Haftung aus Gewinnmitteilungen (§ 661a BGB): Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht


AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 1.7.2002 - 5 C 307/01


Fundstelle:

nicht bekannt


Zentrale Probleme:

S. die Anm. zu  LG Braunschweig v. 10.1.2002 - 10 O 2753/00 sowie OLG Dresden v. 19.12.2001, Az: 8 U 2256/01 und OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.2.2002, 8 U 228/01. Zur internationalen Zuständigkeit s. insbesondere EuGH Urteil v. 11.7.2002 Rs. C-96/00 "Gabriel". Zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten s. BGH NJW-RR 2001, 1574. Die vorliegende Entscheidung bejaht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch für den (von EuGH aaO offengelassenen) Fall, daß es nicht zu einem Vertragsschluß (Warenbestellung) gekommen ist; s. dazu nunmehr BGH, Urteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02.


Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von 4.090,- € aus einer Gewinnbenachrichtigung. Die Beklagte ist ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen, das unter anderem Süßwaren vertreibt.

Die Klägerin erhielt am 29.04.2001 ein Schreiben der Beklagten, in welchem ihr mitgeteilt wurde, dass sie DM 8.000,00 gewonnen habe. Wörtlich heißt es in dem Schreiben unter anderem: "Es sind 8.000,00 DM! Ja, 8.000,00 DM in bar, die Ihnen und Ihrer Ziehungsnummer eindeutig zugeteilt wurden! [...] Schicken Sie jetzt Ihren Einlöse-Scheck und ihre Spezialitäten-Test-Anforderung ein, damit wir die Gewinn-Auszahlung vollziehen können!" Neben diesem Anschreiben der Beklagten fand sich noch ein „Gewinn-Ziehungs-Protokoll", in dem unter der Zuteilungs-Nummer 74.5/694 der Gewinnbetrag von 8.000,00 DM der Klägerin sowie vier weitere Gewinnsummen anderen Personen zugeordnet war.

Die Klägerin wurde in dem Schreiben aufgefordert, ihren Gewinn innerhalb von sieben Tagen bei der Beklagten einzufordern. Dem Schreiben der Beklagten waren ein Einlöse-Scheck sowie ein Bestellformular beigelegt, mit welchem eine Testanforderung bestellt werden konnte.

Gleichzeitig enthielt das Schreiben der Beklagten einen Gewinn-Zuteilungs-Beleg über die geltend gemachte Summe in Höhe von DM 8.000,00, der als Beleg für die persönlichen Unterlagen. der Klägerin diente.

Mit Schreiben vom 10.04.2001 wandte sich die Klägerin daraufhin an die Beklagte und bat um Überweisung des Betrages in Höhe von 8.000,00 DM auf dass von ihr angegebene Konto.

In dem Schreiben setzte sie der Beklagten eine Frist zur Überweisung bis zum 11. Mai. 2001. Dem Aufforderungsschreiben der Klägerin war der Einlöse-Scheck beigefügt. Das Scheiben wurde mit Einschreiben/Rückschein an eine „Kundenservice"-Adresse der Beklagten in Bühl, Deutschland versandt. Ausweislich des an die Klägerin zurückgesandten Rückscheins hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin erhalten.

Nachdem die Beklagte den eingeforderten Betrag nicht zahlte, wurde sie mit anwaltlichem Schreiben vom 21.05.2001 unter Fristsetzung bis zum 28.05.2001 aufgefordert, den Gewinn zur Auszahlung zu bringen. Die Auszahlung blieb aus.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an sie 8.000,- DM (4.093,34 €) nebst 5 % Zinsen über dem aktuellen Zinssatz seit dem 12.5.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Sie ist der Auffassung, die Zuständigkeit ergebe sich nicht aus dem EuGVÜ. Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ sei nicht anwendbar, da der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus § 66l a BGB kein vertraglicher, sondern ein gesetzlicher Anspruch sei. Die Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus Art. 13 und Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ. Art. 13 betreffe nur Verträge spezieller Art im Verbraucherbereich. Ebenso wie Art. 5 Ziff. 3 beträfe er einseitige Ansprüche aus Gesetz. Art. 5 Ziffer 3 gebe einen Gerichtsstand bei unerlaubten Handlungen, mit denen § 66la BGB nichts gemein habe. Auch die Art. 29 f EGBGB seien nicht einschlägig, da bei dem Anspruch nach § 661a BGB gerade nicht auf Grund von Verträgen bewegliche Sachen geliefert oder Dienstleistungen erbrachten werden. Ferner sei auch § 269 BGB iVm § 29 ZPO nicht anwendbar, denn für den Zahlungsanspruch, welcher sich aus § 661a BGB ergäbe, sei der Leistungsort Zahlungsort. Dieser läge am Sitz der Beklagten, nicht aber am klägerischen Wohnsitz. Wenn der Gesetzgeber die ratio des § 661a BGB in einem Zusammenhang mit einer Vertragsanbahnung gesehen hätte, hätte er diese Vorschrift nicht unter dem Titel „Auslobung" eingefügt, da unter diesem nur gesetzliche Ansprüche stünden, nicht aber vertragliche.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Das angerufene Gericht ist zuständig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in Verbindung mit dem gleichlautenden Parallelübereinkommen von Lugano vom 16.09.1988 (Luganer Übereinkommen). Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit bei Ansprüchen nach § 661 a BGB werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Zum Teil wird diese auf Art. 13 EuGVÜ gestützt (so das OLG Dresden, Urteil vom 19.12.2001 - Az.: 8 U 2256/01 - ), zum Teil auch auf Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (so das OLG Frankfurt/M., Urteil vom 19.2.2002, - Az.: 8 U 228/01 -). Das Gericht folgt der von Lorenz (NJW 2000, 3305, 3309) vertretenen Auffassung. Während nämlich Art. 13 EuGVÜ auf einen Vertragsabschluß abstellt, wie sich aus dem Unterpunkt b. ergibt („der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat"), umfaßt Art. 5 Nr.1 EuGVÜ als Verfahrensgegenstand einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag und hat somit einen weitergehenden Wortlaut. Bereits mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis, das auch Pflichten der Verhandlungsparteien nach sich zieht und zu Ansprüchen - beispielsweise aus culpa in contrahendo - führen kann (Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Einf. v. § 145 Rn.18), die bei telelogischer Auslegung als Ansprüche aus einem Vertrag angesehen werden können. Zwar ergibt sich der streitgegenständliche Anspruch nach § 661 a BGB aus dem Gesetz; er entsteht aber im Rahmen einer Vertragsanbahnung, lediglich die Rechtsfolge ist gesetzlich geregelt. Wegen dieses engen Sachzusammenhanges ist nach dem Sinn und Zweck von Art. 5 Nr. l EUGVÜ auch im vorliegenden Fall die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts gegeben. Wäre es - wie von der Beklagten beabsichtigt. - zu einem Vertragsabschluß gekommen, wäre dies unzweifelhaft zu bejahen. Also muß dies erst Recht für die im Vorfeld des Vertragsschlusses entstehenden Ansprüche gelten. Für die Bestimmung des Gerichtstandes bei der Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen ist der Gerichtsstand der vorvertraglichen Primärplicht maßgeblich und damit der Ort, an dem der rechtsgeschäftliche Kontakt aufgenommen wird (Lorenz NJW 2000, 3309), hier also der Wohnsitz der Klägerin.

Das Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des EuGVÜ, das der Europäische Gerichtshof im Rahmen der telelogischen Auslegung unter dem Kriterium des „effet utile" auslegt, nämlich der praktischen Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Norm als Mittel, um eine größtmögliche Effizienz des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen (Koenig/Pechstein, Entscheidungen des EuGH, VI Rn.64, S.143). Ziel des EuGVÜ ist u.a. die Verstärkung des Rechtsschutzes innerhalb der Gemeinschaft ansässiger Personen, indem Behinderungen im Rechtsverkehr und bei der Erledigung von Rechtsstreitigkeiten ausgeräumt werden (vgl. die Präambel des EuGVÜ). Ein Schutzbedürfnis auf Seiten der Beklagten ist hingegen nicht erkennbar. Vielmehr war im Moment der Aufnahme des geschäftlichen Kontakts mit der Klägerin für die Beklagte erkennbar und vorhersehbar, daß ein Gerichtsstand im hiesigen Gerichtsstand begründet werden könnte, zumal die Beklagte einen Vertragsschluß beabsichtigte, der unzweifelhaft den Gerichtsstand begründet hätte. Ob darüber hinaus noch eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr.3 EuGVÜ gegeben ist, kann somit dahingestellt bleiben.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung des Gewinnes in Höhe von 4.090,34 € gemäß § 661 a BGB.

Nach § 661a BGB ist ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet, und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, zur Leistung dieses Preises verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin ist Verbraucherin im Sinne von § 13 BGB, die Beklagte Unternehmer gemäß § 14 I BGB. Die Mitteilung der Beklagten hat bei der Klägerin den Eindruck erweckt, dass sie bereits einen Preis gewonnen hat. Daran können nach dem Wortlaut des Schriftstücks der Beklagten keine ernsthaften Zweifel bestehen. Die Behauptung der Beklagten, dass nach ihren Spielbedingungen die Bestimmung des Gewinns und seine Höhe im freien Ermessen des Veranstalters liege, ist unerheblich, denn die Beklagte hat in ihrem Schreiben nirgendwo erwähnt, daß die Auszahlung des Gewinnes noch in ihrem freien Ermessen stände oder von etwaigen Spielbedingungen abhinge. Der Klage ist somit stattzugeben.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 284 I S. 1 und II, 288 1 S. 1 BGB in der seit dem 01.05.2000 geltenden Fassung begründet.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 I S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 709 S. 1 ZPO