Abgrenzung von Rechts- und Sachmangel im
Kaufrecht (Eintragung eines Kfz im Schengener Informationssystem);
Auslegung eines Gewährleistungsausschlusses; Kenntnis des Verkäufers (§ 444
BGB); Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 II Nr. 1 und § 440 S. 1 Alt. 3
BGB
BGH, Urteil vom 26. April 2017 - VIII
ZR 233/15 - OLG Koblenz
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Haben die Vertragsparteien in einem
Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug neben einem
Gewährleistungsausschluss zusätzlich ausdrücklich die Rechtsmängelfreiheit
der Kaufsache zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht, gilt der
Haftungsausschluss nicht für Rechtsmängel gemäß § 435 BGB, sondern
ausschließlich für Sachmängel gemäß § 434 BGB (Fortführung von
BGH, Urteile vom 29. November 2006 - VIII ZR
92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 30; vom 19. Dezember
2012 - VIII ZR 117/12, NJW 2013, 1733, Rn. 15; vom
13. März 2013 - VIII ZR 172/12, NJW 2013, 2749
Rn. 19; vom 6. November 2015 - V ZR 78/14, BGHZ 207,
349 Rn. 9; vom 22. April 2016 - V ZR 23/15, NJW
2017, 150 Rn. 14).
b) Die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der
Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem
Schengener Informationssystem (SIS) zum Zwecke der Sicherstellung und
Identitätsfeststellung ist ein erheblicher Rechtsmangel, der den Käufer zum
Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt (Bestätigung des
Senatsurteils vom 18. Januar 2017 - VIII ZR
234/15, juris Rn. 22 ff.).
c) Der Verkäufer eines Kraftfahrzeugs ist redlicherweise gehalten, einen
potentiellen Käufer über das Bestehen einer Eintragung des Fahrzeugs in dem
Schengener Informationssystem
aufzuklären (Bestätigung des Senatsurteils vom
18. Januar 2017 - VIII ZR 234/15, juris Rn. 27).-
Zentrale Probleme:
Eine gehaltvolle Entscheidung zum Kaufrecht,
insbesondere zur Auslegung eines Gewährleistungsausschlusses im Zusammenhang
mit einer Beschaffenheitsvereinbarung. Zum Sachverhalt vgl.
BGH v. 18. Januar 2017 - VIII ZR 234/15.
S. auch
BGH v. 26.2.2020 - VIII ZR
267/17 .
©sl 2017
Tatbestand:
1 Der Kläger kaufte am 29. November 2012 vom
Beklagten einen gebrauchten Pkw Audi A6 zum Preis von 30.000 €. In dem
hierbei von den Parteien verwendeten Vertragsvordruck heißt es unter
anderem:
"Der Verkäufer verkauft hiermit das Kraftfahrzeug an den Käufer unter
Ausschluss jeglicher Gewährleistung."
2 An späterer Stelle des Vertrages findet sich überdies der Passus:
"Der Verkäufer versichert, dass Kfz und Zubehörteile sein Eigentum sind.
Rechte Dritter bestehen daran nicht."
3 Der Kläger erklärte mit anwaltlichem Schreiben vom 15. April 2013
gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie die
Anfechtung desselben wegen arglistiger Täuschung. Er sei
unmittelbar nach Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von Seiten
der Kriminalpolizei darüber unterrichtet worden, dass dieses im Schengener
Informationssystem (SIS) von italienischen Behörden als gestohlen gemeldet
und zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben worden sei, weswegen jederzeit
eine Sicherstellung oder Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft erfolgen
könne. Auf die dem Beklagten bekannte Fahndungsausschreibung hätte
dieser, dem gegenüber die Polizei auch bereits ein Veräußerungsverbot
ausgesprochen habe, bei Vertragsschluss ungefragt hinweisen müssen;
stattdessen habe er den Mangel arglistig verschwiegen.
4 Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises unter
Anrechnung der Gebrauchsvorteile für die gefahrenen Kilometer sowie den
Ersatz nutzloser Aufwendungen, insgesamt 30.531,69 €, Zug um Zug gegen
Rückgabe des Fahrzeugs, sowie den Ersatz vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen. Die Klage hat in den Vorinstanzen
keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt
der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
7 Der Kläger könne keine Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis
geltend machen, denn dem von ihm erklärten Rücktritt stehe der im
Kaufvertrag vom 29. November 2012 enthaltene Gewährleistungsausschluss
entgegen. Insofern könne es im Ergebnis offenbleiben, ob das
streitgegenständliche Fahrzeug tatsächlich zur europaweiten Fahndung
ausgeschrieben (gewesen) sei. Denn dem Beklagten sei jedenfalls nicht
vorzuwerfen, die behauptete Fahndungsausschreibung arglistig im Sinne von §
444 BGB verschwiegen zu haben. Entscheidend sei hierbei, dass die
Staatsanwaltschaft Mainz ihm im Oktober 2012 auf entsprechende Anfrage
ausdrücklich mitgeteilt habe, dass gegen eine irgendwie geartete Verwertung
des Fahrzeugs keine Einwände bestünden. Ohnehin könne den Ermittlungsakten
nicht entnommen werden, dass der Beklagte von Seiten der Behörden zuvor
ausdrücklich auf eine möglicherweise bestehende Suchfahndung hingewiesen
worden sei.
II.
8 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ein
Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Kaufvertrages (§ 437 Nr. 2, §
435 Satz 1, §§ 323, 346 Abs. 1, § 348 BGB), der auf einen Rechtsmangel des
streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs gestützt wird, kann - entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts - nicht wegen eines vertraglich
vereinbarten Ausschlusses der Gewährleistung verneint werden.
9 1. Die vom Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassene - und
insoweit nach dem revisionsrechtlich zu berücksichtigenden Sachvortrag des
Klägers zu unterstellende - Eintragung des Kraftfahrzeugs in das Schengener
Informationssystem (SIS) stellt einen Rechtsmangel im Sinne von § 435 Satz 1
BGB dar.
10 a) Wie der Senat in seinem erst kürzlich ergangenen Urteil vom
18. Januar 2017 (VIII ZR 234/15, juris; im
Anschluss an und in Fortführung des Senatsurteils vom
18. Februar 2004 - VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802) entschieden hat, ist
die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung
fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die Schengener
Fahndungsliste zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung
ein erheblicher (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) Rechtsmangel, der den
Käufer - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - zum Rücktritt vom
Kaufvertrag berechtigt. Bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in
dieses Fahndungssystem ist mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum
bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer
Halteränderung oder einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung
festgestellt und das Fahrzeug daraufhin behördlicherseits sichergestellt
oder beschlagnahmt wird - und führt damit zu einer individuellen Belastung,
die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903
Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen
(Senatsurteil vom 18. Januar 2017 - VIII ZR
234/15, aaO Rn. 22, 24).
11 b) Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrag des Klägers
war das streitgegenständliche Fahrzeug bei Gefahrübergang und hiernach
fortdauernd im SIS zur Fahndung ausgeschrieben und demnach
rechtsmangelbehaftet.
12 Für die Einordnung als Rechtmangel ist es dabei unerheblich, dass die
Staatsanwaltschaft Mainz dem Beklagten wenige Wochen vor Abschluss des
Kaufvertrages auf Nachfrage mitgeteilt hatte, dass gegen eine Verwertung des
Fahrzeugs keine Einwände mehr bestünden. Denn hierdurch hob die Behörde
allein das von ihrer Seite zuvor gegenüber dem Beklagten ausgesprochene
Veräußerungsverbot, nicht aber - schon mangels entsprechender Befugnisse
-die rechtsmangelbegründende Fahndungsausschreibung im SIS auf.
13 Der europaweite Fahndungseintrag bestand vielmehr unverändert fort,
weswegen es ebenso wenig darauf ankommt, dass der Kläger das Fahrzeug nach
dem Erwerb erfolgreich zulassen konnte. Denn die dem Eigentümer aus der
SIS-Ausschreibung erwachsenden Nachteile erschöpfen sich keineswegs in einem
vorübergehenden Zulassungshindernis. Die durch die Eintragung begründeten
Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des
Schengen-Raums bestehen vielmehr fort, solange die Eintragung nicht
beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn er - was angesichts der
teilweise ungeklärten Historie des Fahrzeugs offen ist - Eigentümer des
Fahrzeugs geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903 Satz 1
BGB vorgesehen, unbelastet von (Zugriffs-)Rechten Dritter nach Belieben mit
der Kaufsache verfahren. Denn sobald er das Fahrzeug im öffentlichen Raum
bewegt, muss er damit rechnen, dass dieses, je nach Erkenntnisstand der
Ermittlungsbehörden, beschlagnahmt wird. Dies wäre für den Kläger
nicht nur mit einem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für einen nicht ohne
weiteres abzusehenden Zeitraum, sondern mit Blick auf die zur
Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengungen auch mit
erheblichen weiteren Nachteilen - insbesondere bei einer Sicherstellung im
Ausland - verbunden (siehe hierzu auch
Senatsurteil vom 18. Januar 2017 - VIII ZR 234/15, aaO Rn. 26).
14 Darüber hinaus ist die Verkäuflichkeit des Fahrzeugs durch die Eintragung
stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen
potentiellen Käufer über die nach wie vor bestehende Ausschreibung
aufzuklären (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar
2017 - VIII ZR 234/15, aaO Rn. 27).
15 2. In mehrfacher Hinsicht von Rechtsfehlern beeinflusst ist jedoch die
Annahme des Berufungsgerichts, dass dem Kläger auch im Falle des Vorliegens
eines aufgrund einer SIS-Eintragung bestehenden Rechtsmangels keine
Gewährleistungsrechte zustünden.
16 a) So erstreckt sich der von den Parteien im vorliegenden Fall
vereinbarte Gewährleistungsausschluss bereits von vornherein nicht auf die
in § 435 Satz 1 BGB bezeichneten Mängel.
17 aa) Aufgrund diesbezüglich fehlender Feststellungen der Instanzgerichte
lässt sich nicht bestimmen, ob die im vorliegend verwendeten
Vertragsvordruck enthaltenen Bedingungen von einer Partei im Sinne von § 305
Abs. 1 BGB gestellt wurden (vgl. hierzu
Senatsurteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 Rn. 10
ff.) und es sich mithin auch bei dem darin enthaltenen Passus "Der Verkäufer
verkauft hiermit das Kraftfahrzeug an den Käufer unter Ausschluss jeglicher
Gewährleistung" um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die das
Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfen kann (st. Rspr.; vgl.
Senatsurteile vom 17. April 2013 - VIII ZR 225/12, NJW 2013, 1805 Rn. 9; vom
9. April 2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 25; vom 3. Dezember 2014 -
VIII ZR 224/13, NJW-RR 2015, 264 Rn. 16; vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15,
NJW 2016, 3015 Rn. 20; jeweils mwN). Die Auslegung des vertraglichen
Gewährleistungsausschlusses durch das Berufungsgericht unterliegt aber,
selbst wenn es sich um eine Individualvereinbarung handeln sollte, in der
Revisionsinstanz jedenfalls einer (eingeschränkten) Nachprüfung daraufhin,
ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze
oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher
Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde oder die Auslegung auf mit der
Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl.
Senatsurteile vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 Rn. 42; vom 3.
Dezember 2014 - VIII ZR 224/13, aaO Rn. 37; vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR
55/15, NJW 2017, 878 Rn. 35, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen;
jeweils mwN). Bereits das ist hier der Fall.
18 bb) Denn die Frage, ob ein vereinbarter Haftungsausschluss in
uneingeschränktem Sinne aufgefasst werden muss, ist nicht nur nach dem
Wortlaut der Ausschlussbestimmung, sondern nach dem gesamten Vertragstext zu
beurteilen (Senatsurteil vom 29. November 2006 - VIII ZR 92/06,
BGHZ 170, 86 Rn. 30; vgl. zuletzt auch Senatsurteil vom 15. Februar 2017 -
VIII ZR 59/16, BB 2017, 594 Rn. 15; jeweils mwN). Das Berufungsgericht hat
in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, dass die Parteien in
ihrem Kaufvertrag eingangs nicht nur jegliche Gewährleistung für das
Fahrzeug ausgeschlossen, sondern - im Vertragstext nachfolgend - die
Zusicherung des Beklagten, dass Rechte Dritter an der Kaufsache und dem
Zubehör nicht bestünden, ausdrücklich und gleichrangig zum Gegenstand ihrer
Vereinbarung gemacht haben.
19 (1) Mit dieser eng an den Wortlaut des § 435 Satz 1 BGB
angelehnten Vereinbarung im Kaufvertrag ("Rechte Dritter bestehen daran
nicht") haben die Parteien, wovon auch die Revision ausgeht,
ausdrücklich hervorgehoben, dass die Kaufsache frei von Rechtsmängeln zu
sein habe. Es handelt sich dabei - entgegen der Auffassung des
Beklagten - nach Wortwahl und systematischer Stellung im Vertragsgefüge auch
nicht lediglich um eine Versicherung der Eigentümerstellung des Beklagten,
die bereits umfassend im unmittelbar vorangestellten Satz enthalten ist
("Der Verkäufer versichert, dass Kfz und Zubehör sein Eigentum sind.").
20 Ebenfalls sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es sich
bei dieser im Vertragsvordruck enthaltenen Bestimmung um eine rein
deklaratorische Wiedergabe des Gesetzestextes ohne besonderen
Regelungscharakter handeln sollte (vgl. den Rechtsgedanken des §
307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Nachdem das
Vorliegen eines Rechtsmangels bei Gefahrübergang nach der
Regelungskonzeption der §§ 433 ff. BGB grundsätzlich Gewährleistungsrechte
auslöst - welche von den Parteien zu Beginn des Vertrages umfassend
ausgeschlossen worden sind -, haben sie der nachfolgenden Zusicherung der
Rechtsmängelfreiheit durch ihre Erhebung zu einer vertraglichen, dem
dispositiven Recht vorgehenden Vereinbarung besonderes Gewicht verliehen.
21 Vor diesem Hintergrund handelt es sich entgegen der Auffassung
des Beklagten auch keinesfalls um eine bloße Bestätigung des zuvor
vereinbarten umfassenden Gewährleistungsausschlusses, wie dies der Senat in
der Vergangenheit etwa für eine so genannte Besichtigungsklausel entschieden
hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 6. Juli
2005 - VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II 2).
22 (2) Vielmehr stehen aus Sicht des verständigen Käufers beide
Regelungen - Gewährleistungsausschluss und Vereinbarung der
Rechtsmängelfreiheit -gleichrangig nebeneinander. Sie können damit nicht in
dem Sinne verstanden werden, dass der umfassende Gewährleistungsausschluss
die Unverbindlichkeit der Zusicherung von Rechtsmängelfreiheit zur Folge
haben soll; denn bei einem solchen Verständnis wäre die Zusicherung für den
Käufer ohne Sinn und Wert (vgl.
Senatsurteil vom 29. November 2006 - VIII ZR 92/06, aaO Rn. 31).
Dementsprechend ist es für den Bereich der Sachmängelhaftung gefestigte
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Fall einer vertraglichen
(ausdrücklich oder stillschweigend getroffenen) Beschaffenheitsvereinbarung
im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB selbst ein daneben ausdrücklich
vereinbarter Gewährleistungsausschluss nur dahin ausgelegt werden kann, dass
er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für
Mängel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB gelten kann (BGH,
Urteile vom 29. November 2006 - VIII ZR 92/06,
aaO; vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 117/12, NJW
2013, 1733, Rn. 15; vom 13. März 2013 - VIII
ZR 172/12, NJW 2013, 2749 Rn. 19; vom 6. November
2015 - V ZR 78/14, BGHZ 207, 349 Rn. 9; vom 22.
April 2016 - V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 14).
23 Gerade beim - hier vorliegenden - Kauf von Gebrauchtfahrzeugen
besteht auch ein nachvollziehbares Bedürfnis des Käufers, den - allein im
Interesse des Verkäufers vereinbarten - Gewährleistungsausschluss auf
Sachmängel im Sinne von § 434 BGB zu begrenzen und die gesetzliche
Rechtsmängelhaftung fortgelten zu lassen. Denn während der Käufer
Anhaltspunkte für Sachmängel in vielen Fällen durch eine - gegebenenfalls
mithilfe fachmännischer Hilfe durchgeführte - Besichtigung oder Probefahrt
erkennen kann, sind Rechtsmängel regelmäßig nur unter größeren
Schwierigkeiten feststellbar.
24 (3) Jedenfalls in Fällen, in denen die Vertragsparteien - wie
hier - neben einem Gewährleistungsausschluss zusätzlich ausdrücklich die
Rechtsmängelfreiheit der Kaufsache zum Gegenstand ihrer Vereinbarung machen,
kann deshalb eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung
(vgl. hierzu Senatsurteile vom 22. Februar 2012 - VIII ZR 34/11, NJW-RR
2012, 690 Rn. 25; vom 13. April 2016 - VIII ZR 198/15, WuM 2016, 350 Rn. 22;
jeweils mwN) der Kombination beider Vertragsbestimmungen nur dahin
vorgenommen werden, dass der Haftungsausschluss nicht für Rechtsmängel gemäß
§ 435 BGB, sondern ausschließlich für Sachmängel gemäß § 434 BGB gelten
soll. Dies gilt umso mehr, als Freizeichnungsklauseln - als
Ausnahme von der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Haftung -
grundsätzlich eng auszulegen sind (BGH,
Urteile vom 6. April 2016 - VIII ZR 261/14, NJW 2016, 2495 Rn. 21; vom
2. April 2004 - V ZR 267/03, BGHZ 158, 354, 366; jeweils mwN).
25 b) Wie die Revision überdies zu Recht rügt, hätte das Berufungsgericht
auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ein - von ihm im
Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des § 444 BGB erörtertes - arglistiges
Verschweigen der SIS-Eintragung durch den Beklagten nicht verneinen dürfen.
26 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verschweigt
ein Verkäufer einen offenbarungspflichtigen Mangel bereits dann arglistig,
wenn er ihn mindestens für möglich hält und gleichzeitig damit rechnet und
billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und
bei Kenntnis den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt
abgeschlossen hätte (BGH, Urteile vom 11.
Februar 2004 - VIII ZR 386/02, NJW 2004, 1032 unter II 1;
vom 15. April 2015 - VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669
Rn. 16; vom 8. Juli 2016 - V ZR 35/15, ZIP 2017, 380
Rn. 19; jeweils mwN). Bei der SIS-Eintragung handelt es sich angesichts der
gravierenden negativen Folgen für den Eigentümer um einen solchen
offenbarungspflichtigen (Rechts-)Mangel.
27 Das Berufungsgericht hat ein arglistiges Verschweigen der SIS-Eintragung
durch den Beklagten verneint, weil sich den Ermittlungsakten nicht entnehmen
lasse, dass der Beklagte ausdrücklich über die Suchfahndung informiert
worden sei und ihm die Staatsanwaltschaft mitgeteilt habe, "gegen eine
irgendwie geartete Verwertung des Fahrzeugs durch den Beklagten bestünden
keine Einwände". Damit hat das Berufungsgericht aber nur einzelne Umstände
isoliert in den Blick genommen und bei seiner Würdigung rechtsfehlerhaft
außer Acht gelassen, dass dem Beklagten gegenüber zunächst ein
ausdrückliches behördliches Veräußerungsverbot betreffend das
streitgegenständliche Fahrzeug ausgesprochen worden war. Denn nach den hier
gegebenen Umständen kam als dessen Grundlage nur eine entsprechende
SIS-Eintragung, also eine internationale Sachfahndung, in Betracht. Zudem
hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass der Beklagte im Hinblick auf
die genannten Maßnahmen einen Rechtsanwalt mit seiner Interessenwahrnehmung
beauftragt hatte, an den auch das genannte Schreiben der Staatsanwaltschaft
erfolgte. Vor allem aber bezog sich dieses Schreiben nach Wortlaut und
Inhalt offensichtlich auf die Aufhebung des zuvor von den deutschen Behörden
ausgesprochenen Veräußerungsverbotes und enthielt gerade keinen Hinweis auf
eine Löschung der internationalen Sachfahndung. Über diese hätte sich der
Beklagte indes durch eine - von ihm selbst oder über seinen Anwalt
vorgenommene - einfache Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft oder Polizei
Klarheit verschaffen können. Wenn der Beklagte in dieser Situation nicht
nachfragte, rechtfertigt dies den Schluss, er habe den (Rechts-)Mangel
zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass er dem
Kläger nicht bekannt war und dieser bei Kenntnis desselben den Kaufvertrag
nicht oder nicht mit gleichem Inhalt geschlossen hätte.
III.
28 Nach alledem kann der Beschluss des Berufungsgerichts keinen Bestand
haben; er ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur
Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der
von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellung dazu
getroffen hat, ob das streitgegenständliche Fahrzeug bei Übergabe und im
Zeitpunkt der Rücktrittserklärung im SIS-Fahndungssystem ausgeschrieben war
und dementsprechend einen Rechtsmangel aufwies. Die Sache ist deshalb zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO); dabei macht der Senat von der Möglichkeit des §
563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
29 Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Regelfall ein die sofortige
Rückabwicklung des Kaufvertrages - ohne vorherige Fristsetzung zur
Nacherfüllung, § 439 BGB - rechtfertigendes Interesse des Käufers (§ 323
Abs. 2 Nr. 3 BGB) anzunehmen ist, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel
bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat (vgl.
BGH, Urteile vom 9. Januar 2008 - VIII ZR 210/06,
NJW 2008, 1371 Rn. 19 f.; vom 15. Juli 2011 - V
ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 14; Beschluss vom
8. Dezember 2006 - V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 12 f.).
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