Fälligkeitszinsen und Schadensersatz nach § 326 BGB nach Wegfall der Primärleistungspflicht 
BGH, Urt. v. 1. 10. 1999 - V ZR 112/98 (Dresden) 
Fundstelle:

NJW 2000, 71 f 


Amtl. Leitsatz:

Bei einem auf § 326 BGB gestützten Schadensersatzbegehren können Fälligkeitszinsen nicht mehr geltend gemacht werden. Wohl aber kann dem Gläubiger durch die Nichtzahlung vereinbarter Fälligkeitszinsen ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden entstanden sein. 


Zentrales Problem:

Der Kl. hatte dem Bekl. in notarieller Urkunde ein Grundstück verkauft. Im Vertrag war vereinbart, daß der Bekl. im Falle des Rückstandes mit der Kaufpreiszahlung den rückständigen Betrag mit 10 % p.a. zu verzinsen hat. Der Bekl. zahlte nach Fälligkeit des Kaufpreises zunächst Zinsen, stellte dann aber jede Zahlung ein. Nach (anwaltlicher) Mahnung sowie fruchtloser erneuter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung verlangt der Kl. vom Bekl. bis zum Ablauf der Nachfrist aufgelaufene rückständige Zinsen, Ersatz der Rechtsanwaltskosten für die Mahnung sowie Bewilligung der Löschung der zugunsten des Bekl. eingetragenen Auflassungsvormerkung. Der Bekl. wendet ein, der Kl. habe durch den Weiterverkauf des Grundstücks einen erheblichen Mehrerlös erzielt, der seinen Schaden kompensiere. Während die Vorinstanzen der Klage im wesentlichen stattgegeben hatten, hatte die Revision Erfolg.
Die Entscheidung wirft zum wiederholten Mal praktisch wie dogmatisch bedeutsame Fragen des Schadensersatzes nach § 326 BGB auf, die sich insbesondere aus dem dort angeordneten Wegfall des primären Erfüllungsanspruchs ergeben (zur Frage des rückwirkenden Wegfalls des Verzugsschadens im Falle des Rücktritts vgl. zuletzt BGH NJW 1998, 3268, wo ein erstes Abrücken von BGHZ 88, 46 ff erkennbar wird). Der BGH qualifiziert den geltend gemachten Zinsanspruch im Gegensatz zum Berufungsgericht, welches die entsprechenden Vertragsklausel als Pauschalierung des Verzugsschadens auslegte, als vertraglichen Fälligkeitszins. Er stellt dabei entscheidend auf den Wortlaut der Klausel ab, welche die Verzinsungspflicht tatbestandlich nicht an Verzug, sondern lediglich an einen "Zahlungsrückstand" anknüpft. Die Pauschalierung eines Anspruches aus § 452 BGB scheidet aus, weil die Nutzungen des Grundstücks erst mit Kaufpreiszahlung übergehen sollten. Von einer Vertragsstrafe grenzt der BGH die Klausel (wie bereits in BGH NJW 1992, 2625) dadurch ab, daß sie in erster Linie nicht die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung sichern und auf den Vertragspartner einen möglichst wirkungsvollen Druck zur Zahlung ausüben, sondern eher eine zusätzliche vertragliche Leistung begründen sollte. Damit stellte sich die zentrale Frage des Schicksals des Zinsanspruchs nach Ablauf der gem. § 326 I BGB gesetzten Nachfrist. Qualifiziert man den vertraglichen Fälligkeitszins mit dem BGH als Teil des primären Erfüllungsanspruchs, so fällt dieser Anspruch wegen des mit Ablauf der Nachfrist wegfallenden Erfüllungsanspruchs gem. § 326 I 2 Halbs. 2 BGB weg (so schon BGH NJW 1997, 1231). Der Gläubiger kann dann allerdings, so die zentrale Aussage des BGH in der vorliegenden Entscheidung, den Zinsschaden als Bestandteil des (sekundären) Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machen, wenn ihm durch die Nichtzahlung ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden entstanden ist.
Diese auch im Leitsatz wiedergegebene Grundaussage ist dogmatisch zweifelsohne richtig. Sie läßt allerdings offen, wann dem Gl. durch die Nichtzahlung vereinbarter Fälligkeitszinsen ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden entsteht. Hinsichtlich des Verzugsschadens besteht Einigkeit, daß ein bis zum Ablauf der Nachfrist entstandener Verspätungsschaden auch nach diesem Zeitpunkt weiter aus § 286 BGB verlangt, aber auch in den Nichterfüllungsschaden miteinbezogen werden kann. Da Inhalt dieses Anspruches ist, den Gläubiger vermögensmäßig so zu stellen, als habe der Schuldner (rechtzeitig!) erfüllt, wird der Verzugsschaden, wenngleich, sofern der Gl. seinerseits noch nicht geleistet hat, nunmehr ausschließlich in Form der Differenztheorie (vgl. hierzu zuletzt BGH NJW 1999, 3115), Bestandteil des Nichterfüllungsschadens (BGH NJW 1997, 1231). Diese Differenzhypothese versagt aber bei der Vereinbarung von Fälligkeitszinsen, da diese weder Schadensersatz bezwecken noch einen Schaden voraussetzen, sondern Bestandteil der primären Gegenleistungspflicht sind: Hätte nämlich der Schuldner rechtzeitig geleistet, wäre dem Gl. ja gerade kein Zinsanspruch erwachsen. Wenn also nach § 326 I BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Form der Differenztheorie zu leisten ist, stellt sich das Problem des Verhältnisses zwischen Verspätungs- und Nichterfüllungsschaden gar nicht. Vielmehr führt der Charakter des Fälligkeitszinses als primäre Gegenleistungspflicht dazu, daß der Schuldner insoweit (d.h. unbeschadet des Ersatzes weiterer Folgeschäden der Nichterfüllung sowie der Anrechnung von Vorteilen) den Kaufpreis und die bis zum Ablauf der Nachfrist aufgelaufenen Zinsen abzüglich des Werts der Gegenleistung zu zahlen hat. Die Fälligkeitszinsen sind damit ohne weiteres Rechnungsposten im Rahmen dieser Saldierung, was freilich ihre isolierte Geltendmachung ausschließt: Gegenstand des Schadensersatzanspruches ist die Differenz beider Vermögenslagen, die gesonderte Geltendmachung einzelner Schadensposten ist, wie der BGH jüngst zu Recht betont hat, unzulässig (BGH NJW 1999, 3625).
4. Auch die in der Entscheidung mangels ausreichender Sachverhaltsfeststellung offengelassenen weiteren Fragen der Haftungsausfüllung sind praktisch von größter Bedeutung. Inwieweit bei dieser Saldierung ein nunmehr vom Gl. erzielter Mehrerlös nach den Regeln der Vorteilsausgleichung anzurechnen ist, hängt entscheidend davon ab, ob dieser Mehrerlös auf einer zwischenzeitlichen Wertsteigerung (dann Anrechnung) oder auf dem Geschick des Gl./Verkäufers beruht (dann keine Anrechnung), vgl. hierzu BGHZ 136, 52, 55 f. Die geltendgemachten Kosten der den Verzug erst begründenden anwaltlichen Erstmahnung sind zwar nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens, wohl aber ebenfalls unter demjenigen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung im Rahmen der dort vorzunehmenden Saldierung  ersatzfähig (so zutreffend gegen die h.M. jüngst Gottwald JR 1998, 95 ff). 


Zum Sachverhalt:

Mit notariellem Vertrag vom 13. 6. 1994 verkaufte die Kl. dem Bekl. drei Grundstücke in O. zum Preis von 2,1 Mio. DM. In Abschnitt IV des Vertrags heißt es u. a.: "... Der Kaufpreis ist mit Ablauf von 21 Tagen nach Absendung einer schriftlichen Mitteilung des Notars an den Käufer über das Vorliegen der folgenden Voraussetzungen zur Zahlung fällig: ... Bis zur Fälligkeit ist der Kaufpreis unverzinslich. Bleibt der Käufer mit der Kaufpreis-zahlung im Rückstand, ist der rückständige Betrag mit jährlich 10% zu verzinsen.... Der Käufer unterwirft sich wegen der vorstehenden Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen." Den am 11. 11. 1994 fällig gewordenen Kaufpreis bezahlte der Bekl. nicht, wohl aber Zinsen von monatlich 17500 DM für Januar bis Juli 1995. Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. 1. 1996 mahnte die Kl. die Bezahlung des Kaufpreises beim Bekl. an; dem Schreiben war eine Kostenrechnung des Rechtsanwalts über 8261,37 DM beigefügt, in welcher eine 7,5/10 Gebühr gem. § 118 I BRAGO nach einem Gegenstandswert von 2,1 Mio. DM berechnet war. Mit weiterem Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 27. 3. 1996 setzte die Kl. dem Bekl. fruchtlos eine Frist für die Zahlung des Kaufpreises zuzüglich der zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen bis zum 30. 4. 1996 mit der Ankündigung, ihn danach auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch zu nehmen. Die Kl. hat beantragt, den Bekl. zur Zahlung von 10% Zinsen jährlich für die Monate August 1995 bis April 1996 in Höhe von 157 500 DM zuzüglich Rechtsanwaltskosten von 8261,37 DM sowie dahin zu verurteilen, die Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung zu bewilligen. LG und OLG haben der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Mit der auf die Verurteilung zur Zahlung von 157 642,45 DM beschränkten Revision verfolgt der Bekl. seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 326 1 BGB für gerechtfertigt. Es wertet die vertragliche Zinsklausel als Pauschalierung des Verzugsschadens. Das AGBG sei nicht anwendbar. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hält es in voller Höhe für erstattungsfähig.
II. Die Ausführungen des BerGer. halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zu Recht hält das BerGer. allerdings die Zahlungsklage für zulässig. Der im notariellen Vertrag vom 13. 6. 1994 titulierte Zinsanspruch der Kl. lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Zahlungsklage nicht entfallen. Zur Zwangsvollstreckung gem. § 794 I Nr. 5 ZPO ist eine Urkunde geeignet, wenn sie auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme (oder auf Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere) gerichtet ist und der Schuldner sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Ein Zahlungsanspruch ist in diesem Sinne bestimmt, wenn er betragsmäßig festgelegt ist oder sich aus der Urkunde ohne weiteres errechnen laßt (BGHZ 88, 62 [64 f.] = NJW 1983, 2262 = LM § 794 1 Ziff. 5 ZPO Nr. 12 L; BGH, NJW 1995, 1162 = LM H. 6/1995 § 794 1 Ziff. 5 ZPO Nr. 22).
Unter dieser Voraussetzung ist auch eine künftige oder bedingte Forderung unterwerfungsfähig. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert aber, dass die Höhe des künftigen oder bedingten Anspruchs in der Urkunde festgestellt ist. Daran fehlt es, wenn die Urkunde nur auf eine mögliche, nicht schon im Betrag feststehende Forderung lautet (BGHZ 88, 62 [65] = NJW 1983, 2262 = LM § 794 1 Ziff. 5 ZPO Nr. 12 L m. w. Nachw.). Hier bezieht sich die Unterwerfungserklärung nach ihrem Wortlaut und nach ihrem Sinnzusammenhang mit den in demselben Abschnitt der Urkunde genannten Ansprüchen der Kl. auch auf den Zinsanspruch. Er ist in der Urkunde jedoch nicht hinreichend bestimmt i. 5. des § 794 1 Nr. 5 ZPO. Die Anspruchshöhe läßt sich der Urkunde nicht entnehmen, weil der Zinsbeginn sich nicht aus ihr ergibt und sich auch nicht aus ihr bestimmen läßt. Erst anhand einer nach Errichtung der Urkunde erfolgten Mitteilung des Notars kann der Beginn der Zinspflicht errechnet werden.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die - nicht näher begründete - Auffassung des BerGer., der Anspruch der Kl. auf Zahlung von Zinsen ab Fälligkeit des Kaufpreises sei eine Pauschalierung des Verzugsschadens. Denn das BerGer. hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die rechtliche Bedeutung der Klausel im Wege der Auslegung zu ermitteln. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen, ist das RevGer. zur eigenen Auslegung befugt (Senat, NJW 1992, 2625 = LM H. 2/1993 § 133 [C] BGB Nr. 77; BGHZ 121, 284 [289] = NJW 1993, 1532 = LM H. 9/1993 BerufsunfähigkeitsZusatzvers. Nr. 19).
a) Die Zinsklausel beinhaltet keine Pauschalierung des Verzugsschadens. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, wonach die Zinspflicht nicht an einen Verzug, sondern an einen "Rückstand" des Bekl. mit der Kaufpreiszahlung geknüpft ist. Da der Vertragstext von einem Notar formuliert wurde, wäre zu erwarten gewesen, dass anderenfalls das Erfordernis des Verzugs des Käufers in den Vertrag aufgenommen worden wäre (vgl. Senat, NJW 1992, 2625 [2626] = LM H. 2/ 1993 § 133 [C] BGB Nr. 77).
b) Da Besitz, Nutzungen und Gefahr nach Abschnitt III des notariellen Vertrags erst mit Zahlung des Kaufpreises übergehen sollten, kann die Zinsklausel auch nicht als Pauschalierung des Anspruchs aus § 452 BGB ausgelegt werden.
c) Die Zinsklausel enthält schließlich nicht die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Abgesehen davon, dass der Begriff im Text nicht auftaucht, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel in erster Linie die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung sichern und auf den Bekl. einen möglichst wirkungsvollen Druck zur Zahlung ausüben sollte.
d) Die Klausel enthält in Wahrheit eine Vereinbarung von Fälligkeitszinsen. Aus ihrem Wortlaut und dem Zusammenhang mit den übrigen Vertragsbestimmungen ergibt sich, dass sie eine zusätzliche vertragliche Leistung neben der Verpflichtung des Käufers zur Kaufpreiszahlung begründen soll. Die Zinspflicht soll ohne weitere Voraussetzungen, wie z. B. Mahnung, bei einem "Rückstand mit der Kaufpreiszahlung" eintreten. Sie schließt unmittelbar an die Bestimmung über die Unverzinslichkeit des Kaufpreises bis zu seiner Fälligkeit an. Damit wird eine Abhängigkeit zwischen Verzinsungspflicht und Zinsbeginn von der Kaufpreisfälligkeit hergestellt. Dementsprechend hat der Bekl. Zinsen auch ohne Verzug gezahlt.
3. Handelt es sich um die Vereinbarung von Fälligkeitszinsen, kommt es darauf, ob das AGBG Anwendung findet, nicht an, weil die Klage insoweit schon unschlüssig ist. Denn Fälligkeitszinsen können nach einem auf § 326 BGB gestützten Schadensersatzbegehren nicht mehr geltend gemacht werden, weil sie zu den primären Erfüllungsansprüchen gehören, die mit dem fruchtlosen Ablauf der Nachfrist geM. § 326 I 2 BGB erloschen sind (Senat, NJW 1997, 1231 = LM H. 6/1997 § 254 [Da] BGB Nr. 67 m. w. Nachw.). Wohl aber kann dem Gläubiger durch die Nichtzahlung vereinbarter Fälligkeitszinsen ein ersatzfähiger Nichterfüllungsschaden entstanden sein. Ein solcher ist jedoch nicht geltend gemacht worden. Da sowohl das BerGer. als auch die Parteien diesen rechtlichen Gesichtspunkt bisher übersehen haben, sieht sich der Senat an einer eigenen Entscheidung gehindert. Das BerGer. wird außerdem zu bedenken haben, dass ein Nichterfüllungsschaden wie zum Beispiel die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten als Schadensposten im Rahmen des notwendigen Gesamtvermögensvergleichs nur verlangt werden können, wenn sie nicht durch Vorteile aufgewogen werden. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen, weil der Bekl. behauptet, die Kl. habe aus dem Weiterverkauf der Grundstücke einen Mehrerlös von 900 000 DM erzielt (vgl. hierzu BGHZ 136, 52 = NJW 1997, 2378 = LM H. 1/1998 § 326 [Eb] BGB Nr. 10). 


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