Abgrenzung von Rechts- und Sachmangel im Miet- und
Pachtrecht bei öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen
(Nichtraucherschutz); (kein) Schadensersatzanspruch des Pächters wegen
Umsatzeinbußen infolge des Nichtraucherschutzgesetzes
BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR
189/09
Fundstelle:
NJW 2011, 3151
Amtl. Leitsatz:
a) Das Rauchverbot in § 7 Abs. 1
Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz stellt keinen Mangel einer
verpachteten Gaststätte dar.
b) Der Verpächter ist nicht verpflichtet, auf Verlangen des Pächters durch
bauliche Maßnahmen die Voraussetzungen zu schaffen, dass dieser einen
gesetzlich vorgesehen Raucherbereich einrichten kann.
Zentrale Probleme (s. auch die
Pressemeldung des BGH):
Ein sehr lehrreicher Fall zum Gewährleistungsrecht bei
der Pacht (welches über die Verweisung des § 581 II BGB demjenigen des
Mietrechts entspricht). Der Senat prüft dabei sowohl die Frage des
Rechtsmangels kraft öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkung (s. dazu
etwa BGH NJW 2009, 3421), als auch im
Hinblick auf einen Sachmangel (in Bezug auf die baulichen Eigenschaften des
Pachtgegenstandes, welche die [Weiter-]Betreibung als Rauchergaststätte
ausschlossen.) Vgl. auch
BGH v. 18.1.2017 - VIII ZR 234/15 sowie
BGH v. 12.1.2022 - XII ZR 8/21.
©sl 2011
Tatbestand:
1 Die Klägerin war Pächterin einer Gaststätte. Sie nimmt die Beklagte als
Verpächterin wegen einer nach Vertragsschluss durch das Inkrafttreten des
Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz eingetretenen
Nutzungsbeschränkung der Gaststätte auf Schadensersatz in Anspruch.
2 Die Gaststätte bestand aus zwei nicht voneinander getrennten Räumen.
Nachdem am 15. Februar 2008 in Rheinland-Pfalz ein Nichtraucherschutzgesetz
in Kraft getreten war, durfte in der verpachteten Gaststätte nicht mehr
geraucht werden. Von der Klägerin geforderte Umbaumaßnahmen zur Schaffung
eines den Anforderungen des Nichtraucherschutzgesetzes entsprechenden
Raucherbereichs wurden von der Beklagten abgelehnt.
3 Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines
behaupteten Umsatzrückgangs als Folge des gesetzlichen Rauchverbots.
4 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb
erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat in der u.a. in NJW-RR 2010, 203 veröffentlichten
Entscheidung zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf
Schadenersatz aus § 581 Abs. 2 BGB iVm § 536 a Abs. 1 BGB wegen entgangenen
Gewinns zu. Ein Mangel des Pachtgegenstands liege nicht vor, da durch das
Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland Pfalz der vertraglich
vorgesehene Gebrauch der gepachteten Räumlichkeiten nicht beeinträchtigt
sei. Aus der Auslegung des Pachtvertrages nach §§ 133, 157, 242 BGB ergebe
sich zwar, dass zum vertragsgemäßen Gebrauch zunächst auch die Möglichkeit
gehört habe, in der Gaststätte rauchen zu dürfen. Die Parteien seien zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses jedoch von einer Nutzungsmöglichkeit nicht
nur im Rahmen des Branchenüblichen, sondern auch im Rahmen der
öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgegangen, die sich ändern könnten.
Die durch den Erlass des Nichtraucherschutzgesetzes eingetretene Änderung
der Nutzungsmöglichkeit falle allein in die Risikosphäre der Klägerin. Der
Verpächter trage die Verantwortung für die Konzessionsfähigkeit der
verpachteten Gaststätte, nicht jedoch das Risiko für solche Umstände, die
ihre Ursache in den persönlichen oder betrieblichen Verhältnissen des
Pächters hätten. Die Regelungen des Nichtraucherschutzgesetzes beeinflussten
lediglich die betrieblichen Verhältnisse des Gaststättenbetriebes, für die
die Klägerin als Pächterin die Verantwortung zu tragen habe. Da die
ursprünglich vorgesehene Nutzungsmöglichkeit nach dem Parteiwillen unter dem
Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den öffentlich-rechtlichen Normen gestanden
habe, führe die gesetzliche Beschränkung durch § 7 des
Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz zum Wegfall der vertraglichen
Verpflichtung der Beklagten, die Gaststätte für den Besuch von Rauchern und
Nichtrauchern zur Verfügung zu stellen.
II.
7 Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand. Das
Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin kein
Schadensersatzanspruch nach §§ 581 Abs. 2, 536 a Abs. 1 BGB zusteht, weil
das durch das am 15. Februar 2008 in Kraft getretene
Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz (NRauchSchG RP, GVBl 2007, 188)
eingeführte Rauchverbot in Gaststätten nicht zu einem Mangel des
Pachtgegenstands iSv §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 BGB geführt hat.
8 1. Unter einem Mangel im Sinne von §§ 581 Abs. 2, 536
Abs.1 Satz 1 BGB ist die für den Pächter nachteilige Abweichung des
tatsächlichen Zustandes der Pachtsache von dem vertraglich geschuldeten zu
verstehen, wobei sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche
Verhältnisse in Bezug auf die Pachtsache als Mangel in Betracht kommen
können (Senatsurteile vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03 NJW
2006, 899, 900 und vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714,
1715). Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse
und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines
Pachtobjekts entgegenstehen, begründen nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs allerdings nur dann einen Sachmangel im Sinne der
§§ 536 ff. BGB,
wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der
Pachtsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen
des Pächters ihre Ursache haben
(vgl. Senatsurteile vom 15. Oktober 2008 - XII ZR 1/07 -NJW
2009, 124 Rn. 34; vom 24.Oktober 2007 - XII ZR 24/06 - ZMR 2008, 274; vom 2.
März 1994 - XII ZR 175/92 - ZMR 1994, 253, 254; vom 23. September 1992 - XII
ZR 44/91 - NJW 1992, 3226 und vom 11. Dezember 1991 - XII ZR 63/90 = WM
1992, 583, 585; BGH Urteil vom 22. Juni 1988 - VIII ZR 232/87 -NJW 1988,
2664).
9 Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während
eines laufenden Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen
Gebrauchs eines gewerblichen Pachtobjekts, kann dies nachträglich einen
Mangel iSv §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen (vgl.
Eisenschmid in Schmidt-Futterer Mietrecht 10. Aufl. § 536 Rn. 63).
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische
Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten
Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammenhang
steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg
beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Pächters
(Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts
10. Aufl. Rn. 200). Denn der Verpächter von Gewerberäumen ist gemäß
§§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich verpflichtet, den
Pachtgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten,
der dem Pächter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das
Verwendungsrisiko bezüglich der Pachtsache trägt bei der Gewerberaummiete
dagegen grundsätzlich der Mieter (vgl. Senatsurteile vom 21.
September 2005 - XII ZR 66/03 - NJW 2006, 899, 901; vom 26. Mai 2004 - XII
ZR 149/02 - NJW-RR 2004, 1236; vom 19. Juli 2000 - XII ZR 176/98 -NJW-RR
2000, 1535, 1536; vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714,
1716 und vom 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - NZM 2000, 36, 40).
Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Pachtobjekt Gewinne erzielen zu
können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Pächters aufgrund eines
nachträglich eintretenden Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein
typisches Risiko des gewerblichen Pächters. Das gilt auch in Fällen, in
denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu
einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Pächters kommt.
10 2. Unter diesen Voraussetzungen führt das durch das
Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz eingeführte Rauchverbot in
öffentlichen Gaststätten nicht zu einem Mangel des Pachtgegenstandes
iSv §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 BGB.
11 a) Die mit dem gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende
Gebrauchsbeschränkung beruht nicht auf der konkreten Beschaffenheit der
Pachtsache, sondern knüpft an die betrieblichen Verhältnisse des Pächters
an.
12 Das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz unterstellt
bestimmte Gebäude und Gebäudeteile einem Rauchverbot und stellt
dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten, sondern auf die
Nutzungsart der betroffenen Baulichkeiten ab. Zweck des Gesetzes
ist der Schutz der Bevölkerung vor den gesundheitlichen Belastungen durch
das Passivrauchen (§ 1 Abs. 1 NRauchSchG RP). Um diesen Schutz zu erreichen,
ordnet das Gesetz für öffentliche Gebäude (§ 2 NRauchSchG RP), Krankenhäuser
und andere medizinische Einrichtungen (§ 3 NRauchSchG RP), Schulen und
Einrichtungen der Jugendhilfe (§§ 4, 5 NRauchSchG RP), Alten- und
Pflegeheime (§ 6 NRauchSchG RP) und für Gaststätten (§ 7 Abs. 1 NRauchSchG
RP) ein Rauchverbot für alle Personen an, die sich in diesen Einrichtungen
aufhalten (vgl. § 1 Abs. 2 NRauchSchG RP). Die baulichen Gegebenheiten der
betroffenen Gebäude oder Gebäudeteile sind für die Geltung des gesetzlichen
Rauchverbots unerheblich. Maßgeblich sind allein die Art der Nutzung
der Gebäude und der Umstand, dass in den Einrichtungen Publikumsverkehr
stattfindet.
13 Das gesetzliche Rauchverbot bezieht sich folglich auf die Art
und Weise der Betriebsführung des Mieters oder Pächters, betrifft also nur
dessen betriebliche Verhältnisse (vgl. Sternel Mietrecht aktuell 4. Aufl.
Rn. 264 a; Gerber/Eckert Gewerbliches Miet- und Pachtrecht 7. Aufl. Rn. 259;
Paschke NZM 2008, 265). Für die Betriebsbezogenheit der
Gebrauchseinschränkung spricht zudem, dass sich das Verbot primär an die
Personen richtet, die sich in den betroffenen Einrichtungen aufhalten
(vgl. § 1 Abs. 2 NRauchSchG RP) und der Betreiber der
Einrichtung nur als mittelbarer Adressat des Verbots für dessen Umsetzung
und Einhaltung verantwortlich ist, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1
NRauchSchG RP (so auch OLG München NJW 2010, 1297).
14 b) Bei dem Erlass des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz handelt
es sich daher um eine Gesetzesänderung, die, vergleichbar einer
nachträglichen Änderung der Sperrzeit (vgl. Eisenschmid in
Schmidt-Futterer Mietrecht 10. Aufl. § 536 BGB Rn. 60), allein in das
wirtschaftliche Risiko des Pächters fällt (vgl. Wolf/Eckert/Ball Handbuch
des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rn. 200;
Eisenschmid in Schmidt-Futterer Mietrecht 10. Aufl. § 535 BGB Rn. 463; Lehr
in Hannamann/Wiegner Münchner Anwaltshandbuch Mietrecht 3. Aufl. § 54 Rn.
73; Staudinger/Emmerich [2010] § 536 BGB Rn. 20; Palandt/Weidenkaff BGB 70.
Aufl. § 536 Rn. 19; Grühn in jurisPK-BGB 5. Aufl. 2010 § 581 Rn. 86).
15 3. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein
Schadensersatzanspruch auch nicht daraus, dass die Beklagte der Aufforderung
der Klägerin nicht nachgekommen ist, die baulichen Voraussetzungen zu
schaffen, um in der Gaststätte einen Raucherbereich einzurichten.
Nach § 536 a Abs. 1 Alt. 3 BGB kann der Mieter Schadensersatz verlangen,
wenn der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug kommt. Diese
Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
16 a) Zwar kann nach § 7 Abs. 2 und 3 NRauchSchG RP der Betreiber
einer Gaststätte das Rauchen erlauben, wenn besondere im Gesetz genannte
bauliche Gegebenheiten vorliegen. Erfüllen - wie im vorliegenden Fall - die
von einem Gaststättenbetreiber gepachteten Räumlichkeiten diese
Anforderungen nicht, ist jedoch der Verpächter grundsätzlich nicht
verpflichtet, die für eine Ausnahme vom Rauchverbot erforderlichen baulichen
Umbaumaßnahmen vorzunehmen.
17 b) Nach §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Verpächter
die Pachtsache während der Pachtzeit in einem vertragsgemäßen Zustand zu
erhalten. Im Rahmen dieser Verpflichtung muss der Verpächter
sämtliche Maßnahmen vornehmen, die erforderlich sind, um dem Pächter den
vertragsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen (Palandt/Weidenkaff BGB 70.
Aufl. § 535 Rn. 36). Diese Instandhaltungs- und
Instandsetzungspflicht kann dazu führen, dass ein Verpächter bei einer
Änderung öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch die Vornahme geeigneter
baulicher Veränderungen des Pachtgegenstands einen Zustand schaffen muss,
der dem Pächter den weiteren vertragsgemäßen Gebrauch der Pachtsache
ermöglicht (vgl. etwa Senatsurteil vom 11. Dezember 1991 - XII ZR
63/90 - NJW-RR 1992, 267; BGH Urteil vom 4. April 1979 - VIII ZR 118/78 -
NJW 1979, 2351). Allerdings ist auch im Rahmen der §§ 581 Abs. 2,
535 Abs. 1 Satz 2 BGB die gesetzliche Risikoverteilung zwischen Verpächter
und Pächter zu berücksichtigen. Deshalb darf auf diesem Weg das
Verwendungsrisiko des Pächters nicht auf den Verpächter abgewälzt werden.
Handelt es sich bei der Gebrauchsbeschränkung um die Folge einer
Gesetzesänderung, die - wie im vorliegenden Fall - an die betrieblichen
Verhältnisse des Pächters anknüpft, ist der Verpächter für die aufgetretene
Störung schon deshalb nicht verantwortlich, weil diese ihre Ursache dann
nicht in dem Zustand oder der Beschaffenheit der Pachtsache hat
(vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1991 - XII ZR 63/90 - NJW-RR 1992, 267).
18 c) Da die Beklagte daher im Rahmen der ihr obliegenden Instandhaltungs-
und Instandsetzungspflicht nicht verpflichtet war, bauliche Veränderungen an
den gepachteten Räumlichkeiten vorzunehmen, um die durch das Inkrafttreten
des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz eingetretene
Nutzungsbeschränkung der Gaststätte der Klägerin auszugleichen, steht der
Klägerin auch unter diesem Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch nicht
zu. |