Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften - the story goes on and on and on ...
BGH, Urt. v. 27. 1. 2000 - IX ZR 198/98 (Stuttgart)
Fundstelle:

NJW 2000, 1182


Amtl. Leitsätze:

1. Ob der Bürge durch eine Bürgschaft finanziell krass überfordert wird, ist allein aufgrund seiner eigenen Vermögensverhältnisse, nicht auch derjenigen des Hauptschuldners zu beurteilen (Abweichung von Senat, NJW 1996, 1274 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 104 = WM 1996, 519 [521]). Eine solche Überforderung liegt jedenfalls vor, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag. Anderweitige Sicherheiten des Gläubigers sind nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen verringern.
2. Wird der Bürge durch eine Bürgschaft, die er aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner übernommen hat, krass überfordert, und ist der Vertrag wirtschaftlich sinnlos, steht es der Sittenwidrigkeit der Verpflichtung weder entgegen, dass der - nicht geschäftsungewandte - Bürge Vertragsverhandlungen im Namen der Hauptschuldnerin geführt hat, noch dass die Hauptschuld dazu dient, den Bau eines gemeinsam zu bewohnenden Hauses auf einem Grundstück der Hauptschuldnerin zu finanzieren, noch dass der Bürge zusätzliche Sicherheiten aus eigenem Vermögen stellt.
3. Das Vermeiden von Vermögensverschiebungen durch den Hauptschuldner auf den Bürgen schließt die Sittenwidrigkeit einer diesen krass überfordernden Bürgschaft insgesamt nicht aus, wenn die Höhe der Bürgschaft das berechtigte Sicherungsinteresse des Gläubigers offenkundig weit übersteigt.


Zum Sachverhalt:

Der Kl. übernahm am 21. 2. 1992 eine Höchstbetragsbürgschaft von 1, 65 Mio. DM gegenüber der Bekl. zur Sicherung ihrer Darlehensansprüche in gleicher Höhe gegen Frau B, die Lebensgefährtin des Kl. Mit dem Darlehen wollten der Kl. und Frau B auf einem dieser allein gehörenden Grundstück ein Wohnhaus bauen. Der Bekl. standen vereinbarungsgemäß weitere Sicherheiten zu. Das Darlehen wurde im Dezember 1992 auf 1,35 Mio. DM zurückgeführt, später aber notleidend und im April 1994 gekündigt. Nach Verwertung von Sicherheiten hat die Bekl. gemäß ihrer Behauptung noch eine Restforderung von 386 685,55 DM zzgl. Zinsen; als Sicherheit dient ihr weiterhin eine Grundschuld auf einem Grundstück der Mutter des Kl. Anfang 1995 trat Frau B die Ansprüche aus ihrer Witwenrente sowie aus einer Unfallversicherungsrente an den Kl. ab. Der Kl. beantragte die Feststellung, dass die Bekl. aus der Bürgschaftsurkunde vom 21. 2. 1992 keine Rechte herleiten kann.
Das LG hat unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass die Bekl. derzeit gegen den Kl. keine derartigen Rechte herleiten kann. Die Berufung des Kl. hat das OLG zurückgewiesen; auf die Anschlussberufung der Bekl. hat es die Klage abgewiesen. Das weitere Rechtsmittel führte zur Verurteilung der Bekl. gemäß dem Klageantrag.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat ausgeführt: Die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Die Bürgschaft sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Es sei schon zweifelhaft, ob der 1959 geborene Kl. nicht in der Lage gewesen sei, die Bürgschaftsforderung zu begleichen. Zwar habe die Bekl. ihre Behauptung, der Kl. habe vom Unternehmen seiner Lebensgefährtin ein monatliches Einkommen von 4000 DM erhalten, nicht bewiesen. Der Kl. sei aber Mitinhaber von Anteilen an einem ausländischen Wertpapierfonds gewesen, deren Verkauf im März 1993 einen Erlös von 429 000 DM erbrachte; dass diese Wertpapiere möglicherweise im Innenverhältnis der Hauptschuldnerin allein zustanden, habe der Kl. jedenfalls nicht der Bekl. offenbart. Bis Dezember 1992 habe er von seiner Mutter auch ein Grundstück erlangt, das nunmehr mit einer Grundschuld von 350 000 DM zugunsten der Bekl. belastet sei. Ferner hätten dem Kl. Ansprüche aus einer Lebensversicherung zugestanden, die er zur Sicherung des Darlehens an die Bekl. abgetreten habe. Andererseits seien die von der Hauptschuldnerin gewährten, zusätzlichen umfangreichen Sicherheiten nicht zu berücksichtigen, weil nach Nr. 6 der Bürgschaftsurkunde die Bekl. gegenüber dem Kl. frei sei, diese Sicherheiten aufzugeben.
Jedenfalls habe die Bekl. ein rechtlich vertretbares Interesse an der Verpflichtung des Kl. gehabt. Denn es habe die Gefahr bestanden, dass die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kl. übertragen würde. Nach dem eigenen Vorbringen des Kl. sei die Möglichkeit einer Vermögensverschiebung Inhalt der Gespräche der Parteien anlässlich der Bürgschaftserklärung gewesen. Dass die Gefahr nicht ferngelegen habe, werde durch die Übertragung der Rentenansprüche im Februar 1995 bestätigt. Die Umstände des Falls sprächen gegen die Vermutung, dass der Kl. seine Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsungewandtheit abgegeben habe. Vielmehr habe der Kl. ein hohes eigenes Interesse an der Erstellung des Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin gehabt, weil er es habe bewohnen wollen, weshalb er zu diesem Zweck auch selbst Ausbauten vorgenommen habe. An allen das Darlehen betreffenden Gesprächen habe er nicht nur persönlich mitgewirkt, sondern auch die Verhandlung aktiver als seine Lebensgefährtin geführt. Indem er sich selbst als Mitantragsteller in einem Darlehensantrag aufgeführt habe, habe er den Hausbau und damit die Darlehensgewährung zur eigenen Angelegenheit gemacht und bereits hierdurch seinen Willen zur eigenen vollen Haftung zum Ausdruck gebracht. Zudem habe er aus seinem Vermögen Sicherheiten für das Darlehen gestellt. Er sei nicht geschäftsungewandt gewesen, nachdem er persönlich in früherer Zeit ein Fuhrgeschäft geleitet habe.

II. Demgegenüber rügt die Revision: Die Bürgschaft sei sittenwidrig. Ein Sicherungsinteresse der Bekl. habe jedenfalls nicht in Höhe von 1,65 Mio. DM oder auch nur von 1,35 Mio. DM bestanden, weil das Ausfallrisiko durch andere Sicherheiten wesentlich herabgesetzt gewesen sei. Der Kl. werde durch die Bürgschaft, wie der Bekl. von Anfang an bekannt gewesen sei, krass überfordert. Eigenes Einkommen habe er im Zeitpunkt der Verbürgung nicht gehabt. Die Anteile am ausländischen Wertpapierfonds hätten ausschließlich der Hauptschuldnerin zugestanden und seien zudem auch als Sicherheit an die Bekl. verpfändet gewesen. Das von der Mutter des Kl. auf diesen übertragene Grundstück habe für die hohe Schuldsumme nicht annähernd ausgereicht, zumal die Mutter sich ein lebenslängliches Wohnrecht vorbehalten habe. Die gerade erst abgeschlossenen Lebensversicherungen hätten nur einen Rückkaufswert von rund 60000 DM gehabt und seien der Bekl. ebenfalls sicherungshalber übertragen gewesen.

Der Kl. habe ferner die Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsunerfahrenheit abgegeben. Sein Interesse, in dem Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin zu wohnen, stelle nur einen mittelbaren Vermögensvorteil dar, welcher die Anwendung des § 138 I BGB nicht ausschließe.

III. Die vom Kl. am 21.2.1992 eingegangene Bürgschaft ist sittenwidrig. Gemäß § 138 I BGB ist eine Bürgschaft insbesondere dann nichtig, wenn der aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell krass überfordert wird und die Bürgschaft sich auch aus Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist. Davon ist hier auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Bekl. auszugehen.
1. Der Kl. wird durch die Bürgschaft krass überfordert. Da die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts aufgrund der bei Vertragsschluss vorliegenden Umstände und erkennbaren Entwicklungen zu beurteilen ist, ist der Verbürgung im vorliegenden Fall eine Hauptschuld von 1,65 Mio. DM zugrunde zu legen; eine Absenkung um 300 000 DM wurde erst später vereinbart (s. u. IV).
a) Der Bürge ist krass überfordert, wenn die Verbindlichkeit, für die er einstehen soll, so hoch ist, dass bereits bei Vertragsschluss nicht zu erwarten ist, er werde - wenn sich das Risiko verwirklicht - die Forderung des Gläubigers wenigstens zu wesentlichen Teilen tilgen können (vgl. BGHZ 125, 206 [211] = NJW 1994, 1278 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 91; vgl. Senat, NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327). Davon ist bei nicht ganz geringfügigen Hauptschulden jedenfalls dann auszugehen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag. Im Rahmen der Prüfung, ob die Geschäftsgrundlage einer Bürgschaft weggefallen ist, hat der Senat zwar darauf abgestellt, ob der Bürge innerhalb von fünf Jahren nicht einmal ein Viertel der Hauptsumme aufzubringen vermag (BGHZ 132, 328 [338] = NJW 1996, 2088 = LM H. 9/1996 § 765 BGB Nr. 108; BGHZ 134, 325 [332] = NJW 1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114). Aufgrund dieses Maßstabs hat er jedoch nie die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für eine verzinsliche Hauptschuld bejaht. Soweit den Urteilen in BGHZ 136, 347 (351 f.) = NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120, sowie BGHZ 137, 329 (337 f.) = NJW 1998, 597 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 121, eine Anwendbarkeit des letztgenannten Maßstabs auch im Rahmen des § 138 I BGB entnommen werden könnte, wird das Gegenteil ausdrücklich klargestellt.
Die Bürgschaftssumme von 1,65 Mio. DM überfordert den Kl. krass. Das Darlehen war mit jährlich 9%, also monatlich 12375 DM zu verzinsen. Einen solchen Betrag konnte der Kl. nicht annähernd erwirtschaften. Als gelernter Glaser hatte er ein eigenes Fuhrgeschäft schon vor der hier maßgeblichen Zeit aufgegeben. Eine Erwerbstätigkeit in dem erlernten Beruf oder als Kraftfahrer verschafft erfahrungsgemäß keine Einkünfte in der hier nötigen Größenordnung. Für die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung fehlt jede tatsächliche Grundlage. Insbesondere ist in der Selbstauskunft der Frau B vom 3. 12. 1991 für den Kl. als Mitantragsteller kein "monatliches Nettoeinkommen" aufgeführt. Nach der Behauptung der Bekl. bezog der Kl. zur Zeit der Bürgschaftsübernahme monatlich 4000 DM von Frau B für die Führung ihres Speditionsgeschäfts. Das BerGer. hat dies aufgrund der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme für nicht bewiesen gehalten. Sogar wenn man dem - insoweitbeweisbelasteten
- Kl. ein derartiges Einkommen zurechnet, reicht es nicht annähernd aus, um die monatlich anfallenden Zinslasten abzudecken. Es kommt somit nicht mehr entscheidend darauf an, dass der Kl. zusätzlich die laufenden Prämien für die Lebensversicherung über 250 000 DM aufzubringen hatte, die für das Finanzierungskonzept der Hauptschuldnerin und des Kl. nötig war.

b) In die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Kl. sind nur seine eigenen Vermögensverhältnisse, nicht aber auch diejenigen der Hauptschuldnerin einzubeziehen. Zwar hat der Senat mehrmals entschieden, dass bei der Beurteilung einer krassen Überforderung auch die voraussichtliche Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners zu berücksichtigen ist (NJW 1996, 1274 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 104 = WM 1996, 519 [521 f.]; NJW 1996, 1470 = LM H. 8/1996 § 767 BGB Nr. 31/32 = WM 1996, 766 [767]; NJW 1997, 3230 = LM H. 8/1997 § 276 [Fb] BGB Nr. 78 = WM 1997, 1045 [1046]). Auf dessen Leistungsfähigkeit hat der Senat später jedoch nicht mehr abgestellt (vgl BGHZ 134, 325 [327] = NJW 1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114; BGHZ 136, 347 [351 f.] = NJW 1997, 3372 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120; BGH, NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327). Denn der Bürgschaftsfall tritt regelmäßig erst ein, wenn der Hauptschuldner selbst nicht mehr leistungsfähig ist. Das ist sogar der gesetzliche Zweck der Bürgschaft (vgl. § 771 BGB). Dann aber hilft dem Bürgen früher etwa vorhandenes Vermögen des Hauptschuldners nichts. Stattdessen obliegt es dem Gläubiger, sich von vornherein über die individuelle Leistungsfähigkeit etwaiger Bürgen und Mitverpflichteter zu unterrichten und nur jene bei der Höhe ihrer jeweiligen Mit-. verpflichtung zu berücksichtigen.
c) Das vom Kl. verbürgte Risiko wurde nicht durch sonstige Umstände voll ausgeglichen oder entscheidend herabgemindert. Bei der Frage der Überforderung sind anderweitige Sicherheiten des Gläubigers nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen vermindern (vgl. BGHZ 136, 347 [352 f.] = NJW 1997, 3230 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120; Senat, NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327). Dass die Mutter des Kl. ihm im September 1992 ein jedenfalls in Höhe von 350 000 DM belastbares Grundstück übertrug, hat im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht zu bleiben (s. u. IV). Denn keine Partei behauptet, dass dies schon im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme im Februar 1992 vorausgesehen oder Verhandlungsgegenstand gewesen sei. Einseitige Hilfeleistungen von Angehörigen des Bürgen zeitlich nach dessen Verbürgung beeinflussen nicht die Beurteilung ihrer Sittenwidrigkeit.
Bei der Beurteilung des Risikos, welches der Bürge eingeht, ist vom vollen Nennwert der Bürgschaft auszugehen, wenn der Gläubiger zwar weitere Sicherheiten erhalten hat, jedoch nicht sichergestellt ist, dass er nur in einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich festgelegten Haftungssumme in Anspruch genommen wird (BGHZ 136, 347 [3521 = NJW 1997, 3230 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120; Senat, NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327). Im vorliegenden Falle hat der Bekl. unter Nr. 6 seiner Bürgschaftserklärung anerkannt, dass alle Maßnahmen und Vereinbarungen, welche die Bank hinsichtlich ihrer Ansprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweckmäßig erachtet, den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren. Darüber hinaus stand es der Bekl. frei, den Erlös aus anderweitig bestellten Sicherheiten zunächst auf solche Ansprüche anzurechnen, die durch die Bürgschaft des Kl. nicht gedeckt sind.

d) Die Bekl. muss die sich danach ergebende finanzielle Leistungsunfähigkeit des Kl. als bekannt gegen sich gelten lassen. Denn nach banküblichen Gepflogenheiten überprüfen Kreditinstitute die geforderten Sicherheiten vor der Hereinnahme grundsätzlich auf ihre Werthaltigkeit. Dementsprechend müssen sie von sich aus Ermittlungen über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse solcher Personen anstellen, die mithaften sollen. Sieht eine Bank von derartigen Nachforschungen ab, befragt sie also insbesondere den Beteiligten nicht nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, muss sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen als bekannt entgegenhalten lassen (Senat, NJW 1996, 513 = LM H. 4/ 1996 § 138 [Bd BGB Nr. 85 = WM 1996, 53 [54]; NJW 1999, 58 = LM H. 3/1999 § 765 BGB Nr. 132 = WM 1998, 2327 [2329] m. w. Nachw.). Im vorliegenden Falle hat der Kl. in vollem Umfange Auskunft über seine Einkommens-und Vermögensverhältnisse erteilt und der Bekl. sogar alle von ihm angegebenen Vermögenswerte verpfändet. Er hat ihr nicht etwa vorgespiegelt, mehr Einkommen oder Vermögen zu haben, als tatsächlich der Fall war. Die Bekl. selbst geht davon aus, dass Kl. und Hauptschuldnerin die monatliche Belastung für Zins- und Lebensversicherungsbeiträge nur aufbringen konnten, wenn der Erwerber der früheren Spedition der Hauptschuldnerin seinen Zahlungsverpflichtungen nachkam. Die Bekl. hat jedoch nicht beachtet, dass der Umfang der Mitverpflichtung des Kl. seine erkennbar beschränkte Leistungsfähigkeit weit überstieg.
2. Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften finanziell krass überforderter Ehegatten, die aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner gehandelt haben, findet in der Regel auch Anwendung, wenn Hauptschuldner und Bürge durch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft verbunden sind (Senat, NJW 1997, 1005 = LM H. 5/1 997 § 765 BGB Nr. 113 = WM 1997, 465; vgl. auch BGHZ 136, 347 [350] = NJW 1997, 3230 = LM H. 5/1998 § 765 BGB Nr. 120). Der Kl. lebte unstreitig in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Hauptschuldnerin. Ein solches Lebensverhältnis ist erfahrungsgemäß als ein Beweggrund für einen der Partner geeignet, sich für den anderen in einer Weise zu verpflichten, welche die eigene Leistungsfähigkeit krass überfordert. Die persönliche Beziehung war der Bekl. aus den Darlehensverhandlungen bekannt.
Das BerGer. hat sich gleichwohl nicht davon überzeugen können, dass der Kl. die überhöhte Bürgschaft aus emotiona1er Verbundenheit zu Frau B übernommen hat. Die Auslegung des BerGer. bewertet aber lediglich mittelbare Vorteile, die sich der Kl. aus dem Erfolg des finanzierten Bauvorhabens versprochen haben mag, rechtsfehlerhaft als entgegen-stehende Umstände. Die Rechtsprechung des BGH hat stets nur eigene geldwerte Vorteile des krass überforderten Bürgen aus dem verbürgten Geschäft selbst als einen Umstand angesehen, der ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit auszugleichen vermag (vgl. Senat, NJW 1999, 58 = WM 1998, 2327 [2328 f.]). Der vom BerGer. als wesentlich herausgestellte Umstand, dass der Kl. das auf dem Grundstück der Frau B zu errichtende Haus mitbewohnen sollte, genügt danach nicht. Miteigentümer sollte der Kl., soweit dargetan, nicht werden. Das bloße Mitbewohnen einer aufwendig ausgebauten Villa begründet allenfalls eine Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und stellt somit keinen Vorteil dar, der vernünftigerweise eine hoffnungslose Überschuldung auszugleichen vermöchte. Ein solches Interesse lässt sich durch geeignete Anmietungen billiger befriedigen.
Dem steht nicht das von der Bekl. zitierte Senatsurreil vom 23. 1. 1997 (NJW 1997, 1005 = WM 1997, 465 [4669]) entgegen: In diesem Fall ging es angesichts der begrenzten Bürgschaftshöhe zwar um eine erhebliche Belastung, nicht aber um eine krasse Überforderung der Bürgin. Stattdessen stand dort allein das Vorliegen einer anders gearteten Fallgruppe der Sittenwidrigkeit zur Entscheidung, nämlich eine unzulässige Einwirkung der Gläubigerin selbst auf die Entschließung des Bürgen; nur bei Prüfung gerade der Verwerflichkeit des Gläubigerhandelns hat der Senat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung erkennbar ausgleichende Umstände auf Seiten der Bürgin berücksichtigt.
Zum anderen hat das BerGer. darauf abgestellt, dass der Kl. bei den Kreditbesprechungen mit der Bekl. als Verhandlungsführer für die Hauptschuldnerin aufgetreten ist. Insoweit hat er aber in jedem Falle als Vertreter im fremden Namen gehandelt. Allein aus einem derartigen Betreiben fremder Geschäfte folgt nicht ein inhaltliches Eigeninteresse an dem Geschäft. Obwohl der Kl. Verhandlungen für Frau B geführt hat, hat er der Bekl. nie ein eigenes Sachinteresse am Bau selbst vorgespiegelt. Sie hat den Kl. letztlich auch nicht als MitantragsteIler für das Darlehen behandelt, und es ist nicht dargetan, dass er über dessen Verwendung frei mitbestimmen durfte.
Entgegen. der Ansicht der Revisionserwiderung liegt ein Eigeninteresse des Kl. ferner nicht darin, dass er sich in die Zwischenfinanzierung des Bauvorhabens mit einem eigenen Lebensversicherungsvertrag hat einbinden lassen. Der Umstand allein, dass ein Bürge für das Bauvorhaben seines Lebenspartners auf dessen Grundstück zusätzliche Leistungen erbringt, spricht zunächst nur für die emotionale Beteiligung des Bürgen; er bedeutet kein geldwertes Eigeninteresse des Bürgen unmittelbar am Bauvorhaben selbst.
Dass der Kl. möglicherweise nicht geschäftsungewandt war, fällt in diesem Zusammenhang als Beweisanzeichen - entgegen der Auffassung des BerGer. - nicht ins Gewicht: Auch geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu einem Lebenspartner Verbindlichkeiten eingehen, die sie krass überfordern. Sogar wenn der Kl. - gemäß der unbewiesenen Behauptung der Bekl. - für die Führung der Geschäfte der Frau B monatlich eine Vergütung von 4000 DM erhalten hätte, galt eine solche allein seinen persönlichen Einsatz ab; sie begründete keinen Gegenwert für eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM. Dasselbe trifft, anders als die Revisionserwiderung meint, für die Mitwirkung des Kl. an der Verpfändung der Anteile am Wertpapierfonds zu: Wenn der eine Teil einer Lebenspartnerschaft schon eigene Sachsicherheiten opfert, rechtfertigt dies nicht seine zusätzliche, persönliche Verpflichtung als Bürge in voller Höhe der Hauptschuld. Somit kommt es nicht entscheidend auf die Behauptung des Kl. an, er sei hinsichtlich der Anteile nur Treuhänder für Frau B gewesen, dieser hätten wirtschaftlich alle Anteile zugestanden.

3. Das BerGer. hat ein rechtlich vertretbares Interesse der Bekl. an der Verpflichtung des Kl. auch in der Gefahr gesehen, dass die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kl. übertragen würde. Es stellt als unstreitig fest, dass eine solche Gefahr Inhalt der Gespräche der Parteien anlässlich der Bürgschaftserklärung war.
a) Das BerGer. hat darin Recht, dass Vermögensverlagerungen gerade zwischen einander emotional verbundenen Personen in dem Fall, dass einer von ihnen die Insolvenz droht, erfahrungsgemäß oft vorgenommen werden. Die Vermeidung solcher Verschiebungen durch den wirtschaftlich zunächst leistungsstärkeren Hauptschuldner kann ein berechtigter Grund sein, von einer ihm nahe stehenden Person eine Bürgschaft zu verlangen (BGHZ 128, 230 [234] = NJW 1995, 592 = LM H. 6/1995 § 765 BGB Nr. 98; BGHZ 134 [325] = NJW 1997, 1003 = LM H. 5/1997 § 765 BGB Nr. 114; Senat, NJW 1997, 1005 = WM 1996,465 [466]; NJW 2000, 362 = LM H. 5/2000 § 765 BGB Nr. 141 = WM 2000,23 [24 f.]).
b) Hier durfte die Bekl. jedoch unter diesem Gesichtspunkt keine Bürgschaft in Höhe von 11,65 Mio. DM verlangen. Sie war von Anfang an wenigstens in der Lage, sich ganz überwiegend aus anderweitigen Sicherheiten zu befriedigen. Die verpfändeten Wertpapiere (Templeton Growth Fund) und Festgelder deckten anfangs 1 229 000 DM der verbürgten Hauptsumme ab. Für den Rest diente das zunächst unbebaute Grundstück der Hauptschuldnerin als Sicherheit. Sogar wenn dessen Schätzwert von 1 Mio. DM bei realistischer Vorausschau nicht voll zu verwirklichen sein würde, blieb - unter Berücksichtigung auflaufender Zinsen - eine Deckungslücke allenfalls in einer Größenordnung von bis zu 400 000 DM. Allein in diesem Umfang konnte die Bekl. durch Vermögensverschiebungen seitens der Hauptschuldnerin gefährdet werden. Der weitere, letztlich unvollendet gebliebene Ausbau des Wohnhauses auf dem Grundstück vergrößerte die Deckungslücke jedenfalls nicht.
Die Entgegennahme einer Bürgschaft durch den Gläubiger ist im Rahmen des § 138 I BGB als Einheit zu werten. Lässt er sich eine Bürgschaft stellen, die der Höhe nach sein berechtigtes Interesse offenkundig weit übersteigt, vermag es eine krasse Überforderung des Bürgen nicht einmal teilweise zu rechtfertigen.
IV. Am 10. 12. 1992 hat der Kl. im Rahmen der Umschuldungsverhandlungen den Antrag der Frau B mit unterschrieben, das vereinbarte Darlehen von 1,65 Mio. DM auf 1,35 Mio. DM zu senken. In dem Antrag heißt es auszugsweise: "Folgende bereits vorhandene Sicherheiten haften auch für diesen Kredit: ... Unbefristete, selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über DM 1 650 000 - H. G. -, vom 21. 2. 1992 ...". Eine rechtswirksame Bestätigung dieser früheren Bürgschaft liegt darin nicht. Denn ein nichtiger Vertrag wird nicht durch Bestätigung rückwirkend wirksam; er kann nur für die Zukunft neu abgeschlossen werden. Es kommt allerdings in Betracht, die vom Kl. unterzeichnete Erklärung als eine neue, selbständige Verbürgung seinerseits in der Form des § 766 BGB auszulegen. Eine solche, erneute Verbürgung für das nunmehr auf 1,35 Mio. DM festgesetzte Darlehen ist jedoch nicht Gegenstand des genau umschriebenen Feststellungsantrags. Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, dass auch die verringerte Bürgschaftssumme die Leistungsfähigkeit des Kl. noch weit überstieg und sich das Risiko seiner Inanspruchnahme wegen des ausgleichenden Wegfalls bisheriger Sicherheiten keinesfalls verringerte.