BGHZ 47 , 312
NJW 1967, 1805
LM § 278 BGB Nr. 45
MDR 1967, 758
JZ 1968, 228
BB 1967, 561
DB 1967, 944
VersR 1967, 688
Zentrale Probleme:
siehe die Anm. zu BGHZ
66, 208 sowie zu BGH NJW 1999, 1404 und
BGH NJW 1999, 3192.
Zur Frage der Haftung der Verkäufers (hier: eines Spezialhändlers), der es übernommen hat, den Käufer über die Funktion und erforderliche Wartung der verkauften Maschine (einer Betonbereitungsanlage) zu unterrichten und hierfür unzureichende Bedienungsanleitungen des Herstellers verwendet hat.
Die Beklagte betreibt Handel mit Baumaschinen,
Baugeräten und Baueisenwaren. Sie verkaufte an die Klägerin eine
Betonbereitungsanlage zur Lieferung ab Werk der Nebenintervenientin. Dem
Kaufvertrag liegen die formularmäßigen Verkaufsbedingungen der
Beklagten zugrunde. Darin heißt es unter dem Abschnitt »Beanstandungen«
u. a.: »Schadensersatzansprüche irgendwelcher Art sind ausgeschlossen«.
Die Betonbereitungsanlage wurde in Teilen am 16. Oktober 1962 an eine Baustelle
geliefert, wo sie eingesetzt werden sollte. Dort wurde sie mit Hilfe des
von der Beklagten auf besondere Anforderung entsandten Monteurs am 19.
Oktober 1962 betriebsfertig montiert. Vorher hatte die Beklagte der Klägerin
eine Montageanleitung und ferner Bedienungsanleitungen übersandt.
In diesen heißt es unter der Überschrift »Wartung«:
Etwa vorhandene Staubablagerungen mit einem Blasbalg entfernen. Wenn Schütz
brummt, Magnetpolflächen von Verunreinigungen säubern. Wenn infolge
des Schaltfeuers die Schaltstücke durch Silberniederschlag schwarz
angelaufen sind, hat das keinen Einfluß auf das Betriebsverhalten.
Außerdem enthält die Bedienungsanleitung einige Hinweise unter
der Überschrift »Fehler und deren Beseitigung«. Die Betonbereitungsanlage
wurde am 30. Oktober 1962 in Betrieb genommen. Sie arbeitete zunächst
einwandfrei. In der zweiten Betonierperiode, in der die Witterung naßkalt
war, stellte sich heraus, daß mit ihrer Hilfe errichtete Trägerwände
für das Kellermauerwerk nicht die erforderliche Festigkeit hatten,
weil der Beton nicht entsprechend zubereitet worden war. Der bauausführende
Architekt beanstandete diesen Teil des Gebäudes. Hiervon setzte die
Klägerin am 28. November 1962 die Beklagte telefonisch in Kenntnis.
Auf deren Veranlassung entsandte die Nebenintervenientin (Herstellerfirma)
am folgenden Tage einen Monteur zur Baustelle, der bei Überprüfung
der Zementwaage in der Dosieranlage feststellte, daß die Entlüftungsvorrichtung
mit erhärtetem Zement und Eis verkrustet war. Infolgedessen konnte
die Waage wegen Luftstauungen nicht einwandfrei funktionieren. Der Monteur
beseitigte die störenden Ablagerungen und erweiterte die Öffnung
der Entlüftungsvorrichtung mit einem Schraubenzieher. In der Bedienungsanleitung
sind die Entlüftungsvorrichtung und die Notwendigkeit ihrer Überwachung
nicht erwähnt. Erst in späteren Neuauflagen wurde auf das mögliche
Verstopfen der Entlüftungsvorrichtung hingewiesen. Ferner wurde ein
entsprechendes Hinweisschild an den Betonbereitungsanlagen dieser Type
angebracht. Mit der Klage verlangte die Klagerin Ersatz des ihr durch Abbruch
und Neuerrichtung des Kellermauerwerks entstandenen Schadens in Höhe
von 17 613,67 DM nebst Zinsen. Sie machte geltend, die Beklagte sei verpflichtet
gewesen, auf die große Empfindlichkeit der Zementwaage und die über
das Normale hinausgehende Wartungsbedürftigkeit der Entlüftungsvorrichtung
aufmerksam zu machen. Dies habe die Beklagte grob fahrlässig versäumt.
Deshalb habe die Klägerin annehmen dürfen, daß die im Bauwesen
allgemein übliche Reinigung durch Abkehren und Abspritzen der Zementreste
zur Wartung der Betonbereitungsanlage ausreiche und daß es genüge,
wenn sie dem Schaltschütz, auf den sich die ihr übergebenen Bedienungsanleitungen
allein bezögen, ihre besondere Aufmerksamkeit schenke. Die Beklagte
erhob die Einrede der Verjährung und bestritt, für den der Klägerin
entstandenen Schaden verantwortlich zu sein.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat dagegen dem Klagebegehren entsprochen.
Die Revisionen der Beklagten und der Herstellerfirma,
die der Beklagten im Revisionsrechtszug als Streithelferin beigetreten
ist, hatten keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I....
II. Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß
die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin über die Behandlung
und Wartung der Maschine zu belehren und sich die zu diesem Zweck erforderlichen
Kenntnisse über ihre Handhabung zu verschaffen, unterliegt keinen
rechtlichen Bedenken. Das Berufungsgericht durfte dem Sachvortrag der Parteien
entnehmen, daß die Maschine bei naßkaltem Wetter einer besonders
sorgfältigen Wartung bedurfte, und es konnte als erforderlich ansehen,
daß die Klägerin hierauf in der Bedienungsanleitung hingewiesen
wurde. Diese im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Beurteilung
des Sachverhalts ist der Entscheidung des Revisionsgerichts zugrunde zu
legen. Ob und inwieweit der Verkäufer einer Maschine, der sie vom
Hersteller bezieht, beim Weiterverkauf den Käufer über die Beschaffenheit
des Vertragsgegenstandes, seine Verwendungsmöglichkeiten und die hierfür
erforderliche Wartung aufzuklären hat, hängt wesentlich von den
Umständen des Einzelfalles ab. Diese hat das Berufungsgericht berücksichtigt,
ohne daß hierbei ein Rechtsfehler ersichtlich ist. Es steht hier
nicht zur Entscheidung, ob die Beklagte verpflichtet war, die gelieferte
Maschine vor ihrer Ablieferung auf Fehler zu untersuchen, oder ob eine
solche Kontrollpflicht deshalb zu verneinen wäre, weil die Beklagte
auf die allgemeine Zuverlässigkeit des Herstellers vertrauen durfte
(vgl. zu dieser Frage insbesondere Diederichsen, Die Haftung des Warenherstellers,
1967, S. 32 f). Auch wenn die Beklagte zu einer solchen Kontrolle nicht
verpflichtet war, so traf sie die Verpflichtung zur Unterweisung der Klägerin
über die Behandlung und erforderliche Wartung der Maschine nach dem
vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt deshalb, weil die Beklagte
diese Verpflichtung als Nebenverpflichtung zum Kaufvertrag übernommen
hat. Die Verpflichtung wurde nicht schon dadurch erfüllt oder darauf
beschränkt, daß die Beklagte der Klägerin schriftliche
Montage- und Bedienungsanleitungen übersandte. Die Klägerin durfte
vielmehr nach den rechtlich einwandfreien Feststellungen des Berufungsgerichts
erwarten, daß die Beklagte ihr die erforderliche Aufklärung
über die für die Funktion der Anlage einschließlich der
Mischerwaage, über hierbei möglicherweise auftretende Störungen
und insbesondere auch über die erforderlichen Wartungsmaßnahmen
gab. Wenn sich die Beklagte zur Erfüllung dieser Verpflichtung des
von ihr entsandten Monteurs und der Bedienungsanleitungen bediente, die
von dem Herstellerwerk, der Nebenintervenientin, verfaßt und von
der Beklagten mit ihrem Firmenaufdruck versehen worden waren, so muß
sie für die festgestellte Unvollständigkeit dieser Aufklärung
und Anleitungen einstehen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie auch
ein eigenes Verschulden daran trifft, daß sie sich nicht selbst die
erforderlichen Kenntnisse verschafft hat, um die Klägerin ausreichend
aufklären zu können. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob
der Inhaber der Beklagten in der Lage war, zu erkennen, welche Bedeutung
der Entlüftungsöffnung für den Betrieb der Anlage beizulegen
war. Denn es genügt, daß jedenfalls der Hersteller, wie das
Berufungsgericht angenommen hat, hierüber unterrichtet sein mußte.
Bediente sich die Beklagte, um eine eigene Verpflichtung zur Aufklärung
über die Funktion und Wartung der Anlage gegenüber der Klägerin
zu erfüllen, der vom Hersteller verfaßten Bedienungsanleitung,
die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unzureichend war, so
bestehen keine Bedenken, das Lieferwerk hinsichtlich dieser Verbindlichkeit
als Erfüllungsgehilfen der Beklagten anzusehen (vgl. Diederichsen
aaO S. 33).
III. .
IV. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis auch
darin beizutreten, daß sich die Beklagte durch ihre Lieferbedingungen
von einer Haftung für schuldhafte Verletzung der festgestellten Aufklärungspflicht
nicht freigezeichnet hat. Die Freizeichnungsklausel, die »Schadensersatzansprüche
irgendwelcher Art« ausschließt, findet sich in dem mit »Beanstandungen«
überschriebenen Abschnitt der Verkaufsbedingungen, der Art und Weise
sowie Frist der Geltendmachung von Beanstandungen »gegen Gewicht,
Größe, Stückzahl und Beschaffenheit usw.« regelt,
die Gewährleistungsansprüche - Wandlung, Minderung - ausschließt
und stattdessen bei fehlerhaft gelieferten Stücken kostenlosen Ersatz
oder Nachbesserung nach Wahl der Beklagten vorsieht. Der Haftungsausschluß
umfaßt demnach, wie das Berufungsgericht rechtlich bedenkenfrei ausführt,
nur solche Schadensersatzansprüche, die sich aus den genannten Beanstandungen
ergeben und damit nur Beanstandungen, die eine vertragswidrige Beschaffenheit
des Kaufgegenstandes betreffen. Dem Gesamtinhalt der Verkaufsbedingungen
und der Einordnung des Ausschlusses von Schadensersatzansprüchen irgendwelcher
Art entnimmt das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel
für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen, daß
der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Nebenpflichten hierdurch
nicht betroffen werde. Die Revision hält dem entgegen, daß mit
der Freizeichnungsklausel auch die Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung
ausgeschlossen seien. Die Begrenzung der Ansprüche, wie sie unter
dem Titel »Beanstandungen« geregelt seien, zeige deutlich,
daß alles, was dort nicht zugelassen sei, ausgeschlossen werden sollte.
Unter dem Titel »Lieferfristenangaben« sei bestimmt: »Verzugsstrafen
oder sonstige Schadensersatzansprüche irgendwelcher Art sind ausgeschlossen«.
Auch damit seien ersichtlich Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung
ausgeschlossen worden. Daß die Haftungsbeschränkung unter dem
Titel »Beanstandungen« Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung
ergreife, entnimmt die Revision auch der Klausel, in der es heißt:
»Für die Beachtung berufsgenossenschaftlicher Schutzvorschriften
übernehme ich hinsichtlich der von mir gelieferten Waren keine Gewähr«.
Hierbei handele es sich, so meint die Revision, stets um Ansprüche
aus positiver Vertragsverletzung. Die Streithelferin weist ergänzend
darauf hin, daß zur Beschaffenheit des Kaufgegenstandes auch die
Beschaffenheit der Entlüftungsöffnung, nämlich ihre Größe
und die Art der Abdeckung gehörten. Somit habe sich die Beklagte auch
von der Haftung für Schäden freigezeichnet, die sich aus dieser
Beschaffenheit der Entlüftungsvorrichtung ergeben. Bei der Prüfung
dieser Angriffe gegen das Berufungsurteil kann davon ausgegangen werden,
daß es sich um Bedingungen handelt, die über den Bezirk des
Berufungsgerichts hinausgehen und deshalb der freien Auslegung durch das
Revisionsgericht unterliegen. Der Ausschluß von Schadensersatzansprüchen
in dem Abschnitt »Beanstandungen« kann zwar bei Mängeln
der Kaufsache auch auf Schadensersatzansprüche bezogen werden, die
über die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche hinausgehen
und sich aus schuldhafter Schlechtlieferung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt
der positiven Vertragsverletzung herleiten lassen (vgl. Urt. des erkennenden
Senats vom 17. Februar 1965 - VIII ZR 75/63). Deshalb ist der Revision
darin zu folgen, daß sich die Freizeichnung von Schadensersatzansprüchen
nicht auf die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche beschränkt.
Den Bedingungen kann jedoch nicht - jedenfalls nicht mit der erforderlichen
Klarheit - entnommen werden, daß die Beklagte hiermit auch von Ansprüchen
wegen Verletzung der sie treffenden Verpflichtung zur Aufklärung des
Käufers über die erforderliche Behandlung und Überwachung
des Kaufgegenstandes freigestellt werden soll. Wenn die Beklagte dies erreichen
wollte, so hätte sie derartige Ansprüche in einer dem Kunden
klar verständlichen Weise ausschließen müssen. Auch wenn
eine Handelsfirma, die Spezialmaschinen verkauft, Schadensersatzansprüche
wegen Verzuges bei Überschreitung vereinbarter Lieferfristen und wegen
Mängeln der Kaufsache ausschließt sowie keine Gewähr für
die Beachtung berufsgenossenschaftlicher Schutzvorschriften übernimmt,
so ist es doch nicht selbstverständlich, daß sie damit auch
jede Haftung für ungenügende Aufklärung des Käufers
ausschließen will, wenn es sich nicht um einen Mangel der Kaufsache
handelt. Bei weitgehendem Haftungsausschluß in einer Freizeichnungsklausel
ist eine enge Auslegung geboten. Es erscheint daher gerechtfertigt, die
Freizeichnungsklausel in den allgemeinen Verkaufsbedingungen der Beklagten
nicht auch auf Schadensersatzansprüche zu beziehen, dienicht aus einem
Mangel der Kaufsache hergeleitet werden, sondern aus einer mangelnden Unterrichtung
über die erforderliche Behandlung und Überwachung der mangelfrei
gelieferten Kaufsache.
V. Die Einrede der Verjährung ist nicht begründet.
Nach § 477 Abs. 1 BGB verjährt der Anspruch wegen Mangels einer
zugesicherten Eigenschaft bei beweglichen Sachen in 6 Monaten von der Ablieferung,
sofern nicht der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
Die Maschine war am 19. Oktober 1962 betriebsfertig montiert worden, die
Klageschrift ist beim Gericht am 3. Mai 1963 eingereicht. Wie der Senat
in dem Urteil vom 19. Oktober 1964 - VIII ZR 20/63 - (NJW 1965, 148 = MDR
1965, 39 = BGH Warn 1964 Nr. 229) dargelegt hat, findet § 477 BGB
auf den Anspruch aus schuldhafter Verletzung einer Nebenverpflichtung zur
richtigen Beratung über die Eignung der Kaufsache (aaO handelte es
sich um elektrische Wärmespeicher) für den Vertragszweck jedenfalls
dann Anwendung, wenn sich das Verschulden auf Angaben über Eigenschaften
(dort Leistungen) der Kaufsache bezieht. Dies folgerte der Senat aus dem
Grundgedanken des § 477 Abs. 1 BGB: Nach dieser Vorschrift soll vermieden
werden, daß der Käufer auf Sachmängel nach längerer
Zeit zurückgreift (Motive II 238). Sie ist aber dann nicht anzuwenden,
wenn es sich um einen mit einem Mangel der Kaufsache nicht zusammenhängenden
Anspruch handelt (vgl. insbesondere RGZ 144, 162, 163). Im vorliegenden
Falle handelt es sich nicht um einen mit einem Mangel der Maschine zusammenhängenden
Schadensersatzanspruch, also nicht um die Auswirkung von Sachmängeln.
Die Klägerin macht vielmehr geltend, daß die Maschine nicht
mangelhaft sei, sondern daß für die Verwendung der mangelfreien
Maschine durch die Bedienungsanweisung eine unrichtige und unvollständige
Belehrung erteilt worden sei. Für einen derartig begründeten
Anspruch aus der Verletzung einer Nebenverpflichtung ist die Vorschrift
des § 477 Abs. 1 BGB nach ihrem Grundgedanken nicht anzuwenden (vgl.
Brüggemann, HGB-RGRK, 2. Aufl. , (1961) § 377 Anm. 134).