NJW 2000, 71 f
Amtl. Leitsatz:
Bei einem auf § 326 BGB gestützten
Schadensersatzbegehren können Fälligkeitszinsen nicht mehr geltend
gemacht werden. Wohl aber kann dem Gläubiger durch die Nichtzahlung
vereinbarter Fälligkeitszinsen ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden
entstanden sein.
Zentrales Problem:
Der Kl. hatte dem Bekl. in notarieller
Urkunde ein Grundstück verkauft. Im Vertrag war vereinbart, daß
der Bekl. im Falle des Rückstandes mit der Kaufpreiszahlung den rückständigen
Betrag mit 10 % p.a. zu verzinsen hat. Der Bekl. zahlte nach Fälligkeit
des Kaufpreises zunächst Zinsen, stellte dann aber jede Zahlung ein.
Nach (anwaltlicher) Mahnung sowie fruchtloser erneuter Fristsetzung mit
Ablehnungsandrohung verlangt der Kl. vom Bekl. bis zum Ablauf der Nachfrist
aufgelaufene rückständige Zinsen, Ersatz der Rechtsanwaltskosten
für die Mahnung sowie Bewilligung der Löschung der zugunsten
des Bekl. eingetragenen Auflassungsvormerkung. Der Bekl. wendet ein, der
Kl. habe durch den Weiterverkauf des Grundstücks einen erheblichen
Mehrerlös erzielt, der seinen Schaden kompensiere. Während die
Vorinstanzen der Klage im wesentlichen stattgegeben hatten, hatte die Revision
Erfolg.
Die Entscheidung wirft zum wiederholten
Mal praktisch wie dogmatisch bedeutsame Fragen des Schadensersatzes nach
§ 326 BGB auf, die sich insbesondere aus dem dort angeordneten Wegfall
des primären Erfüllungsanspruchs ergeben (zur Frage des rückwirkenden
Wegfalls des Verzugsschadens im Falle des Rücktritts vgl. zuletzt
BGH NJW 1998, 3268, wo ein erstes Abrücken
von BGHZ 88, 46 ff erkennbar wird). Der BGH
qualifiziert den geltend gemachten Zinsanspruch im Gegensatz zum Berufungsgericht,
welches die entsprechenden Vertragsklausel als Pauschalierung des Verzugsschadens
auslegte, als vertraglichen Fälligkeitszins. Er stellt dabei entscheidend
auf den Wortlaut der Klausel ab, welche die Verzinsungspflicht tatbestandlich
nicht an Verzug, sondern lediglich an einen "Zahlungsrückstand" anknüpft.
Die Pauschalierung eines Anspruches aus § 452 BGB scheidet aus, weil
die Nutzungen des Grundstücks erst mit Kaufpreiszahlung übergehen
sollten. Von einer Vertragsstrafe grenzt der BGH die Klausel (wie bereits
in BGH NJW 1992, 2625) dadurch ab, daß sie in erster Linie nicht
die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung sichern und auf
den Vertragspartner einen möglichst wirkungsvollen Druck zur Zahlung
ausüben, sondern eher eine zusätzliche vertragliche Leistung
begründen sollte. Damit stellte sich die zentrale Frage des Schicksals
des Zinsanspruchs nach Ablauf der gem. § 326 I BGB gesetzten Nachfrist.
Qualifiziert man den vertraglichen Fälligkeitszins mit dem BGH als
Teil des primären Erfüllungsanspruchs, so fällt dieser Anspruch
wegen des mit Ablauf der Nachfrist wegfallenden Erfüllungsanspruchs
gem. § 326 I 2 Halbs. 2 BGB weg (so schon BGH NJW 1997, 1231). Der
Gläubiger kann dann allerdings, so die zentrale Aussage des BGH in
der vorliegenden Entscheidung, den Zinsschaden als Bestandteil des (sekundären)
Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machen,
wenn ihm durch die Nichtzahlung ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden
entstanden ist.
Diese auch im Leitsatz wiedergegebene
Grundaussage ist dogmatisch zweifelsohne richtig. Sie läßt allerdings
offen, wann dem Gl. durch die Nichtzahlung vereinbarter Fälligkeitszinsen
ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden entsteht. Hinsichtlich
des Verzugsschadens besteht Einigkeit, daß ein bis zum Ablauf der
Nachfrist entstandener Verspätungsschaden auch nach diesem Zeitpunkt
weiter aus § 286 BGB verlangt, aber auch in den Nichterfüllungsschaden
miteinbezogen werden kann. Da Inhalt dieses Anspruches ist, den Gläubiger
vermögensmäßig so zu stellen, als habe der Schuldner (rechtzeitig!)
erfüllt, wird der Verzugsschaden, wenngleich, sofern der Gl. seinerseits
noch nicht geleistet hat, nunmehr ausschließlich in Form der Differenztheorie
(vgl. hierzu zuletzt BGH NJW 1999, 3115),
Bestandteil des Nichterfüllungsschadens (BGH NJW 1997, 1231). Diese
Differenzhypothese versagt aber bei der Vereinbarung von Fälligkeitszinsen,
da diese weder Schadensersatz bezwecken noch einen Schaden voraussetzen,
sondern Bestandteil der primären Gegenleistungspflicht sind: Hätte
nämlich der Schuldner rechtzeitig geleistet, wäre dem Gl. ja
gerade kein Zinsanspruch erwachsen. Wenn also nach § 326 I BGB Schadensersatz
wegen Nichterfüllung in Form der Differenztheorie zu leisten ist,
stellt sich das Problem des Verhältnisses zwischen Verspätungs-
und Nichterfüllungsschaden gar nicht. Vielmehr führt der Charakter
des Fälligkeitszinses als primäre Gegenleistungspflicht dazu,
daß der Schuldner insoweit (d.h. unbeschadet des Ersatzes weiterer
Folgeschäden der Nichterfüllung sowie der Anrechnung von Vorteilen)
den Kaufpreis und die bis zum Ablauf der Nachfrist aufgelaufenen Zinsen
abzüglich des Werts der Gegenleistung zu zahlen hat. Die Fälligkeitszinsen
sind damit ohne weiteres Rechnungsposten im Rahmen dieser Saldierung, was
freilich ihre isolierte Geltendmachung ausschließt: Gegenstand des
Schadensersatzanspruches ist die Differenz beider Vermögenslagen,
die gesonderte Geltendmachung einzelner Schadensposten ist, wie der BGH
jüngst zu Recht betont hat, unzulässig (BGH NJW 1999, 3625).
4. Auch die in der Entscheidung
mangels ausreichender Sachverhaltsfeststellung offengelassenen weiteren
Fragen der Haftungsausfüllung sind praktisch von größter
Bedeutung. Inwieweit bei dieser Saldierung ein nunmehr vom Gl. erzielter
Mehrerlös nach den Regeln der Vorteilsausgleichung anzurechnen ist,
hängt entscheidend davon ab, ob dieser Mehrerlös auf einer zwischenzeitlichen
Wertsteigerung (dann Anrechnung) oder auf dem Geschick des Gl./Verkäufers
beruht (dann keine Anrechnung), vgl. hierzu BGHZ 136, 52, 55 f. Die geltendgemachten
Kosten der den Verzug erst begründenden anwaltlichen Erstmahnung sind
zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens, wohl aber ebenfalls
unter demjenigen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung im Rahmen
der dort vorzunehmenden Saldierung ersatzfähig (so zutreffend
gegen die h.M. jüngst Gottwald JR 1998, 95 ff).
Zum Sachverhalt:
Mit notariellem Vertrag vom 13. 6. 1994 verkaufte
die Kl. dem Bekl. drei Grundstücke in O. zum Preis von 2,1 Mio. DM.
In Abschnitt IV des Vertrags heißt es u. a.: "... Der Kaufpreis ist
mit Ablauf von 21 Tagen nach Absendung einer schriftlichen Mitteilung des
Notars an den Käufer über das Vorliegen der folgenden Voraussetzungen
zur Zahlung fällig: ... Bis zur Fälligkeit ist der Kaufpreis
unverzinslich. Bleibt der Käufer mit der Kaufpreis-zahlung im Rückstand,
ist der rückständige Betrag mit jährlich 10% zu verzinsen....
Der Käufer unterwirft sich wegen der vorstehenden Zahlungsverpflichtungen
der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes
Vermögen." Den am 11. 11. 1994 fällig gewordenen Kaufpreis bezahlte
der Bekl. nicht, wohl aber Zinsen von monatlich 17500 DM für Januar
bis Juli 1995. Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. 1. 1996 mahnte die Kl.
die Bezahlung des Kaufpreises beim Bekl. an; dem Schreiben war eine Kostenrechnung
des Rechtsanwalts über 8261,37 DM beigefügt, in welcher eine
7,5/10 Gebühr gem. § 118 I BRAGO nach einem Gegenstandswert von
2,1 Mio. DM berechnet war. Mit weiterem Schreiben ihres Rechtsanwalts vom
27. 3. 1996 setzte die Kl. dem Bekl. fruchtlos eine Frist für die
Zahlung des Kaufpreises zuzüglich der zwischenzeitlich aufgelaufenen
Zinsen bis zum 30. 4. 1996 mit der Ankündigung, ihn danach auf Schadensersatz
wegen Nichterfüllung in Anspruch zu nehmen. Die Kl. hat beantragt,
den Bekl. zur Zahlung von 10% Zinsen jährlich für die Monate
August 1995 bis April 1996 in Höhe von 157 500 DM zuzüglich Rechtsanwaltskosten
von 8261,37 DM sowie dahin zu verurteilen, die Löschung der eingetragenen
Auflassungsvormerkung zu bewilligen. LG und OLG haben der Klage im Wesentlichen
stattgegeben. Mit der auf die Verurteilung zur Zahlung von 157 642,45 DM
beschränkten Revision verfolgt der Bekl. seinen Klageabweisungsantrag
weiter. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält den Schadensersatzanspruch
wegen Nichterfüllung nach § 326 1 BGB für gerechtfertigt.
Es wertet die vertragliche Zinsklausel als Pauschalierung des Verzugsschadens.
Das AGBG sei nicht anwendbar. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten
hält es in voller Höhe für erstattungsfähig.
II. Die Ausführungen des BerGer. halten einer
rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zu Recht hält das BerGer. allerdings die
Zahlungsklage für zulässig. Der im notariellen Vertrag vom 13.
6. 1994 titulierte Zinsanspruch der Kl. lässt das Rechtsschutzbedürfnis
für die Zahlungsklage nicht entfallen. Zur Zwangsvollstreckung gem.
§ 794 I Nr. 5 ZPO ist eine Urkunde geeignet, wenn sie auf Zahlung
einer bestimmten Geldsumme (oder auf Leistung einer bestimmten Menge anderer
vertretbarer Sachen oder Wertpapiere) gerichtet ist und der Schuldner sich
in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Ein
Zahlungsanspruch ist in diesem Sinne bestimmt, wenn er betragsmäßig
festgelegt ist oder sich aus der Urkunde ohne weiteres errechnen laßt
(BGHZ 88, 62 [64 f.] = NJW 1983, 2262 = LM § 794 1 Ziff. 5 ZPO Nr.
12 L; BGH, NJW 1995, 1162 = LM H. 6/1995 § 794 1 Ziff. 5 ZPO Nr. 22).
Unter dieser Voraussetzung ist auch eine künftige
oder bedingte Forderung unterwerfungsfähig. Der Bestimmtheitsgrundsatz
erfordert aber, dass die Höhe des künftigen oder bedingten Anspruchs
in der Urkunde festgestellt ist. Daran fehlt es, wenn die Urkunde nur auf
eine mögliche, nicht schon im Betrag feststehende Forderung lautet
(BGHZ 88, 62 [65] = NJW 1983, 2262 = LM § 794 1 Ziff. 5 ZPO Nr. 12
L m. w. Nachw.). Hier bezieht sich die Unterwerfungserklärung nach
ihrem Wortlaut und nach ihrem Sinnzusammenhang mit den in demselben Abschnitt
der Urkunde genannten Ansprüchen der Kl. auch auf den Zinsanspruch.
Er ist in der Urkunde jedoch nicht hinreichend bestimmt i. 5. des §
794 1 Nr. 5 ZPO. Die Anspruchshöhe läßt sich der Urkunde
nicht entnehmen, weil der Zinsbeginn sich nicht aus ihr ergibt und sich
auch nicht aus ihr bestimmen läßt. Erst anhand einer nach Errichtung
der Urkunde erfolgten Mitteilung des Notars kann der Beginn der Zinspflicht
errechnet werden.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen
die - nicht näher begründete - Auffassung des BerGer., der Anspruch
der Kl. auf Zahlung von Zinsen ab Fälligkeit des Kaufpreises sei eine
Pauschalierung des Verzugsschadens. Denn das BerGer. hat es verfahrensfehlerhaft
unterlassen, die rechtliche Bedeutung der Klausel im Wege der Auslegung
zu ermitteln. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr in
Betracht kommen, ist das RevGer. zur eigenen Auslegung befugt (Senat, NJW
1992, 2625 = LM H. 2/1993 § 133 [C] BGB Nr. 77; BGHZ 121, 284 [289]
= NJW 1993, 1532 = LM H. 9/1993 BerufsunfähigkeitsZusatzvers. Nr.
19).
a) Die Zinsklausel beinhaltet keine Pauschalierung
des Verzugsschadens. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, wonach die Zinspflicht
nicht an einen Verzug, sondern an einen "Rückstand" des Bekl. mit
der Kaufpreiszahlung geknüpft ist. Da der Vertragstext von einem Notar
formuliert wurde, wäre zu erwarten gewesen, dass anderenfalls das
Erfordernis des Verzugs des Käufers in den Vertrag aufgenommen worden
wäre (vgl. Senat, NJW 1992, 2625 [2626] = LM H. 2/ 1993 § 133
[C] BGB Nr. 77).
b) Da Besitz, Nutzungen und Gefahr nach Abschnitt
III des notariellen Vertrags erst mit Zahlung des Kaufpreises übergehen
sollten, kann die Zinsklausel auch nicht als Pauschalierung des Anspruchs
aus § 452 BGB ausgelegt werden.
c) Die Zinsklausel enthält schließlich
nicht die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Abgesehen davon, dass der
Begriff im Text nicht auftaucht, gibt es keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Klausel in erster Linie die Erfüllung der vertraglich geschuldeten
Leistung sichern und auf den Bekl. einen möglichst wirkungsvollen
Druck zur Zahlung ausüben sollte.
d) Die Klausel enthält in Wahrheit eine Vereinbarung
von Fälligkeitszinsen. Aus ihrem Wortlaut und dem Zusammenhang mit
den übrigen Vertragsbestimmungen ergibt sich, dass sie eine zusätzliche
vertragliche Leistung neben der Verpflichtung des Käufers zur Kaufpreiszahlung
begründen soll. Die Zinspflicht soll ohne weitere Voraussetzungen,
wie z. B. Mahnung, bei einem "Rückstand mit der Kaufpreiszahlung"
eintreten. Sie schließt unmittelbar an die Bestimmung über die
Unverzinslichkeit des Kaufpreises bis zu seiner Fälligkeit an. Damit
wird eine Abhängigkeit zwischen Verzinsungspflicht und Zinsbeginn
von der Kaufpreisfälligkeit hergestellt. Dementsprechend hat der Bekl.
Zinsen auch ohne Verzug gezahlt.
3. Handelt es sich um die Vereinbarung von Fälligkeitszinsen,
kommt es darauf, ob das AGBG Anwendung findet, nicht an, weil die Klage
insoweit schon unschlüssig ist. Denn Fälligkeitszinsen können
nach einem auf § 326 BGB gestützten Schadensersatzbegehren nicht
mehr geltend gemacht werden, weil sie zu den primären Erfüllungsansprüchen
gehören, die mit dem fruchtlosen Ablauf der Nachfrist geM. §
326 I 2 BGB erloschen sind (Senat, NJW 1997, 1231 = LM H. 6/1997 §
254 [Da] BGB Nr. 67 m. w. Nachw.). Wohl aber kann dem Gläubiger durch
die Nichtzahlung vereinbarter Fälligkeitszinsen ein ersatzfähiger
Nichterfüllungsschaden entstanden sein. Ein solcher ist jedoch nicht
geltend gemacht worden. Da sowohl das BerGer. als auch die Parteien diesen
rechtlichen Gesichtspunkt bisher übersehen haben, sieht sich der Senat
an einer eigenen Entscheidung gehindert. Das BerGer. wird außerdem
zu bedenken haben, dass ein Nichterfüllungsschaden wie zum Beispiel
die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten als Schadensposten im Rahmen
des notwendigen Gesamtvermögensvergleichs nur verlangt werden können,
wenn sie nicht durch Vorteile aufgewogen werden. Hierzu bedarf es weiterer
Feststellungen, weil der Bekl. behauptet, die Kl. habe aus dem Weiterverkauf
der Grundstücke einen Mehrerlös von 900 000 DM erzielt (vgl.
hierzu BGHZ 136, 52 = NJW 1997, 2378 = LM H. 1/1998 § 326 [Eb] BGB
Nr. 10).
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