Gewährleistung bei Leistung an Erfüllungs Statt: Konkludenter Haftungsausschluß bei Inzahlunggabe eines Altwagens hinsichtlich normaler Verschleißmängel


BGH, Urteil v. 21.04.1982


Amtl. Leitsatz:

Nimmt der gewerbliche Verkäufer eines neuen Kraftfahrzeuges den Gebrauchtwagen des Käufers derart "in Zahlung", daß über den Altwagen ein besonderer Kaufvertrag abgeschlossen und der Kaufpreis mit dem für den Neuwagen verrechnet wird, so ist die Gewährleistung des Neuwagenkäufers für sogenannte Verschleißmängel stillschweigend ausgeschlossen, sofern nicht eine eindeutige andere Regelung vereinbart wird oder Mängel arglistig verschwiegen worden sind.



Fundstellen:

BGHZ 83, 334
NJW 1982, 1700
LM § 476 BGB Nr. 15
MDR 1982, 747
JZ 1982, 504
BB 1982, 1201
DB 1982, 1510
WM 1982, 791
ZIP 1982, 971
S. auch BGHZ 46, 338 ff, BGHZ 128, 111 = BGH NJW 1995, 518 sowie BGH NJW 2003, 504 und (zum neuen Recht)
BGH NJW 2008, 2028. Verneint wurde ein konkludenter Gewährleistungsausschluss in BGH v. 19.12.2012 - VIII ZR 117/12.


Sachverhalt:

Der Bekl. kaufte am 22. 5. 1979 unter Verwendung eines "Bestell"-Formulars des Kl. - eines Fahrzeughändlers - von diesem einen neuen Pkw für 9104,95 DM. Über die Zahlungsweise enthält das Formular den Vermerk: "Bar-Kasse bei Abholung. Es werden 3400 DM als Anzahlung geleistet." Nach einem ebenfalls am 22. 5. 1979 vom Bekl. auf einem Formular des Kl. unterzeichneten "Verkaufsangebot" verkaufte der Bekl. dem Kl. seinen gebrauchten, 1974 erstmals zugelassenen Pkw mit einem km-Stand von 97000 km für 3400 DM. Hinter dem Eintrag "Zahlung" ist in dem Formular vermerkt: "Wird mit Neuwagen verrechnet." Im Mai 1978 hatte der Bekl. den Altwagen zuletzt beim TÜV zur Hauptuntersuchung vorgeführt, nachdem er vorher eine "große Inspektion" mit Überprüfung der Bremsanlage bei einer Werkstatt hatte ausführen lassen, wofür er 734,65 DM bezahlt hatte. Beide Fahrzeuge wurden am 8. 6. 1979 übergeben, ohne daß der Kl. bzw. der für ihn den Vertrag abschließende Angestellte eine Probefahrt mit dem Gebrauchtwagen gemacht oder ihn auf Mängel geprüft hatte. Unter dem 7. 9. 1979 beanstandete der Kl. schriftlich, der Gebrauchtwagen weise erhebliche Mängel auf (Poltern der Vorderachse, zum Teil vollständig abgefahrene Reifen, schadhafte Bremse, völlig verwahrloster Lack); der Bekl. solle zur Erledigung der Angelegenheit 1000 DM zahlen. Als sich der Bekl. weigerte, beantragte der Kl. am 7. 11. 1979 ein Beweissicherungsverfahren, in welchem der Sachverständige in einem Gutachten ausführte, bereits bei Übergabe des am 18. 6. 1979 stillgelegten Altwagens seien die hinteren Bremsbacken total bis auf die Nieten abgebremst und beide Bremszylinder undicht gewesen; die Lagerung des Vorderachsträgers und das Lenkgetriebe seien ausgeschlagen und erneuerungsbedürftig; der Kostenaufwand für diese  Reparatur betrage 851,06 DM. Mit der Klage hat der Kl. Wandelung hinsichtlich des gebrauchten Pkw verlangt und Zahlung von 3400 DM gefordert.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat den Bekl. unter dem Gesichtspunkt der Minderung des Kaufpreises zur Zahlung von 961,70 DM verurteilt. Die - zugelassene - Revision des Kl. hatte keinen Erfolg; die Anschlußrevision des Bekl. führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. würdigt die in den zwei Vertragsformularen niedergelegten Vereinbarungen der Parteien als - der Sache nach - typischen Fall des Verkaufs eines neuen Wagens gegen Inzahlungnahme eines gebrauchten. Dem Bekl. habe ebenso wie in dem vom erkennenden Senat in BGHZ 46, 338 = NJW 1967, 553 entschiedenen Fall die Befugnis zugestanden, einen Teil des Kaufpreises für das Neufahrzeug durch den alten Wagen zu ersetzen; für diesen habe er nach § 365 BGB wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Ausgangspunkt des BerGer. - Ersetzungsbefugnis des Bekl. und Leistung an Erfüllungs Statt - zutrifft oder ob bei der hier gewählten Gestaltung der Vereinbarungen zwei selbständige, allerdings durch eine Verrechnungsabrede zueinander in Beziehung gesetzte Kaufverträge anzunehmen sind (vgl. zu der ähnlichen Sachlage bei Vereinbarung eines Vermittlungsauftrags für den Altwagen Senat, NJW 1980, 2190 = LM § 467 BGB Nr. 6 = WM 1980, 1010). Da der Kl. Sachmängelansprüche erhebt, sind auf jeden Fall die Bestimmungen der §§ 459 ff. BGB maßgebend.

II. 1. a) Die von dem Sachverständigen festgestellte Abnutzung der hinteren Bremsbacken, die Undichtigkeit der Bremszylinder, die ausgeschlagene Lagerung des Vorderachsträgers und das ebenfalls ausgeschlagene Lenkgetriebe sieht das BerGer. als erhebliche Sachmängel (§ 459 I BGB) an, weil die Tauglichkeit des Gebrauchtwagens zu dem gewöhnlichen Gebrauch aufgehoben sei. Ob diese Ansicht in allen Punkten zutrifft, ist nicht zweifelsfrei. Insbesondere ist fraglich, ob die getroffenen Feststellungen über den Zustand des Lenkgetriebes und des Vorderachsträgers ausreichen, die Annahme eines Fehlers i. S. des § 459 I BGB auch für einen fünf Jahre alten Gebrauchtwagen mit einer Fahrleistung von 97000 km zu rechtfertigen (zur Problematik der Fehlerabgrenzung beim Gebrauchtwagenkauf vgl. u. a. Mezger, in: RGRK, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 14; Staudinger-Honsell, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 45; Westermann, in: MünchKomm, § 459 Rdnr. 37, jeweils m. w. Nachw.). Einer Entscheidung hierzu bedarf es jedoch nicht. Die Parteien haben nämlich - wie noch auszuführen sein wird - die Haftung des Bekl. für die hier allein in Betracht kommenden, auf Verschleiß beruhenden etwaigen Sachmängel durch eine stillschweigende Vereinbarung ausgeschlossen.
b) Im Hinblick auf diesen Haftungsausschluß kann auch dahingestellt bleiben, ob - was der Bekl. geltend macht, das BerGer. jedoch ablehnt - der Kl. wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von den Mängeln schon nach § 460 BGB keinen Gewährleistungsanspruch hatte.
2. a) Das BerGer. hält nur den vom Kl. in erster Linie verfolgten Anspruch auf Wandelung des Gebrauchtwagenkaufvertrages für stillschweigend ausgeschlossen. Es meint, entgegen der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 46, 338 ff. = NJW 1967, 553; krit. dazu Pfister, MDR 1968, 361 ff.; Dubischar, JZ 1969, 175 ff.) sei in einem Fall wie dem vorliegenden unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an dem Neuwagen- und dem Altwagengeschäft die Vereinbarung über den Gebrauchtwagen so auszulegen, daß das Wandelungsrecht außer bei arglistig verschwiegenen Mängeln des Gebrauchtwagens jedenfalls dann ausgeschlossen sei, wenn der Händler zur Rücknahme auch des Neuwagens nicht bereit sei. Sein Interesse werde angemessen durch das ihm zuzubilligende Minderungsrecht gewahrt, dessen Höhe sich hier nach den für die Reparatur der hinteren Bremsen, der Vorderachse und des Lenkgetriebes erforderlichen Kosten von 961,70 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) richte. Im Ergebnis halten diese Ausführungen den gegen den Ausschluß des Wandelungsrechts gerichteten Einwendungen des Kl. stand, nicht dagegen den Angriffen des Bekl. gegen die Zubilligung eines Minderungsrechts.
b) Verträge über die Inzahlungnahme von Altwagen beim Erwerb neuer Kraftfahrzeuge oder die dabei abgeschlossenen Vermittlerverträge sind typische Verträge des täglichen Lebens, deren Auslegung deshalb vom RevGer. frei nachprüfbar ist (Senat, NJW 1978, 1482 = LM § 433 BGB Nr. 52 = WM 1978, 756; NJW 1980, 2190 = LM § 467 BGB Nr. 6 = WM 1980, 1010). Das gilt auch für die hier vorgenommene, in der Praxis möglicherweise nicht mehr so häufige Trennung des Neuwagen- und Altwagengeschäfts in zwei selbständige Kaufverträge mit Verrechnungsabrede.
c) Der Wortlaut des Gebrauchtwagenkaufvertrages enthält keine ausdrückliche Haftungsausschlußklausel für Sachmängel. Das hindert aber nicht die Annahme einer stillschweigenden Gewährleistungsfreistellung, sofern sich aus den besonderen Umständen des Falles genügend Anhaltspunkte dafür ergeben (Mezger, § 476 Rdnr. 1; Staudinger-Honsell, § 476 Rdnr. 1; Westermann, in: MünchKomm, § 476 Rdnr. 4). Das BerGer. nimmt zu Unrecht an, der BGH habe eine derartige Auslegungsmöglichkeit bisher ausgeschlossen. In den Fällen, in denen der erkennende Senat über Mängelansprüche des aufkaufenden oder in Zahlung nehmenden Händlers zu entscheiden hatte, bestand keine Veranlassung, einen Haftungsausschluß zu erörtern, weil es sich entweder um Ansprüche wegen arglistig verschwiegener Mängel handelte, deren Ausschluß nach § 476 BGB unwirksam ist, oder um dem Händler bekannte Mängel, für die der Verkäufer nach § 460 BGB ohnehin nicht haftet (Senat, BB 1957, 238 = Betr 1957, 186; NJW 1965, 35 = LM § 463 BGB Nr. 11; für die ähnlich liegenden Fälle bei Vereinbarung eines Vermittlungsvertrages über den Gebrauchtwagen Senat, NJW 1978, 1482). Auch in dem vom BerGer. zitierten Urteil vom 18. 1. 1967 (BGHZ 46, 338 ff. = NJW 1967, 553) bestand  weder Anlaß noch Gelegenheit, über einen Gewährleistungsausschluß zu entscheiden, weil das BerGer. den dort behaupteten Mangel (einen früheren Unfalltotalschaden) nur unterstellt und auch den Inhalt der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen nicht vollständig festgestellt hatte; die Sache war deshalb an die Vorinstanz zurückzuverweisen (vgl. dazu die Veröffentlichung in WM 1967, 228 unter II und III, insoweit in BGHZ 46, 338, nicht abgedruckt), ohne daß die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses bereits endgültig verneint werden sollte. In einem weiteren Urteil vom 31. 3. 1982 (NJW 1982, 1699 (in diesem Heft)) hat der Senat mit einer dem Gewährleistungsausschluß nahekommenden Begründung entschieden, daß ein Agenturvertrag über einen "in Zahlung gegebenen" Gebrauchtwagen von dem Händler nicht wegen nachträglich bekannt werdender schwerer Folgen eines vom Auftraggeber an sich mitgeteilten Unfallschadens vorzeitig gekündigt werden könne.
Der wesentliche Anknüpfungspunkt für einen Haftungsausschluß liegt in der typischen Interessenlage der an dem Vertrag Beteiligten. Zu dem Verkauf (oder der Inzahlungnahme) des Gebrauchtwagens kommt es nur, weil gleichzeitig ein Neuwagen gekauft wird. Beide Vertragspartner wissen, daß der Altwagen infolge seiner Abnutzung Verschleißerscheinungen aufweist, die - wie das BerGer. mit Recht bemerkt - in der Preisbemessung ihre Berücksichtigung finden. Das Ausmaß des Verschleißes läßt sich aber - jedenfalls ohne kostspieligen Aufwand - weder genau feststellen noch objektiv bewerten. Im übrigen hängt der Kaufpreis nicht allein vom Verschließgrad ab, sondern u. a. auch vom Interesse des Händlers am Zustandekommen des Neuwagengeschäfts, so daß - wie allgemein bekannt ist - besonders bei weniger gängigen Fahrzeugmarken oder in Zeiten schwächerer Konjunktur dem Neuwagenkunden häufig ein verhältnismäßig hoher Gebrauchtwagenpreis zugestanden wird. Der Neuwagenkäufer, der häufig den Neuwagen nur bei gleichzeitiger Veräußerung des Altwagens bezahlen kann oder will, will in aller Regel den Gebrauchtwagen in dem Zustand abgeben, in dem er sich gerade befindet, ohne später zu nachträglichen Leistungen, etwa zur Nachzahlung oder Nachbesserung, oder gar zur Rücknahme des Wagens verpflichtet zu sein. Dem Händler ist dieses Interesse bewußt. Wird nicht eine andere Regelung in einer für den Vertragspartner eindeutigen Weise vereinbart, muß die Erklärung des Händlers über den Vertragsabschluß von dem anderen Teil als Einverständnis mit einem Gewährleistungsausschluß für die - bei Gebrauchtwagen typischen - auf der bisherigen Abnutzung und dem Gebrauch beruhenden sogenannten Verschleißmängel verstanden werden. Der Ausschluß belastet den Händler  nicht übermäßig. Soweit der Verkäufer einen Fehler arglistig verschweigt, greift die Ausschlußvereinbarung nach § 476 BGB nicht ein. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats trifft das schon zu, wenn der Verkäufer tatsächliche Anhaltspunkte für bestimmte Fehler hat und dies dem Händler nicht mitteilt. Im vorliegenden Fall spricht nichts dafür und wird auch von dem Kl. nicht substantiiert behauptet, daß der Bekl. die Mängel der Bremsanlage sowie den Zustand der Vorderachse und des Lenkgetriebes kannte. Der Sachverständige hat dazu erklärt, sehr wahrscheinlich hätte nicht einmal ein Fachmann die Bremsmängel bei einer Probefahrt bemerkt, der Zustand am Vorderwagen aber wäre jedenfalls einem Nichtfachmann wie dem Bekl. nicht aufgefallen.
d) Ob ein derartiger Gewährleistungsausschluß uneingeschränkt auch dann anzunehmen ist, wenn der Händler das Fahrzeug vor Vertragsabschluß untersucht, kann dahingestellt bleiben, weil der Kl. hier nicht einmal eine Probefahrt unternommen hat. Allerdings spricht vieles dafür, die Gewährleistung auch nach Probefahrt und Untersuchung für ausgeschlossen zu halten, weil der Händler in solchen Fällen aus der Sicht des Vertragspartners den Zustand des Wagens ebenfalls in Kauf genommen hat. Dahingestellt bleiben kann ferner, ob und unter welchen Umständen ein Gewährleistungsausschluß auch für andere als Verschleißmängel, insbesondere für Unfallschäden, in Betracht käme. Denn im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen noch festgestellt, daß der beanstandete Zustand der hinteren Bremsanlage des Lenkgetriebes und der Lagerung des Vorderachsträgers auf anderen Ursachen als dem Verschleiß beruhte.
e) Die für die Haftungsfreistellung maßgebenden Gründe schließen es entgegen der Auffassung des BerGer. aus, dem Kl. wenigstens einen Minderungsanspruch zuzubilligen. Darf sich der nicht arglistig handelnde Neuwagenkäufer darauf verlassen, daß der Händler das Risiko für den Zustand des Gebrauchtwagens übernimmt, wären Zweck und Erfolg der Vereinbarung nicht gewahrt, wenn dem Händler für etwa notwendig werdende Reparaturen ein Minderungsanspruch verbliebe. Das gilt um so mehr, als die Reparaturkosten, die nach Ansicht des BerGer. das Ausmaß des Minderungsanspruchs bestimmen, unschwer die Höhe des Kaufpreises für den Gebrauchtwagen erreichen können.