NJW 2000, 1182
Amtl. Leitsätze:
1. Ob der Bürge durch eine Bürgschaft
finanziell krass überfordert wird, ist allein aufgrund seiner eigenen
Vermögensverhältnisse, nicht auch derjenigen des Hauptschuldners
zu beurteilen (Abweichung von Senat, NJW 1996,
1274 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 104 = WM 1996, 519 [521]). Eine
solche Überforderung liegt jedenfalls vor, wenn der Bürge voraussichtlich
nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag.
Anderweitige Sicherheiten des Gläubigers sind nur zu berücksichtigen,
soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen verringern.
2. Wird der Bürge durch eine Bürgschaft,
die er aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner übernommen
hat, krass überfordert, und ist der Vertrag wirtschaftlich sinnlos,
steht es der Sittenwidrigkeit der Verpflichtung weder entgegen, dass der
- nicht geschäftsungewandte - Bürge Vertragsverhandlungen im
Namen der Hauptschuldnerin geführt hat, noch dass die Hauptschuld
dazu dient, den Bau eines gemeinsam zu bewohnenden Hauses auf einem Grundstück
der Hauptschuldnerin zu finanzieren, noch dass der Bürge zusätzliche
Sicherheiten aus eigenem Vermögen stellt.
3. Das Vermeiden von Vermögensverschiebungen
durch den Hauptschuldner auf den Bürgen schließt die Sittenwidrigkeit
einer diesen krass überfordernden Bürgschaft insgesamt nicht
aus, wenn die Höhe der Bürgschaft das berechtigte Sicherungsinteresse
des Gläubigers offenkundig weit übersteigt.
Zum Sachverhalt:
Der Kl. übernahm am 21. 2. 1992 eine Höchstbetragsbürgschaft
von 1, 65 Mio. DM gegenüber der Bekl. zur Sicherung ihrer Darlehensansprüche
in gleicher Höhe gegen Frau B, die Lebensgefährtin des Kl. Mit
dem Darlehen wollten der Kl. und Frau B auf einem dieser allein gehörenden
Grundstück ein Wohnhaus bauen. Der Bekl. standen vereinbarungsgemäß
weitere Sicherheiten zu. Das Darlehen wurde im Dezember 1992 auf 1,35 Mio.
DM zurückgeführt, später aber notleidend und im April 1994
gekündigt. Nach Verwertung von Sicherheiten hat die Bekl. gemäß
ihrer Behauptung noch eine Restforderung von 386 685,55 DM zzgl. Zinsen;
als Sicherheit dient ihr weiterhin eine Grundschuld auf einem Grundstück
der Mutter des Kl. Anfang 1995 trat Frau B die Ansprüche aus ihrer
Witwenrente sowie aus einer Unfallversicherungsrente an den Kl. ab. Der
Kl. beantragte die Feststellung, dass die Bekl. aus der Bürgschaftsurkunde
vom 21. 2. 1992 keine Rechte herleiten kann.
Das LG hat unter Abweisung der weitergehenden
Klage festgestellt, dass die Bekl. derzeit gegen den Kl. keine derartigen
Rechte herleiten kann. Die Berufung des Kl. hat das OLG zurückgewiesen;
auf die Anschlussberufung der Bekl. hat es die Klage abgewiesen. Das weitere
Rechtsmittel führte zur Verurteilung der Bekl. gemäß dem
Klageantrag.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ausgeführt: Die zulässige
Feststellungsklage sei unbegründet. Die Bürgschaft sei nicht
wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Es sei schon zweifelhaft, ob der 1959 geborene
Kl. nicht in der Lage gewesen sei, die Bürgschaftsforderung zu begleichen.
Zwar habe die Bekl. ihre Behauptung, der Kl. habe vom Unternehmen seiner
Lebensgefährtin ein monatliches Einkommen von 4000 DM erhalten, nicht
bewiesen. Der Kl. sei aber Mitinhaber von Anteilen an einem ausländischen
Wertpapierfonds gewesen, deren Verkauf im März 1993 einen Erlös
von 429 000 DM erbrachte; dass diese Wertpapiere möglicherweise im
Innenverhältnis der Hauptschuldnerin allein zustanden, habe der Kl.
jedenfalls nicht der Bekl. offenbart. Bis Dezember 1992 habe er von seiner
Mutter auch ein Grundstück erlangt, das nunmehr mit einer Grundschuld
von 350 000 DM zugunsten der Bekl. belastet sei. Ferner hätten dem
Kl. Ansprüche aus einer Lebensversicherung zugestanden, die er zur
Sicherung des Darlehens an die Bekl. abgetreten habe. Andererseits seien
die von der Hauptschuldnerin gewährten, zusätzlichen umfangreichen
Sicherheiten nicht zu berücksichtigen, weil nach Nr. 6 der Bürgschaftsurkunde
die Bekl. gegenüber dem Kl. frei sei, diese Sicherheiten aufzugeben.
Jedenfalls habe die Bekl. ein rechtlich vertretbares
Interesse an der Verpflichtung des Kl. gehabt. Denn es habe die Gefahr
bestanden, dass die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kl. übertragen
würde. Nach dem eigenen Vorbringen des Kl. sei die Möglichkeit
einer Vermögensverschiebung Inhalt der Gespräche der Parteien
anlässlich der Bürgschaftserklärung gewesen. Dass die Gefahr
nicht ferngelegen habe, werde durch die Übertragung der Rentenansprüche
im Februar 1995 bestätigt. Die Umstände des Falls sprächen
gegen die Vermutung, dass der Kl. seine Bürgschaftserklärung
allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei
gleichzeitiger Geschäftsungewandtheit abgegeben habe. Vielmehr habe
der Kl. ein hohes eigenes Interesse an der Erstellung des Einfamilienhauses
auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin gehabt, weil er es habe bewohnen
wollen, weshalb er zu diesem Zweck auch selbst Ausbauten vorgenommen habe.
An allen das Darlehen betreffenden Gesprächen habe er nicht nur persönlich
mitgewirkt, sondern auch die Verhandlung aktiver als seine Lebensgefährtin
geführt. Indem er sich selbst als Mitantragsteller in einem Darlehensantrag
aufgeführt habe, habe er den Hausbau und damit die Darlehensgewährung
zur eigenen Angelegenheit gemacht und bereits hierdurch seinen Willen zur
eigenen vollen Haftung zum Ausdruck gebracht. Zudem habe er aus seinem
Vermögen Sicherheiten für das Darlehen gestellt. Er sei nicht
geschäftsungewandt gewesen, nachdem er persönlich in früherer
Zeit ein Fuhrgeschäft geleitet habe.
II. Demgegenüber rügt die Revision: Die Bürgschaft sei sittenwidrig. Ein Sicherungsinteresse der Bekl. habe jedenfalls nicht in Höhe von 1,65 Mio. DM oder auch nur von 1,35 Mio. DM bestanden, weil das Ausfallrisiko durch andere Sicherheiten wesentlich herabgesetzt gewesen sei. Der Kl. werde durch die Bürgschaft, wie der Bekl. von Anfang an bekannt gewesen sei, krass überfordert. Eigenes Einkommen habe er im Zeitpunkt der Verbürgung nicht gehabt. Die Anteile am ausländischen Wertpapierfonds hätten ausschließlich der Hauptschuldnerin zugestanden und seien zudem auch als Sicherheit an die Bekl. verpfändet gewesen. Das von der Mutter des Kl. auf diesen übertragene Grundstück habe für die hohe Schuldsumme nicht annähernd ausgereicht, zumal die Mutter sich ein lebenslängliches Wohnrecht vorbehalten habe. Die gerade erst abgeschlossenen Lebensversicherungen hätten nur einen Rückkaufswert von rund 60000 DM gehabt und seien der Bekl. ebenfalls sicherungshalber übertragen gewesen.
Der Kl. habe ferner die Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsunerfahrenheit abgegeben. Sein Interesse, in dem Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin zu wohnen, stelle nur einen mittelbaren Vermögensvorteil dar, welcher die Anwendung des § 138 I BGB nicht ausschließe.
III. Die vom Kl. am 21.2.1992 eingegangene Bürgschaft
ist sittenwidrig. Gemäß § 138 I BGB ist eine Bürgschaft
insbesondere dann nichtig, wenn der aus emotionaler Verbundenheit mit dem
Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell krass überfordert wird
und die Bürgschaft sich auch aus Sicht eines vernünftig denkenden
Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist. Davon ist hier auf
der Grundlage des eigenen Vorbringens der Bekl. auszugehen.
1. Der Kl. wird durch die Bürgschaft krass
überfordert. Da die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts aufgrund
der bei Vertragsschluss vorliegenden Umstände und erkennbaren Entwicklungen
zu beurteilen ist, ist der Verbürgung im vorliegenden Fall eine Hauptschuld
von 1,65 Mio. DM zugrunde zu legen; eine Absenkung um 300 000 DM wurde
erst später vereinbart (s. u. IV).
a) Der Bürge ist krass überfordert,
wenn die Verbindlichkeit, für die er einstehen soll, so hoch ist,
dass bereits bei Vertragsschluss nicht zu erwarten ist, er werde - wenn
sich das Risiko verwirklicht - die Forderung des Gläubigers wenigstens
zu wesentlichen Teilen tilgen können (vgl. BGHZ
125, 206 [211] = NJW 1994, 1278 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 91;
vgl. Senat, NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 §
765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327). Davon ist bei nicht ganz geringfügigen
Hauptschulden jedenfalls dann auszugehen, wenn der Bürge voraussichtlich
nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag.
Im Rahmen der Prüfung, ob die Geschäftsgrundlage einer Bürgschaft
weggefallen ist, hat der Senat zwar darauf abgestellt, ob der Bürge
innerhalb von fünf Jahren nicht einmal ein Viertel der Hauptsumme
aufzubringen vermag (BGHZ 132, 328 [338] = NJW 1996, 2088 = LM H. 9/1996
§ 765 BGB Nr. 108; BGHZ 134, 325 [332] = NJW 1997, 1003 = LM H. 5/1997
§ 765 BGB Nr. 114). Aufgrund dieses Maßstabs hat er jedoch nie
die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für eine verzinsliche Hauptschuld
bejaht. Soweit den Urteilen in BGHZ 136, 347 (351 f.) = NJW 1997, 3372
= LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120, sowie BGHZ 137, 329 (337 f.) = NJW
1998, 597 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 121, eine Anwendbarkeit des
letztgenannten Maßstabs auch im Rahmen des § 138 I BGB entnommen
werden könnte, wird das Gegenteil ausdrücklich klargestellt.
Die Bürgschaftssumme von 1,65 Mio. DM überfordert
den Kl. krass. Das Darlehen war mit jährlich 9%, also monatlich 12375
DM zu verzinsen. Einen solchen Betrag konnte der Kl. nicht annähernd
erwirtschaften. Als gelernter Glaser hatte er ein eigenes Fuhrgeschäft
schon vor der hier maßgeblichen Zeit aufgegeben. Eine Erwerbstätigkeit
in dem erlernten Beruf oder als Kraftfahrer verschafft erfahrungsgemäß
keine Einkünfte in der hier nötigen Größenordnung.
Für die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung fehlt jede tatsächliche
Grundlage. Insbesondere ist in der Selbstauskunft der Frau B vom 3. 12.
1991 für den Kl. als Mitantragsteller kein "monatliches Nettoeinkommen"
aufgeführt. Nach der Behauptung der Bekl. bezog der Kl. zur Zeit der
Bürgschaftsübernahme monatlich 4000 DM von Frau B für die
Führung ihres Speditionsgeschäfts. Das BerGer. hat dies aufgrund
der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme für nicht bewiesen gehalten.
Sogar wenn man dem - insoweitbeweisbelasteten
- Kl. ein derartiges Einkommen zurechnet, reicht
es nicht annähernd aus, um die monatlich anfallenden Zinslasten abzudecken.
Es kommt somit nicht mehr entscheidend darauf an, dass der Kl. zusätzlich
die laufenden Prämien für die Lebensversicherung über 250
000 DM aufzubringen hatte, die für das Finanzierungskonzept der Hauptschuldnerin
und des Kl. nötig war.
b) In die Beurteilung der Leistungsfähigkeit
des Kl. sind nur seine eigenen Vermögensverhältnisse, nicht aber
auch diejenigen der Hauptschuldnerin einzubeziehen. Zwar hat der Senat
mehrmals entschieden, dass bei der Beurteilung einer krassen Überforderung
auch die voraussichtliche Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners zu
berücksichtigen ist (NJW 1996, 1274 =
LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 104 = WM 1996, 519 [521 f.]; NJW
1996, 1470 = LM H. 8/1996 § 767 BGB Nr. 31/32 = WM 1996, 766 [767];
NJW
1997, 3230 = LM H. 8/1997 § 276 [Fb] BGB Nr. 78 = WM 1997, 1045
[1046]). Auf dessen Leistungsfähigkeit hat der Senat später jedoch
nicht mehr abgestellt (vgl BGHZ 134, 325 [327] = NJW 1997, 1003 = LM H.
5/1997 § 765 BGB Nr. 114; BGHZ 136, 347 [351 f.] = NJW 1997, 3372
= LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120; BGH,
NJW
1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327). Denn
der Bürgschaftsfall tritt regelmäßig erst ein, wenn der
Hauptschuldner selbst nicht mehr leistungsfähig ist. Das ist sogar
der gesetzliche Zweck der Bürgschaft (vgl. § 771 BGB). Dann aber
hilft dem Bürgen früher etwa vorhandenes Vermögen des Hauptschuldners
nichts. Stattdessen obliegt es dem Gläubiger, sich von vornherein
über die individuelle Leistungsfähigkeit etwaiger Bürgen
und Mitverpflichteter zu unterrichten und nur jene bei der Höhe ihrer
jeweiligen Mit-. verpflichtung zu berücksichtigen.
c) Das vom Kl. verbürgte Risiko wurde nicht
durch sonstige Umstände voll ausgeglichen oder entscheidend herabgemindert.
Bei der Frage der Überforderung sind anderweitige Sicherheiten des
Gläubigers nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko
des Bürgen vermindern (vgl. BGHZ 136, 347 [352 f.] = NJW
1997, 3230 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120; Senat, NJW
1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327). Dass
die Mutter des Kl. ihm im September 1992 ein jedenfalls in Höhe von
350 000 DM belastbares Grundstück übertrug, hat im vorliegenden
Zusammenhang außer Betracht zu bleiben (s. u. IV). Denn keine Partei
behauptet, dass dies schon im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme
im Februar 1992 vorausgesehen oder Verhandlungsgegenstand gewesen sei.
Einseitige Hilfeleistungen von Angehörigen des Bürgen zeitlich
nach dessen Verbürgung beeinflussen nicht die Beurteilung ihrer Sittenwidrigkeit.
Bei der Beurteilung des Risikos, welches der Bürge
eingeht, ist vom vollen Nennwert der Bürgschaft auszugehen, wenn der
Gläubiger zwar weitere Sicherheiten erhalten hat, jedoch nicht sichergestellt
ist, dass er nur in einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich
festgelegten Haftungssumme in Anspruch genommen wird (BGHZ 136, 347 [3521
= NJW 1997, 3230 = LM H. 5/1998 § 765
BGB Nr. 120; Senat, NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999
§ 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327). Im vorliegenden Falle hat der
Bekl. unter Nr. 6 seiner Bürgschaftserklärung anerkannt, dass
alle Maßnahmen und Vereinbarungen, welche die Bank hinsichtlich ihrer
Ansprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für
zweckmäßig erachtet, den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung
nicht berühren. Darüber hinaus stand es der Bekl. frei, den Erlös
aus anderweitig bestellten Sicherheiten zunächst auf solche Ansprüche
anzurechnen, die durch die Bürgschaft des Kl. nicht gedeckt sind.
d) Die Bekl. muss die sich danach ergebende finanzielle
Leistungsunfähigkeit des Kl. als bekannt gegen sich gelten lassen.
Denn nach banküblichen Gepflogenheiten überprüfen Kreditinstitute
die geforderten Sicherheiten vor der Hereinnahme grundsätzlich auf
ihre Werthaltigkeit. Dementsprechend müssen sie von sich aus Ermittlungen
über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse solcher Personen
anstellen, die mithaften sollen. Sieht eine Bank von derartigen Nachforschungen
ab, befragt sie also insbesondere den Beteiligten nicht nach seiner finanziellen
Leistungsfähigkeit, muss sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen
als bekannt entgegenhalten lassen (Senat, NJW 1996, 513 = LM H. 4/ 1996
§ 138 [Bd BGB Nr. 85 = WM 1996, 53 [54]; NJW
1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327 [2329]
m. w. Nachw.). Im vorliegenden Falle hat der Kl. in vollem Umfange Auskunft
über seine Einkommens-und Vermögensverhältnisse erteilt
und der Bekl. sogar alle von ihm angegebenen Vermögenswerte verpfändet.
Er hat ihr nicht etwa vorgespiegelt, mehr Einkommen oder Vermögen
zu haben, als tatsächlich der Fall war. Die Bekl. selbst geht davon
aus, dass Kl. und Hauptschuldnerin die monatliche Belastung für Zins-
und Lebensversicherungsbeiträge nur aufbringen konnten, wenn der Erwerber
der früheren Spedition der Hauptschuldnerin seinen Zahlungsverpflichtungen
nachkam. Die Bekl. hat jedoch nicht beachtet, dass der Umfang der Mitverpflichtung
des Kl. seine erkennbar beschränkte Leistungsfähigkeit weit überstieg.
2. Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von
Bürgschaften finanziell krass überforderter Ehegatten, die aus
emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner gehandelt haben, findet in
der Regel auch Anwendung, wenn Hauptschuldner und Bürge durch eine
eheähnliche Lebensgemeinschaft verbunden sind (Senat, NJW 1997, 1005
= LM H. 5/1 997 § 765 BGB Nr. 113 = WM 1997, 465; vgl. auch BGHZ 136,
347 [350] = NJW 1997, 3230 = LM H. 5/1998
§ 765 BGB Nr. 120). Der Kl. lebte unstreitig in eheähnlicher
Gemeinschaft mit der Hauptschuldnerin. Ein solches Lebensverhältnis
ist erfahrungsgemäß als ein Beweggrund für einen der Partner
geeignet, sich für den anderen in einer Weise zu verpflichten, welche
die eigene Leistungsfähigkeit krass überfordert. Die persönliche
Beziehung war der Bekl. aus den Darlehensverhandlungen bekannt.
Das BerGer. hat sich gleichwohl nicht davon überzeugen
können, dass der Kl. die überhöhte Bürgschaft aus emotiona1er
Verbundenheit zu Frau B übernommen hat. Die Auslegung des BerGer.
bewertet aber lediglich mittelbare Vorteile, die sich der Kl. aus dem Erfolg
des finanzierten Bauvorhabens versprochen haben mag, rechtsfehlerhaft als
entgegen-stehende Umstände. Die Rechtsprechung des BGH hat stets nur
eigene geldwerte Vorteile des krass überforderten Bürgen aus
dem verbürgten Geschäft selbst als einen Umstand angesehen, der
ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit auszugleichen vermag (vgl.
Senat, NJW 1999, 58 = WM 1998, 2327 [2328
f.]). Der vom BerGer. als wesentlich herausgestellte Umstand, dass der
Kl. das auf dem Grundstück der Frau B zu errichtende Haus mitbewohnen
sollte, genügt danach nicht. Miteigentümer sollte der Kl., soweit
dargetan, nicht werden. Das bloße Mitbewohnen einer aufwendig ausgebauten
Villa begründet allenfalls eine Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards
und stellt somit keinen Vorteil dar, der vernünftigerweise eine hoffnungslose
Überschuldung auszugleichen vermöchte. Ein solches Interesse
lässt sich durch geeignete Anmietungen billiger befriedigen.
Dem steht nicht das von der Bekl. zitierte Senatsurreil
vom 23. 1. 1997 (NJW 1997, 1005 = WM 1997, 465 [4669]) entgegen: In diesem
Fall ging es angesichts der begrenzten Bürgschaftshöhe zwar um
eine erhebliche Belastung, nicht aber um eine krasse Überforderung
der Bürgin. Stattdessen stand dort allein das Vorliegen einer anders
gearteten Fallgruppe der Sittenwidrigkeit zur Entscheidung, nämlich
eine unzulässige Einwirkung der Gläubigerin selbst auf die Entschließung
des Bürgen; nur bei Prüfung gerade der Verwerflichkeit des Gläubigerhandelns
hat der Senat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung erkennbar ausgleichende
Umstände auf Seiten der Bürgin berücksichtigt.
Zum anderen hat das BerGer. darauf abgestellt,
dass der Kl. bei den Kreditbesprechungen mit der Bekl. als Verhandlungsführer
für die Hauptschuldnerin aufgetreten ist. Insoweit hat er aber in
jedem Falle als Vertreter im fremden Namen gehandelt. Allein aus einem
derartigen Betreiben fremder Geschäfte folgt nicht ein inhaltliches
Eigeninteresse an dem Geschäft. Obwohl der Kl. Verhandlungen für
Frau B geführt hat, hat er der Bekl. nie ein eigenes Sachinteresse
am Bau selbst vorgespiegelt. Sie hat den Kl. letztlich auch nicht als MitantragsteIler
für das Darlehen behandelt, und es ist nicht dargetan, dass er über
dessen Verwendung frei mitbestimmen durfte.
Entgegen. der Ansicht der Revisionserwiderung
liegt ein Eigeninteresse des Kl. ferner nicht darin, dass er sich in die
Zwischenfinanzierung des Bauvorhabens mit einem eigenen Lebensversicherungsvertrag
hat einbinden lassen. Der Umstand allein, dass ein Bürge für
das Bauvorhaben seines Lebenspartners auf dessen Grundstück zusätzliche
Leistungen erbringt, spricht zunächst nur für die emotionale
Beteiligung des Bürgen; er bedeutet kein geldwertes Eigeninteresse
des Bürgen unmittelbar am Bauvorhaben selbst.
Dass der Kl. möglicherweise nicht geschäftsungewandt
war, fällt in diesem Zusammenhang als Beweisanzeichen - entgegen der
Auffassung des BerGer. - nicht ins Gewicht: Auch geschäftsgewandte
Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu einem Lebenspartner
Verbindlichkeiten eingehen, die sie krass überfordern. Sogar wenn
der Kl. - gemäß der unbewiesenen Behauptung der Bekl. - für
die Führung der Geschäfte der Frau B monatlich eine Vergütung
von 4000 DM erhalten hätte, galt eine solche allein seinen persönlichen
Einsatz ab; sie begründete keinen Gegenwert für eine Höchstbetragsbürgschaft
von 1,65 Mio. DM. Dasselbe trifft, anders als die Revisionserwiderung meint,
für die Mitwirkung des Kl. an der Verpfändung der Anteile am
Wertpapierfonds zu: Wenn der eine Teil einer Lebenspartnerschaft schon
eigene Sachsicherheiten opfert, rechtfertigt dies nicht seine zusätzliche,
persönliche Verpflichtung als Bürge in voller Höhe der Hauptschuld.
Somit kommt es nicht entscheidend auf die Behauptung des Kl. an, er sei
hinsichtlich der Anteile nur Treuhänder für Frau B gewesen, dieser
hätten wirtschaftlich alle Anteile zugestanden.
3. Das BerGer. hat ein rechtlich vertretbares Interesse
der Bekl. an der Verpflichtung des Kl. auch in der Gefahr gesehen, dass
die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kl. übertragen würde.
Es stellt als unstreitig fest, dass eine solche Gefahr Inhalt der Gespräche
der Parteien anlässlich der Bürgschaftserklärung war.
a) Das BerGer. hat darin Recht, dass Vermögensverlagerungen
gerade zwischen einander emotional verbundenen Personen in dem Fall, dass
einer von ihnen die Insolvenz droht, erfahrungsgemäß oft vorgenommen
werden. Die Vermeidung solcher Verschiebungen durch den wirtschaftlich
zunächst leistungsstärkeren Hauptschuldner kann ein berechtigter
Grund sein, von einer ihm nahe stehenden Person eine Bürgschaft zu
verlangen (BGHZ 128, 230 [234] = NJW 1995, 592 = LM H. 6/1995 § 765
BGB Nr. 98; BGHZ 134 [325] = NJW 1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB
Nr. 114; Senat, NJW 1997, 1005 = WM 1996,465 [466]; NJW 2000, 362 = LM
H. 5/2000 § 765 BGB Nr. 141 = WM 2000,23 [24 f.]).
b) Hier durfte die Bekl. jedoch unter diesem Gesichtspunkt
keine Bürgschaft in Höhe von 11,65 Mio. DM verlangen. Sie war
von Anfang an wenigstens in der Lage, sich ganz überwiegend aus anderweitigen
Sicherheiten zu befriedigen. Die verpfändeten Wertpapiere (Templeton
Growth Fund) und Festgelder deckten anfangs 1 229 000 DM der verbürgten
Hauptsumme ab. Für den Rest diente das zunächst unbebaute Grundstück
der Hauptschuldnerin als Sicherheit. Sogar wenn dessen Schätzwert
von 1 Mio. DM bei realistischer Vorausschau nicht voll zu verwirklichen
sein würde, blieb - unter Berücksichtigung auflaufender Zinsen
- eine Deckungslücke allenfalls in einer Größenordnung
von bis zu 400 000 DM. Allein in diesem Umfang konnte die Bekl. durch Vermögensverschiebungen
seitens der Hauptschuldnerin gefährdet werden. Der weitere, letztlich
unvollendet gebliebene Ausbau des Wohnhauses auf dem Grundstück vergrößerte
die Deckungslücke jedenfalls nicht.
Die Entgegennahme einer Bürgschaft durch
den Gläubiger ist im Rahmen des § 138 I BGB als Einheit zu werten.
Lässt er sich eine Bürgschaft stellen, die der Höhe nach
sein berechtigtes Interesse offenkundig weit übersteigt, vermag es
eine krasse Überforderung des Bürgen nicht einmal teilweise zu
rechtfertigen.
IV. Am 10. 12. 1992 hat der Kl. im Rahmen der
Umschuldungsverhandlungen den Antrag der Frau B mit unterschrieben, das
vereinbarte Darlehen von 1,65 Mio. DM auf 1,35 Mio. DM zu senken. In dem
Antrag heißt es auszugsweise: "Folgende bereits vorhandene Sicherheiten
haften auch für diesen Kredit: ... Unbefristete, selbstschuldnerische
Höchstbetragsbürgschaft über DM 1 650 000 - H. G. -, vom
21. 2. 1992 ...". Eine rechtswirksame Bestätigung dieser früheren
Bürgschaft liegt darin nicht. Denn ein nichtiger Vertrag wird nicht
durch Bestätigung rückwirkend wirksam; er kann nur für die
Zukunft neu abgeschlossen werden. Es kommt allerdings in Betracht, die
vom Kl. unterzeichnete Erklärung als eine neue, selbständige
Verbürgung seinerseits in der Form des § 766 BGB auszulegen.
Eine solche, erneute Verbürgung für das nunmehr auf 1,35 Mio.
DM festgesetzte Darlehen ist jedoch nicht Gegenstand des genau umschriebenen
Feststellungsantrags. Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, dass
auch die verringerte Bürgschaftssumme die Leistungsfähigkeit
des Kl. noch weit überstieg und sich das Risiko seiner Inanspruchnahme
wegen des ausgleichenden Wegfalls bisheriger Sicherheiten keinesfalls verringerte.