Konkludenter Auftrag;
Herausgabepflicht des Beauftragten - bestimmungsgemäße Verwendung (§ 667
BGB) bei Treuhandgeldern
BGH, Urteil vom 8. Januar
2009 - IX ZR 229/07
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Der Rechtsanwalt, der
selbst oder über einen Dritten für seinen in Untersuchungshaft sitzenden
Mandanten Gelder einwirbt zu dem Zweck, eine Kaution zu stellen, darf die
ihm zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Mittel nicht anderweitig
verwenden. Weitergehende Pflichten, etwa zur Sicherung der Rückführung
dieser Mittel nach bestimmungsgemäßer Verwendung oder zur längerfristigen
Verwaltung, treffen den Rechtsanwalt in der Regel nicht (Abgrenzung zu den
Senatsurteilen vom 22. Juli 2004 - IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630 und 12.
Oktober 2006 - IX ZR 108/03, NJW-RR 2007, 267).
Zentrale Probleme:
Ein schöner Fall aus dem Auftragsrecht. Dort gibt es zwei
wichtige Anspruchsgrundlagen, die insbesondere auch bei entgeltlichen
Geschäftsbesorgungsverträgen relevant sind (s. die Verweisung in § 675 sowie
zB BGH v. 8.2.2007 - III ZR 148/06).
Nach § 670 kann der Beauftrage Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Nach §
667 muß er aber seinerseits u.a. herausgeben, was er zur Ausführung des
Auftrags vom Auftraggeber erhalten hat. Davon ist er nur befreit, wenn er
das Erhaltene bestimmungsgemäß verwendet hat. Darum geht es hier (s. dazu
auch
BGH
NJW 1997, 47 ff; zur
Beweislast s.
BGH v. 19.2.2004 - III ZR 147/03).
Er muß weiter herausgeben, was er von Dritten in Ausführung des Auftrags
erlangt, s. dazu etwa BAG NJW 2006, 3803
(Bonusmeilen) sowie
BGH NJW 2010, 3340.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der beklagte Anwalt vertrat den Zeugen W. in einem gegen den Zeugen
geführten Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung.
In diesem Verfahren befand sich der Zeuge seit August 2002 in
Untersuchungshaft. Im Oktober 2002 rief der Beklagte bei dem Steuerberater
des Klägers an - der auch Steuerberater des Zeugen W. war - und regte an,
der Steuerberater solle sich bei Freunden und Bekannten des Beschuldigten um
die Aufbringung einer Kaution von insgesamt 50.000 € bemühen.
2 Der Kläger erklärte sich gegenüber dem Steuerberater bereit, einen Betrag
von 25.000 € zu übernehmen. Diesen Betrag überwies er alsbald auf ein
Fremdgeldkonto des Beklagten. Auf dem Überweisungsträger vermerkte er
entsprechend einem Vorschlag des Steuerberaters die Worte "Darlehen an W.
w/Kaution"; der Buchstabe "w" stand für das Wort "wegen".
3 Zu einer Anordnung über die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls gegen
Sicherheitsleistung kam es nicht. Der Beklagte verwendete den vom Kläger
überwiesenen Betrag für offene Honorarforderungen gegen den Zeugen W .
4 Der Kläger verlangt vom Beklagten die Rückzahlung des überwiesenen
Betrages. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des
Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in vollem Umfang
weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
6 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen
den Beklagten, weil zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis nicht
zustande gekommen sei. Der Anwalt, der Fremdgeld in Empfang nehme, welches
von einem Dritten zugunsten eines Mandanten eingezahlt werde, handele in der
Regel allein als Vertreter des Mandanten. Das stehe der Annahme eines
Auftragsverhältnisses, also der Begründung eigener Pflichten des Anwalts
gegenüber dem Dritten, entgegen. Zwar könne sich unter besonderen Umständen
etwas anderes ergeben, nämlich wenn diese Umstände den Schluss darauf
begründeten, der Anwalt habe eigenständige (Treuhand-)Verpflichtungen
gegenüber dem Einzahler übernommen. Solche Umstände seien hier aber nicht zu
erkennen.
II.
7 Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8 1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe hinsichtlich der
Verwendung des vom Kläger auf das Fremdgeldkonto überwiesenen Betrages
keinerlei Bindungen unterlegen, ist unzutreffend. Zwischen dem Kläger und
dem Beklagten ist ein Auftrag zustande gekommen, allerdings beschränkt
allein darauf, für die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes Sorge zu
tragen. Da diese Verwendung des Geldes nicht möglich war, hat der
Beklagte das Erlangte gemäß § 667 BGB an den Kläger herauszugeben.
9 Die Auslegung von Willenserklärungen der Parteien und von
Vertragsbestimmungen obliegt zwar grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in
der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig
berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte
Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob
die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht
(vgl. z.B. BGH, Urt. v. 26. März 2004 - V ZR 90/03, NJW-RR 2004, 952; 953 v.
13. Mai 2004 - III ZR 368/03, NJW-RR 2004, 1356, 1357; v. 16. Oktober 2008 -
IX ZR 183/06 Rn. 18 z.V.b.).
10 Diese Überprüfung ergibt jedoch vorliegend, dass das Berufungsgericht
Auslegungsregeln und Erfahrungssätze verletzt und insbesondere die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Zustandekommen von
Auftragsverhältnissen in derartigen Konstellationen missverstanden und zu
eng ausgelegt hat.
11 a) Das Berufungsgericht hat auf zwei Urteile des Senats Bezug genommen,
die einen ähnlichen Sachverhalt zum Gegenstand hatten (BGH, Urt. v. 22. Juli
2004 - IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630, 3631; v. 12. Oktober 2006 - IX ZR
108/03, NJW-RR 2007, 267). Dort ging es jedoch jeweils um die Sicherstellung
der Rückführung des als Kaution oder Zahlung auf Steuern tatsächlich bereits
bestimmungsgemäß verwendeten Geldes. Hinsichtlich solcher zusätzlicher, über
die bestimmungsgemäße Verwendung hinausgehender Pflichten hat der Senat den
konkludenten Abschluss eines Anwaltsvertrages abgelehnt. Wer als
Verteidiger zum Zwecke der Hinterlegung einer Kaution bei Gericht bestimmte
Gelder von dritter Seite für einen Mandanten entgegennimmt, begründet
dadurch keine zusätzlichen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Geldgeber,
sofern sich nicht aus den getroffenen Absprachen oder den besonderen
Umständen des Falles ausnahmsweise etwas anderes ergibt. Der
Rechtsanwalt, der auf einem Anderkonto Geld erhält, welches von einem
Dritten in Erfüllung einer mit dem Mandanten getroffenen Vereinbarung
geleistet wird, handelt in der Regel allein als Vertreter seines
Auftraggebers. Das folgt im Ansatz schon aus dem Verbot der Vertretung
widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4, § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. e BRAO),
weil die Interessen des Dritten in der Regel nicht mit denjenigen der vom
Anwalt vertretenen Partei identisch sind (BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 aaO S.
3631, v. 12. Oktober 2006 aaO S. 267 Rn. 8).
12 b) Vorliegend geht es - anders als in den genannten Fällen - nicht darum,
ob den Beklagten anwaltliche Beratungs- oder Sicherungspflichten trafen, um
die Rückführung des bestimmungsgemäß verwendeten Geldes sicherzustellen,
oder dieses Geld längerfristig zu verwalten.
13 Vielmehr geht es um die Frage, ob der Anwalt die Zweckbestimmung für das
Geld beachten muss oder dieses von vorneherein anderweitig verwenden und als
freies Vermögen seines Mandanten behandeln darf, etwa nach dessen
anderweitigen Weisungen darüber verfügen oder mit seinen eigenen Ansprüchen
gegen den Mandanten aufrechnen und sich so befriedigen darf.
14 Insoweit steht nicht der Abschluss eines Anwaltsvertrages in Frage. Nach
§ 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und
Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Darum geht es insoweit nicht. Der
Beklagte sollte gegenüber dem Kläger zu keiner Rechtsberatung verpflichtet
sein.
15 2. Ein allgemeiner, nicht mit Rechtsberatung verbundener Auftrag kann
auch mit einem Anwalt zustande kommen. Er kann konkludent geschlossen
werden, wenn das Verhalten des einen Teils bei Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben gemäß §§ 133, 157 BGB als eine
auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichtete Willenserklärung
aufzufassen war und das Verhalten des anderen Teils als Annahme des Auftrags
gedeutet werden durfte (vgl. für den Anwaltsvertrag: BGH, Urt. v. 22.
Juli 2004 aaO S. 3631).
16 Der Beklagte hat hier über den Steuerberater des Klägers von den Freunden
und Bekannten des Beschuldigten Geldbeträge zu dem Zweck eingeworben, eine
Kaution für den Beschuldigten stellen zu können. Die Überweisung des hierzu
bereiten Klägers sah als Zweckbestimmung ausdrücklich vor, dass das Geld
diesem Zweck der Kautionsstellung dienen sollte. Daran änderte nichts der
Umstand, dass die Zahlung als Darlehen an den Beschuldigen bezeichnet wurde.
Damit wurde lediglich zum Ausdruck gebracht, in welcher Form der Kläger Geld
zur Verfügung stellen wollte, nämlich als Darlehen, das nach Verwendung als
Kaution rückzahlbar sein sollte, nicht dagegen etwa als Schenkung. Nach
Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte durfte der Kläger und musste der
Beklagte annehmen, dass aufgrund dieser Umstände eine Verwendung des
Geldbetrages durch den allein über das Konto verfügungsberechtigten
Beklagten auch im Verhältnis zum Kläger nur zu dem vorgesehenen Zweck
erfolgen durfte, insoweit also vom Kläger eine Bindung in Form eines
Auftrags erwartet wurde, die der Beklagte auch akzeptiert hat.
17 Demgemäß durfte der Beklagte nur zu diesem Zweck über den erlangten
Geldbetrag verfügen. Eine Verfügung zu anderen Zwecken hätte der
Zustimmung des Klägers bedurft. Weitergehende Pflichten, etwa zur Beratung
des Klägers oder zur Sicherung seiner Rückforderungsansprüche, hatte er
dagegen nicht. Ein Anwaltsvertrag ist mangels entsprechender Einigung nicht
zustande gekommen.
18 3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des
Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf
das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem zur
Sachentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Eine andere Auslegung des
Willens der Parteien ist nach den festgestellten Tatsachen ausgeschlossen.
19 Der Beklagte hat den in Rede stehenden Betrag im Sinne von § 667 BGB zur
Ausführung des Auftrags erhalten. Von der Verpflichtung, das eingezahlte
Geld wieder zurückzuzahlen, wäre der Beklagte nur frei geworden, wenn er das
Geld auftragsgemäß weitergeleitet hätte (BGH, Urt. v. 30. Oktober 2003 -
III ZR 344/02, ZIP 2004, 171, 172). Da dies nicht geschehen ist, hat er den
Betrag an den Kläger zurückzuzahlen.
20 Ob der Beschuldigte W. nach seiner Haftentlassung den Beklagten
angewiesen hat, den Betrag anderweitig zu verwenden, ist unerheblich. Die
Bindung der Mittelverwendung zwischen den Parteien konnte der Mandant des
Beklagten nicht aufheben oder ändern. Der Beschuldigte sollte, ebenso wie
der Beklagte, nicht befugt sein, das Geld anderweitig, etwa für seine
Lebensführung oder für Anschaffungen oder zur Schuldentilgung zu verwenden.
Derjenige, der darlehenshalber Geld für eine Kaution zur Verfügung stellt,
will lediglich dazu beitragen, dass der Beschuldigte wieder auf freien Fuß
gesetzt wird. Er erwartet, dass er nach Wegfall dieses Zwecks das Geld
wieder zurück erhält.
21 Die angeblichen Forderungen des Zeugen W. konnten jedenfalls mangels
Gegenseitigkeit mit der Klageforderung nicht aufgerechnet werden.
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