Gewährleistung
bei Leistung an Erfüllungs Statt: Konkludenter Haftungsausschluß
bei Inzahlunggabe eines Altwagens hinsichtlich normaler Verschleißmängel
BGH, Urteil v. 21.04.1982
Amtl. Leitsatz:
Nimmt der gewerbliche Verkäufer eines neuen
Kraftfahrzeuges den Gebrauchtwagen des Käufers derart "in Zahlung",
daß über den Altwagen ein besonderer Kaufvertrag abgeschlossen
und der Kaufpreis mit dem für den Neuwagen verrechnet wird, so ist
die Gewährleistung des Neuwagenkäufers für sogenannte Verschleißmängel
stillschweigend ausgeschlossen, sofern nicht eine eindeutige andere Regelung
vereinbart wird oder Mängel arglistig verschwiegen worden sind.
Der Bekl. kaufte am 22. 5. 1979 unter Verwendung
eines "Bestell"-Formulars des Kl. - eines Fahrzeughändlers - von diesem
einen neuen Pkw für 9104,95 DM. Über die Zahlungsweise enthält
das Formular den Vermerk: "Bar-Kasse bei Abholung. Es werden 3400 DM als
Anzahlung geleistet." Nach einem ebenfalls am 22. 5. 1979 vom Bekl. auf
einem Formular des Kl. unterzeichneten "Verkaufsangebot" verkaufte der
Bekl. dem Kl. seinen gebrauchten, 1974 erstmals zugelassenen Pkw mit einem
km-Stand von 97000 km für 3400 DM. Hinter dem Eintrag "Zahlung" ist
in dem Formular vermerkt: "Wird mit Neuwagen verrechnet." Im Mai 1978 hatte
der Bekl. den Altwagen zuletzt beim TÜV zur Hauptuntersuchung vorgeführt,
nachdem er vorher eine "große Inspektion" mit Überprüfung
der Bremsanlage bei einer Werkstatt hatte ausführen lassen, wofür
er 734,65 DM bezahlt hatte. Beide Fahrzeuge wurden am 8. 6. 1979 übergeben,
ohne daß der Kl. bzw. der für ihn den Vertrag abschließende
Angestellte eine Probefahrt mit dem Gebrauchtwagen gemacht oder ihn auf
Mängel geprüft hatte. Unter dem 7. 9. 1979 beanstandete der Kl.
schriftlich, der Gebrauchtwagen weise erhebliche Mängel auf (Poltern
der Vorderachse, zum Teil vollständig abgefahrene Reifen, schadhafte
Bremse, völlig verwahrloster Lack); der Bekl. solle zur Erledigung
der Angelegenheit 1000 DM zahlen. Als sich der Bekl. weigerte, beantragte
der Kl. am 7. 11. 1979 ein Beweissicherungsverfahren, in welchem der Sachverständige
in einem Gutachten ausführte, bereits bei Übergabe des am 18.
6. 1979 stillgelegten Altwagens seien die hinteren Bremsbacken total bis
auf die Nieten abgebremst und beide Bremszylinder undicht gewesen; die
Lagerung des Vorderachsträgers und das Lenkgetriebe seien ausgeschlagen
und erneuerungsbedürftig; der Kostenaufwand für diese Reparatur
betrage 851,06 DM. Mit der Klage hat der Kl. Wandelung hinsichtlich des
gebrauchten Pkw verlangt und Zahlung von 3400 DM gefordert.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat den
Bekl. unter dem Gesichtspunkt der Minderung des Kaufpreises zur Zahlung
von 961,70 DM verurteilt. Die - zugelassene - Revision des Kl. hatte keinen
Erfolg; die Anschlußrevision des Bekl. führte zur Wiederherstellung
des landgerichtlichen Urteils.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. würdigt die in den zwei Vertragsformularen
niedergelegten Vereinbarungen der Parteien als - der Sache nach - typischen
Fall des Verkaufs eines neuen Wagens gegen Inzahlungnahme eines gebrauchten.
Dem Bekl. habe ebenso wie in dem vom erkennenden Senat in BGHZ 46, 338
= NJW 1967, 553 entschiedenen Fall die Befugnis zugestanden, einen Teil
des Kaufpreises für das Neufahrzeug durch den alten Wagen zu ersetzen;
für diesen habe er nach § 365 BGB wie ein Verkäufer Gewähr
zu leisten. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Ausgangspunkt des BerGer.
- Ersetzungsbefugnis des Bekl. und Leistung an Erfüllungs Statt -
zutrifft oder ob bei der hier gewählten Gestaltung der Vereinbarungen
zwei selbständige, allerdings durch eine Verrechnungsabrede zueinander
in Beziehung gesetzte Kaufverträge anzunehmen sind (vgl. zu der ähnlichen
Sachlage bei Vereinbarung eines Vermittlungsauftrags für den Altwagen
Senat, NJW 1980, 2190 = LM § 467 BGB Nr. 6 = WM 1980, 1010). Da der
Kl. Sachmängelansprüche erhebt, sind auf jeden Fall die Bestimmungen
der §§ 459 ff. BGB maßgebend.
II. 1. a) Die von dem Sachverständigen festgestellte
Abnutzung der hinteren Bremsbacken, die Undichtigkeit der Bremszylinder,
die ausgeschlagene Lagerung des Vorderachsträgers und das ebenfalls
ausgeschlagene Lenkgetriebe sieht das BerGer. als erhebliche Sachmängel
(§ 459 I BGB) an, weil die Tauglichkeit des Gebrauchtwagens zu dem
gewöhnlichen Gebrauch aufgehoben sei. Ob diese Ansicht in allen Punkten
zutrifft, ist nicht zweifelsfrei. Insbesondere ist fraglich, ob die getroffenen
Feststellungen über den Zustand des Lenkgetriebes und des Vorderachsträgers
ausreichen, die Annahme eines Fehlers i. S. des § 459 I BGB auch für
einen fünf Jahre alten Gebrauchtwagen mit einer Fahrleistung von 97000
km zu rechtfertigen (zur Problematik der Fehlerabgrenzung beim Gebrauchtwagenkauf
vgl. u. a. Mezger, in: RGRK, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 14; Staudinger-Honsell,
BGB, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 45; Westermann, in: MünchKomm, §
459 Rdnr. 37, jeweils m. w. Nachw.). Einer Entscheidung hierzu bedarf es
jedoch nicht. Die Parteien haben nämlich - wie noch auszuführen
sein wird - die Haftung des Bekl. für die hier allein in Betracht
kommenden, auf Verschleiß beruhenden etwaigen Sachmängel durch
eine stillschweigende Vereinbarung ausgeschlossen.
b) Im Hinblick auf diesen Haftungsausschluß
kann auch dahingestellt bleiben, ob - was der Bekl. geltend macht, das
BerGer. jedoch ablehnt - der Kl. wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger
Unkenntnis von den Mängeln schon nach § 460 BGB keinen Gewährleistungsanspruch
hatte.
2. a) Das BerGer. hält nur den vom Kl. in
erster Linie verfolgten Anspruch auf Wandelung des Gebrauchtwagenkaufvertrages
für stillschweigend ausgeschlossen. Es meint, entgegen der Rechtsprechung
des BGH (BGHZ 46, 338 ff. = NJW 1967, 553; krit. dazu Pfister, MDR 1968,
361 ff.; Dubischar, JZ 1969, 175 ff.) sei in einem Fall wie dem vorliegenden
unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an dem Neuwagen-
und dem Altwagengeschäft die Vereinbarung über den Gebrauchtwagen
so auszulegen, daß das Wandelungsrecht außer bei arglistig
verschwiegenen Mängeln des Gebrauchtwagens jedenfalls dann ausgeschlossen
sei, wenn der Händler zur Rücknahme auch des Neuwagens nicht
bereit sei. Sein Interesse werde angemessen durch das ihm zuzubilligende
Minderungsrecht gewahrt, dessen Höhe sich hier nach den für die
Reparatur der hinteren Bremsen, der Vorderachse und des Lenkgetriebes erforderlichen
Kosten von 961,70 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) richte. Im Ergebnis
halten diese Ausführungen den gegen den Ausschluß des Wandelungsrechts
gerichteten Einwendungen des Kl. stand, nicht dagegen den Angriffen des
Bekl. gegen die Zubilligung eines Minderungsrechts.
b) Verträge über die Inzahlungnahme
von Altwagen beim Erwerb neuer Kraftfahrzeuge oder die dabei abgeschlossenen
Vermittlerverträge sind typische Verträge des täglichen
Lebens, deren Auslegung deshalb vom RevGer. frei nachprüfbar ist (Senat,
NJW 1978, 1482 = LM § 433 BGB Nr. 52 = WM 1978, 756; NJW 1980, 2190
= LM § 467 BGB Nr. 6 = WM 1980, 1010). Das gilt auch für die
hier vorgenommene, in der Praxis möglicherweise nicht mehr so häufige
Trennung des Neuwagen- und Altwagengeschäfts in zwei selbständige
Kaufverträge mit Verrechnungsabrede.
c) Der Wortlaut des Gebrauchtwagenkaufvertrages
enthält keine ausdrückliche Haftungsausschlußklausel für
Sachmängel. Das hindert aber nicht die Annahme einer stillschweigenden
Gewährleistungsfreistellung, sofern sich aus den besonderen Umständen
des Falles genügend Anhaltspunkte dafür ergeben (Mezger, §
476 Rdnr. 1; Staudinger-Honsell, § 476 Rdnr. 1; Westermann, in: MünchKomm,
§ 476 Rdnr. 4). Das BerGer. nimmt zu Unrecht an, der BGH habe eine
derartige Auslegungsmöglichkeit bisher ausgeschlossen. In den Fällen,
in denen der erkennende Senat über Mängelansprüche des aufkaufenden
oder in Zahlung nehmenden Händlers zu entscheiden hatte, bestand keine
Veranlassung, einen Haftungsausschluß zu erörtern, weil es sich
entweder um Ansprüche wegen arglistig verschwiegener Mängel handelte,
deren Ausschluß nach § 476 BGB unwirksam ist, oder um dem Händler
bekannte Mängel, für die der Verkäufer nach § 460 BGB
ohnehin nicht haftet (Senat, BB 1957, 238 = Betr 1957, 186; NJW 1965, 35
= LM § 463 BGB Nr. 11; für die ähnlich liegenden Fälle
bei Vereinbarung eines Vermittlungsvertrages über den Gebrauchtwagen
Senat, NJW 1978, 1482). Auch in dem vom BerGer. zitierten Urteil vom 18.
1. 1967 (BGHZ 46, 338 ff. = NJW 1967, 553) bestand weder Anlaß
noch Gelegenheit, über einen Gewährleistungsausschluß zu
entscheiden, weil das BerGer. den dort behaupteten Mangel (einen früheren
Unfalltotalschaden) nur unterstellt und auch den Inhalt der von den Beteiligten
getroffenen Vereinbarungen nicht vollständig festgestellt hatte; die
Sache war deshalb an die Vorinstanz zurückzuverweisen (vgl. dazu die
Veröffentlichung in WM 1967, 228 unter II und III, insoweit in BGHZ
46, 338, nicht abgedruckt), ohne daß die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses
bereits endgültig verneint werden sollte. In einem weiteren Urteil
vom 31. 3. 1982 (NJW 1982, 1699 (in diesem Heft)) hat der Senat mit einer
dem Gewährleistungsausschluß nahekommenden Begründung entschieden,
daß ein Agenturvertrag über einen "in Zahlung gegebenen" Gebrauchtwagen
von dem Händler nicht wegen nachträglich bekannt werdender schwerer
Folgen eines vom Auftraggeber an sich mitgeteilten Unfallschadens vorzeitig
gekündigt werden könne.
Der wesentliche Anknüpfungspunkt für
einen Haftungsausschluß liegt in der typischen Interessenlage der
an dem Vertrag Beteiligten. Zu dem Verkauf (oder der Inzahlungnahme) des
Gebrauchtwagens kommt es nur, weil gleichzeitig ein Neuwagen gekauft wird.
Beide Vertragspartner wissen, daß der Altwagen infolge seiner Abnutzung
Verschleißerscheinungen aufweist, die - wie das BerGer. mit Recht
bemerkt - in der Preisbemessung ihre Berücksichtigung finden. Das
Ausmaß des Verschleißes läßt sich aber - jedenfalls
ohne kostspieligen Aufwand - weder genau feststellen noch objektiv bewerten.
Im übrigen hängt der Kaufpreis nicht allein vom Verschließgrad
ab, sondern u. a. auch vom Interesse des Händlers am Zustandekommen
des Neuwagengeschäfts, so daß - wie allgemein bekannt ist -
besonders bei weniger gängigen Fahrzeugmarken oder in Zeiten schwächerer
Konjunktur dem Neuwagenkunden häufig ein verhältnismäßig
hoher Gebrauchtwagenpreis zugestanden wird. Der Neuwagenkäufer, der
häufig den Neuwagen nur bei gleichzeitiger Veräußerung
des Altwagens bezahlen kann oder will, will in aller Regel den Gebrauchtwagen
in dem Zustand abgeben, in dem er sich gerade befindet, ohne später
zu nachträglichen Leistungen, etwa zur Nachzahlung oder Nachbesserung,
oder gar zur Rücknahme des Wagens verpflichtet zu sein. Dem Händler
ist dieses Interesse bewußt. Wird nicht eine andere Regelung in einer
für den Vertragspartner eindeutigen Weise vereinbart, muß die
Erklärung des Händlers über den Vertragsabschluß von
dem anderen Teil als Einverständnis mit einem Gewährleistungsausschluß
für die - bei Gebrauchtwagen typischen - auf der bisherigen Abnutzung
und dem Gebrauch beruhenden sogenannten Verschleißmängel verstanden
werden. Der Ausschluß belastet den Händler nicht übermäßig.
Soweit der Verkäufer einen Fehler arglistig verschweigt, greift die
Ausschlußvereinbarung nach § 476 BGB nicht ein. Nach der Rechtsprechung
des erkennenden Senats trifft das schon zu, wenn der Verkäufer tatsächliche
Anhaltspunkte für bestimmte Fehler hat und dies dem Händler nicht
mitteilt. Im vorliegenden Fall spricht nichts dafür und wird auch
von dem Kl. nicht substantiiert behauptet, daß der Bekl. die Mängel
der Bremsanlage sowie den Zustand der Vorderachse und des Lenkgetriebes
kannte. Der Sachverständige hat dazu erklärt, sehr wahrscheinlich
hätte nicht einmal ein Fachmann die Bremsmängel bei einer Probefahrt
bemerkt, der Zustand am Vorderwagen aber wäre jedenfalls einem Nichtfachmann
wie dem Bekl. nicht aufgefallen.
d) Ob ein derartiger Gewährleistungsausschluß
uneingeschränkt auch dann anzunehmen ist, wenn der Händler das
Fahrzeug vor Vertragsabschluß untersucht, kann dahingestellt bleiben,
weil der Kl. hier nicht einmal eine Probefahrt unternommen hat. Allerdings
spricht vieles dafür, die Gewährleistung auch nach Probefahrt
und Untersuchung für ausgeschlossen zu halten, weil der Händler
in solchen Fällen aus der Sicht des Vertragspartners den Zustand des
Wagens ebenfalls in Kauf genommen hat. Dahingestellt bleiben kann ferner,
ob und unter welchen Umständen ein Gewährleistungsausschluß
auch für andere als Verschleißmängel, insbesondere für
Unfallschäden, in Betracht käme. Denn im vorliegenden Fall ist
weder vorgetragen noch festgestellt, daß der beanstandete Zustand
der hinteren Bremsanlage des Lenkgetriebes und der Lagerung des Vorderachsträgers
auf anderen Ursachen als dem Verschleiß beruhte.
e) Die für die Haftungsfreistellung maßgebenden
Gründe schließen es entgegen der Auffassung des BerGer. aus,
dem Kl. wenigstens einen Minderungsanspruch zuzubilligen. Darf sich der
nicht arglistig handelnde Neuwagenkäufer darauf verlassen, daß
der Händler das Risiko für den Zustand des Gebrauchtwagens übernimmt,
wären Zweck und Erfolg der Vereinbarung nicht gewahrt, wenn dem Händler
für etwa notwendig werdende Reparaturen ein Minderungsanspruch verbliebe.
Das gilt um so mehr, als die Reparaturkosten, die nach Ansicht des BerGer.
das Ausmaß des Minderungsanspruchs bestimmen, unschwer die Höhe
des Kaufpreises für den Gebrauchtwagen erreichen können.