Inzahlunggabe
eines Altwagens beim KfZ-Kauf als Leistung an Erfüllungs Statt, Rückabwicklung
beim "großen Schadensersatz"
BGH, Urteil v. 28.11.1994
Amtl. Leitsätze:
1. Zur Frage der Zusicherung von Eigenschaften
beim Kauf eines beim Händler stehenden, vom Käufer besichtigten
Neuwagens. 2. Gibt der Käufer eines Kraftfahrzeugs
für einen Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen in Zahlung, so
kann er bei Geltendmachung des "großen Schadensersatzes" nach §
463 BGB außer dem bar gezahlten Kaufpreisteil auch den für seinen
Altwagen auf den Kaufpreis angerechneten Geldbetrag verlangen.
Der Kl. besichtigte bei dem Bekl., einem Autohändler,
ein zum Verkauf stehendes Neufahrzeug des Typs Chrysler Voyager LE 3,3l
4 X 4. Zuvor hatte der Bekl. in Zeitungsanzeigen u.a. darauf hingewiesen,
der Fahrzeugtyp sei serienmäßig mit Antiblockiersystem (ABS)
und Fahrerairbag ausgestattet. Im Rahmen der Kaufverhandlungen betonte
der Kl., für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit ABS in Betracht.
Am 24. 10. 1991 unterzeichnete er für das genannte Neufahrzeug eine
verbindliche Bestellung zum Preis von 56000 DM. Gleichzeitig schlossen
die Parteien einen Vertrag über den Ankauf des gebrauchten Pkw Opel
Omega des Kl. durch den Bekl. zum Preis von 25000 DM. Am 29. 10. 1991 erteilte
der Bekl. dem Kl. eine Rechnung, in der das Fahrzeug mit dem Ausstattungsmerkmal
"ABS" aufgeführt wurde. Vom Kaufpreis wurden 25000 DM für das
gebrauchte Fahrzeug des Kl. in Abzug gebracht, so daß er noch 31000
DM zu bezahlen hatte. Nach Übergabe bemerkte der Kl. bei Durchführung
einer Vollbremsung, daß das Fahrzeug nicht mit einem Antiblockiersystem
ausgestattet war. Er verlangte vom Bekl. Ersatzlieferung, woraufhin dieser
seinerseits Rücknahme des Neufahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe
des Altfahrzeugs und Rückzahlung des Differenzbetrags anbot. Eine
Einigung kam nicht zustande. Daraufhin erhob der Käufer Klage auf
Rückzahlung des vollen Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe
des Pkw Chrysler, hilfsweise begehrte er Wandelung.
Das LG hat den Bekl. gemäß dem von
ihm anerkannten Hilfsantrag zur Rückgabe des Pkw Opel Omega und Rückzahlung
des Restkaufpreises Zug um Zug gegen Rücknahme des Pkw Chrysler verurteilt.
Nachdem der Kl. hiergegen Berufung eingelegt hatte, zahlte der Bekl. 27989,83
DM und nahm das Neufahrzeug zurück. Der Kl. nahm das Gebrauchtfahrzeug
an sich und veräußerte es am 14. 6. 1993 zum Preis von 12600
DM. In der Berufungsinstanz ging der Streit der Parteien nur noch um die
Frage, ob der Kl. den Mindererlös verlangen kann, der bei Verkauf
des gebrauchten Opel Omega gegenüber dem mit dem Bekl. am 24. 10.
1991 vereinbarten Preis eingetreten ist, sowie um den Ersatz von Kosten
im Zusammenhang mit dem Leistungsaustausch. Im übrigen haben die Parteien
den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt. Das BerGer. hat der Klage unter teilweiser Abänderung
des landgerichtlichen Urteils zum überwiegenden Teil, insbesondere
auch hinsichtlich der Erstattung des genannten Mindererlöses stattgegeben.
Die Revision des Bekl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. führt aus, dem verkauften Neufahrzeug
fehle eine zugesicherte Eigenschaft i.S. des § 459 II BGB, nämlich
das Antiblockiersystem. Da der Kl. bei den Kaufverhandlungen betont habe,
für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit "ABS" in Betracht,
sichere ein Händler, der daraufhin ein bestimmtes Fahrzeug anbiete,
stillschweigend das Vorhandensein der vom Käufer ausdrücklich
gewünschten Ausstattungsvariante zu. Maßgeblich für die
Beurteilung der Frage, ob eine Zusicherung vorliege, sei nicht allein die
Vorstellung des Händlers, sondern wie der Käufer in der jeweiligen
Situation dessen Erklärung verstehen dürfe. Dem Kl. stehe deshalb
Schadensersatz nach § 463 S. 1 BGB zu. Da er sich für die Geltendmachung
des sog. "großen Schadensersatzes" entschieden habe, könne er
das erworbene Neufahrzeug zurückgeben und den Nichterfüllungsschaden
verlangen, d.h. die Rückgewähr des gesamten Kaufpreises in Geld.
Zwar handle es sich bei dem Verkauf des Neuwagens und dem Verkauf des gebrauchten
Fahrzeugs des Kl. trotz getrennter Vertragsurkunden um einen einheitlichen
Kaufvertrag, bei dem der Käufer für einen Teil des Kaufpreises
seinen Gebrauchtwagen habe in Zahlung geben dürfen. Dennoch brauche
sich der Käufer nicht darauf verweisen zu lassen, sein Gebrauchtfahrzeug
zurückzunehmen und lediglich den Differenzbetrag zum vollen Kaufpreis
ausbezahlt zu erhalten. Letzteres gelte für die Durchführung
der Wandelung. Der "große Schadensersatz" im Rahmen des § 463
S. 1 BGB sei auf das positive Interesse gerichtet, weshalb das Risiko
der Wertminderung des in Zahlung gegebenen Gebrauchtfahrzeugs zu Lasten
des zusichernden Verkäufers gehe.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen
Überprüfung stand.
1. Ob der Verkäufer eine bestimmte Eigenschaft
der Kaufsache zugesichert hat, ist in erster Linie eine Frage tatrichterlicher
Vertragsauslegung (vgl. BGH, NJW 1993, 2103 = LM H. 10/1993 § 249
(E) BGB Nr. 17 = WM 1993, 1374 (unter II 2)). Das vom BerGer. im Wege der
Auslegung gewonnene Ergebnis, der Bekl. habe konkludent zugesichert, das
dem Kl. angebotene und sodann von diesem erworbene Neufahrzeug sei mit
Antiblockiersystem ausgestattet, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden:
a) Ob eine Angabe zur Kaufsache lediglich deren
Beschreibung dient (§ 459 I BGB) oder ob mit ihr eine Eigenschaft
zugesichert wird (§ 459 II BGB), ist in erster Linie danach zu beurteilen,
in welchem Sinne sie der Geschäftsgegner als Erklärungsempfänger
verstehen durfte. Entscheidend für die Annahme einer Zusicherung ist,
daß aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers
erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten
Eigenschaft zu übernehmen, wobei dies auch stillschweigend oder durch
schlüssiges Verhalten geschehen kann (st. Rspr. des Senats, zuletzt
BGHZ 122, 256 (259) = NJW 1993, 1854 = LM H. 9/1993 § 459 BGB Nr.
119). Bei der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung ist allerdings
Zurückhaltung geboten, wenn die Erklärung des Verkäufers,
aus der eine Zusicherung hergeleitet werden soll, zugleich der Bezeichnung
der Kaufsache dient (BGH, NJW 1978, 2240 = LM § 460 BGB Nr. 3 = WM
1978, 1175 (unter I 1)). Insbesondere beim Verkauf neu hergestellter beweglicher
Sachen ist die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung grundsätzlich
die Ausnahme, die der besonderen Begründung anhand der Umstände
des Einzelfalls bedarf (BGH, NJW 1980, 1950 = LM § 477 BGB Nr.
34a = WM 1980, 1035 (unter II 1a); NJW 1981, 222 = LM § 463 BGB Nr.
38 = WM 1980, 1388 (unter I 1a)).
b) Zutreffend hat das BerGer. dem Umstand besondere
Bedeutung zugemessen, daß der Kl. bei den Vertragsverhandlungen über
das beim Bekl. stehende und bereits besichtigte Neufahrzeug betont hat,
für ihn komme nur der Erwerb eines Fahrzeugs mit Antiblockiersystem
in Betracht. Legt der Käufer erkennbar auf das Vorhandensein einer
bestimmten Eigenschaft des zu erwerbenden Kraftfahrzeugs Wert und macht
er davon den Vertragsschluß abhängig, dann geht die Erklärung
des Verkäufers, der daraufhin einen bestimmten bereits an ihn ausgelieferten
Neuwagen mit dem verlangten Ausstattungsmerkmal anbietet, über den
Rahmen einer bloßen Anpreisung oder beschreibenden Angabe hinaus.
Seine Angaben sind geeignet, beim Käufer den Eindruck zu erwecken,
der Verkäufer übernehme die Garantie für das Vorhandensein
der erwähnten Eigenschaft (vgl. BGH, NJW 1985, 1333 = LM § 459
BGB Nr. 77 = WM 1985, 518 (unter 1b bb)).
c) Ob dies auch dann gelten würde, wenn das
Neufahrzeug nach Katalog und Preislisten über den Händler bestellt
und vom Hersteller erst ausgeliefert wird, ist hier nicht zu entscheiden.
2. Gem. § 463 S. 1 BGB kann der Kl. wegen
Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft Schadensersatz wegen Nichterfüllung
verlangen. Bei der Schadensberechnung steht dem Käufer ein Wahlrecht
zu. Er kann die Kaufsache zurückgeben und seinen gesamten Nichterfüllungsschaden
verlangen - "großer Schadensersatz" - oder die mangelhafte Sache
behalten und den Minderwert liquidieren - "kleiner Schadensersatz" - (vgl.
BGHZ 108, 156 (159) = NJW 1989, 2534 = LM § 463 BGB Nr. 53). Vorliegend
hat der Kl. die Kaufsache zurückgegeben. Er macht mithin im Wege des
"großen Schadensersatzes" sein Nichterfüllungsinteresse geltend.
In der Revisionsinstanz ist nur noch im Streit, ob der Kl. - wie im Fall
der Wandelung - das in Zahlung gegebene Fahrzeug zurücknehmen muß
- so die Revision - oder ob er den dafür angesetzten Teil des Kaufpreises
verlangen kann.
a) Zu Recht geht das BerGer. davon aus, daß
es sich trotz zweier getrennter Vertragsurkunden über den Neuwagenkauf
und den Verkauf des gebrauchten Altfahrzeugs aufgrund der Gesamtumstände
und des Parteiwillens um einen Kaufvertrag handelte, bei dem der Käufer
zu einem Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen an Erfüllungs
Statt in Zahlung geben konnte. Dies wird von keiner Seite angegriffen.
b) Kommt es bei derartigen Vertragsgestaltungen
zur Wandelung des Kaufvertrags, so kann der Käufer - außer dem
in bar geleisteten Kaufpreisteil - nur den in Zahlung gegebenen Altwagen
selbst zurückverlangen, nicht den auf den Kaufpreis angerechneten
Geldbetrag (vgl. BGHZ 89, 126 (133) = NJW 1984, 429 = LM § 467 BGB
Nr. 8). Die Revision meint, gleiches gelte für den Schadensersatzanspruch
nach § 463 S. 1 BGB, da Wandelung und großer Schadensersatz
an die gleichen Voraussetzungen, nämlich Rückgewähr der
Kaufsache geknüpft seien. Dem kann nicht gefolgt werden:
aa) Für den Fall der Wandelung hat der Senat
ausgeführt, ihr Grundgedanke sei es, die Vertragsschließenden
so zu stellen, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden. Habe
der Käufer einen günstigen Anrechnungspreis für die Inzahlunggabe
seines Altwagens vereinbart, so sei es im Falle der Rückgängigmachung
des Kaufvertrages nicht gerechtfertigt, ihm diesen Vorteil zu Lasten des
Verkäufers zu erhalten (BGHZ 89, 126 (134) = NJW 1984, 429 = LM §
467 BGB Nr. 8). Auch könne die Rücknahme des alten Wagens zu
Nachteilen führen, wenn das Fahrzeug zwischen Hingabe und Rückabwicklung
einen Wertverlust erlitten habe. Dies sei eine Folge der gesetzgeberischen
Grundentscheidung in den Vorschriften der §§ 467, 346ff. BGB,
mit denen dem Käufer ein Ausgleich für alle ihm erwachsenden
Schäden nicht eingeräumt werde (BGHZ 87, 104 (107f.) = NJW 1983,
1479 = LM § 467 BGB Nr. 7; BGHZ 89, 126 (134) = NJW 1984, 429 = LM
§ 467 BGB Nr. 8).
bb) Demgegenüber - und das verkennt die Revision
- ist der Käufer bei dem auf das Erfüllungsinteresse gerichteten
"großen Schadensersatzanspruch" im Rahmen des § 463 BGB so zu
stellen, wie er stünde, wenn die Sache bei Gefahrübergang die
zugesicherte Eigenschaft gehabt hätte (vgl. BGH, NJW 1993, 2103 =
LM H. 10/1993 § 249 (E) BGB Nr. 17 = WM 1993, 1374 (unter II 3)).
Sein Anspruch richtet sich auf die Herstellung des gleichen wirtschaftlichen
Erfolgs, wie er ohne das schädigende Ereignis eingetreten wäre.
Dann aber wäre der Käufer von Wertverlusten seines in Zahlung
gegebenen Altfahrzeugs verschont geblieben. Der Vorteil eines für
ihn günstigen Anrechnungspreises wäre ihm erhalten geblieben
(in diesem Sinne bereits BGHZ 89, 126 (134) = NJW 1984, 429 = LM §
467 BGB Nr. 8). Dies folgt aus der verschärften Haftung für nicht
eingehaltene Zusicherungen nach den §§ 459 II, 463 S. 1 BGB im
Gegensatz zu Wandelung und Minderung bei Fehlern der Kaufsache i.S. des
§ 459 I BGB, wo dem Käufer kein Schadensersatzanspruch zur Seite
steht.