Ersetzungsbefugnis und Gewährleistung bei Leistung an Erfüllungs Statt (Inzahlunggabe von Kraftfahrzeugen)

BGH, Urteil vom 18.1.1967, VIII ZR 209/64


Fundstelle:

BGHZ 46, 338
S. auch
BGHZ 83, 334 = NJW 1982, 1700, BGHZ 128, 111 = BGH NJW 1995, 518 sowie BGH NJW 2003, 504 und (zum neuen Recht) BGH NJW 2008, 2028 sowie BGH v. 19.12.2012 - VIII ZR 117/12.


Amtl. Leitsätze:

1. Nimmt bei der Veräußerung eines neuen Kraftwagens der Kraftfahrzeughändler einen Gebrauchtwagen des Erwerbers für einen Teil des Preises in Zahlung, so liegt im Regelfalle kein Tauschvertrag, sondern ein Kaufvertrag vor, bei dem der Käufer das Recht hat, den vertraglich festgelegten Teil des Kaufpreises durch Hingabe des Gebrauchtwagens zu tilgen.
2. Ist beim Kauf eines Kraftfahrzeugs der vom Käufer in Zahlung gegebene Gebrauchtwagen mangelhaft oder fehlt ihm eine zugesicherte Eigenschaft, so kann der Verkäufer grundsätzlich gegen Rückgabe des Gebrauchtwagens Zahlung des Kaufpreises auch insoweit verlangen, als er durch die Inzahlungnahme des Fahrzeugs des Käufers getilgt werden sollte.


Zum Sachverhalt:

Der Kläger betreibt den Handel mit Kraftfahrzeugen. Der Beklagte bestellte mit schriftlichem »Kaufantrag« vom 30. November 1962 einen Personenkraftwagen Marke Citroen ID 19/ Export Baujahr 1963 zum Gesamtpreis einschließlich Nebenkosten von 10 410 DM. In den »Zahlungsbedingungen« heißt es:

Citroen ID 19, BI. 1960, km 87 000 (Motor ca. 50 000 km) unfallfrei wird mit 4 800 DM in Zahlung genommen. Rest per Scheck bei Übernahme.

Dieses Fahrzeug hatte der Beklagte am 8. Dezember 1960 beim Autohaus B. für 5800 DM gebraucht gekauft.
Am 13. Dezember 1962 erhielt der Beklagte den neuen Wagen und übergab gleichzeitig sein altes Fahrzeug dem Kläger. Dieser schrieb am 15. Dezember 1962, der in Zahlung genommene PKW habe, wie er inzwischen vom Lieferwerk erfahren habe, im August 1960 einen Totalschaden gehabt und sei anschließend zum Schrottpreis verkauft worden; er könne das Fahrzeug nicht in Zahlung nehmen. Durch Schreiben seines Rechtsanwalts erklärte der Kläger am 10. Januar 1963 die Wandelung hinsichtlich des Gebrauchtwagens und verlangte binnen einer Woche Zahlung von 4800 DM Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. Der Beklagte hat die Zahlung abgelehnt.
Die Zahlungsklage wurde vom Landgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht gab ihr statt. Die Revision des Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

I.
1. Das Berufungsgericht stellt fest, aus dem Wortlaut und dem Zweck des von den Parteien geschlossenen Rechtsgeschäfts ergebe sich, daß sie keinen auf den Austausch zweier Kraftfahrzeuge gerichteten Vertrag mit Aufzahlung des Wertunterschiedes, also nicht einen Tauschvertrag geschlossen hätten. Vielmehr liege ein Kaufvertrag über ein neues, vom Kläger zu einem Preise von 10 410 DM zu lieferndes Kraftfahrzeug vor, wobei der Beklagte 5610 DM in bar entrichten, den Rest durch die Hingabe seines gebrauchten Wagens an Erfüllungs Statt tilgen sollte.
2. Die Ausführungen greift die Revision ohne Erfolg an.
Mit Recht hat das Berufungsgericht zunächst auf den Wortlaut des vom Beklagten unterzeichneten Antrags abgestellt, der ausdrücklich einen Kauf zum Gegenstand hat, und der die Leistung des vereinbarten Preises als »Zahlungsbedingungen« regelt. Aber auch die vom Berufungsgericht in Betracht gezogene Interessenlage gebietet, entgegen der Auffassung der Revision, nicht, nach § 157 BGB einen Tauschvertrag anzunehmen. Das Interesse des Kraftfahrzeughändlers ist - dem Erwerber erkennbar - auf Veräußerung gegen Geld gerichtet und nicht auf den Erwerb eines gebrauchten Wagens. Er läßt sich auf die Hereinnahme des Altwagens nur ein, um das von ihm erstrebte Geschäft abschließen zu können. Dieses Entgegenkommen des Veräußerers, das seinem Partner den Erwerb des Neuwagens erleichtert, unter Umständen sogar erst möglich macht, hat aber, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nicht zur Folge, daß die Beteiligten sich auf eine Gegenleistung des Erwerbers einigen, die zum Teil in Geld, zum Teil in der Hingabe eines gebrauchten Fahrzeugs bestehen soll. Vielmehr bleibt, wenn, wie hier, für etwas Abweichendes keine Anhaltspunkte gegeben sind, die vom Erwerber des Neuwagens geschuldete Gegenleistung in voller Höhe eine Geldschuld. Es liegt deshalb bei solcher Fallgestaltung regelmäßig ein Kaufvertrag vor. Jedoch hat der Erwerber kraft der Parteivereinbarungen die Möglichkeit, an Stelle der ausbedungenen Geldschuld zum Zwecke der Erfüllung seinen gebrauchten Wagen in Zahlung zu geben. Mit dieser sogenannten Ersetzungsbefugnis des Käufers (vgl. BGH Urt. v. 20. Mai 1960 - I ZR 93/59-, LM UWG § 1 Nr. 95) ist - jeden falls für den Regelfall - den Interessen beider Beteiligten ausreichend genügt. Ein Bedürfnis, den Anspruch des Veräußerers teilweise auf eine Forderung auf Hingabe eines gebrauchten Kraftfahrzeugs zu beschränken, ist nicht ersichtlich. Da die Ersetzungsbefugnis des Käufers den Bestand der Hauptschuld als einer Geldschuld unberührt läßt, würde ein vom Käufer nicht zu vertretender Untergang des Altwagens ihn nicht nach § 323 Abs. 1 BGB davon befreien, den Kaufpreis in voller Höhe in Geld zu entrichten (Soergel/Siebert, BGB, 9. Aufl. , § 265 Anm. 3). Umgekehrt würde der Verkäufer, wenn der Käufer seine Schuld in Geld tilgen wollte, das nicht zurückweisen und statt dessen die Hingabe des gebrauchten Wagens verlangen können.
Der Revision ist zuzugeben, daß bei entsprechender Interessenlage auch eine abweichende Regelung möglich ist, etwa dann, wenn es dem Erwerber darauf ankommt, das gesamte Geschäft davon abhängig zu machen, daß er seine Gegenleistung gerade durch die Hingabe seines Gebrauchtwagens erbringen kann. Es darf dabei aber nicht außer acht bleiben, daß der Erwerb eines neuen Kraftfahrzeuges mit Inzahlungnahme eines Wagens des Erwerbers ein typisches Geschäft des Alltags ist, das nach der Verkehrsauffassung, wie sich schon aus seiner Bezeichnung ergibt, als Kauf, d. h. als ein Rechtsgeschäft angesehen wird, bei dem eine Sache, das neue Kraftfahrzeug, gegen Geld geliefert wird. Eine abweichende Regelung muß deshalb klar, wenn auch nicht notwendig ausdrücklich, vereinbart sein. Die Annahme einer solchen Vereinbarung könnte insbesondere dann naheliegen, wenn das in Zahlung gegebene Fahrzeug den größten Teil des »Kaufpreises« ausmacht, oder wenn sich der Austausch von Kraftfahrzeugen unter Nichthändlern vollzieht. Anhaltspunkte dafür, daß die Parteien im vorliegenden Rechtsstreit eine vom typischen Fall abweichende Regelung treffen wollten, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht der Umstand, daß der Beklagte den neuen Wagen dem Kläger nicht zur Verfügung gestellt, sondern weiterbenutzt hat, eher dagegen, daß das gesamte Rechtsgeschäft von der Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens abhängig sein sollte.
3. Aus der danach rechtsirrtumsfreien Auslegung des Vertrages vom 30. November 1962 als eines Kaufvertrages mit fest vereinbartem Kaufpreis, aber der Befugnis des Beklagten, einen Teil seiner Geldschuld durch Hingabe seines gebrauchten Fahrzeugs zu tilgen, ergibt sich die Antwort auf die Frage, ob der Verkäufer den gesamten Kaufpreis in Geld verlangen kann, wenn der in Zahlung genommene Wagen mangelhaft ist, oder wenn ihm eine zugesicherte Eigenschaft fehlt.
Die Vereinbarung der Ersetzungsbefugnis führt, wenn der Schuldner von ihr Gebrauch macht und auf diese Weise seine Verbindlichkeit zum Erlöschen bringt, zu einer Leistung an Erfüllungs Statt (Staudinger, BGB, 9. Aufl.- § 364 Anm. I 1; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 1958, § 10 l). Der abweichenden Meinung, es liege Erfüllung vor (BGB-RGRK, 11. Aufl,. § 362 Anm. 9; Soergel/Siebert, BGB, 9. Aufl. , § 364 Anm. 1), vermag der Senat nicht zu folgen. Es ist kein innerer Grund ersichtlich, warum die Hingabe einer anderen als der eigentlich geschuldeten Leistung rechtlich verschieden beurteilt werden soll, je nachdem, ob die Parteien sich über die Befugnis des Schuldners hierzu von vornherein oder erst bei der Erfüllung selbst geeinigt haben.
In der Leistung an Erfüllungs Statt liegt ein entgeltlicher Austauschvertrag. Der Gläubiger erwirbt den an Erfüllungs Statt gegebenen Gegenstand im Austausch gegen seine Forderung, also in einer der Rechtslage beim Kauf ähnlichen Weise (BGB-RGRK, 11. Aufl. , § 365 Anm. 1). Es ist deshalb gerechtfertigt, daß der Schuldner für den an Erfüllungs Statt gegebenen Gegenstand in gleicher Weise wie ein Verkäufer Gewähr leistet. Dem trägt § 365 BGB Rechnung. Ist die an Erfüllungs Statt gegebene Sache mangelhaft oder fehlt ihr eine zugesicherte Eigenschaft, so kann der Gläubiger nach dieser Vorschrift die Rechte eines Käufers geltend machen: §§ 459 ff BGB. Insbesondere kann er, wie es hier geschehen ist, Wandelung erklären. Das führt allerdings nicht dazu, daß die durch die Leistung an Erfüllungs Statt erloschene Kaufpreisforderung von selbst wieder auflebt. Vielmehr hat der Gläubiger an sich nur Anspruch auf Wiederbegründung seiner Forderung (BGB-RGRK, 11. Aufl. , § 365 Anm. 2; Soergel/Siebert, BGB, 9. Aufl. , § 365 Anm. 2; Palandt, BGB, 25. Aufl. , § 365 Anm. 1). Gleichwohl kann er im Rechtsstreit unmittelbar Erfüllung dieses neu zu begründenden Anspruchs, also Zahlung verlangen; denn es wäre ein nicht gerechtfertigter Formalismus, einem Gläubiger, der Anspruch auf Einwilligung in weitere Rechtsfolgen hat, nicht sogleich das Klagerecht auf die Rechtsfolgen selbst zu geben (Erman, BGB, 3. Aufl. , § 365 Anm. 2).
4. Die Revision meint, nach dem Inhalt und Zweck der getroffenen Vereinbarung habe der Bestand des gesamten Rechtsgeschäfts von der Möglichkeit der Erfüllung der Käuferschuld durch Hingabe des Gebrauchtwagens abhängen sollen. Deshalb sei allenfalls eine Wandelung des gesamten Kaufvertrages möglich gewesen.
Ob eine Abmachung dieses Inhalts überhaupt mit der Ersetzungsbefugnis des Käufers hinsichtlich der Kaufpreisschuld vereinbar wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden. Das Berufungsgericht hat Anhaltspunkte für einen derartigen Vertragsinhalt nicht festgestellt. Auch die Revision hat außer den bereits behandelten Erwägungen hinsichtlich der Interessenlage der Beteiligten keine Umstände aufgezeigt, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten.
II.
Trotz seines zutreffenden rechtlichen Ausgangspunktes kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt zunächst davon ab, ob der in Zahlung gegebene Wagen entgegen der Zusicherung des Beklagten nicht unfallfrei war, sondern einen sogenannten Totalschaden hatte. Insoweit fehlt es, wie die Revision mit Recht rügt, an einer rechtlich einwandfreien Feststellung des Berufungsgerichts.