Gewährleistung bei Inzahlunggabe
von Kraftfahrzeugen; kein (konkludenter) Gewährleistungsausschluss bzgl.
vereinbarter Beschaffenheiten; Schadensersatz nach §§ 437
Nr. 3, 311a II BGB bei unbehebbarem Sachmangel
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 117/12 - OLG
Frankfurt in Kassel
Fundstelle:
NJW 2013, 1733
Amtl. Leitsatz:
Zur Haftung des Käufers für
die Unfallfreiheit des bei einem Ankauf von einem Autohändler in Zahlung
gegebenen Gebrauchtwagens.
Zentrale Probleme:
Ein an sich normaler "Kaufrecht"-Fall (s. auch die
Pressemeldung des BGH Nr. 213/2012): Der BGH verneint einen
wirksamen (konkludenten) Gewährleistungsausschluss (s. dazu
BGHZ 83, 334), weil eine solche Vereinbarung,
selbst wenn es sie gäbe, im konkreten Fall zurückstehen müsste. Ein
Gewährleistungsausschluss erfasst nämlich nicht solche Beschaffenheiten,
deren Vorliegen (oder Abwesenheit) vereinbart wurde (s. dazu
BGHZ 170, 86 sowie auch
BGH v. 22.4.2016 - V ZR
23/15). Erstaunlich ist allerdings,
dass der Senat bei der hier vorliegenden Inzahlunggabe von einem Kaufvertrag
bezüglich des in Zahlung gegebenen Kfz ausgeht. Es handelt sich hier
eigentlich um eine sog. Ersetzungsbefugnis, bei welcher es dem Käufer des
Neuwagens gestattet ist, einen Teil des Kaufpreises durch Übereignung seines
Altfahrzeugs an Erfüllungs statt zu begleichen (§ 364 BGB), s. dazu etwa
BGHZ 46, 338;
BGHZ 128, 111 sowie
BGH NJW 2008, 2028. Allerdings haftet er
dann nach § 365 BGB wie ein Verkäufer. In einer Klausur müsste also auf
jeden Fall noch § 365 BGB "dazwischengeschaltet" werden, erst diese Norm
schafft die Brücke zum Gewährleistungsrecht. Freilich steht es den Parteien
auch frei, zwei getrennte Verträge zu schließen - möglicherweise verhielt es
sich im vorliegenden Fall so, ohne dass man das dem Tatbestand
entnehmen kann. S. dazu auch Medicus/Lorenz, SchuldR I, Rn. 289 f.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin, eine Autohändlerin,
begehrt Schadensersatz wegen verschiedener Mängel eines vom Beklagten
angekauften gebrauchten Audi A 6.
2 Der Beklagte hatte dieses Fahrzeug selbst im Mai 2003 von einem Autohaus
gebraucht erworben und im Dezember 2003 damit einen Unfall erlitten, als
beim Rückwärtsfahren aus einer Parklücke der Unfallgegner seine Fahrzeugtür
öffnete. Der entstandene Streifschaden an der hinteren rechten Tür und an
der Seitenwand belief sich einem eingeholten Gutachten zufolge auf 2.919,12
€. Der Beklagte ließ das Fahrzeug anschließend für 819,89 € - nicht
fachgerecht -reparieren.
3 Im Juli 2004 verkaufte die Klägerin dem Beklagten einen VW Passat
und nahm den Audi A 6 zum Preis von 19.000 € in Zahlung. Dabei
wurde im Ankaufsschein unter der vorgedruckten Rubrik "Das Fahrzeug hat
keine/folgende Unfallschäden erlitten" das Wort "keine" eingekreist und
unterstrichen.
4 Die Klägerin veräußerte den Audi A 6 am 8. März 2005 für 19.500 € als
"laut Vorbesitzer unfallfrei" an den Kunden D. . Kurze Zeit nach der
Übergabe verlangte dieser wegen verschiedener Mängel Rückabwicklung des
Kaufvertrages. Im nachfolgenden Prozess stellte der gerichtlich beauftragte
Sachverständige fest, dass an dem Fahrzeug neben einem Schaden an der
Seitenwand hinten rechts auch ein schwerer Heckschaden repariert worden war.
Die Klägerin unterlag in dem vom Käufer D. gegen sie geführten Prozess und
nahm das Fahrzeug gegen Zahlung von 19.421,56 € nebst Zinsen in Höhe von
5.372,60 € zurück.
5 Die Klägerin hat Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Zahlung von
30.665,45 € (Erstattung des an den Käufer D. auf den Kaufpreis
zurückgezahlten Betrages von 19.241,56 € nebst Zinsen und Prozesskosten)
nebst Zinsen begehrt, ferner Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe
von 1.099 € sowie weiterer Kosten des Vorprozesses in Höhe von 10.441,30 €,
ebenfalls jeweils nebst Zinsen.
6 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat
die Klägerin im Wege der Anschlussberufung zusätzlich die Feststellung
begehrt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in
Annahmeverzug befinde. Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts
abgeändert, die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit
der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils sowie die
Feststellung des Annahmeverzugs begehrt.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision hat zum Teil Erfolg.
I.
8 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
9 Zutreffend habe das Landgericht angenommen, dass das Fahrzeug im Hinblick
auf den in der Besitzzeit des Beklagten erlittenen Unfallschaden an der
Fahrzeugseite nicht die Beschaffenheit aufgewiesen habe, die bei Sachen der
gleichen Art üblich sei und die der Käufer erwarten könne. Es habe sich auch
nicht um einen bloßen Bagatellschaden in Form äußerer geringfügiger
Lackschäden gehandelt, sondern um einen darüber hinausgehenden Schaden,
dessen ordnungsgemäße Instandsetzung einen erheblichen Reparaturaufwand in
Höhe von 2.919,12 € erfordert hätte. Gewährleistungsansprüche der Klägerin
wegen dieses Sachmangels seien auch nicht wegen Kenntnis der Klägerin (§ 442
Abs. 1 Satz 1 BGB) ausgeschlossen. In der Beweisaufnahme habe nicht geklärt
werden können, ob der Beklagte die Klägerin auf den Unfallschaden an der
Fahrzeugseite hingewiesen habe.
10 Ansprüchen der Klägerin wegen des Unfallschadens stehe jedoch der
zwischen den Parteien stillschweigend vereinbarte Haftungsausschluss
entgegen, der den besonderen Umständen des zwischen den Parteien
abgeschlossenen Geschäfts - des Verkaufs eines Pkw durch einen Händler unter
Inzahlungnahme eines anderen Fahrzeugs - zu entnehmen sei. Der
Kaufvertrag über den Audi A 6 wäre nicht geschlossen worden, wenn der
Beklagte nicht den VW Passat von der Klägerin erworben hätte. Für beide
Parteien ersichtlich habe der Kaufvertrag über den VW Passat nur bei
endgültiger Veräußerung des bisherigen Fahrzeugs des Beklagten Bestand haben
sollen. Vor diesem Hintergrund verstoße die Annahme, die Parteien hätten die
Sachmängelgewährleistung für den Audi A 6 nicht ausschließen wollen, gegen
die Interessen des Beklagten. Die Klägerin habe nicht erwarten können, dass
das Fahrzeug als Gebrauchtfahrzeug im Alter von vier Jahren mit einer
Laufleistung von 160.000 Kilometern in jeder Hinsicht mangelfrei sei.
Vielmehr habe es nahe gelegen, dass das Fahrzeug einzelne Mängel aufweisen
könne, die aber, wenn sie bekannt gewesen wären, dem Abschluss der beiden
Kaufverträge nicht entgegengestanden hätten. Es sei anzunehmen, dass
die Klägerin bereit gewesen sei, auf die Sachmängelgewährleistung zu
verzichten, und die Parteien deshalb einen stillschweigenden
Gewährleistungsausschluss vereinbart hätten. Dies gelte umso mehr,
als die Klägerin ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, das zu erwerbende
Fahrzeug auf das Vorliegen von Mängeln zu untersuchen. Wenn sie
davon abgesehen habe, könne sie sich redlicherweise nicht darauf berufen,
dass der Beklagte für sämtliche bei Übergabe vorhandenen Mängel hafte.
11 Für die Folgeschäden aus dem Prozess mit dem Käufer D. müsse der Beklagte
im Übrigen schon deshalb nicht einstehen, weil diese darauf beruhten, dass
die Klägerin das Fahrzeug ohne eigene Untersuchung weiterverkauft und die
gebotene Untersuchung nicht einmal im Zeitpunkt der vom Käufer D. erhobenen
Mängelrügen nachgeholt habe. Zumindest in jenem Zeitpunkt hätte sie das
Fahrzeug in ihrer eigenen Werkstatt eingehend untersuchen müssen, wobei die
Unfallschäden erkannt worden wären. Durch eine Rückabwicklung des
Kaufvertrags mit dem Käufer D. hätte die Klägerin den aussichtslosen Prozess
vermeiden können.
12 Die Anschlussberufung sei unbegründet, weil der Anspruch der Klägerin
nicht bestehe und der Beklagte deshalb mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht
in Annahmeverzug geraten sei. Darüber hinaus stehe einem Annahmeverzug des
Beklagten entgegen, dass die Klägerin die Rückgabe des Fahrzeugs entgegen §
294 BGB nur gegen eine weit überhöhte Zug-um-Zug-Leistung angeboten habe.
II.
13 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein
Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3, §
311a Abs. 2 BGB) insoweit nicht verneint werden, als die Klägerin
Rückerstattung des an den Käufer D. in Höhe von 19.241,56 € zurückgezahlten
Kaufpreises nebst Zinsen und Ersatz der darauf entfallenden vorgerichtlichen
Kosten (859,80 €) begehrt. Denn das Fahrzeug war im Hinblick auf
den in der Besitzzeit des Beklagten erlittenen Unfallschaden (Streifschaden)
mit einem anfänglichen unbehebbaren Sachmangel behaftet und
die Parteien haben die Gewährleistung hierfür - entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts - nicht durch einen (stillschweigenden)
Haftungsausschluss abbedungen. Zu Recht hat das Berufungsgericht
hingegen angenommen, dass dem Beklagten die Folgeschäden nicht mehr
zugerechnet werden können, die erst dadurch entstanden sind, dass die
Klägerin dem offensichtlich berechtigten Rückabwicklungsbegehren des Käufers
D. nicht alsbald nachgekommen ist. Ebenfalls zu Recht hat das
Berufungsgericht einen Annahmeverzug des Beklagten mit der Begründung
verneint, dass die Klägerin die Rückgabe des Fahrzeugs nur gegen eine weit
überhöhte Schadensersatzforderung und deshalb nicht wie geschuldet (§ 294
BGB) angeboten hat.
14 1. Das der Klägerin verkaufte Fahrzeug war mit einem Sachmangel
behaftet, weil es bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit
aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn die Parteien haben im
Kaufvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Unfallfreiheit des
Fahrzeugs getroffen, indem sie im Ankaufsformular ausdrücklich festgehalten
haben, dass das Fahrzeug keine Unfallschäden erlitten habe. Wie das
Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, geht der in der
Besitzzeit des Beklagten entstandene Streifschaden an der rechten
Fahrzeugseite über einen bloßen Bagatellschaden hinaus, so dass das Fahrzeug
als Unfallwagen anzusehen ist und somit ungeachtet der erfolgten Reparatur
einen nicht behebbaren Sachmangel aufweist.
15 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Haftung des
Beklagten für die fehlende Unfallfreiheit nicht durch einen
(stillschweigenden) Gewährleistungsausschluss ausgeschlossen. Ein Ausschluss
der Gewährleistung für etwaige Unfallschäden kommt hier schon deshalb nicht
in Betracht, weil die Parteien, wie oben ausgeführt, im Kaufvertrag eine
Beschaffenheitsvereinbarung über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getroffen
haben. Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil
vom 29. November 2006 - VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 30 f.)
kann im Falle einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung selbst
ein daneben ausdrücklich vereinbarter Gewährleistungsausschluss nur dahin
ausgelegt werden, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten
Beschaffenheit, sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin
bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte
Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB)
beziehungsweise sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine
Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die
der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 BGB). Für einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss
kann nichts anderes gelten.
16 3. Das Berufungsgericht hat die Klage hingegen zu Recht abgewiesen,
soweit die Klägerin Erstattung der Kosten des Vorprozesses sowie der an den
Käufer D. gezahlten Zinsen begehrt. Diese Schäden hat das Berufungsgericht
zu Recht als nicht ersatzfähig angesehen, denn sie beruhen darauf,
dass die Klägerin sich auf einen erkennbar aussichtslosen Prozess mit dem
Käufer D. eingelassen hat, und können dem Beklagten deshalb nicht mehr
zugerechnet werden. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten,
dass in Anbetracht der vom Käufer D. erhobenen Beanstandungen eine
eingehende Untersuchung durch einen Fachmann unerlässlich war, so dass die
Klägerin angesichts der bei einer solchen Untersuchung ohne weiteres
erkennbaren Unfallschäden der vom Käufer D. begehrten Rückabwicklung des
Kaufvertrages unverzüglich hätte zustimmen müssen. Auch die zusätzlichen
Kosten, die der Klägerin durch die außergerichtliche Geltendmachung der
vorgenannten (unberechtigten) Ansprüche gegenüber dem Beklagten entstanden
sind, sind nicht ersatzfähig.
17 Ohne Erfolg bleibt die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das
Berufungsgericht habe das Vorbringen der Klägerin zur Untersuchung des
Fahrzeugs anlässlich der vom Käufer D. erhobenen Rügen übergangen, denn
dieses Vorbringen ist angesichts der Feststellung des Berufungsgerichts,
dass die Unfallschäden bei der gebotenen Werkstattuntersuchung ohne weiteres
zu erkennen waren, nicht erheblich. Auch mit der weiteren Rüge, das
Berufungsgericht hätte gemäß § 139 ZPO auf die fehlende Ersatzfähigkeit
(Zurechenbarkeit) der Kosten des aussichtslosen Prozesses gegen den Käufer
D. hinweisen müssen, dringt die Revision nicht durch. Eines derartigen
Hinweises bedurfte es schon deshalb nicht, weil der Beklagte diesen
Gesichtspunkt in seiner Berufungsbegründung aufgegriffen und eingehend
dargestellt hatte. Von einer weiteren Begründung zu den von der Klägerin
erhobenen Verfahrensrügen sieht der Senat gemäß § 564 ZPO ab.
III.
18 Nach alledem kann das Berufungsurteil bezüglich der Entscheidung über die
Kosten und den Anspruch auf Ersatz des an den Käufer D. zurückgezahlten
Betrages von 19.421,56 € nebst Zinsen und darauf entfallender
vorgerichtlicher Anwaltskosten (859,80 €) keinen Bestand haben; es ist daher
insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die weitergehende Revision ist
zurückzuweisen.
19 Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren
Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Klägerin steht aus § 437 Nr.
3, § 311a Abs. 2 Satz 1 BGB Zug-um-Zug gegen Rückgewähr des Fahrzeugs ein
Anspruch auf Erstattung des an den Käufer D. auf den Kaufpreis
zurückgezahlten Betrages von 19.421,56 € nebst Zinsen zu. Denn das
der Klägerin als unfallfrei verkaufte Fahrzeug war mit Rücksicht auf den
erlittenen und dem Beklagten bekannten Unfallschaden (Streifschaden) mit
einem anfänglichen unbehebbaren Mangel behaftet; wegen dieses Mangels musste
die Klägerin den vom Käufer D. erhaltenen Kaufpreis überwiegend
zurückzahlen. Da das Rückabwicklungsbegehren des Käufers D. schon
wegen dieses Unfallschadens begründet war, kommt es auf den weiteren
Unfallschaden (Heckschaden) und die Frage, ob dieser dem Beklagten unbekannt
war (§ 311a Abs. 2 Satz 2 BGB) nicht an. Die
auf den Betrag von 19.241,56 € entfallenden vorgerichtlichen Anwaltskosten
(859,80 € nebst Zinsen) sind als Rechtsverfolgungskosten ebenfalls
ersatzfähig.
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