Abgrenzung von Rechtsmangel und
Sachmangel, Haftung nach §§ 440 I, 325 I BGB
BGH, Urt. v. 21.1.2000 - V ZR 387/98 (OLG München) Fundstelle: NJW 2000, 1256
Amtl. Leitsatz: Erfüllt ein Verkäufer nicht die Pflicht,
das Eigentum an dem gekauften Gegenstand frei von Rechten Dritter zu übertragen,
so liegt kein Fall der Teilerfüllung im Sinne des § 325 Abs.
1 Satz 2 BGB vor, sondern ein Fall der (vollständigen) Nichterfüllung.
Es geht um die Abgrenzung von Rechts-
und Sachmangel beim Kauf einer Eigentumswohnung, die der Sozialbindung
nach dem WoBindG unterlag. Diese bewirkt u.a. Mietpreisbegrenzung. In Übereinstimmung
mit der Vorinstanz wertet der BGH die sich aus der Sozialbindung nach dem
WoBindG ergebenden Beschränkungen des Eigentümers als Rechtsmangel
i.S.v. § 434 BGB. Dies entspricht seiner früheren Rechtsprechung
(s. BGHZ 63, 134). Da ein Sachmangel nicht nur in der materiellen Substanz
einer Sache, sondern auch in den rechtlichen Beziehungen der Sache zur
Umwelt liegen kann, sofern sie in der Sache selbst ihren Grund haben, ist
die Abgrenzung zwischen Rechts- und Sachmangel freilich nicht immer eindeutig.
Gerade öffentlich-rechtliche Beschränkungen werden nämlich
häufig als Sachmangel qualifiziert (vgl. die Anm. zu BGH
NJW 2000, 803 sowie BGH NJW 2001, 65). Eine wertende Betrachtungsweise stellt bei der Angrenzung
von Rechts- und Sachmangel maßgeblich auf die ratio der §§
459 ff BGB ab. Diese greift dann, wenn der Mangel für den Käufer
typischerweise "an der Sache selbst" erkennbar ist und es deshalb gerechtfertigt
ist, die besonderen Regelungen der Folgen von Sachmängeln, insbesondere
die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB, anzuwenden. In die
Wertung fließt weiter ein, ob der Mangel durch den Verkäufer
behebbar ist. In diesem Falle ist es nämlich sinnvoll, dem Verkäufer
die de lege lata nur bei der Rechtsmängelhaftung gegebene Möglichkeit
einer "Nachbesserung" einzuräumen. Entscheidend für die Qualifikation
der Sozialbindung als Rechtsmangel ist daher, daß sie in keiner Weise
an die Beschaffenheit der Sache selbst oder an ihre Beziehung zur Umwelt
anknüpft, sondern allein auf der vorausgegangenen, für einen
Käufer ohne Kenntnis der Vorgeschichte nicht erkennbaren öffentlichen
Hilfe für den Ersteller bei der Finanzierung der Wohnung beruht und
durch entsprechende finanzielle Aufwendungen auch wieder beseitigt werden
kann.
Vgl. auch BGH v. 18.1.2017 - VIII ZR 234/15. Tatbestand: Mit notariellem Vertrag vom 11. Dezember 1990 kauften
die Klägerin und ihr Mann, dessen Ansprüche sich die Klägerin
abtreten ließ, von der Beklagten eine Eigentumswohnung in H. Den
Kaufpreis finanzierten sie. Die Wohnung unterliegt - was die Käufer
nicht wußten - bis 31. Dezember 2000 der Sozialbindung. Die Käufe
sind als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden.
Entscheidungsgründe: I.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. 1. Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht die bestehende Sozialbindung der Wohnung als Rechtsmangel wertet. Das Entspricht der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 67, 134; Urt. v. 28. Oktober 1983, V ZR 235/82, WM 1984, 214), an der festgehalten wird. Soweit Ernst (Rechtsmängelhaftung, 1995, s. 126 ff.; Rechtliche Qualitätsmängel, Schriftenreihe der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe, Heft 239, 1999, S. 9 f, 31 f) das Besondere des Rechtsmangels - in Abgrenzung zum Sachmangel - darin erblickt, daß sich der Mangel als Einschränkung des Eigentums darstellt, ist das aus der Sicht des Senats nicht zu kritisieren, führt aber - entgegen Ernst aaO -nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Wohnungsbindung schränkt den Eigentümer in seinen rechtlichen Befugnissen ein, sowohl was die Eigennutzung (§ 6 WoBinG) als auch was die Fremdnutzung (§§ 4 ff WoBinG) angeht (vgl. schon Senat, Urt. v. 28. Oktober 1983, V ZR 235/82, WM 1984, 214). Infolgedessen haftet die Beklagte nach §§ 434, 440 Abs. 1 BGB wegen anfänglichen Unvermögens, da bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststand, daß die Beklagte nicht in der Lage war, die bis zum 31. Dezember 2000 fortbestehende Sozialbindung zu beseitigen. Einen vertraglichen Haftungsausschluß hat das Berufungsgericht verneint. Von Rechtsfehlern ist die Vertragsauslegung nicht beeinflußt. 2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, e sliege eine Fall der Teilerfüllung vor, der nur unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 326 Abs. 1 Satz 3, 325 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages führe. Die Pflicht des Verkäufers besteht darin, Eigentum frei von Rechten Dritter zu übertragen und die Kaufsache zu übergeben (§§ 433 Abs. 1, 434 BGB). Erfüllt er eine dieser Pflichten nicht, liegt ein Fall der (vollständigen) Nichterfüllung vor, kein Fall der Teilerfüllung im Sinne des § 325 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach der gesetzlichen Konzeption des Leistungsstörungsrechts kann die Leistung des Verkäufers nicht eine ein Eigentumsübertragung und eine Bewirkung der Lastenfreiheit aufgeteilt werden, ebensowenig wie zwischen Eigentumsübertragung und Besitzverschaffung eine solche Trennung vorgenommen werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 30. Oktober 1998, V ZR 367/97, NJW-RR 1999, 346, 347). Wäre die Sicht des Berufungsgerichts richtig, erschiene jeder Rechtsmangel nur als Teilnichterfüllung. Das ist nicht die Vorstellung des Gesetzes. Die generelle Verweisung in §§ 440 Abs. 1 BGB auf die Vorschriften der §§ 320 bis 327 BGB gingen dann teilweise ins Leere. Infolgedessen ist der geltend gemachte Schadenersatzanspruch begründet. 3. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann über die Leistungsklage vollständig, nicht nur dem Grunde nach, entschieden werden. Die Gründe, die dem in der Entscheidung des Senats vom 26. September 1997 (V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 305) entgegenstanden, liegen hier nicht vor. In jener Entscheidung ging es um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß. Danach waren die Parteien so zu stellen, als hätten sie den Vertrag nicht geschlossen. Daher war bei der Rückabwicklung zu berücksichtigen, daß dem Käufer möglicherweise Mieteinnahmen und Steuervorteile zugeflossen waren, auf die er keinen Anspruch hatte, wenn er so zu behandeln war, als habe er den Vertrag nicht geschlossen. Da es an Feststellungen hinsichtlich dieser Vorteile fehlte, konnte über die Rückabwicklung nur dem Grunde nach entschieden werden. Hier geht es hingegen um Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 434, 440 Abs. 1 BGB. Die Kläger sind so zu stellen, wie sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätten. Dann verbleiben ihnen Mieterträge und Steuervorteile. Daß sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung Vermögensnachteile erlitten hätten, die ihnen nun erspart bleiben und die beid em anzustellenden Gesamtvermögensvergleich zu ihren Lasten zu berücksichtigen wären, ist von der Beklagten, die hierfür die Darlegungslast hat (BGHZ 94, 195, 217), nicht vorgetragen worden. Sie wären im übrigen auch noch berücksichtigungsfähig, soweit die Kläger Ersatz des weiteren - hier nur im Wege der Feststellungsklage geltend gemachten - Schadens verlangen. 4. Keinen Bestand hat auch die Abweisung der Feststellungsklage. a) Das gilt zunächst für die Abweisung
hinsichtlich des zurückliegenden Zeitraums als unzulässig. Es
ist zwar richtig, daß eine Feststellungsklage in der Regel dann unzulässig
ist, wenn eine Klage auf Leistung möglich ist (BGHZ 5, 314). Daß
diese Voraussetzung hier gegeben ist, ist jedoch nicht ersichtlich. Das
Berufungsgericht hat dahingehende Feststellungen auch nicht getroffen.
Zum einen geht es der Klägerin - entgegen der von der Revision gerügten
Annahme der Berufungsgerichts - nicht nur um die Differenz zwischen den
erzielbaren Mieten mit und ohne Sozialbindung, sondern um den gesamten
Schaden, welcher den Käufern aufgrund des Kaufs der Wohnung bis zu
der begehrten Abwicklung entstanden ist, bzw. noch entstehen wird. Zum
anderen kann selbst der Mietausfallschaden nicht ohne weiteres beziffert
werden; erforderlich ist aller Voraussicht nach eine Begutachtung. Auch
aus diesem Grund erscheint es sachgerecht, die Schadensersatzpflicht zunächst
feststellen zu lassen, so daß ein Interesse daran der Klägerin
nicht abgesprochen werden kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl.,
§ 256 Rdn. 7 a).
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