Bezifferung bei Teilklage, Bestimmtheitserfordernis: Bereicherungsrechtliche Saldotheorie als Frage der Begründetheit der Klage


BGH, Versäumnisurteil v. 12.1.2006 - III ZR 138/05


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Eigene Leitsätze:

1. Bei einer Teilklage aus mehreren selbständigen Ansprüchen muß der Kläger beziffern, in welcher Höhe welcher Anspruch geltend gemacht wird.
2. Die Berücksichtigung der Gegenleistung bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gegenseitiger Verträge im Wege der Saldotheorie ist eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit der Klage.


Zentrale Probleme:

Zur Funktionsweise der Saldotheorie vgl. die Anm. zu BGH NJW 1999, 1181 f, zu BGH NJW 2000, 3563 sowie zu BGHZ 146, 298 = NJW 2001, 1127. Zur Saldotheorie bei ungleichartigen Leistungen s. die Anm. zu BGH v. 24.10.2003 - V ZR 24/03. Zur Saldotheorie in der Insolvenz s. BGH NJW 2002, 1050.

©sl 2006


Tatbestand:

Der Kl. ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herz- und Kreislaufzentrums D. e.V. (im Folgenden: Verein). Dieser betrieb ein Fachkrankenhaus zur Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen. Der Verein war im Krankenhausplan des Freistaats Sachsen als Träger des Herz- und Kreislaufzentrums D. mit 160 Betten eingetragen. Da ihm diese Bettenzahl zunächst nicht zur Verfügung stand, übernahm es die Bekl. auf Grund mehrerer Verträge mit dem Verein, in einer von diesem unterhaltenen Außenstelle kardiologische Leistungen zu erbringen. Die Zusammenarbeit setzte sich auch über den Zeitpunkt hinaus fort, zu dem der Verein über die im Krankenhausplan enthaltene Bettenzahl verfügte. Im Außenverhältnis zu den Patienten trat der Verein auf, der die erbrachten Leistungen auch gegenüber den Kostenträgern abrechnete und im Innenverhältnis der Bekl. vergütete. In den Jahren 1998 bis 2000 zahlte er an die Bekl. für die Behandlung von gesetzlich krankenversicherten Patienten gegen Abrechnung der jeweils erbrachten Leistungen 54.500.533 DM. Unter dem 15. 12. 2000 kündigte der Verein das Vertragsverhältnis mit der Bekl..

Der Kl. ist der Auffassung, die zwischen der Bekl. und dem Verein geschlossenen Verträge seien unwirksam, da dieser nicht wirksam vertreten gewesen sei. Überdies verstießen die Vereinbarungen gegen § 108 SGB V, der ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB beinhalte. Weiter hält der Kl. die Zahlungen für insolvenzrechtlich anfechtbar. Er verlangt die geleisteten 54.500.533 DM zurück, von denen er im Klagewege aus Kostengründen zunächst nur jeweils 2.000.000 € für die Jahre 1998, 1999 und 2000 geltend gemacht hat.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Teilforderungen seien nicht hinreichend bestimmt auf die verschiedenen Rückforderungsansprüche verteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung blieb auch nach Änderung der Anträge und Erhöhung der Klageforderung auf 6.646.774,83 € erfolglos. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kl. sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff).

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer..

I. Das BerGer. ist der Auffassung des LG beigetreten, die Klageforderung sei zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung nicht hinreichend bestimmt gewesen. Dieser Mangel sei auch im Berufungsrechtszug trotz Änderung der Klageanträge nicht behoben worden. Der Kl. habe nicht berücksichtigt, dass von seiner Erstattungsforderung nach der Saldotheorie der Wert der von der Bekl. erbrachten Leistungen von vornherein in Abzug zu bringen sei. Deshalb habe der Kl. zu jedem Einzelfall vortragen und im Einzelnen anrechnen müssen, was als Gegenleistung durch die Bekl. erbracht worden sei. Dies habe er nicht beachtet, so dass nicht zu erkennen sei, welcher konkrete Teil des Gesamtanspruchs Gegenstand der Klage sein solle.

II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Entgegen der Ansicht des BerGer. ist die Klage spätestens seit Zustellung der Berufungsbegründung mit den neuen Anträgen an die Bekl. hinreichend bestimmt (§ 253 II Nr. 2 ZPO).

1. a) Wird mit der Klage ein Teilbetrag geltend gemacht, der sich aus mehreren selbständigen Ansprüchen zusammensetzt, muss der Kl. im Einzelnen angeben, wie er die Klagesumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt wissen will oder zumindest angeben, in welcher Reihenfolge er die Forderungen bis zur geltend gemachten Gesamthöhe beansprucht, da anderenfalls der Umfang der Rechtskraft des Urteils nicht festzustellen wäre (BGH, Urteil vom 8. 12. 1989 - V ZR 174/88 - NJW 1990, 2068, 2069; siehe auch BGHZ 124, 164, 166 f; BGH, Urteile vom 19. 6. 2000 - II ZR 319/98 - NJW 2000, 3718, 3719 und vom 27. 11. 1996 - VIII ZR 311/95 - NJW-RR 1997, 441). Die Aufteilung der Klagesumme auf einzelne Positionen einer Rechnung ist allerdings dann nicht erforderlich, wenn es sich hierbei nur um unselbständige Rechnungsposten handelt (BGH, Urteil vom 19. 6. 2000 aaO und Urteil vom 13. 3. 2003 - VII ZR 418/01 - BGHR ZPO [31. 12. 2001] § 253 II Nr. 2, Bestimmtheit 57, Teilklage).

b) Diesen Anforderungen genügt die Klage spätestens in der Fassung der Berufungsbegründung, in der die Forderung auf 6.646.774,83 € erhöht war.

Der Kl. hat angegeben, welche einzelnen Beträge er für das jeweilige Jahr zurückverlangt. Die Summen sind durch die Zuordnung zu einzelnen angeführten Monatsrechnungen, deren Beträge der Kl. jeweils in voller Höhe zurückverlangt, hinreichend individualisiert.

2. Entgegen der Auffassung des BerGer. führt es nicht zur Unzulässigkeit der Klage, dass der Kl. bei seinen Forderungen nicht nach der Saldotheorie die als Gegenleistungen für die zurückverlangten Rechnungsbeträge erbrachten medizinischen Leistungen der Bekl. berücksichtigt hat.

a) Nach der Saldotheorie ist bei der kondiktionsrechtlichen Rückabwicklung gegenseitiger Verträge durch Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang verursachten Vor- und Nachteile zu ermitteln, für welchen der Beteiligten sich ein Überschuss (Saldo) ergibt. Dieser Beteiligte ist Gläubiger eines einheitlichen, von vornherein durch Abzug der ihm zugeflossenen Vorteile beschränkten Bereicherungsanspruchs. Er darf sich nicht damit begnügen, das von ihm auf Grund des unwirksamen Vertrags Geleistete zurückzuverlangen, sondern muss bei der Darlegung seines Bereicherungsanspruchs sogleich das mitberücksichtigen, was die andere Partei geleistet hat, um den Vertrag zu erfüllen (BGHZ 109, 139, 148 m.w. Nachw.; BGH, Urteil vom 10. 2. 1999 - VIII ZR 314/97 - NJW 1999, 1181).

b) Hierbei handelt es sich entgegen dem der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde liegenden Ansatz um rein materiell-rechtliche Fragen. Ob der vom Kl. erhobene Anspruch nicht oder nicht in voller Höhe besteht, weil die Bekl. für die von ihr in Rechnung gestellten Beträge Gegenleistungen erbracht hat, deren Wert nach § 818 II, 3 BGB von dem möglichen Kondiktionsanspruch des Kl. abzuziehen ist, ist deshalb eine Frage der Begründetheit der Klage. An der Bestimmtheit des Klageanspruchs ändert die unterbliebene Berücksichtigung der Gegenansprüche nichts. Es bleibt klar, welche Teile der insgesamt an die Bekl. entrichteten Beträge der Kl. zurückverlangt.

c) Dessen ungeachtet hätte das BerGer. ohnehin nicht unbesehen die Saldotheorie heranziehen dürfen. Das BerGer. hat unberücksichtigt gelassen, dass der Kl. seine Rückzahlungsforderung nicht nur auf kondiktionsrechtliche Anspruchsgrundlagen stützt. Vielmehr verlangt er gem. § 143 I InsO die Rückgewähr der Zahlungen des Gemeinschuldners an die Bekl.. Der Anfechtungsgegner ist, wenn er das Erlangte zurückgewährt, hinsichtlich seines Gegenanspruchs nach § 144 II InsO nur unter besonderen Umständen Massegläubiger. Ansonsten ist sein Anspruch eine einfache Insolvenzforderung, bei der eine Saldierung nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu MünchKommInsO-Kirchhof, § 144 Rn. 16; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 144 Rn. 13-15 m.w. Nachw.). Das BerGer. hätte sich hiermit befassen müssen.

3. Da der Rechtsstreit wegen der noch ausstehenden Klärung des Sachverhalts und der materiell-rechtlichen Fragen noch nicht zur Entscheidung reif ist, war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen (§ 563 I ZPO).