Beitritt zu
einem "geschlossenen Immobilienfonds"
und Kreditvertrag als "verbundenes Geschäft" i.S.v. § 9 VerbrKrG (= §
358 III BGB n.F.); Einwendungsdurchgriff (§ 359 BGB n.F.)
BGH, Urteil vom 14. Juni 2004 - II ZR 374/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Fundstelle:
NJW 2004, 2742
Zentrale Probleme:
s. die
die
Pressemitteilung des
BGH Nr. 66/04 vom 14.6.2004 sowie die Anm. zu
NJW-RR 2003, 1203,
BGH NJW 2002, 2325, BGH v. 2.12.2003 - XI ZR
53/02,
BGH v. 20.4.2004 - XI ZR 171/03.
Amtl. Leitsatz:
a) Der Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds und der zur Finanzierung
dieses Beitritts abgeschlossene Kreditvertrag bilden jedenfalls dann ein
verbundenes Geschäft i.S. des § 9 VerbrKrG, wenn sich der Fonds und die
Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen.
b) Wenn der Anleger bei dem Fondsbeitritt getäuscht worden ist, kann er die
daraus gegen die Gründungsgesellschafter und die sonst für die Täuschung
Verantwortlichen folgenden Schadensersatzansprüche auch der Bank entgegensetzen.
Er schuldet daher nicht die Rückzahlung der Darlehensvaluta,
sondern hat der Bank nur seinen Fondsanteil einschließlich seiner Schadensersatzansprüche
zu übertragen. Umgekehrt hat ihm die Bank die geleisteten
Zins- und Tilgungsraten abzüglich der vereinnahmten Erträgnisse und
Steuervorteile zurückzuzahlen.
c) Um diese Rechtsfolgen auszulösen, braucht der Anleger seine Beteiligung
an dem Fonds nicht diesem gegenüber zu kündigen. Es genügt, daß er sich
gegenüber der Bank auf die Täuschung beruft.
Tatbestand:
Die Beklagte unterzeichnete am 11. August 1992 ein mit "Eintrittsantrag" überschriebenes Formular, in dem sie sich bereit erklärte, mit
drei Einlagen von zusammen 91.950,00 DM der G. GbR S., Fonds (im
folgenden: Fonds) beizutreten. Der Fonds war gegründet worden von der W.
GmbH S. (im folgenden: W.) und ihrem Geschäftsführer N.. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Bebauung und die wirtschaftliche Nutzung
verschiedener Grundstücke in S.. Mit dem Vertrieb der Fondsanteile war
u.a. die D. GmbH beauftragt. Eine Mitarbeiterin dieses Unternehmens hatte der Beklagten den "Eintrittsantrag" vorgelegt, nachdem bereits zuvor ein Prospekt
des Fonds übergeben worden war.
Die Einlage der Beklagten sollte in vollem Umfang durch ein Darlehen
mit Tilgung durch eine Lebensversicherung finanziert werden. Die Zinsen sollten
im wesentlichen aus den Erträgnissen des Fonds aufgebracht werden.
Dementsprechend unterzeichnete die Beklagte ebenfalls am 11. August 1992
ein ihr von der Mitarbeiterin der D. GmbH vorgelegtes und an die Rechts-
vorgängerin der klagenden Bank, die R.bank Si. eG (im folgenden einheitlich: Klägerin), gerichtetes Angebot auf Abschluß eines Darlehensvertrags
über insgesamt 116.744,40 DM. Die Darlehensvaluta abzüglich eines
Disagios und einer Bearbeitungsgebühr wurde von der Klägerin über einen
Treuhänder an den Fonds ausgezahlt.
In der Folgezeit blieben die Mieteinnahmen des Fonds deutlich hinter
den in dem Prospekt aufgeführten Zahlen zurück. Der Differenzbetrag wurde
von der W. aufgrund einer von ihr übernommenen Mietgarantie ausgeglichen. Nur aufgrund dieser Zahlungen konnten die Zinsen für das Darlehen zunächst
im wesentlichen aus den Mitteln des Fonds aufgebracht werden. Am
31. Oktober 1997 fiel die W. in Konkurs. Seit diesem Zeitpunkt zahlte die Be-
klagte die Zinsraten aus eigenen Mitteln. Ab dem 1. September 1998 stellte sie
ihre Zahlungen ein, weil sie sich über die Rentabilität des Fonds getäuscht fühlte.
Mit der Klage verlangt die Klägerin nach Kündigung des Darlehensvertrags
Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta in Höhe von
109.024,30 DM. Die Beklagte verlangt widerklagend Rückzahlung der an die
Klägerin gezahlten Zinsen in Höhe von 40.493,63 DM und Rückübertragung der
gewährten Sicherheiten Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Anteile an dem
Fonds, ferner die Feststellung, daß sie nicht verpflichtet sei, aus dem Darlehensvertrag
weitere Leistungen an die Klägerin zu erbringen.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und die Widerklage
abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagte zu
dem Fondsbeitritt durch eine arglistige Täuschung des Fondsinitiators
N. oder der von ihm eingeschalteten Vertriebshelfer bestimmt
worden ist, und hat gemeint, ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG
(§§ 358 f. BGB in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung) sei schon
deshalb nicht möglich, weil diese Vorschrift auf Kredite zur Finanzierung einer
Beteiligung an einem in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
betriebenen geschlossenen Immobilienfonds nicht anwendbar sei. Das ist unzutreffend.
2. Wie der Senat bereits in seinem nach dem Erlaß der angefochtenen
Entscheidung ergangenen Urteil vom 21. Juli 2003 (II ZR 387/02, NJW 2003,2821, 2822 = ZIP 2003, 1592, 1593 f.; ebenso in den Entscheidungen vom heutigen
Tage in den Parallelsachen II ZR 393/02 und II ZR 395/01) entschieden
hat, erfüllen der Beitritt zu einer Anlagegesellschaft und das diesen Beitritt
finanzierende Kreditgeschäft die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts
gemäß § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG, wenn sich - wie hier - die Fondsgesellschaft
und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen. Wird der Anleger
bei dem Beitritt über die Bedingungen der Fondsanlage getäuscht, kann er
seine Gesellschaftsbeteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche
auch der Bank entgegenhalten. Das Kündigungsrecht kann auch dadurch ausgeübt
werden, daß der Anleger der Bank mitteilt, er sei durch Täuschung zu
dem Fondsbeitritt veranlaßt worden, und ihr die Übernahme seines Gesellschaftsanteils
anbietet (Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, NJW 2003,
2821, 2823 = ZIP 2003, 1592, 1595; anders noch BGH, Urt. v. 27. Juni 2000
- XI ZR 174/99, NJW 2000, 3558, 3560 = ZIP 2000, 1430). Darüber hinaus
kann der Anleger der Bank aber auch alle Ansprüche entgegensetzen, die er
gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds und die Initiatoren, maßgeblichen
Betreiber, Manager, Prospektherausgeber und sonst für den Anlageprospekt
Verantwortlichen hat. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß im Verhältnis zu
der den Gesellschaftsbeitritt finanzierenden Bank die Prospektverantwortlichen
und Gründungsgesellschafter als Geschäftspartner auftreten. Nur mit ihnen
oder dem von ihnen beauftragten Vertriebsunternehmen hat die Bank im Vorfeld
der Anlegerwerbung zu tun, nicht dagegen mit der Gesellschaft oder den
übrigen - ebenfalls getäuschten - Anlagegesellschaftern. Nur den Prospektverantwortlichen
und Gründungsgesellschaftern bzw. dem Vertriebsunternehmen
überläßt die Bank auch die Anbahnung der Darlehensverträge, die dann mit
den einzelnen Anlegern geschlossen werden. Das rechtfertigt es, die Prospektverantwortlichen
und Gründungsgesellschafter auch im Rahmen des § 9
VerbrKrG als Geschäftspartner anzusehen. Die dem Verbundgeschäft zugrundeliegende Dreiecksbeziehung Kunde - Verkäufer - Bank erschöpft sich daher
nicht in den Beziehungen zwischen dem Anleger, der Gesellschaft und der
Bank. Vielmehr sind auch die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter
wie ein Verkäufer zu behandeln. Die Ansprüche, die dem Anleger gegen
die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter zustehen, kann
er daher ebenfalls gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG im Verhältnis zu der
Bank geltend machen.
Die gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter
gerichteten Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung, Verschulden bei
Vertragsschluß und ggf. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sind darauf gerichtet,
den Anleger so zu stellen, als wäre er dem Fonds nicht beigetreten und
hätte mit der Bank keinen Darlehensvertrag geschlossen. Im Rahmen des § 9
Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG folgt daraus, daß der Anleger dem Finanzierungsinstitut
nur seine Gesellschaftsbeteiligung einschließlich der aus der Fehlerhaftigkeit
ihres Erwerbs folgenden Schadensersatzansprüche abtreten, ihm aber die Darlehensvaluta,
die nicht an ihn, sondern an den Treuhänder geflossen ist, nicht
zurückzahlen muß. Zugleich hat er im Wege des sog. Rückforderungsdurchgriffs
entsprechend § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003
- II ZR 387/02, NJW 2003, 2821, 2823 = ZIP 2003, 1592, 1595) einen Anspruch
gegen die Bank auf Rückgewähr der von ihm aufgrund des Darlehensvertrags
erbrachten Leistungen.
Danach hat die Beklagte - ausgehend von ihrem für das Revisionsverfahren
als wahr zu unterstellenden Sachvortrag - gegen die Klägerin einen umfassenden
Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre sie dem Fonds nicht
beigetreten und hätte den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen. Sie schuldet
also nur die - in ihrem Widerklageantrag bereits berücksichtigte - Übertragung
der Fondsanteile und kann umgekehrt diejenigen Zahlungen ersetzt verlangen,
die sie geleistet hat. Eventuell vereinnahmte Gewinnanteile oder sonstige Leistungen
des Fonds muß sie sich im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen
lassen, ebenso Steuervorteile, denen keine Nachzahlungsansprüche des
Finanzamts gegenüberstehen (vgl. BGHZ 74, 103, 113 ff.; 79, 337, 347;
Loritz/Wagner, ZfIR 2003, 753). In entsprechender Anwendung des § 255 BGB
hat sie schließlich die ihr gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter
des Fonds zustehenden Schadensersatzansprüche an die Klägerin
abzutreten.
3. Diese Rechte der Beklagten sind entgegen der Auffassung der Klägerin
auch nicht wegen Zeitablaufs oder Verwirkung ausgeschlossen.
Zwar kann ein Recht zur Kündigung einer Gesellschaftsbeteiligung aus
wichtigem Grund nach Ablauf einer gewissen Zeit ausgeschlossen sein
(Sen.Urt. v. 31. Mai 1965 - II ZR 251/63, WM 1965, 976; v. 11. Juli 1966
- II ZR 215/64, NJW 1966, 2160, 2161). Die Voraussetzungen dafür sind hier
aber nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob diese Frist abgelaufen war, als
die Beklagte mit Schreiben vom 26. September 2000 ihre Gesellschaftsbeteiligung
gegenüber dem Geschäftsführer des Fonds gekündigt hat. Entscheidend
ist nämlich, wann sie gegenüber der Klägerin ihre Zahlungen eingestellt und die
Übertragung ihrer Gesellschaftsanteile angeboten hat. Denn das ersetzte im
Verhältnis zu der Klägerin die Kündigung gegenüber der Gesellschaft (vgl.
Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, WM 2003, 1762, 1764 = ZIP 2003,
1592, 1595). Die Zahlungsverweigerung wegen Täuschung über die Bedingungen
des Fonds, verbunden mit dem Angebot zur Übertragung der Fondsbeteiligungen,
erfolgte aber schon mit Schreiben vom 25. August 1998, mithin weniger
als ein Jahr nach dem Konkurs der W.. Daß zu diesem Zeitpunkt das Kündigungsrecht wegen Zeitablaufs entfallen sein könnte, ist nicht anzunehmen.
Erst recht waren zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen einer Verwirkung
nicht erfüllt.
4. Die Klage ist somit nach dem Sachvortrag der Beklagten unbegründet,
ohne daß es auf die ebenfalls streitige Frage ankommt, ob die Klägerin eine
eigene Aufklärungspflicht verletzt hat und deshalb nach den Grundsätzen des
Verschuldens bei Vertragsschluß auf Schadensersatz haftet (s. dazu das Senatsurteil
vom heutigen Tage in der Parallelsache II ZR 393/02). Im Rahmen
der erneuten Verhandlung hat das Berufungsgericht aufzuklären, ob die Beklagte
tatsächlich durch falsche Angaben in dem Prospekt getäuscht und dadurch
zu dem Fondsbeitritt bestimmt worden ist. Hinsichtlich der Widerklage ist noch
aufzuklären, ob und ggf. in welchem Umfang die Darlehenszinsen in der von
der Beklagten geltend gemachten Höhe von 40.493,63 DM nicht aus ihrer
Fondsbeteiligung, sondern aus ihrem sonstigen Vermögen aufgebracht worden
und damit von der Klägerin zu ersetzen sind. Dabei kann auch geklärt werden,
ob den Steuervorteilen der Beklagten, wie sie aus den von ihr vorgelegten
Steuerbescheiden ersichtlich sind, keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts gegenüberstehen, so daß diese Steuervorteile im Rahmen des Vorteilsausgleichs
zu berücksichtigen sind.
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