Inzahlunggabe eines Altwagens beim KfZ-Kauf als Leistung an Erfüllungs Statt, Rückabwicklung beim "großen Schadensersatz"  


BGH, Urteil v.  28.11.1994



Amtl. Leitsätze:

1. Zur Frage der Zusicherung von Eigenschaften beim Kauf eines beim Händler stehenden, vom Käufer besichtigten Neuwagens.
2. Gibt der Käufer eines Kraftfahrzeugs für einen Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen in Zahlung, so kann er bei Geltendmachung des "großen Schadensersatzes" nach § 463 BGB außer dem bar gezahlten Kaufpreisteil auch den für seinen Altwagen auf den Kaufpreis angerechneten Geldbetrag verlangen.



Fundstellen:

NJW 1995, 518
BGHZ 128, 111
LM H. 5/1995 § 459 BGB Nr. 122
MDR 1995, 258
BB 1995, 118
DB 1995, 723
ZIP 1995, 130
S. auch BGHZ 46, 338 ff, BGHZ 83, 334 = NJW 1982, 1700 sowie BGH NJW 2003, 504 und (zum neuen Recht)
BGH NJW 2008, 2028.


Sachverhalt:

Der Kl. besichtigte bei dem Bekl., einem Autohändler, ein zum Verkauf stehendes Neufahrzeug des Typs Chrysler Voyager LE 3,3l 4 X 4. Zuvor hatte der Bekl. in Zeitungsanzeigen u.a. darauf hingewiesen, der Fahrzeugtyp sei serienmäßig mit Antiblockiersystem (ABS) und Fahrerairbag ausgestattet. Im Rahmen der Kaufverhandlungen betonte der Kl., für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit ABS in Betracht. Am 24. 10. 1991 unterzeichnete er für das genannte Neufahrzeug eine verbindliche Bestellung zum Preis von 56000 DM. Gleichzeitig schlossen die Parteien einen Vertrag über den Ankauf des gebrauchten Pkw Opel Omega des Kl. durch den Bekl. zum Preis von 25000 DM. Am 29. 10. 1991 erteilte der Bekl. dem Kl. eine Rechnung, in der das Fahrzeug mit dem Ausstattungsmerkmal "ABS" aufgeführt wurde. Vom Kaufpreis wurden 25000 DM für das gebrauchte Fahrzeug des Kl. in Abzug gebracht, so daß er noch 31000 DM zu bezahlen hatte. Nach Übergabe bemerkte der Kl. bei Durchführung einer Vollbremsung, daß das Fahrzeug nicht mit einem Antiblockiersystem ausgestattet war. Er verlangte vom Bekl. Ersatzlieferung, woraufhin dieser seinerseits Rücknahme des Neufahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des Altfahrzeugs und Rückzahlung des Differenzbetrags anbot. Eine Einigung kam nicht zustande. Daraufhin erhob der Käufer Klage auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Chrysler, hilfsweise begehrte er Wandelung.
Das LG hat den Bekl. gemäß dem von ihm anerkannten Hilfsantrag zur Rückgabe des Pkw Opel Omega und Rückzahlung des Restkaufpreises Zug um Zug gegen Rücknahme des Pkw Chrysler verurteilt. Nachdem der Kl. hiergegen Berufung eingelegt hatte, zahlte der Bekl. 27989,83 DM und nahm das Neufahrzeug zurück. Der Kl. nahm das Gebrauchtfahrzeug an sich und veräußerte es am 14. 6. 1993 zum Preis von 12600 DM. In der Berufungsinstanz ging der Streit der Parteien nur noch um die Frage, ob der Kl. den Mindererlös verlangen kann, der bei Verkauf des gebrauchten Opel Omega gegenüber dem mit dem Bekl. am 24. 10. 1991 vereinbarten Preis eingetreten ist, sowie um den Ersatz von Kosten im Zusammenhang mit dem Leistungsaustausch. Im übrigen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das BerGer. hat der Klage unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils zum überwiegenden Teil, insbesondere auch hinsichtlich der Erstattung des genannten Mindererlöses stattgegeben. Die Revision des Bekl. hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. führt aus, dem verkauften Neufahrzeug fehle eine zugesicherte Eigenschaft i.S. des § 459 II BGB, nämlich das Antiblockiersystem. Da der Kl. bei den Kaufverhandlungen betont habe, für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit "ABS" in Betracht, sichere ein Händler, der daraufhin ein bestimmtes Fahrzeug anbiete, stillschweigend das Vorhandensein der vom Käufer ausdrücklich gewünschten Ausstattungsvariante zu. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Zusicherung vorliege, sei nicht allein die Vorstellung des Händlers, sondern wie der Käufer in der jeweiligen Situation dessen Erklärung verstehen dürfe. Dem Kl. stehe deshalb Schadensersatz nach § 463 S. 1 BGB zu. Da er sich für die Geltendmachung des sog. "großen Schadensersatzes" entschieden habe, könne er das erworbene Neufahrzeug zurückgeben und den Nichterfüllungsschaden verlangen, d.h. die Rückgewähr des gesamten Kaufpreises in Geld. Zwar handle es sich bei dem Verkauf des Neuwagens und dem Verkauf des gebrauchten Fahrzeugs des Kl. trotz getrennter Vertragsurkunden um einen einheitlichen Kaufvertrag, bei dem der Käufer für einen Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen habe in Zahlung geben dürfen. Dennoch brauche sich der Käufer nicht darauf verweisen zu lassen, sein Gebrauchtfahrzeug zurückzunehmen und lediglich den Differenzbetrag zum vollen Kaufpreis ausbezahlt zu erhalten. Letzteres gelte für die Durchführung der Wandelung. Der "große Schadensersatz" im Rahmen des § 463 S. 1 BGB sei auf das positive  Interesse gerichtet, weshalb das Risiko der Wertminderung des in Zahlung gegebenen Gebrauchtfahrzeugs zu Lasten des zusichernden Verkäufers gehe.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

1. Ob der Verkäufer eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache zugesichert hat, ist in erster Linie eine Frage tatrichterlicher Vertragsauslegung (vgl. BGH, NJW 1993, 2103 = LM H. 10/1993 § 249 (E) BGB Nr. 17 = WM 1993, 1374 (unter II 2)). Das vom BerGer. im Wege der Auslegung gewonnene Ergebnis, der Bekl. habe konkludent zugesichert, das dem Kl. angebotene und sodann von diesem erworbene Neufahrzeug sei mit Antiblockiersystem ausgestattet, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden:
a) Ob eine Angabe zur Kaufsache lediglich deren Beschreibung dient (§ 459 I BGB) oder ob mit ihr eine Eigenschaft zugesichert wird (§ 459 II BGB), ist in erster Linie danach zu beurteilen, in welchem Sinne sie der Geschäftsgegner als Erklärungsempfänger verstehen durfte. Entscheidend für die Annahme einer Zusicherung ist, daß aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft zu übernehmen, wobei dies auch stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten geschehen kann (st. Rspr. des Senats, zuletzt BGHZ 122, 256 (259) = NJW 1993, 1854 = LM H. 9/1993 § 459 BGB Nr. 119). Bei der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung ist allerdings Zurückhaltung geboten, wenn die Erklärung des Verkäufers, aus der eine Zusicherung hergeleitet werden soll, zugleich der Bezeichnung der Kaufsache dient (BGH, NJW 1978, 2240 = LM § 460 BGB Nr. 3 = WM 1978, 1175 (unter I 1)). Insbesondere beim Verkauf neu hergestellter beweglicher Sachen ist die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung grundsätzlich die Ausnahme, die der besonderen Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls  bedarf (BGH, NJW 1980, 1950 = LM § 477 BGB Nr. 34a = WM 1980, 1035 (unter II 1a); NJW 1981, 222 = LM § 463 BGB Nr. 38 = WM 1980, 1388 (unter I 1a)).
b) Zutreffend hat das BerGer. dem Umstand besondere Bedeutung zugemessen, daß der Kl. bei den Vertragsverhandlungen über das beim Bekl. stehende und bereits besichtigte Neufahrzeug betont hat, für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit Antiblockiersystem in Betracht. Legt der Käufer erkennbar auf das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft des zu erwerbenden Kraftfahrzeugs Wert und macht er davon den Vertragsschluß abhängig, dann geht die Erklärung des Verkäufers, der daraufhin einen bestimmten bereits an ihn ausgelieferten Neuwagen mit dem verlangten Ausstattungsmerkmal anbietet, über den Rahmen einer bloßen Anpreisung oder beschreibenden Angabe hinaus. Seine Angaben sind geeignet, beim Käufer den Eindruck zu erwecken, der Verkäufer übernehme die Garantie für das Vorhandensein der erwähnten Eigenschaft (vgl. BGH, NJW 1985, 1333 = LM § 459 BGB Nr. 77 = WM 1985, 518 (unter 1b bb)).
c) Ob dies auch dann gelten würde, wenn das Neufahrzeug nach Katalog und Preislisten über den Händler bestellt und vom Hersteller erst ausgeliefert wird, ist hier nicht zu entscheiden.
2. Gem. § 463 S. 1 BGB kann der Kl. wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Bei der Schadensberechnung steht dem Käufer ein Wahlrecht zu. Er kann die Kaufsache zurückgeben und seinen gesamten Nichterfüllungsschaden verlangen - "großer Schadensersatz" - oder die mangelhafte Sache behalten und den Minderwert liquidieren - "kleiner Schadensersatz" - (vgl. BGHZ 108, 156 (159) = NJW 1989, 2534 = LM § 463 BGB Nr. 53). Vorliegend hat der Kl. die Kaufsache zurückgegeben. Er macht mithin im Wege des "großen Schadensersatzes" sein Nichterfüllungsinteresse geltend. In der Revisionsinstanz ist nur noch im Streit, ob der Kl. - wie im Fall der Wandelung - das in Zahlung gegebene Fahrzeug zurücknehmen muß - so die Revision - oder ob er den dafür angesetzten Teil des Kaufpreises verlangen kann.
a) Zu Recht geht das BerGer. davon aus, daß es sich trotz zweier getrennter Vertragsurkunden über den Neuwagenkauf und den Verkauf des gebrauchten Altfahrzeugs aufgrund der Gesamtumstände und des Parteiwillens um einen Kaufvertrag handelte, bei dem der Käufer zu einem Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen an Erfüllungs Statt in Zahlung geben konnte. Dies wird von keiner Seite angegriffen.
b) Kommt es bei derartigen Vertragsgestaltungen zur Wandelung des Kaufvertrags, so kann der Käufer - außer dem in bar geleisteten Kaufpreisteil - nur den in Zahlung gegebenen Altwagen selbst zurückverlangen, nicht den auf den Kaufpreis angerechneten Geldbetrag (vgl. BGHZ 89, 126 (133) = NJW 1984, 429 = LM § 467 BGB Nr. 8). Die Revision meint, gleiches gelte für den Schadensersatzanspruch nach § 463 S. 1 BGB, da Wandelung und großer Schadensersatz an die gleichen Voraussetzungen, nämlich Rückgewähr der Kaufsache geknüpft seien. Dem kann nicht gefolgt werden:
aa) Für den Fall der Wandelung hat der Senat ausgeführt, ihr Grundgedanke sei es, die Vertragsschließenden so zu stellen, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden. Habe der Käufer einen günstigen Anrechnungspreis für die Inzahlunggabe seines Altwagens vereinbart, so sei es im Falle der Rückgängigmachung des Kaufvertrages nicht gerechtfertigt, ihm diesen Vorteil zu Lasten des Verkäufers zu erhalten (BGHZ 89, 126 (134) = NJW 1984, 429 = LM § 467 BGB Nr. 8). Auch könne die Rücknahme des alten Wagens zu Nachteilen führen, wenn das Fahrzeug zwischen Hingabe und Rückabwicklung einen Wertverlust erlitten habe. Dies sei eine Folge der gesetzgeberischen Grundentscheidung in den Vorschriften der §§ 467, 346ff. BGB, mit denen dem Käufer ein Ausgleich für alle ihm erwachsenden Schäden nicht eingeräumt werde (BGHZ 87, 104 (107f.) = NJW 1983, 1479 = LM § 467 BGB Nr. 7; BGHZ 89, 126 (134) = NJW 1984, 429 = LM § 467 BGB Nr. 8).
bb) Demgegenüber - und das verkennt die Revision - ist der Käufer bei dem auf das Erfüllungsinteresse gerichteten "großen Schadensersatzanspruch" im Rahmen des § 463 BGB so zu stellen, wie er stünde, wenn die Sache bei Gefahrübergang die zugesicherte Eigenschaft gehabt hätte (vgl. BGH, NJW 1993, 2103 = LM H. 10/1993 § 249 (E) BGB Nr. 17 = WM 1993, 1374 (unter II 3)). Sein Anspruch richtet sich auf die Herstellung des gleichen wirtschaftlichen Erfolgs, wie er ohne das schädigende Ereignis eingetreten wäre. Dann aber wäre der Käufer von Wertverlusten seines in Zahlung gegebenen Altfahrzeugs verschont geblieben. Der Vorteil eines für ihn günstigen Anrechnungspreises wäre ihm erhalten geblieben (in diesem Sinne bereits BGHZ 89, 126 (134) = NJW 1984, 429 = LM § 467 BGB Nr. 8). Dies folgt aus der verschärften Haftung für nicht eingehaltene Zusicherungen nach den §§ 459 II, 463 S. 1 BGB im Gegensatz zu Wandelung und Minderung bei Fehlern der Kaufsache i.S. des § 459 I BGB, wo dem Käufer kein Schadensersatzanspruch zur Seite steht.