Kreditfinanzierter Beitritt zu
einem "geschlossenen Immobilienfonds":
Anwendbarkeit des HWiG (jetzt: § 312 BGB n.F.), Zurechnung der
"Haustürsituation", Rückabwicklung bei "verbundenen Geschäften"
BGH, Urteil vom 14. Juni 2004 - II ZR 385/02 - OLG München
LG Augsburg
Fundstelle:
NJW 2004, 2735 (nur
Ls.)
Zentrale Probleme:
s. die
Pressemitteilung des
BGH Nr. 66/04 vom 14.6.2004 sowie die Anm. zu
NJW-RR 2003, 1203,
BGH NJW 2002, 2325, BGH v. 2.12.2003 - XI ZR
53/02,
BGH v. 20.4.2004 - XI ZR 171/03.
Achtung: Die Rspr. zur Zurechnung des
Verhaltens von Hilfspersonen analog § 123 II BGB hat der BGH in
BGH v.
12.12.2005 - II ZR 327/04
aufgegeben!!!
Amtl. Leitsatz:
a) Auf einen kreditfinanzierten Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds
kommen die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes auch dann zur Anwendung,
wenn das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen
oder erloschen ist. b) Die Haustürsituation ist der den Beitritt finanzierenden Bank jedenfalls dann
zurechenbar, wenn sie dem von dem Fonds eingeschalteten Vermittler die
Anbahnung auch des Kreditvertrages überläßt und wenn aufgrund des Inhalts
der Kreditunterlagen Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Anleger in
einer Haustürsituation geworben worden ist. c) Nach einem Widerruf gemäß § 1 HaustürWG ist der Anleger nicht verpflichtet,
der Bank die Darlehensvaluta zurückzuzahlen. Er hat lediglich seinen
Fondsanteil an die Bank abzutreten. Umgekehrt schuldet ihm die Bank
Rückzahlung der geleisteten Zins- und Tilgungsraten abzüglich der vereinnahmten
Erträgnisse.
Tatbestand:
Die Kläger unterzeichneten am 30. Juni 1997 eine "Beitrittserklärung"
zu der E. KG ER. Beteiligungs GmbH & Co, einem geschlossenen Immobilienfonds (im folgenden: Fonds). Danach beteiligten sie sich an dem
Fonds über die ER. Verwaltungs GmbH als Treuhandkommanditistin mit
einer Einlage in Höhe von 70.000,00 DM. Die Vertragsverhandlungen fanden in
der Wohnung der Kläger statt auf Initiative und unter Beteiligung einer Frau T. - jetzt: B. -, Mitarbeiterin des Vermittlungsunternehmens I. GmbH,
das von dem Fonds mit der Anwerbung von Anlegern beauftragt worden
war. Die Beteiligung der Kläger sollte in vollem Umfang durch einen Kredit der
beklagten Bank finanziert werden. Nachdem die Kläger dazu ebenfalls am
30. Juni 1997 eine Selbstauskunft abgegeben hatten, unterschrieben sie am
28. Juli 1997 ein ihnen von Frau B. vorgelegtes und bereits gegengezeich-
netes Darlehensvertragsformular der Beklagten über ein Darlehen in Höhe von
- einschließlich Disagio und Bearbeitungsgebühr - 83.522,00 DM. Die Netto-
Darlehenssumme in Höhe von 73.500,00 DM - davon 3.500,00 DM als Agio -
wurde von der Beklagten an den in der Beitrittserklärung bezeichneten Mittelverwendungstreuhänder
gezahlt.
Mit Anwaltsschreiben vom 10. März 2000 an den Vertreter des Fonds
widerriefen die Kläger ihren Beitritt und erklärten zugleich die Kündigung ihrer
Beteiligung und die Anfechtung der Beitrittserklärung. Mit Schreiben vom selben
Tage an die Beklagte verweigerten sie die weiteren Zins- und Tilgungszahlungen
und verlangten Rückzahlung der bereits geleisteten Raten, Zug um Zug
gegen Übertragung ihrer Beteiligung an dem Fonds. Sowohl der Fonds als auch
die Beklagte wiesen das Begehren der Kläger mit der Begründung zurück, eine
Kündigung sei frühestens zum 31. Dezember 2011 möglich.
Die Kläger haben behauptet, die Vermittlerin B. habe ihnen erklärt,
die Beteiligung an dem Fonds und der Darlehensvertrag könnten jederzeit mit
sofortiger Wirkung gekündigt werden, wenn sich ihre finanziellen Verhältnisse
nachteilig ändern würden.
Mit der Klage verlangen sie Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten
17.061,00 DM und Feststellung, daß zwischen ihnen und der Beklagten kein wirksamer Darlehensvertrag bestehe und sie insbesondere nicht verpflichtet
seien, an die Beklagte aus dem Darlehensvertrag Zins- und Tilgungsbeträge zu
entrichten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat
sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt ist
die Klage schon deshalb begründet, weil der Darlehensvertrag der Parteien
unwirksam ist. Die Kläger waren berechtigt, ihre auf den Abschluß des Darlehensvertrags
gerichteten Willenserklärungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG
(in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung, jetzt § 312 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 BGB) zu widerrufen.
1. Das Berufungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen, weil es
gemeint hat, daß ein Widerruf des Fondsbeitritts zu keinen anderen Rechtsfolgen
führen könne als eine fristlose Kündigung wegen arglistiger Täuschung.
Daraus ergebe sich aber nur ein Abfindungsanspruch gegen die Fondsgesellschaft,
der auch über § 9 Abs. 3 VerbrKrG der Bank nicht entgegengesetzt werden
könne. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.
2. Wie der Senat in der Entscheidung vom heutigen Tage in der Parallelsache
II ZR 395/01 ausgesprochen und begründet hat, finden auf eine Darlehensvertragserklärung, die ein Verbraucher in einer Haustürsituation abgibt
oder zu der er in einer solchen Situation veranlaßt wird, auch dann die Vorschriften
des Haustürwiderrufsgesetzes Anwendung, wenn der Darlehensvertrag
zugleich die Voraussetzungen eines Vertrags nach dem Verbraucherkreditgesetz
erfüllt. So liegt der Fall hier. Die Kläger sind von der Vermittlerin
B. - wie der Senat aufgrund des Sachvortrags der Parteien und mangels
entgegenstehender, zu weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts Anlaß
gebender Umstände selbst feststellen kann - in ihrer Wohnung aufgesucht worden
und haben dort den Darlehensvertrag unterschrieben. Der Vertrag erfüllt
damit auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 VerbrKrG. Aus den soeben
genannten Gründen ist der Umstand, daß das damit zugleich begründete
Widerrufsrecht nach § 7 Abs. 1 VerbrKrG (in der bis zum 30. September 2000
geltenden Fassung) aufgrund der von den Klägern gesondert unterzeichneten
Belehrung über das Widerrufsrecht, jedenfalls aber wegen Ablaufs der Jahresfrist
aus § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG mittlerweile erloschen ist, für das Recht
zum Widerruf nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG ohne Bedeutung.
4. Das Widerrufsrecht der Kläger nach dem Haustürwiderrufsgesetz ist
nicht durch Fristablauf erloschen.
Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels
ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HaustürWG (in der
bis zum 30. September 2000 gültigen Fassung) nicht zu laufen begonnen. Die
mit dem Darlehensvertragsformular verbundene Widerrufsbelehrung genügt
nämlich nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 HaustürWG.
Die von den Klägern unterzeichnete Erklärung enthält den Zusatz, daß
im Falle des Widerrufs des Darlehensvertrags auch der Beitrittsvertrag nicht wirksam zustande komme. Eine derartige Widerrufsbelehrung erfüllt nicht die
Anforderungen des § 2 HaustürWG. Danach darf die Belehrung über das
Widerrufsrecht keine "anderen" Erklärungen als die in § 2 HaustürWG genannten
enthalten. Das aber ist hier mit dem Hinweis auf den Beitrittsvertrag der
Fall.
5. Als Rechtsfolge des Widerrufs sind die Vertragspartner gemäß § 3
Abs. 1 Satz 1 HaustürWG (§§ 346 Abs. 1, 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der ab
dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung) verpflichtet, dem jeweils anderen Teil
die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
Danach hat die Beklagte den Klägern die von ihnen gezahlten Zins- und
Tilgungsraten zurückzuzahlen (vgl. BGHZ 152, 331, 336). Dabei sind allerdings
die Zahlungen zu verrechnen, die von dem Fonds an die Kläger ausgekehrt
worden sind, weil die Kläger sonst im Rahmen der Rückabwicklung besser gestellt
würden, als sie ohne den Fondsbeitritt gestanden hätten. Dazu hat das
Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen
getroffen. Das ist im Rahmen der erneuten Verhandlung nachzuholen. Der
Einwand der Beklagten, auch die Steuervorteile der Kläger seien unberücksichtigt
geblieben, ist dagegen unbegründet. Etwaige bleibende Steuervorteile der
Kläger sind nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs nur im Rahmen von
Schadensersatzansprüchen zu berücksichtigen, nicht dagegen auch bei der
Rückabwicklung nach § 3 HaustürWG. Insoweit spielen nur die Leistungen eine
Rolle, die im Verhältnis der an dem Verbundgeschäft Beteiligten geflossen sind.
Dazu gehören etwaige Steuervorteile des Anlegers nicht.
Die Kläger sind dagegen nicht verpflichtet, der Beklagten die Darlehensvaluta
zurückzugewähren. Sie haben der Beklagten vielmehr nur den mit dem Darlehen finanzierten Gesellschaftsanteil - in Form der Rechte gegenüber dem
Treuhänder - zu übertragen. Dem stehen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
die Grundsätze über den fehlerhaften Gesellschaftsbeitritt nicht
entgegen.
Wie der Senat in der Entscheidung vom heutigen Tage in der Parallelsache
II ZR 395/01 dargelegt hat, besteht die empfangene und damit nach § 3
HaustürWG zurückzugewährende Leistung der Bank jedenfalls dann nicht in
der Darlehensvaluta, sondern in der mit dem Darlehen finanzierten
- unmittelbaren oder durch einen Treuhänder vermittelten - Gesellschaftsbeteiligung,
wenn der Darlehens- und der Beitrittsvertrag ein verbundenes Geschäft
i.S. des § 9 VerbrKrG darstellen. Weiter hat der Senat ausgeführt, daß auch bei
einem kreditfinanzierten Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds ein
verbundenes Geschäft vorliegen kann und daß die dafür erforderliche wirtschaftliche
Einheit zwischen dem Darlehens- und dem Beitrittsvertrag dann unwiderruflich
vermutet wird, wenn sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung oder
dem Abschluß des Kreditvertrags der Mitwirkung der Initiatoren des Fonds bedient.
Das hat die Beklagte hier getan, indem sie dem von den Initiatoren des
Fonds eingeschalteten Vermittlungsunternehmen ihre Vertragsformulare überlassen
hat.
II. Damit kommt es für die Entscheidung nicht mehr darauf an, ob die
Klage auch aufgrund eines Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriffs nach
§ 9 VerbrKrG begründet ist (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tage in der
Parallelsache II ZR 395/01).
|