Verletzung
des Namensrechts bei Domain-Registrierung; namensrechtlicher Schutz einer
Unternehmenskennzeichnung aus § 12 BGB; Verhältnis zum markenrechtlichen
Schutz; Prioritätsprinzip beim Namensschutz ("mho.de")
BGH, Urt. v.
9. September 2004 - I ZR 65/02
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Grundsätzlich liegt bereits in der durch
einen Nichtberechtigten vorgenommenen Registrierung eines Zeichens als
Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain "de" eine
Namensanmaßung und damit eine Verletzung des Namensrechts desjenigen, der
ein identisches Zeichen als Unternehmenskennzeichen benutzt. Etwas anderes
gilt jedoch dann, wenn die Registrierung des Domainnamens einer - für sich
genommen rechtlich unbedenklichen - Benutzungsaufnahme als
Unternehmenskennzeichen in einer anderen Branche unmittelbar vorausgeht (im
Anschluß an BGHZ 149, 191, 199 - shell.de und
BGHZ 155, 273, 276 f. - maxem.de)
Zentrale Probleme:
Die sehr lehrreiche Entscheidung enthält eine
hervorragende Zusammenfassung des derzeitigen Stands der Rechtsprechung zum
Domainnamensrechts.
S. dazu auch die Anm. zu
BGHZ 155, 273, 276 f. - maxem.de.
Zum markenrechtlichen Schutz von Domainnamen s.
BGH NJW
2002, 2031 ("shell.de"). Zur
zur Zulässigkeit von Gattungsbegriffen als Domainnamen s.
BGHZ
148, 1, 6 ("Mitwohnzentrale.de). Zur Schutzfähigkeit von
Pseudonymen s. BGH NJW 2003, 2978 ("maxem.de").
Zur Haftung der Domainvergabestelle DENIC s.
BGH
NJW 2001, 3265 ("ambiente.de") sowie
BGH v. 27.10.2011 - I ZR 131/10.; zum
(zu verneinenden) Anspruch auf "Sperrung"
einer Domain s. BGH v.
19.2.2004 - I ZR 82/01 = NJW 2004, 1793 - "kurt-biedenkopf.de".
©sl 2005
Tatbestand:
Die Klägerin ist Trägerin des Marienhospitals Osnabrück. Seit 1995 verwendet
sie bzw. ihr Rechtsvorgänger für das Krankenhaus die Abkürzung „MHO" in
einer gleichbleibenden bildlichen Darstellung auf dem Briefkopf im Verkehr
mit Krankenkassen, Geschäftspartnern und Patienten sowie in Stellenanzeigen
in der Presse und auf der Übersichtstafel am Eingang des Krankenhauses. Seit
der Ausgabe 1996/97 ist das Krankenhaus (auch) unter „MHO" im örtlichen
Telefonbuch zu finden.
Die Beklagte, die in Osnabrück eine Werbeagentur betreibt, ließ Anfang 1998
den Domainnamen „mho.de" für sich registrieren. Sie nimmt für sich in
Anspruch, die Bezeichnung „mho.de" seitdem zum Aufbau von Datenbanksystemen
für Kunden zu verwenden, wobei „mho" für „Medienhaus Osnabrück" stehe. Es
bedeute für sie einen erheblichen Aufwand, die bestehenden Datenbanksysteme
ihrer Kunden auf eine neue Internetadresse umzustellen.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Internetadresse „mho.de"
bewußt besetzt, um ihr den Zugang zum Internet unter der bekannten Abkürzung
„MHO" zu vereiteln; sie ist der Ansicht, daß es sich um einen Fall einer
mißbräuchlichen Registrierung eines Domainnamens („Domain grabbing")
handele. Sie hat die Beklagte auf Freigabe des Domainnamens „mho.de" in
Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels hat das Berufungsgericht die Beklagte auf den
Hilfsan-trag der Klägerin verurteilt,
1. die weitere Nutzung der für sie bestehenden Internet-Domain-Anschrift „mho.de"
zu unterlassen;
2. gegenüber dem Domainverzeichnis DENIC den Verzicht und die Freigabe des
Domainnamens „mho.de" zu erklären.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der
Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die
Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §
12 BGB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Indem die Beklagte unter der Abkürzung „MHO" auftrete, greife sie
rechtswidrig in das Namensrecht der Klägerin ein. Dieses Namensrecht stehe
der Klägerin bereits seit 1995 zu, weil sie seit diesem Zeitpunkt unter
dieser Bezeichnung auftrete. Unmaßgeblich sei, daß die Beklagte die
Bezeichnung „mho.de" als erste für sich habe registrieren lassen. Vielmehr
komme es darauf an, wer als erster einen Namen verwende; dies sei
unzweifelhaft die Klägerin, während sich die Beklagte erst seit 1998 der
Abkürzung „MHO" bediene. Die Beklagte könne auch nicht mit Erfolg einwenden,
daß der lediglich regionale Gebrauch der Bezeichnung „MHO" durch die
Klägerin keinesfalls ein Verbot der weltweiten Benutzung dieser Bezeichnung
rechtfertigen könne; denn für beide Parteien beschränke sich die Bedeutung
der Internetbenutzung auf den regionalen Bereich.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie
führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht Ansprüche aus §§ 5, 15
MarkenG ungeprüft gelassen. Denn der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten
keine Ansprüche aus der Unternehmensbezeichnung „MHO" zu.
a) Allerdings geht der zeichenrechtliche Schutz aus §§ 5, 15 MarkenG in
seinem Anwendungsbereich grundsätzlich dem Namensschutz des § 12 BGB vor
(vgl. BGHZ 149, 191, 196 - shell.de; BGH, Urt.
v. 11.4.2002 - I ZR 317/99, GRUR 2002, 706, 707 = WRP 2002, 691 - vossius.de).
In seinem Anwendungsbereich vermittelt der zeichenrechtliche Schutz dem
Inhaber des älteren Zeichens eine stärkere Rechtsposition, weil das
prioritätsältere Zeichen grundsätzlich ein prioritätsjüngeres Zeichen
verdrängt, so daß der Inhaber des jüngeren Zeichens auch dessen Verwendung
als Domainname unterlassen muß (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2002 - I ZR
230/99, GRUR 2002, 898, 900 = WRP 2002, 1066 - defacto; vgl. auch BGH GRUR
2002, 706, 707 f. - vossius.de). Aus dem Namensrecht des § 12 BGB kann
dagegen in der Regel nur gegen den Inhaber eines registrierten Domainnamens
vorgegangen werden, dem an diesem Namen selbst keine eigenen Rechte zustehen
(vgl. BGHZ 155, 273, 275 - maxem.de).
Kann sich der Inhaber des Domainnamens dagegen auf ein eigenes Namensrecht
stützen, kommt das Recht der Gleichnamigen zum Zuge. Dies bedeutet, daß sich
im Streit um den registrierten Namen grundsätzlich derjenige durchsetzt, der
als erster diesen Namen für sich hat registrieren lassen (BGHZ 149, 191,
200 - shell.de; BGH GRUR 2002, 898, 900 - defacto). Es gilt insoweit das
Gerechtigkeitsprinzip der Priorität (vgl.
BGHZ
148, 1, 10 ("Mitwohnzentrale.de), das nur unter
besonderen Umständen zurücktritt (vgl. BGHZ 149,
191, 201 f. - shell.de).
b) Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß
die Klägerin die Unternehmensbezeichnung „MHO" in der von ihr verwendeten
bildlichen Darstellung durch Benutzung erworben hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1
MarkenG). Grundsätzlich kann dieses aus einer Wort-/Bildkombination
bestehende Kennzeichen auch einen Schutz gegenüber der Verwendung des
Wortzeichens „MHO" vermitteln, weil die Unternehmensbezeichnung der Klägerin
durch die Buchstabenfolge „MHO" geprägt wird. Im übrigen ist davon
auszugehen, daß mit der festgestellten Verwendung der Wort-/Bildkombination
eine Benutzung der bloßen Buchstabenfolge „MHO", etwa im Fernsprechverkehr,
einhergeht, so daß der Klägerin auch ein Recht an der
Unternehmensbezeichnung „MHO" als reiner Buchstabenfolge zusteht. Ungeachtet
der Frage, ob die behauptete Verkehrsgeltung besteht, kann dieser
Bezeichnung - auch wenn es sich um eine nicht als Wort aussprechbare
Buchstabenkombination handelt - die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen
werden (vgl. BGHZ 145, 279, 280 ff. - DB Immobilienfonds).
c) Die Beklagte verletzt jedoch die Unternehmensbezeichnung der Klägerin
nicht. Die Gefahr einer Verwechslung mit dem Klagezeichen (§ 15 Abs. 2
MarkenG) wird durch die beanstandete Verwendung des Domainnamens „mho.de"
nicht hervorgerufen, weil die Tätigkeitsbereiche der Parteien derart weit
auseinander liegen, daß es am Merkmal der Branchennähe fehlt. Auch ein
Schutz aus § 15 Abs. 3 MarkenG scheidet aus. Weder den getroffenen
Feststellungen noch dem Parteivorbringen läßt sich entnehmen, daß es sich
bei dem Klagezeichen um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung
handelt.
2. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch
nicht die Annahme, daß die Beklagte ein Namensrecht der Klägerin nach § 12
BGB verletzt hat.
a) Grundsätzlich steht der Klägerin an ihrer Unternehmensbezeichnung mit
Namensfunktion auch ein Namensrecht nach § 12 BGB zu. Allerdings geht der
Schutzbereich des Namensrechts in der Regel nicht über den Schutzbereich des
Unternehmenskennzeichens hinaus. Denn der aus § 12 BGB abgeleitete
namensrechtliche Schutz einer Unternehmensbezeichnung ist auf den
Funktionsbereich des betreffenden Unternehmens beschränkt und reicht nur so
weit, wie geschäftliche Beeinträchtigungen zu befürchten sind (vgl. BGH,
Urt. v. 12.2.1998 - I ZR 241/95, GRUR 1998, 696, 697 = WRP 1998, 604 -
Rolex-Uhr mit Diamanten; BGHZ 149, 191, 197 f. -
shell.de, m.w.N.). Eine Anwendung des § 12 BGB scheidet daher meist
aus, weil sich der Funktionsbereich des Unternehmens in der Regel mit dem
Anwendungsbereich des - das Namensrecht verdrängenden -Kennzeichenschutzes
aus §§ 5, 15 MarkenG deckt.
Ausnahmsweise kann jedoch der Funktionsbereich des Unternehmens auch
durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des
Anwendungsbereichs des Kennzeichenrechts berührt werden. In diesen Fällen
kann der Namensschutz ergänzend gegen Beeinträchtigungen der
Unternehmensbezeichnung herangezogen werden, die - weil außerhalb des
geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und damit außerhalb der
kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr - nicht mehr im Schutzbereich des
Unternehmenskennzeichens liegen.
b) Eine Beeinträchtigung berechtigter geschäftlicher Interessen ist im
allgemeinen dann gegeben, wenn ein Nichtberechtigter ein fremdes Kennzeichen
als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „de"
benutzt und sich damit unbefugt ein Recht an diesem Namen anmaßt. Ein
solcher unbefugter Namensgebrauch liegt grundsätzlich schon in der
Registrierung, weil bereits damit die den berechtigten Namensträger
ausschließende Wirkung einsetzt (BGHZ 149, 191,
199 - shell.de). Daher kann derjenige, dem an dieser Bezeichnung ein
eigenes Namensrecht zusteht, im allgemeinen bereits gegen die Registrierung
eines Domainnamens durch einen Nichtberechtigten vorgehen (BGHZ
155, 273, 276 f. - maxem.de). Der Nichtberechtigte kann demgegenüber in
der Regel nicht auf schützenswerte Belange verweisen, die im Rahmen der
gebotenen Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären.
Eine Ausnahme muß allerdings für den Fall gemacht werden, daß die
Registrierung der erste Schritt im Zuge der - für sich genommen rechtlich
unbedenklichen - Aufnahme einer entsprechenden Benutzung als
Unternehmenskennzeichen ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß es der
Inhaber eines identischen Unternehmenskennzeichens im allgemeinen nicht
verhindern kann, daß in einer anderen Branche durch Benutzungsaufnahme ein
Kennzeichenrecht an dem gleichen Zeichen entsteht. Ist ein solches Recht
erst einmal entstanden, muß auch die Registrierung des entsprechenden
Domainnamens hingenommen werden. Da es vernünftiger kaufmännischer Praxis
entspricht, sich bereits vor der Benutzungsaufnahme den entsprechenden
Domainnamen zu sichern, führt die gebotene Interessenabwägung dazu, daß eine
der Benutzungsaufnahme unmittelbar vorausgehende Registrierung nicht als
Namensanmaßung und damit als unberechtigter Namensgebrauch anzusehen ist.
c) Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, ob die
Beklagte vor oder alsbald nach der Registrierung des Domainnamens die
Bezeichnung „mho" oder - was hier allerdings nicht in Rede steht - „mho.de"
in der Weise benutzt hat, daß ihr an diesem Zeichen ein eigenes Recht nach §
5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zusteht. Liegen diese Voraussetzungen vor, stehen
den Parteien an der Bezeichnung „mho" oder „MHO" unabhängig voneinander
Kennzeichenrechte zu, die im Hinblick auf die bestehende
Branchenverschiedenheit zu keiner Kollision führen. Die Beklagte wäre unter
diesen Umständen eine berechtigte Namensträgerin, die ihren Namen als
Domainnamen unabhängig davon registrieren lassen darf, ob ihre Berechtigung
zur Führung des Namens schon länger besteht als die anderer berechtigter
Namensträger.
III. Das angefochtene Urteil kann unter diesen Umständen keinen Bestand
haben. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt, weil
Feststellungen zu einem eigenen Unternehmenskennzeichen der Beklagten
fehlen.
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