Abgrenzung von Sachmangel und Rechtsmangel bei öffentlich-rechtlichen
Beschränkungen der Nutzbarkeit der Kaufsache
BGH, Urt. v. 13. 10. 2000 - VZR 430/99 (Koblenz)
Fundstelle:
NJW 2001, 65
JuS 2001, 298 f (Emmerich)
Zentrale Probleme:
s. Anm. zu BGH
NJW 2000, 803 sowie BGH NJW 2000, 1256.
Vgl. auch BGH v. 18.1.2017
- VIII ZR 234/15.
Amtl. Leitsatz:
Die Tatsache, dass eine im Gewerbegebiet gelegene Eigentumswohnung nur
von einem bestimmten Personenkreis benutzt werden darf, kann einen Sachmangel
begründen.
Zum Sachverhalt:
Mit notariellem Vertrag vom 14. 10. 1994 kaufte die
Kl. von dem Bekl. den Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbunden
mit dem Sondereigentum an einer Wohnung zum Preis von 350 000 DM unter
Ausschluss der Gewährleistung für Größe, Güte
und Beschaffenheit des Grundstücks. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich
eines qualifizierten Bebauungsplans, der es als Gewerbegebiet ausweist.
Das Objekt, in dem sich die verkaufte Eigentumswohnung befindet, war mit
Bescheid der Kreisverwaltung vom 31. 10. 1990 als gewerblich genutztes
Gebäude mit einer Druckerei im Erdgeschoss und zwei darüber liegenden,
betriebsbezogenen Wohnungen baurechtlich genehmigt worden. Die Kl. bezog
die Wohnung. Mit Bescheid der Kreisverwaltung vom 4. 11. 1996 wurde ihr
gem. § 78 LBO/Rheinland-Pfalz i. V. mit § 8 III BauNVO die Nutzung
der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken untersagt, weil sie keine betriebsbezogene
Tätigkeit ausübe und deshalb nicht zu dem Personenkreis zähle,
der ausnahmsweise eine solche Wohnung selbst nutzen dürfe. Die Anfechtungsklage
gegen den Bescheid und der Antrag auf Zulassung der Berufüng blieben
ohne Erfolg. Nach vergeblicher Aufforderung, das Eigentum an der Wohnung
frei von diesen baurechtlichen Beschränkungen zu übertragen,
hat die Kl. Klage erhoben, mit der sie vom Bekl. die Rückzahlung des
Kaufpreises in Höhe von 350 000 DM Zug um Zug gegen Rückübereignung
der Wohnung verlangt und die Feststellung des Annahmeverzugs des Bekl.
begehrt.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das OLG
dem Zahlungsantrag - unter Abzug einer Nutzungsentschädigung von 36000
DM und Klageabweisung insoweit - in Höhe von 314 000 DM sowie dem
Feststellungsantrag stattgegeben. Die Revision des Bekl. hatte Erfolg und
führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.Aus den Gründen:
I. Das BerGer. sieht in dem baurechtlichen Verbot
der Eigennutzung der Wohnung durch die Kl. einen Rechtsmangel i. S. von
§ 434 BGB.
Die Kl. könne deshalb vom Bekl. nach §§ 434, 440, 326,
346 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen, denn der Verkäufer
habe den verkauften Gegenstand frei von Rechten Dritter zu verschaffen.
Der in dem Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss stehe
dem nicht entgegen, weil er nur die Haftung für Sachmängel, nicht
aber für Rechtsmängel betreffe.
II. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Ein Rechtsmangel nach § 434 BGB kann sich zwar nicht nur aus
dem privaten Recht eines Dritten, sondern auch aus dessen Bindung kraft
öffentlichen Rechts ergeben (Senat, NJW 1979, 949 = LM § 434
BGB Nr. 5). So hat der Senat, worauf das BerGer. abhebt, die bestehende
Sozialbindung einer Wohnung nach dem Wohnungsbindungsgesetz stets als Rechtsmangel
gewertet (BGHZ 67, 134 = NJW 1976, 1888 = LM § 459 BGB Nr. 41;
zuletzt noch BGH NJW 2000, 1256). Zu Recht verweist die Revisionserwiderung
auch darauf, dass die Kl. hier, wie in den Fällen der Wohnungsbindung,
in ihren rechtlichen Befugnissen eingeschränkt ist und zwar sowohl,
was die Eigennutzung, als auch was die Fremd-nutzung angeht.
2. Das BerGer. hat jedoch verkannt, dass nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats für die Unterscheidung, ob ein Rechts- oder ein Sachmangel
i. S. des § 459 BGB vorliegt, die Frage ausschlaggebend ist, ob der
zu beurteilende Mangel aus der Beschaffenheit der Sache erwächst und
damit einen Sachmangel darstellt (vgl. insb. Senat, NJW 1979, 949 = LM
§ 434 BGB Nr. 5, und BGHZ 67, 134 = NJW 1976, 1888 = LM § 459
BGB Nr. 41). Öffentlich-rechtliche Beschränkungen, die auf bauordnungs-
oder planungsrechtlichen Bestimmungen beruhen, hat der Senat deshalb im
Anschluss an das RG in seinen späteren Entscheidungen (z. B. RGZ 131,
343 [348]; RGZ 137, 294 [295]) als Sachmängel angesehen, für
die der Verkäufer nur unter den Voraussetzungen der §§ 459
ff. BGB haftet (BGHZ 96, 385 [387] = NJW 1986, 1605 = LM § 323 BGB
Nr. 8 m. Nachw.). Denn der Sachmangel i. S. des § 459 BGB ist nicht
auf solche Fehler beschränkt, die der Sache selbst in ihrer natürlichen
Beschaffenheit anhaften. Vielmehr kann er auch in Eigentümlichkeiten
bestehen, die in der Beziehung der Sache zur Umwelt begründet sind,
wenn sie nach der Verkehrsanschauung für die Brauchbarkeit oder den
Wert der Sache bedeutsam sind (BGHZ 34, 32 [41] = NJW 1961, 772 = LM §
459 BGB Nr. 9 L m. Nachw.; BGHZ 67, 134 = NJW 1976, 1888 = LM § 459
BGB Nr. 41; Senat, NJW 1979, 949 = LM § 434 BGB Nr. 5; BGH, NJW 2000,
803 = LM H. 6/2000 § 434 BGB Nr. 15). Diese Beziehungen können
tatsächlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur sein; sie müssen
nur in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben (BGHZ 67, 134 [1361 = NJW 1976, 1888 = LM § 459 BGB Nr. 41). Dies
ist für öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen, sofern
sie ihre Grundlage in bauordnungs- und planungsrechtlichen Vorschriften
haben, regelmäßig der Fall (vgl. Senat, NJW 1979, 949 = LM §
434 BGB Nr. 5 m. w. Nachw.); denn in diesen Fällen knüpft die
Beschränkung, der die Nutzung der Immobilie unterliegt, regelmäßig
an die Lage der Sache, also an ihre Beziehung zur Umwelt, an.
3. Dementsprechend hat der Senat auch in Fällen der nahezu oder
gar vollständigen Unbenutzbarkeit des Kaufobjekts zu dem vertraglich
vorausgesetzten Gebrauch einen Sachmangel bejaht, so zum Beispiel bei Versagung
der Baugenehmigung aus bauplanungsrechtlichen Gründen (BGH, NJW 1979,
2200 [2201] m. Nachw.; BGH, NJW 1989, 2388 = LM § 467 BGB Nr. 11),
bei der fehlenden öffentlich-rechtlichen Bebaubarkeit wegen unwirksamen
Bebauungsplans (BGH, NJW 1989, 2388 = LM § 467 BGB Nr. 11), bei der
Unbenutzbarkeit einer Jagdhütte als Wochenendhaus (BGH, NJW 1986,
2824 = LM § 242 [AJ BGB Nr. 66) oder bei einem ungenehmigten Wochenendhaus
(BGH, WM 1985, 230 [231]). Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass
der Käufer jedenfalls Grundstück und Eigentum dauerhaft erhält,
es nur nicht vertragsgemäß nutzen kann (vgl. Hagen, WM 1986,
Beil. 6, S. 2; Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, RWS Skript, 7.
Aufl., S. 177 [Rdnr. 329]). Danach ist auch hier die eingeschränkte
Benutzbarkeit der übereigneten Wohnung zu dem vertraglich vorausgesetzten
Gebrauch als Sachmangel zu werten.
4. Angesichts des im notariellen Vertrag enthaltenen Gewährleistungsausschlusses
könnten der Kl. auf dem Sachmangel beruhende Ansprüche gegen
den Bekl. nur zustehen, wenn die Vereinbarung über den Gewährleistungsausschluss
den hier vorliegenden Fehler nicht erfasst. Insoweit fehlt es jedoch an
Tatsachenvortrag, aus dem sich ergeben könnte, die Vertragspartner
hätten übereinstimmend den vorliegenden Fehler von dem, seinem
Wortlaut nach umfassenden, Gewährleistungsausschluss ausnehmen wollen.
Gleiches gilt für die Frage, ob hier die Grundsätze anwendbar
wären, die der VII. Zivilsenat in seinem Urteil vom 5. 4. 1984 (NJW
1984, 2094 = LM § 633 BGB Nr. 49) zum Ausschluss der Gewährleistung
für Sachmängel beim Erwerb neu errichteter oder noch zu errichtender
Eigentumswohnungen aufgestellt hat.
5. Das Berufungsurteil kann danach mit der gegebenen Begründung
nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
Die Revisionserwiderung hat in der mündlichen Verhandlung zutreffend
auf Vortrag in der Berufungsinstanz verwiesen, aus dem sich ein arglistiges
Verschweigen des Mangels durch den Bekl. i. S. des § 476 BGB ergeben
könnte. Das BerGer. hat - aus seiner rechtlichen Sicht vom Vorliegen
eines Rechtsmangels zu Recht - hierzu weder Beweis erhoben noch die notwendigen
Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Die Sache ist deshalb
an das BerGer. zurückzuverweisen.
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