Abgrenzung von Rechts- und Sachmangel im
Kaufrecht (Eintragung eines Kfz im Schengener Informationssystem);
Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 II Nr. 1 und § 440 S. 1 Alt. 3
BGB
BGH, Urteil vom 18. Januar 2017 -
VIII ZR 234/15 - OLG Stuttgart
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die bei Gefahrübergang
vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende
Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem Schengener Informationssystem (SIS)
zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung ist ein erheblicher
Rechtsmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt (im
Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteil vom
18. Februar 2004 - VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802).
Zentrale Probleme:
Eine sehr gehaltvolle Entscheidung zur Abgrenzung von
Sachmangel und Rechtsmangel im Kaufrecht. Lehrreich ist die Entscheidung
insbesondere deshalb, weil sie die bisherige Rspr. und die einzelnen
Abgrenzungen im Detail aufzeigt. Vgl. dazu auch die Anm. zu
BGH NJW 2000, 803; BGH NJW 2001, 65;
BGH NJW 2009, 3421;
BGH v. 13.7.2011 - XII ZR 189/09 sowie dem
ähnlich gelagerten Fall BGH NJW 2004, 1802. Zur
gleichen Problematik s.jetzt auch
BGH v.26.4.2017 - VIII ZR 233/15 sowie
BGH v. 26.2.2020 - VIII ZR 267/17.
©sl 2017
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt die
Rückabwicklung eines mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrags über einen
Gebrauchtwagen.
2 Die Parteien schlossen Mitte des Jahres 2012 mündlich einen
Kaufvertrag über einen gebrauchten Rolls Royce Corniche Cabrio (Oldtimer)
zum Preis von 29.000 €. Nach Eingang der vereinbarten Anzahlung in
Höhe von 1.000 € am 11. Oktober 2012 übergab der Beklagte dem Kläger den Pkw
Mitte Oktober 2012 gegen Zahlung des Restkaufpreises.
3 Bei dem Versuch des Klägers, den Pkw Ende Juli 2013 anzumelden,
wurde das Fahrzeug polizeilich sichergestellt, weil es im Schengener
Informationssystem (SIS) von französischen Behörden als am 6. Juni 2012
gestohlen gemeldet und zur Fahndung (Sicherstellung und
Identitätsfeststellung) ausgeschrieben worden war. Gegen den Kläger
und den Beklagten wurden von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf
strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei
eingeleitet. Am 30. September 2013 erfolgte die Freigabe des
Kraftfahrzeugs, nachdem im Zuge der Ermittlungen die Vermutung aufgekommen
war, der ehemalige französische Eigentümer des Kraftfahrzeugs habe den
Diebstahl zum Zwecke des Versicherungsbetrugs nur vorgetäuscht. In
der Freigabebescheinigung des Polizeipräsidiums Düsseldorf an den Kläger ist
vermerkt, dass keine Bedenken gegen eine amtliche Zulassung bestünden. Am
17. Dezember 2013 wurde der Pkw auf den Kläger zugelassen. Die zunächst im
November 2013 eingestellten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen
die Parteien wurden im Januar 2014 wieder aufgenommen und dauerten
jedenfalls noch bis in das Jahr 2015 an. Das Fahrzeug ist nach wie
vor im SIS ausgeschrieben.
4 Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Mai 2014 erklärte der Kläger
gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ihn auf,
den Kaufpreis gegen Rückgabe des Pkw zurückzuerstatten. Der Kläger ist der
Auffassung, die bei Fahrzeugübergabe vorhandene und weiter andauernde
SIS-Ausschreibung sei ein erheblicher Rechtsmangel. Der Beklagte stellt
einen Rechtsmangel in Abrede, weil es sich bei der SIS-Ausschreibung
lediglich um ein auf Missverständnissen beruhendes vorübergehendes
Verwendungshindernis handele, das ohnehin nur im Ausland bestünde und binnen
kurzer Zeit beseitigt werden könnte.
5 Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 29.000 €
nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, sowie auf Zahlung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,68 € nebst Zinsen in
Anspruch. Das Landgericht hat dem Zug-um-Zug-Antrag in Höhe von 28.913 € und
dem weiteren Zahlungsantrag vollumfänglich, jeweils nebst Zinsen,
stattgegeben; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des
Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
8 Im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung habe das
Kraftfahrzeug einen erheblichen Rechtsmangel (§ 435 BGB) aufgewiesen, da
dessen von den französischen Behörden veranlasste Eintragung in die
SIS-Fahndungsliste einen den Gebrauch der Kaufsache dauerhaft und nachhaltig
beeinträchtigenden Umstand darstelle. Das Kraftfahrzeug sei bereits
zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger als gestohlen gemeldet und auch
noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zur Fahndung ausgeschrieben
gewesen.
9 Bei dem Eintrag in die SIS-Fahndungsliste handele es sich nicht nur um ein
vorübergehendes Zulassungshindernis; die Eintragung führe vielmehr zu einer
erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung, weil der Kläger bei einer Fahrt in
das Ausland mit einer Beschlagnahme des Fahrzeugs rechnen müsse. Bei einer
Beschlagnahme im Ausland sei der Käufer aufgrund der tatsächlichen
Gegebenheiten (Sprache, Rechtssystem) faktisch für längere Zeit von der
Nutzung des erworbenen Kraftfahrzeugs ausgeschlossen und somit in dessen
Gebrauch erheblich eingeschränkt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die
SIS-Ausschreibung auch nach der Einstellung des gegen die Parteien in
Deutschland geführten Ermittlungsverfahrens und der Herausgabe des Fahrzeugs
an den Kläger nicht gelöscht worden sei. Für das Vorliegen eines
Rechtsmangels spreche auch der Umstand, dass der Kläger bei einem Verkauf
des Pkw verpflichtet wäre, den Umstand der fortbestehenden internationalen
Ausschreibung einem Käufer zu offenbaren. Dem Kläger sei es auch nicht
zumutbar, selbst für die Löschung des SIS-Eintrags zu sorgen. Es könne nicht
Aufgabe des Käufers sein, mit hohem Aufwand und ungewissem Erfolg selbst für
eine bestehende Gebrauchsbeeinträchtigung einzustehen.
10 Einer grundsätzlich nach § 323 Abs. 1 BGB für den Rücktritt notwendigen
Fristsetzung zur Nacherfüllung habe es vorliegend nicht bedurft, da dem
Kläger nach § 440 Satz 1 BGB die ihm zustehende Art der Nacherfüllung
unzumutbar sei. In Anbetracht dessen, dass hier ein Diebstahl in Frankreich
im Raum stehe und sich der Sachverhalt durch die polizeilichen Ermittlungen
über Monate nicht habe aufklären lassen, sei eine Fristsetzung entbehrlich
gewesen. Dem Kläger sei es nicht zuzumuten abzuwarten, bis geklärt sei, ob
das Kraftfahrzeug vom wahren Eigentümer veräußert worden sei und der
Beklagte die Löschung der SIS-Ausschreibung erreichen könne.
11 Im Übrigen sei die Fristsetzung auch nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB
entbehrlich gewesen. Denn der Beklagte habe die Nacherfüllung ernsthaft und
endgültig verweigert. Bei dieser Wertung sei auch das Verhalten des
Beklagten im Prozess mit heranzuziehen. Hier habe der Beklagte durchgehend
von Anfang an seine Passivlegitimation und das Vorliegen eines Rechtsmangels
bestritten. Damit habe er klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht,
er werde den Mangel nicht beseitigen. Anhaltspunkte, dass der Beklagte durch
eine Fristsetzung zu besserer Einsicht gelangt wäre, lägen nicht vor. Der
Beklagte habe zwar vorgetragen, es wäre ihm möglich gewesen, auf die
Löschung des SIS-Eintrags hinzuwirken, und er hätte diese auch erreicht. Er
habe aber weder nach Zugang der Rücktrittserklärung noch nach Zustellung der
Klageschrift diesbezüglich etwas unternommen.
12 Da nach allem der Rücktritt wirksam erfolgt sei, seien die Klageansprüche
in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang begründet.
II.
13 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die
Revision zurückzuweisen ist.
14 Dem Kläger steht nach wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß §
437 Nr. 2, §§ 435, 440, 323 BGB der geltend gemachte Rückgewähranspruch nach
§ 346 Abs. 1 BGB zu. Das Berufungsgericht hat
rechtsfehlerfrei angenommen, dass der bereits bei Übergabe Mitte Oktober
2012 bestehende und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (2. Mai 2014)
andauernde Eintrag des Kraftfahrzeugs im SIS-Fahndungssystem einen
erheblichen (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) Rechtsmangel im Sinne des § 435 Satz 1
BGB darstellt, der den Kläger zum Rücktritt berechtigte.
15 1. Nach § 435 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn
Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen
Rechte gegen den Käufer geltend machen können.
16 a) Der Verkäufer muss daher, um seine Leistungspflicht
vollständig zu erfüllen, nicht nur das materielle (Eigentums-)Recht als
solches verschaffen, sondern auch dafür sorgen, dass der Käufer die
Kaufsache unangefochten und frei von Rechten Dritter erwirbt und nutzen
kann. Das Ziel der Rechtsverschaffung ist umfassend, damit der Käufer, wie
in § 903 Satz 1 BGB für den Eigentümer vorgesehen, in die Lage versetzt
wird, nach Belieben mit der Sache zu verfahren (siehe
BT-Drucks. 14/6040, S. 218;
Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 435 Rn. 8; vgl. auch
Grunewald, Die Grenzziehung zwischen der Rechts- und Sachmängelhaftung beim
Kauf, 1980, S. 50 f.). Ein Rechtsmangel liegt deshalb vor, wenn
Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also
geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB
gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (MünchKommBGB/Westermann,
7. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOK-BGB/Faust, Stand: August 2014, § 435 Rn. 6).
17 aa) Hinsichtlich der rechtlichen Natur dieser individuellen
Belastung kommen nicht nur dingliche Rechte eines Dritten, sondern auch
obligatorische Rechte in Betracht, wenn ihre Ausübung eine tatsächliche
Beeinträchtigung der Nutzung für den Käufer bedeuten, indem sie dem
Rechtsinhaber ein Recht zum Besitz der Sache verschaffen (Miet- und
Pachtverhältnisse betreffend: BGH, Urteile vom 2. Oktober 1987 - V ZR
105/86, NJW-RR 1988, 79 unter II 1; vom 17. Mai 1991 - V ZR 92/90, NJW 1991,
2700 unter III; vgl. auch MünchKommBGB/Westermann, aaO Rn. 7;
Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 435 Rn. 8; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 15;
Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO Rn. 15).
18 bb) Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse,
Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen,
können einen Rechtsmangel begründen (BT-Drucks.
14/6040, S. 217; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 18 f.; MünchKommBGB/Westermann,
aaO Rn. 10; Erman/ Grunewald, aaO Rn. 11). Dies gilt - in Abgrenzung
zu den dem Bereich der Sachmängelgewährleistung (§ 434 BGB) zuzuordnenden
Sachverhalten - jedenfalls dann, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher
Normen nicht Folge der (auch) einen Sachmangel begründenden nicht
vertragsgemäßen Beschaffenheit der Kaufsache ist; andernfalls liegt es nahe,
(nur) einen Sachmangel anzunehmen (Erman/Grunewald, aaO).
Schematische Lösungen verbieten sich hierbei (Senatsurteil vom 5.
Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, BGHZ 113, 106,112).
19 (1) So hat der Senat in einem Fall, in dem Hasenfleisch verkauft
wurde, bei dem der begründete Verdacht der Salmonellenverseuchung bestand,
einen Sachmangel bejaht, weil die Kaufsache - unabhängig davon, dass sie in
Folge des Verdachts (auch) der öffentlich-rechtlichen Beschlagnahme unterlag
- nicht mehr für die vorgesehene Verwendung (Weiterveräußerung) tauglich war
(Senatsurteil vom 14. Juni 1972 - VIII ZR 75/71, WM 1972, 1314
unter I 3). In Abgrenzung hiervon hat der Senat dagegen entschieden
(Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, aaO S. 112 f.),
dass sich ein Käufer, der Dieselkraftstoff zum Betrieb von
Dieselmotoren bestellt, gegenüber dem Verkäufer mit Erfolg auf einen
Rechtsmangel berufen kann, wenn in Abweichung von der Bestellung ein mit
Heizöl verunreinigter Dieselkraftstoff geliefert wird; die
Besonderheit dieses Falles, die zur Annahme eines Rechtsmangels führte, lag
darin, dass der gelieferte Kraftstoff zwar zur vertraglich vorgesehenen
Verwendung (Betrieb von Dieselmotoren) auch mit der Verunreinigung tauglich
war, er aber wegen der Heizölbeimischung der Gefahr der behördlichen
Beschlagnahme unterlag. Die den Käufer treffende Beeinträchtigung lag mithin
nicht in der tatsächlichen Beschaffenheit der Sache, sondern darin, dass der
Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen
konnte (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 - VIII ZR 75/90, aaO).
20 (2) Auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zieht die
Grenze zwischen Sach- und Rechtsmangel in Fällen, in denen
öffentlich-rechtliche Befugnisse oder Beschränkungen auf die Nutzung eines
verkauften Grundstücks einwirken, in gleicher Weise. So liegt in
öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Bebaubarkeit eines verkauften
Grundstücks, die an dessen Beschaffenheit (insbesondere die Lage) anknüpfen,
ein Sachmangel (BGH, Urteil vom 15. Juli
2011 - V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 5 mwN): Hingegen stellt
etwa die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung,
die von deren Beschaffenheit unabhängig ist, ebenso einen Rechtsmangel dar
(BGH, Urteile vom 9. Juli 1976 - V ZR 256/75, BGHZ 67, 134, 135
ff.; vom 21. Januar 2000 - V ZR 387/98, NJW 2000,
1256 unter II 1) wie eine Veränderungssperre (BGH,
Urteil vom 20. Dezember 1985 - V ZR 263/83, BGHZ 96, 385, 390 f.) oder
die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers,
einen Teil des verkauften Grundstücks als Straßenbauland an die Gemeinde zu
veräußern (BGH, Urteil vom 4. Juni 1982 - V ZR 81/81, NJW 1983, 275
unter II 3 b).
21 (3) Dementsprechend hat der Senat die nach § 111b StPO
(rechtmäßig) durchgeführte Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen
gemeldeten Kraftfahrzeugs - deren allein der Sicherung zivilrechtlicher
Ansprüche des durch die Straftat Verletzten dienende Anordnung keine Folge
der Beschaffenheit des Fahrzeugs war - als Rechtsmangel angesehen und es
insoweit als genügend erachtet, wenn der Sachverhalt, aufgrund dessen die
(spätere) Beschlagnahme erfolgt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war
(Senatsurteil vom 18. Februar 2004 - VIII
ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Diese Rechtsprechung geht zurück
auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen die rechtlichen Folgen
von öffentlich-rechtlichen Beschlagnahmebefugnissen (zum einen aufgrund
Verstoßes gegen Einfuhrbestimmungen [RGZ 105, 390], zum anderen aufgrund
Verstoßes gegen zollrechtliche Bestimmungen [RGZ 111, 86]) zu klären waren.
In beiden Fällen hat es bereits das Reichsgericht für die Annahme eines
Rechtsmangels ausreichen lassen, dass bei Gefahrübergang ein
Sachverhalt vorliegt, der einen staatlichen Zugriff auf die Kaufsache im
Wege einer künftigen Beschlagnahmeanordnung ermöglicht (RGZ 105,
390, 391 f.; RGZ 111, 86, 88 f.). Im Anschluss daran hat auch der V.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Rechtsmangel bereits
dann gegeben ist, wenn das Recht eines Dritten auch nur potentiell geeignet
ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm gebührenden
Rechtsposition zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 11. Dezember
1991 - V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396 unter II 2; so auch Staudinger/Matusche-Beckmann,
aaO Rn. 9).
22 b) Nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben ist (bereits) die
Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die Fahndungsliste aufgrund einer
SIS-Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen (so auch die
einhellige Auffassung der Oberlandesgerichte; vgl. OLG Köln NJW-RR 2014,
1080; OLG Düsseldorf vom 20. Februar 2015 - I-22 U 159/14, juris; OLG
München, Urteil vom 2. Mai 2016 - 21 U 3016/15, juris). Zwar handelt es sich
bei dem Schengener Informationssystem (nur) um eine interne Datenbank der
Sicherheitsbehörden des Schengen-Raumes, mit der - anders als bei einer
bereits vollzogenen behördlichen Beschlagnahme oder Sicherstellung - noch
kein unmittelbarer Eingriff in Form des Entzugs der Sache verbunden ist. Die
Eigenart der auf einem internationalen Abkommen beruhenden SIS-Sachfahndung
gebietet es jedoch, bereits die Eintragung als solche und nicht erst eine
daraufhin erfolgende Beschlagnahme oder Sicherstellung als Rechtsmangel
einzuordnen. Denn bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in
dieses Fahndungssystem ist für den Käufer mit der Gefahr einer erheblichen
Nutzungsbeeinträchtigung verbunden und führt damit zu einer individuellen
Belastung, die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm
nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen.
23 aa) Die SIS-Ausschreibung hat ihre rechtliche Grundlage in dem Beschluss
2007/533/JI des Europäischen Rats vom 12. Juni 2007 über die Errichtung, den
Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten
Generation (SIS II; ABl. L 205/63). In Art. 38 Abs. 1, 2 Buchst. a dieses
Beschlusses ist geregelt, dass Daten in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die zur
Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, in das
Fahndungssystem eingegeben werden können. Wird das gesuchte Fahrzeug
aufgefunden, wird dem aufgreifenden Mitgliedsstaat in Art. 39 Abs. 3 des
Beschlusses aufgegeben, Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts zu
ergreifen.
24 bb) Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die SIS-Ausschreibung eines
Kraftfahrzeugs mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden
Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer Halteränderung
oder bei einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt wird und
das Fahrzeug daraufhin behördlicherseits - nach den jeweiligen
Rechtsvorschriften des Landes, in dem es aufgefunden wird - rechtmäßig
sichergestellt oder beschlagnahmt wird, wie es auch im vorliegenden Fall
Mitte des Jahres 2013 für die Dauer von mehreren Monaten geschehen ist.
25 Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Einordnung als
Rechtsmangel unerheblich, dass der streitgegenständliche Pkw hier nach der
Sicherstellung in Düsseldorf von der dortigen Polizei wieder freigegeben
wurde und der Kläger das Fahrzeug anschließend zum Straßenverkehr zulassen
konnte. Denn die Ausschreibung besteht nach wie vor, weil ungeachtet der
schon länger andauernden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bisher
nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Pkw dem (früheren)
französischen Eigentümer abhandengekommen oder er Gegenstand eines
Versicherungsbetruges gewesen ist; auch das - zwischenzeitlich für kurze
Zeit eingestellte - Ermittlungsverfahren gegen beide Parteien dauerte
jedenfalls bis in das Jahr 2015 hinein an.
26 Die SIS-Ausschreibung erschöpft sich deshalb entgegen der Auffassung der
Revision nicht in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Denn die durch
die Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen
Strafverfolgungsbehörden des Schengen-Raums bestehen fort, solange die
Eintragung nicht beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn
er - was angesichts der ungeklärten Historie des Fahrzeugs offen ist -
Eigentümer des Fahrzeugs geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903
Satz 1 BGB vorgesehen, unbelastet von (Zugriffs-)Rechten Dritter nach
Belieben mit der Kaufsache verfahren. Denn sobald er das Fahrzeug im
öffentlichen Raum bewegt, muss er damit rechnen, dass dieses, je nach
Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden, erneut beschlagnahmt wird.
Dies wäre für den Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat,
nicht nur mit einem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für einen nicht ohne
weiteres abzusehenden Zeitraum, sondern mit Blick auf die zur
Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengungen auch mit
erheblichen weiteren Nachteilen - insbesondere bei einer Sicherstellung im
Ausland - verbunden.
27 Darüber hinaus ist die Verkäuflichkeit des Pkw durch die
Eintragung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre
redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die nach wie vor
bestehende Ausschreibung aufzuklären. Diese gravierenden Folgen
rechtfertigen es, bereits die aufgrund behördlicher Verfügung erfolgte
SIS-Ausschreibung als einen - im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB
erheblichen - Rechtsmangel anzusehen.
28 cc) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass vorliegend der Grund der
Eintragung des Fahrzeugs in das SIS in dem ungeklärten
Eigentumsherausgabeanspruch eines Dritten besteht, der durch seine
Diebstahlsanzeige das Ermittlungsverfahren initiiert hat. Zwar
trifft es zu, dass ein nur behaupteter Anspruch eines Dritten einen
Rechtsmangel nicht begründen kann (BT-Drucks.
14/6040 S. 217), sondern es eines tatsächlich bestehenden Rechts
eines Dritten bedarf, um einen Rechtsmangel annehmen zu können
(BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 8). Die den Käufer im Streitfall unmittelbar
treffende individuelle Belastung ist jedoch nicht in dem ungeklärten
Eigentumsherausgabeanspruch zu sehen, sie liegt vielmehr in den
durch die Eintragung eröffneten Zugriffsmöglichkeiten staatlicher Behörden
auf die Kaufsache.
29 Dass die Eintragung - solange das Ermittlungsverfahren nicht
abgeschlossen beziehungsweise die Eigentumslage nicht geklärt ist - auf
einer sich auf die Diebstahlsanzeige gründenden "Vermutung" beruht, ist für
die Annahme des Rechtsmangels unerheblich (vgl. auch Erman/Grunewald, aaO
Rn. 12). Vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit auch Fallgestaltungen
für denkbar gehalten, in denen der Verkäufer dafür einsteht, dass Dritte
keine Rechte geltend machen, und er etwaig erhobene Ansprüche abzuwehren
hat (BT-Drucks. 14/6040,
S. 218). Darum geht es auch hier. Denn es versteht sich bei einem
Kraftfahrzeugkauf von selbst, dass der Verkäufer als Teil seiner
Erfüllungspflicht ein Fahrzeug zu verschaffen hat, das problemlos zur
Straßenverkehrszulassung gebracht und ohne Sorge vor behördlicher
Beschlagnahme im In- und Ausland benutzt werden kann.
30 2. Der am 2. Mai 2014 erklärte Rücktritt ist - entgegen der
Auffassung der Revision - auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil es der
Kläger versäumt hätte, dem Beklagten zuvor eine nach § 323 Abs. 1 BGB
grundsätzlich erforderliche Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) zu setzen.
Denn das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen
Feststellungen und unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden
Umstände des Streitfalls jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass
es hier einer Fristsetzung zur Nacherfüllung vor Erklärung des Rücktritts
nicht bedurfte.
31 a) Allerdings ergibt sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung
vorliegend nicht, wie das Berufungsgericht meint, aus § 323 Abs. 2 Nr. 1
BGB. Nach der Rechtsprechung des Senats sind, was auch das Berufungsgericht
im Ansatz nicht verkennt, an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen
Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB strenge
Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt
nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck
bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen
(st. Rspr.; zuletzt Senatsurteil vom 1. Juli 2015
- VIII ZR 226/14, NJW 2015, 3455 Rn. 33 mwN).
32 Ob ein Verkäufer die Nacherfüllung endgültig und ernsthaft verweigert
hat, unterliegt zwar der tatrichterlichen Würdigung (vgl.
Senatsurteil vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14,
aaO Rn. 34 mwN); diese ist jedoch revisionsrechtlich darauf überprüfbar, ob
der Tatrichter von den zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist
und alle Umstände des Falles, insbesondere das gesamte Verhalten des
Verkäufers, berücksichtigt hat (vgl. Senatsurteil
vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14, aaO).
33 Das Berufungsgericht hat den bereits in der Klageerwiderung gehaltenen
und in der Folgezeit beibehaltenen Vortrag des Beklagten, er sei nicht
passiv legitimiert, sowie das prozessuale Bestreiten eines Mangels dahin
gewürdigt, der Beklagte habe die Erfüllung endgültig und ernsthaft
verweigert. Damit hat es in Abweichung von höchstrichterlichen
Rechtsprechungsgrundsätzen die Anforderungen an eine endgültige und
ernsthafte Erfüllungsverweigerung zu niedrig angesetzt. Nach der
Rechtsprechung des Senats kann aus dem bloßen Bestreiten von Mängeln nicht
ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - die das Berufungsgericht hier nicht
festgestellt hat - auf eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung
geschlossen werden (vgl. Senatsurteil
vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 226/14, aaO). Gleiches gilt für die
Behauptung, nicht passivlegitimiert zu sein.
34 b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht jedoch angenommen,
dass eine Fristsetzung hier nach § 440 Satz 1 BGB entbehrlich war, weil es
dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Rücktritts nicht zuzumuten war,
sich noch auf eine Nacherfüllung (Beseitigung der SIS-Eintragung
bei den französischen Behörden) durch den Beklagten einzulassen.
Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass zu diesem
Zeitpunkt - nach wie vor - sowohl der Verdacht eines durch den französischen
Eigentümer begangenen Versicherungsbetruges als auch eines zu dessen
Nachteil begangenen Diebstahls im Raum stand und die im Zeitpunkt des
Rücktritts (2. Mai 2014) seit mehr als 18 Monaten andauernden
Ermittlungsmaßnahmen der Polizei den Sachverhalt nicht hatten klären können.
Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen
Umständen nicht zuzumuten war, noch abzuwarten, ob der Beklagte in
absehbarer Zeit etwas würde erreichen können, was den Ermittlungsbehörden
bisher nicht gelungen war, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
35 Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe in diesem
Zusammenhang entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten nicht
gewürdigt. Der Beklagte, so die Revision, habe vorgetragen, er sei seit der
Einstellung des Ermittlungsverfahrens am 13. November 2013 bis zum Erhalt
der Rücktrittserklärung im Mai 2014 von einer Aufklärung der Angelegenheit
ausgegangen, auch weil ihm ein Mitarbeiter der französischen
Versicherungsgesellschaft mitgeteilt habe, der frühere Eigentümer habe einen
Versicherungsbetrug oder einen versuchten Versicherungsbetrug begangen. Die
Beibehaltung der Ausschreibung könne nur auf einem Missverständnis beruhen,
denn die französischen Ermittlungsbehörden hätten von der Versicherung die
unzutreffende Auskunft erhalten, das Fahrzeug sei noch nicht gerichtlich
freigegeben und die Ermittlungen in Deutschland seien noch nicht
abgeschlossen. Er, der Beklagte, hätte die Möglichkeit gehabt, über das
Landeskriminalamt oder das Bundeskriminalamt oder durch entsprechenden
Nachdruck bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf auf die Löschung des
SIS-Eintrags hinzuwirken und hätte dies wohl auch erreicht.
36 Diese Umstände sind indes nicht geeignet, die Würdigung des
Berufungsgerichts zur Unzumutbarkeit der Nacherfüllung in Frage zu stellen.
Denn bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es maßgeblich auf den
Erkenntnisstand des Klägers als Käufer im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung
an. Aus dessen Sicht war es aber am 2. Mai 2014 entscheidend, dass es - wie
bereits ausgeführt - in einem nach Übergabe des Fahrzeugs verstrichenen
Zeitraum von 18 Monaten nicht einmal den strafrechtlichen
Ermittlungsbehörden gelungen war, den Sachverhalt aufzuklären. Der Hinweis
des Beklagten auf die Einstellung der Ermittlungen am 13. November 2013
liegt neben der Sache. Denn die - von den deutschen Behörden geführten -
strafrechtlichen Ermittlungen wurden nach den rechtsfehlerfreien und von der
Revision auch nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kurz
nach deren Einstellung - auch gegen den Beklagten - wieder aufgenommen und
dauerten jedenfalls bis in das Jahr 2015 noch an. Die Einschätzung des
Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen im Mai 2014
nicht zumutbar war abzuwarten, ob der Beklagte nunmehr (erfolgreich)
versuchen könnte, den Sachverhalt in absehbarer Zeit doch noch aufzuklären
und eine Löschung des Eintrags zu erreichen, ist deshalb aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden.
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