. 10, h.M.). Dies ergibt sich
zwar nicht schon aus der Verweisung auf §§ 823 ff., denn danach wäre ein
Verschulden bei der Beschädigungshandlung ausreichend. Es bestünde jedoch
ein Wertungswiderspruch zwischen den beiden Alternativen des § 992, wenn zum
einen schuldlos begangene verbotene Eigenmacht, zum anderen jedoch nur eine
i.d.R. vorsätzliche Straftat die "schneidige" Deliktshaftung auslösen
würde.
Beispiel: | E verwechselt schuldlos
den Mantel an der Garderobe; auf der Straße stürzt er (durch
Nachlässigkeit) und beschädigt dabei den Mantel. |
(b) Besitzverschaffung durch Straftat
Vorausgesetzt ist die Erfüllung eines Straftatbestands, der sich gegen
die Besitzverschaffung als solche oder das hierfür eingesetzte Mittel
richtet und dem Schutz des Eigentümers dient (z.B. §§ 242 ff., 249 ff.,
259, 263 StGB).
cc) Rechtsfolgen:
(1) Schadensersatzpflicht gemäß §§ 823 ff., 249 ff. Erfüllte schon die Besitzentziehung den Tatbestand der schuldhaften Eigentumsverletzung ("Erwerbsdelikte"), haftet der Besitzer gemäß § 848 für Zufall (vgl. Staudinger-Gursky § 992 Rz. 25). Ansprüche verjähren gemäß § 852.
(2) Str. ist, ob die Haftung gemäß § 992 darüber hinaus Nutzungen umfaßt, die der Besitzer gezogen oder gemäß § 987 II verabsäumt hat, die der Eigentümer aber nicht gezogen hätte, da der pönale Besitzer nicht besser stehen dürfe als ein unredlicher oder verklagter Besitzer gem. §§ 987, 990. Dagegen spricht aber, daß insoweit kein Schaden des Eigentümers besteht; richtigerweise ist von Anspruchskonkurrenz zwischen § 992 und §§ 987 ff. auszugehen, so daß diese (die i.d.R. neben § 992 erfüllt sind) direkt einschlägig sind (Staudinger-Gursky § 992 Rz. 26).
dd) Konkurrenzverhältnis zu §§ 987 ff.:
Kein Ausschluß der §§ 987-991 (beachte insbesondere unterschiedliche
Verjährung: 30 Jahre gem. § 195; 3 Jahre gem. § 852).
aa) Bedeutung (vgl. Staudinger-Gursky § 991 Rz. 10): Selbständiger Anspruch des Eigentümers gegen den redlichen unverklagten Besitzmittler im Dreipersonenverhältnis, der die Regelung des Fremdbesitzerexzesses im dreigliedrigen Verhältnis enthält und die Haftungsprivilegierung des redlichen unverklagten Besitzers (§ 993 I 2. HS) durchbricht. § 991 II beruht auf der Erwägung, daß die durch § 993 I 2. HS bewirkte Privilegierung des redlichen unverklagten Besitzers bei einem Fremdbesitzer, der sein vermeintliches Besitzrecht überschreitet, unbillig ist, da dieser mit seiner Verantwortlichkeit gegenüber dem mittelbaren Besitzer rechnen muß. Er wird daher vom Gesetz einem Prozeßbesitzer gleichgestellt (eingeschränkte Rechtsgrundverweisung auf § 989).
Beispiel: | Der nichtberechtigte
Besitzer B hat das Haus des E an den redlichen M vermietet; M zerstört
fahrlässig eine Fensterscheibe. |
bb) Voraussetzungen:
Hervorzuheben ist, dass der unmittelbare Besitzer bereits aus § 989 f.
haftet, wenn er nicht gutgläubig ist bzw. bereits verklagt wurde. Nach
überwiegender Meinung umfasst die Verweisung auf § 989 auch den
Haftungsmaßstab, so daß ein Verschulden stets notwendig ist (Argumente:
Wille des Gesetzgebers; sonst Schlechterstellung des gutgläubigen
Fremdbesitzers im Vergleich zum bösgläubigen, der gem. § 990 nur für
Verschulden haftet). Beachte im übrigen § 851; bei unbeweglichen Sachen
ist der Besitzer entsprechend § 993 I zu schützen.
aa) Herausgabe gezogener Nutzungen, § 987 I
(1) Voraussetzungen:
(a) Vindikationslage im Zeitpunkt der Nutzungsziehung
(b) Nutzungen sind Früchte und Gebrauchsvorteile, § 100. Als Früchte kommen
mittelbare und unmittelbare Sachfrüchte in Betracht, § 99 I, III. Der
Sachverbrauch ist keine Nutzung; insoweit gelten §§ 989, 990 und daneben
§ 812 I 1 2. Alt. (vgl. unten 3.d.bb).
(c) Anfall nach Rechtshängigkeit (§ 987) oder Bösgläubigkeit
(§ 990 I 1).
Zu welchem Zeitpunkt Früchte als gezogen gelten,
richtet sich gemäß § 993 II nach § 101.
(2) Rechtsfolge: Herausgabe der Nutzungen
(a) Herausgabe bedeutet Verschaffung von Eigentum und Besitz an körperlich noch vorhandenen Früchten; §§ 275 ff. finden Anwendung. Hinsichtlich der Gebrauchsvorteile bedeutet Herausgabe Wertersatz.
(b) Der Wert der herauszugebenden Nutzungen ist objektiv zu bestimmen. Für Gebrauchsvorteile ist dies der objektive Mietwert; anders jedoch die neuere Rspr. im Rahmen der Wandlung (§§ 467, 347 S.2, 987): gebrauchsbedingter Wertverzehr nach linearem Abschreibungsmodell (vgl. Gursky, JZ 1997, 1154, 1155 f.; Staudinger-Gursky § 987 Rz. 14 ff.).
(c) Problematisch ist die Herausgabepflicht bei Nutzungssteigerung durch Verwendungen des Besitzers. Der BGH hat jüngst jede Herausgabepflicht abgelehnt (vgl. Gursky, JZ 1997, 1154, 1156). Nach wohl h.Lit. ist nach Ersatzfähigkeit der Verwendungen gem. §§ 994, 996 zu differenzieren (vgl. Staudinger-Gursky § 987 Rz. 20; Gursky, JZ 1997, 1154, 1156).
bb) Wertersatz für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen, § 987 II
Es gilt ein objektiver Maßstab; irrelevant ist, inwieweit der Eigentümer
selbst Nutzungen hätte ziehen können (§ 987 II ist kein Schadensersatzanspruch).
Der Verschuldensmaßstab bemißt sich gem. §§ 276, 278.
Rechtsfolge: Ersatz des objektiven Wertes der nicht gezogenen Nutzungen;
in der Regel kein Ersatz für nicht gezogene Gebrauchsvorteile.
aa) Bedeutung: § 991 I soll den gutgläubigen Oberbesitzer vor dem die
Privilegierung des § 993 I 2. HS entwertenden Regreß des
Besitzmittlers (z.B. gemäß §§ 541, 537, 538; beachte aber § 539 S.1)
schützen, den dieser nehmen könnte, wenn er die Nutzungen gemäß § 990 an
den Eigentümer herausgeben müßte. Aus diesem Grund wird die Haftung des
bösgläubigen Besitzmittlers durch § 991 I eingeschränkt (vgl. dazu
Staudinger-Gursky § 991 Rz. 3; Medicus BR Rz. 584).
Beispiel: | B ist unrechtmäßiger
redlicher Eigenbesitzer eines Hauses; er vermietet das Haus an den
unredlichen M. |
bb) Voraussetzungen: § 991 I ist als zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung
des Nutzungsherausgabeanspruchs gegen den bösgläubigen (nicht auch verklagten)
unmittelbaren Besitzer gem. §§ 990 I 1, 987 zu prüfen.
§ 992 eröffnet auch hinsichtlich Nutzungsersatzes den Anwendungsbereich
deliktischer Ansprüche, soweit ein Schaden des Eigentümers besteht (im Umfang
str.; vgl. oben 1.d.cc.(2)).
aa) Bedeutung: § 988 durchbricht die Regel des § 993 I 2. HS., daß der gutgläubige Besitzer die von ihm vor Rechtshängigkeit gezogenen Nutzungen behalten darf, da der Zweck dieses "Nutzungsbehaltungsrechts", nämlich dem Besitzer zumindest teilweisen Ersatz für die für die Sache aufgewandten Anschaffungskosten zu gewähren ("Rückholrisiko der Gegenleistung"), im Falle unentgeltlichen Erwerbs nicht tragfähig ist. § 988 bewirkt damit ähnlich wie § 816 I 2 eine Schwächung des unentgeltlichen Erwerbs (Staudinger-Gursky § 988 Rz. 2).
bb) Voraussetzungen:
(a) § 988 gilt nur für die in der Zeit vor Rechtshängigkeit oder Bösgläubigwerden gezogenen Nutzungen. Danach bestimmt sich die Haftung des Besitzers nach §§ 987, 990; für die Annahme eines damit konkurrierenden Anspruchs aus § 988 besteht kein Bedürfnis (Staudinger-Gursky § 988 Rz. 3).
(b) Die Formulierung "an der Sache" stellt ein Redaktionsversehen dar. Erfaßt sind daher entgegen dem Wortlaut des § 988 neben Eigenbesitzern und Fremdbesitzern mit vermeintlich dinglichem auch solche mit vermeintlich obligatorischem Nutzungsrecht (Gursky, JZ 1997, 1154, 1156).
(c) Unentgeltlichkeit i.S.v. § 988 setzt voraus, daß der Besitz nicht durch entgeltliches Rechtsgeschäft erlangt wurde. In Betracht kommt also insbesondere Erwerb durch unwirksames unentgeltliches Rechtsgeschäft (z.B. Schenkung, Leihe, Vermächtnis).
Problem: Sehr umstritten ist, ob § 988 auf den rechtsgrundlosen
Besitzerwerb (bei Bestehen einer Leistungsbeziehung zwischen Besitzer und
Eigentümer oder einem Dritten) durch dessen Gleichstellung mit dem
unentgeltlichen Erwerb analog anzuwenden ist. Nach vorzugswürdiger
Auffassung der h.Lit. (vgl. Fall 3 sowie Larenz/Canaris,
Schuldrecht II/2, § 74 I 1 a; Staudinger-Gursky, vor §§ 987-993 Rz. 38;
Medicus, BR Rz. 600) ist dieses Problem durch Zulassung der
Leistungskondiktion als Ausnahme zu § 993 I 2. HS zu lösen (vgl. unten
3.d.cc.(2)).
Beispiel: | D hat dem E sein
Fahrrad gestohlen und an den redlichen B veräußert. Der Kaufvertrag
zwischen D und B ist unerkannt nichtig. |
cc) Rechtsfolge:
Pflicht zur Herausgabe aller bis zum Eintritt der verschärften Haftung
gezogener Nutzungen nach Bereicherungsgrundsätzen. Dabei handelt es sich
um eine Rechtsfolgenverweisung auf §§ 818 f., 822, d.h.: grundsätzlich
ist Herausgabe der Nutzungen in Natur oder aber Wertersatz geschuldet,
§ 818 II; Entreicherung ist in den Grenzen der §§ 818 III, IV, 819
beachtlich.
aa) Voraussetzungen:
§ 993 I 1. HS durchbricht die Regel des § 993 I 2. HS, wonach
der gutgläubige Besitzer bei entgeltlichem Erwerb für vor Rechtshängigkeit
gezogene Nutzungen keinen Ersatz schuldet, in sachgerechter Weise, da die
Übermaßfrüchte zwar nach nach der Terminologie des BGB Nutzungen darstellen,
materiell aber auf Kosten der Sachsubstanz entnommen wurden. § 993 I 1. HS
erfaßt nur Übermaßfrüchte, nicht übermäßige Gebrauchsvorteile. Die
Abgrenzung zwischen ordnungsgemäßen und Übermaßfrüchten entspricht der in
§§ 1039, 2133. Keine Verpflichtung gemäß § 993 I 1. HS in den Fällen der
§§ 987, 988 oder §§ 990, 987. Voraussetzung des § 993 I 1. HS ist also,
daß der Besitzer im Zeitpunkt der Fruchtziehung gutgläubig und unverklagt
ist und den Besitz entgeltlich erworben hat (z.T. str.,
Staudinger-Gursky § 993 Rz. 6).
bb) Rechtsfolge:
Verpflichtung zu Herausgabe bzw. Wertersatz nach bereicherungsrechtlichen
Grundsätzen; hierbei handelt es sich ebenso wie bei § 988 um eine
Rechtsfolgenverweisung auf §§ 819 f., 822 (vgl. oben d).
aa) Grundsatz: Das Bestehen eines wirksamen Vertragsverhältnisses schließt schon das Bestehen einer Vindikationslage aus; insoweit besteht kein Konkurrenzproblem.
bb) Ausnahme: "Nicht mehr berechtigter Besitzer" (vgl. oben A.I.1.b.aa):
§§ 987 ff. werden nach h.M. nicht von vertraglichen Rückabwicklungsregelungen
verdrängt. Da jedoch z.B. der Vermieter oder Verpächter nicht allein deshalb
schlechter stehen darf, weil er zusätzlich Eigentümer ist, verdrängen auch
nicht umgekehrt §§ 987 ff. die konkurrierenden vertraglichen Regeln, sondern
es besteht freie Anspruchskonkurrenz zwischen §§ 987 ff. und vertraglichen
Rückabwicklungsansprüchen.
aa) Grundsatz: Ausschließlichkeitstheorie: Keine Anwendung allgemeinen Deliktsrechts wegen Zerstörung oder Entziehung der Sache neben §§ 987 ff. (Staudinger-Gursky vor §§ 987-993 Rz. 49 ff.).
(1) Für den gutgläubigen unverklagten Besitzer ergibt sich dies bereits ausdrücklich aus § 993 I 2. HS sowie aus dem Privilegierungszweck der §§ 987 ff. (ganz h.M.; vgl. Staudinger-Gursky vor §§ 987-993 Rz. 50).
(2) Der Ausschluß gilt aber nach h.M. auch für den verklagten und bösgläubigen Besitzer; Argumente: § 993 I 2. HS und § 992 e contrario (generelle Ausschließlichkeitstheorie). Der Ausschluß des Deliktsrechts auch für den bösgläubigen Besitzer wird zum Teil als rechtspolitisch fragwürdig angesehen, allerdings ist zu berücksichtigen, daß die §§ 989, 990 den Eigentümer hinsichtlich der Haftung des bösgläubigen Besitzers kaum schlechter stellen als das Deliktsrecht (vgl. Staudinger-Gursky vor §§ 987-993 Rz. 51 ff.).
bb) Ausnahmen:
(1) § 992 eröffnet im Bereich von Schadensersatz- und Nutzungsherausgabeansprüchen den Anwendungsbereich der §§ 823 ff.
(2) § 826 wird weder durch §§ 987 ff. noch jemals durch andere Regelungen verdrängt, da diese Vorschrift zu rechtsethisch gebotenem Schutz vor sittenwidrigem Handeln führt; der vorsätzlich sittenwidrig Handelnde verdient zudem keine Privilegierung.
(3) Fremdbesitzerexzeß: Im Hinblick auf Schadensersatzansprüche
gegen den Fremdbesitzer sind neben §§ 987 ff. im Wege teleologischer
Reduktion des § 993 I 2. HS zusätzlich §§ 823 ff. anwendbar (h.M.; vgl.
Staudinger-Gursky vor §§ 987 ff. Rz. 24 f.; im Hinblick auf
Nutzungsherausgabeansprüche liegt das Konkurrenzproblem auf
bereicherungsrechtlicher Ebene, vgl. unten d.cc.(3)). Die Privilegierung des
gutgläubig-unverklagten Besitzers ist nicht gerechtfertigt, wenn der
Fremdbesitzer gegen sein vermeintliches Besitzrecht verstößt, so daß er
bei dessen tatsächlichem Bestehen schadensersatzpflichtig wäre.
Beispiel: | Mietvertrag ist unwirksam;
Mieter schlägt Fensterscheibe ein. |
aa) Grundsatz: §§ 987 ff. hinsichtlich Schadensersatz und Nutzungsherausgabe abschließend.
bb) Daraus folgt, daß Wertersatzansprüche (§ 818 II) als Ersatz für die Einverleibung der Sachsubstanz in das eigene Vermögen neben §§ 987 ff. anwendbar sind, da sie weder Schadensersatz- noch Nutzungsherausgabeansprüche darstellen (Staudinger-Gursky vor §§ 987-993 Rz. 32, 34; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 74 I 2 a). Anwendbar neben §§ 989, 990 sind daher:
(1) § 816 I 1 bei Sachveräußerung;
(2) § 812 I 1 2. Alt. bei Sachverbrauch;
(3) §§ 812 I 1 2. Alt., 951 I bei Untergang der Sache durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung (§§ 946 ff.), vgl. Fall 4.
cc) Ausnahmsweise Anwendbarkeit der §§ 812 ff. im Hinblick auf Nutzungsherausgabeansprüche:
(1) §§ 988 und 993 I 1. HS als Rechtsfolgeverweisungen auf §§ 818 ff.
(2) Nutzungsherausgabepflicht bei rechtsgrundlosem Erwerb (vgl. oben 2 d)
(3) Nutzungsherausgabepflicht bei Fremdbesitzerexzeß (Staudinger-Gursky
vor §§ 987-993 Rz. 26): In dem Fall, daß der Fremdbesitzer Nutzungen zieht,
die er aufgrund seines vermeintlichen Besitzrechts nicht hätte ziehen dürfen,
ist entweder aufgrund teleologischer Reduktion des § 993 I 2. HS oder
durch analoge Anwendung des § 993 I 1. HS die Anwendung von
Bereicherungsrecht neben §§ 987 ff. möglich.
aa) Grundsatz: Im Bereich der §§ 677 ff. besteht grundsätzlich kein Konkurrenzproblem, da die berechtigte GoA ein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 verleiht und hinsichtlich unberechtigter GoA §§ 677 ff. als lex specialis den §§ 987 ff. vorgehen; Argument: §§ 677 ff. enthalten spezielle Regelung altruistischen Tätigwerdens, der Besitz ist insoweit nur ein zufälliger Umstand, der keinen Einfluß auf die Interessenlage haben kann (Staudinger-Gursky vor §§ 987-993 Rz. 55).
bb) Ausnahme: § 687 II ist stets neben §§ 987 ff. anwendbar; Argument:
ähnlich wie bei § 826 verdient der angemaßte Eigengeschäftsführer keinerlei
Privilegierung.
§§ 994 -1003 regeln die Verwendungsersatzansprüche des zur Herausgabe
verpflichteten Besitzers als Gegenrechte gegen den Anspruch aus § 985.
Umstritten ist, ob als Verwender auch der Werkunternehmer in Betracht
kommt, durch den der Besitzer der Sache die Verwendungen durchführen läßt. Dies
bejaht die Rspr. (seit BGHZ 34, 122)
aus Gründen des Schutzes des
Werkunternehmers; Folgeproblem jedoch: Anwendbarkeit der §§ 994 ff.
bei berechtigtem Besitz des Werkunternehmers zur Zeit der Verwendungsvornahme
(vgl. unten 3.b.aa). Nach h.Lit. ist dagegen nur derjenige Verwender,
der den Verwendungsvorgang auf eigene Rechnung veranlaßt und steuert, d.h.
nur der Werkbesteller; Argumente: Bewußte Entscheidung des BGB gegen die
Zulassung eines Versionsanspruchs; Vergleich mit § 950; Risiko der doppelten
Inanspruchnahme des Eigentümers; §§ 994 ff. sind auf Aufwendungen infolge
Besitzes, d.h. bei Aussicht auf künftige eigene Nutzung der Sache zugeschnitten
(vgl. Fall 5 sowie Staudinger-Gursky vor §§ 994-1003 Rz. 17 ff.).
aa) "Nicht mehr berechtigter Besitzer": §§ 994 ff. gelten, soweit dieser die Verwendungen erst nach Erlöschen seines Besitzrechts vornimmt (h.Lit.); Argumente: Das Erfordernis der Gutgläubigkeit bei Verwendungsvornahme kann sich nur auf ein zu diesem Zeitpunkt fehlendes Besitzrecht beziehen; systematische Stellung der §§ 994 ff. als Folgeansprüche der Vindikation. Anders die Rspr. (so BGHZ 34, 122 für den Werkunternehmer im Dreipersonenverhältnis; jüngst für einen formnichtigen Kaufvertrag im Zweipersonenverhältnis bestätigt durch BGHZ 131, 206; vgl. kritisch Gursky, JZ 1997, 1154, 1160), die das Wegfallen der Besitzberechtigung erst nach Verwendungsvornahme genügen läßt; Argument: Der noch berechtigte Besitzer dürfe nicht schlechter stehen als der gutgläubige unberechtigte. Dieses Argument ist jedoch irreführend (vgl. Fall 5 sowie Staudinger-Gursky vor §§ 994-1003 Rz. 27 ff.; Medicus BR Rz. 588, 591)
bb) Berechtigter Besitzer: §§ 994 ff. gelten nach zutreffender h.M. weder direkt noch i.d.R. analog (a.A. der BGH für den Fall, daß das besitzrechtsbegründende Rechtsverhältnis keine Regelung des Verwendungsersatzes enthält, mit demselben Argument wie beim "Nicht mehr berechtigten Besitzer", s. soeben oben); Argument: Keine Regelungslücke (vgl. Staudinger-Gursky vor §§ 994-1003 Rz. 28 ff.; vgl. aber zu Ausnahmekonstellationen Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 § 69 III 1 e und Canaris, JZ 1996, 344, 347).
cc) Fremdbesitzer: Die auf den Eigenbesitzer zugeschnittenen
§§ 994 ff. gelten zwar grundsätzlich auch für den Fremdbesitzer,
führen aber zu dessen Überprivilegierung, wenn die Verwendungen
gegen das vermeintliche Besitzrecht verstoßen. Die Ansprüche aus §§ 994
ff. sind daher nur insoweit gegeben, als die Verwendungen auch bei
Wirksamkeit des angenommen Besitzrechts ersatzfähig sind. Grundregel:
Der Fremdbesitzer darf nicht besser stehen als bei Wirksamkeit seines
angenommenen Besitzrechts (vgl. Staudinger-Gursky vor §§ 994-1003
Rz. 32 ff. mit weiteren Details).
aa) Vindikationslage im Zeitpunkt der Verwendungsvornahme
bb) Fehlen von Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit
cc) Notwendige Verwendungen (vgl. oben II.)
aa) Ersatzanspruch in Höhe des vom Besitzer aufgewandten Vermögensopfers ohne Rücksicht auf fortbestehende Erhöhung des Sachwerts, § 994 I 1.
bb) Ausnahmen: Kein Ersatz gewöhnlicher Erhaltungskosten, § 994 I 2,
und gewöhnlicher Lasten, § 995 S.2 (zu den Begriffen oben II.2.b), wenn
dem Besitzer die Nutzungen verbleiben. Für den gutgläubigen und unverklagten
Besitzer ist dies gemäß § 993 I 2. HS der Regelfall; §§ 994 I 2,
995 S.2 sind danach nur in folgenden Fällen nicht einschlägig:
- § 988;
- Leistungskondiktion auf Nutzungsherausgabe oder (nach Rspr.) § 988 analog
bei rechtsgrundlosem Erwerb (oben B.II.2.d.bb.(4)).
aa) Vindikationslage im Zeitpunkt der Verwendungsvornahme
bb) Fehlen von Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit
cc) Andere als notwendige (= "nützliche" oder "luxuriöse") Verwendungen
aa) Ersatzanspruch, soweit der Wert der Sache infolge der Verwendung im Zeitpunkt der Wiedererlangung noch erhöht ist. Zur Berechnung ist der tatsächliche Wert der Sache mit deren hypothetischem Wert ohne Verwendung im Zeitpunkt der Wiedererlangung zu vergleichen.
bb) Problem: Objektiver oder subjektiver Wertmaßstab (vgl. dazu Fall
4 sowie Staudinger-Gursky § 996 Rz. 5 ff.; Canaris, JZ 1996,
344, 349). Ein Teil der Literatur überträgt in dem Bestreben, den Eigentümer
vor Aufdrängung zu schützen, die zum Problem der "aufgedrängten Bereicherung"
vertretene subjektive Wertbestimmung des Verwendungserfolgs auf § 996.
Dagegen jedoch die h.M. mit überzeugenden Argumenten, u.a.: Der
Eigentümer wird gegenüber dem gutgläubigen unverklagten Besitzer nicht
einmal vor der Zerstörung der Sache geschützt, §§ 989 ff.; umso weniger
verdient er Schutz gegen die Aufdrängung von Verbesserungen.
§ 999 I bewirkt den Übergang der Verwendungsersatzansprüche auf den
Rechtsnachfolger des Besitzers. Voraussetzung der Rechtsnachfolge i.S.v.
§ 999 I ist entweder Gesamtrechtsnachfolge oder Einzelrechtsnachfolge durch
Veräußerungsgeschäft, d.h. auf Eigentumsübertragung gerichtetes
Rechtsgeschäft (Staudinger-Gursky § 999 Rz. 1).
§ 999 II bewirkt die Haftung des gegenwärtigen Eigentümers für alle
Verwendungen ohne Rücksicht auf die Zeit der Vornahme. Die Haftung des
früheren Eigentümers erlischt (ganz h.M.; vgl.
BGH NJW 1996, 52;
Gursky, JZ 1997, 1154, 1161 und unten V.2).
§ 1000 gewährt dem Besitzer über § 273 II hinaus bereits vor Fälligkeit des
Verwendungsersatzanspruchs (mit Genehmigung, § 1001) ein Zurückbehaltungsrecht
als selbständiges Gegenrecht gegen den Anspruch aus § 985 (bzw. § 894);
Ausnahme: Besitzverschaffung durch vorsätzliche unerlaubte Handlung, §
1000 S.2.
aa) Eigentümer und Besitzer nach Vertragsbeendigung ("Nicht mehr berechtigter Besitzer"): Die hier grundsätzlich anwendbaren §§ 994 ff. werden dann von vertraglichen Rückabwicklungsregeln des beendeten Vertragsverhältnisses verdrängt, wenn dieses spezielle Regelungen über den Verwendungsersatz vorsieht.
bb) Konkurrenz mit Gegenleistungsansprüchen für Vornahme der Verwendung im dreigliedrigen Verhältnis bei wirksamem Vertrag zwischen Besitzer und einem Dritten:
(1) Verwendungen des ursprünglich berechtigten Fremdbesitzers (Bsp.: Werkunternehmer in BGHZ 34, 122): Falls hier mit Ansicht des BGH §§ 994 ff. für anwendbar gehalten werden, besteht daneben unberührt der Werklohnanspruch des Besitzers gegen den Besteller. Nach vorzugswürdiger Ansicht ist jedoch schon die Anwendbarkeit der §§ 994 ff. in dieser Konstellation abzulehnen (vgl. oben I.2 und I.3.b.aa).
(2) Verwendungen des ursprünglich nichtberechtigten Fremdbesitzers
(Bsp.: Werkunternehmer, falls die Besitzberechtigung des Bestellers gegenüber
dem Eigentümer von vornherein nicht bestand): Hier ist ebenso wie unter (1)
zu entscheiden und der vertragliche Erfüllungsanspruch gegen den Besteller
neben §§ 994 ff. gegen den Eigentümer zuzulassen; nach vorzugswürdiger
Ansicht ist jedoch auch in dieser Konstellation schon die Anwendbarkeit
der §§ 994 ff. abzulehnen, da der Werkunternehmer nicht Verwender ist (vgl.
oben I.2).
aa) Leistungskondiktion des Fremdbesitzers (Bsp.: Verwendungen aufgrund unwirksamen Werkvertrags im zweigliedrigen Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer): Stellt die Verwendung zugleich eine Leistung des Besitzers gegenüber dem Eigentümer dar, erfolgt die Rückabwicklung allein mittels der Leistungskondiktion (§ 812 I 1 1. Alt.). §§ 994 ff. sind nicht anwendbar, da der Werkunternehmer nach richtiger Ansicht schon nicht Verwender ist (oben I.2); zumindest aber die Leistungskondiktion als gegenüber §§ 994 ff. vorrangige Abwicklungsregelung anzusehen ist, da der Besitz bei Abwicklung einer Leistung nur ein zufälliger Umstand ist, der keinen Einfluß auf die Interessenlage haben kann (vgl. Müller, Sachenrecht Rz. 682; Staudinger-Gursky vor §§ 994-1003 Rz. 41; Gursky, JZ 1997, 1154, 1162).
bb) Problem: Aufwendungskondiktion des Besitzers (insbesondere §§ 951
I, 812 I 1 2. Alt; vgl. Fall 4). Umstritten ist, ob §§ 994 ff. die
Aufwendungskondiktion des Besitzers ausschließen (so die st.Rspr.
und h.M., jüngst
BGH NJW 1996, 52, dazu Gursky, JZ 1997, 1154,
1162; Argument: Andernfalls Einebnung der Differenzierungen der §§ 994 ff.).
Vordringend ist jedoch die Gegenansicht eines Teils der Lit., wonach
die Aufwendungskondiktion insbesondere bei Realisierung der Bereicherung
durch den Eigentümer stets neben §§ 994 ff. anwendbar bleibt; Argumente:
andernfalls Wertungswiderspruch zu §§ 687 II 2, 684 S.1, da sogar der
wissentlich unbefugte Eigengeschäftsführer die durch Verwendungen eingetretene
Werterhöhung nach Bereicherungsgrundsätzen vom herauszugebenden Erlös
abziehen darf; Benachteiligung des besitzenden gegenüber dem nichtbesitzenden
Verwender; Fehlen einer dem § 993 I 2. HS entsprechenden ausdrücklichen
Sperre bei §§ 994-1003; Wortlaut § 951 II 1 (vgl. Larenz/Canaris,
Schuldrecht II/2, § 74 I 3, Canaris, JZ 1996, 344 ff.). Eine weitere
Ansicht folgt dem "engen" Verwendungsbegriff, läßt aber (anders als der BGH)
außerhalb seines Anwendungsbereichs die Aufwendungskondiktion zu (zur Kritik
vgl. Staudinger-Gursky vor §§ 994-1003 Rz. 40).
Literatur: |
Staudinger-Gursky, Kommentierung zu §§ 985 ff. Hager, JuS 1987, 877 ff. (Grundfälle); Gursky, JZ 1997, 1154 (aktuelle Rechtsprechungsübersicht). |