Beschaffenheitsgarantie und Haftungsausschluß
beim Gebrauchtwagenkauf
OLG Koblenz, Urteil vom 1.
4. 2004 - 5 U 1385/03
Fundstellen:
NJW 2004, 1670
DB 2004, 1037
Amtl. Leitsätze:
1. Erklärt der Verkäufer bei den
vorvertraglichen Verhandlungen auf ausdrückliche Frage, die
Gesamtfahrleistung eines gebrauchten Pkw stimme mit dem Tachostand überein,
liegt darin eine Beschaffenheitsgarantie. Ein vertraglicher
Gewährleistungsausschluss greift daher nicht.
2. Der Verkäufer ist in einem derartigen Fall selbst bei fehlendem
Verschulden schadensersatzpflichtig.
3. Zur Berechnung der Gebrauchsvorteile eines Pkw, dessen Laufleistung
erheblich höher ist als von den Kaufvertragsparteien angenommen.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die sog. „Beschaffenheitsgarantie“ des
Verkäufers. Es geht damit um die früher im Zusammenhang mit der Haftung für
zugesicherte Eigenschaften nach § 463 BGB a.F. relevante Frage, ob und unter
welchen Umständen ein Verkäufer im Falle eine Sach- oder Rechtsmangels
verschuldensunabhängig auf das positive Interesse haftet. Die Frage ist
nunmehr im Rahmen von § 276 I BGB, d.h. bei der Frage des Vertretenmüssens
lokalisiert, im übrigen aber sachlich unverändert zu beantworten (s. dazu
die Anm. zu BGH NJW 2003, 2824). Dies setzt
zunächst voraus, daß ein Sachmangel vorliegt, was sich primär aus einer
Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 I S. 1 BGB ergibt (s. dazu die Anm.
zu BGH NJW 2003, 2824). Im Rahmen des
Schadensersatzanspruches (statt der Leistung) aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III,
281 bzw. 283 oder § 311a II BGB ist dann das Vertretenmüssen zu prüfen.
Dieses liegt nach § 276 I auch ohne Verschulden dann vor, wenn der Verkäufer
eine Garantie übernommen hat. Dies setzt voraus, daß dieser sich vertraglich
verpflichten wollte, für alle Folgen des Fehlens der vereinbarten
Beschaffenheit verschuldensunabhängig einzustehen (sog. Garantiewille).
Wenngleich die Rspr. zum alten Recht bei professionellen Verkäufern
insbesondere im Bereich des Kfz-Handels äußerst großzügig mit der Annahme
eines solchen Garantiewillens war (s. die Anm. zu
BGH NJW 2000, 2018), so ist zumindest im – hier vorliegenden – Fall
eines Verkaufs zwischen Verbrauchern Zurückhaltung mit der Annahme einer
solchen (konkludenten) Garantieübernahme geboten. Die Entscheidung des OLG
ist insoweit zumindest bedenklich, weil sie m.E. vorschnell aus der – sicher
zu bejahenden – Beschaffenheitsvereinbarung auf einen Garantiewillen
schließt. Liegt eine solche Garantie vor, ist der hier erklärte
Haftungsausschluß nach § 444 BGB unwirksam. Freilich spricht gerade die
Existenz eine solchen Ausschlusses dafür, nicht vorschnell das Vorliegen
eines solchen Garantiewillens zu bejahen (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 1999, 3481)
©sl 2004
Zum Sachverhalt:
Die Kl. hat am 6. 4. 2002 von dem Bekl. einen Pkw Mercedes Kombi, erstmals
zugelassen am 2. 6. 1995, zum Preis von 10000 € erworben. Der schriftliche
Kaufvertrag sieht formularmäßig einen Gewährleistungsausschluss vor und
enthält handschriftliche Eintragungen, über deren inhaltliche und rechtliche
Bedeutung die Parteien teilweise streiten.
Das LG hat nach Beweisaufnahme (Sachverständigengutachten, Zeugenvernehmung,
Parteianhörung) die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte weitgehend
Erfolg.
Aus den Gründen:
II. … Der Bekl. ist verpflichtet, Zug um Zug gegen Erstattung des
Kaufpreises und unter Anrechnung von Nutzungsvorteilen das Fahrzeug
zurückzunehmen, ferner Schadensersatz hinsichtlich der Untersuchungskosten
zu leisten (§§ 437 Nrn. 2 u. 3, 434, 443, 444 BGB). Mit der
Rücknahmeverpflichtung befindet er sich nach Rücktritt und Fristsetzung
durch die Kl. in Verzug.
1. Die im Zuge der erstinstanzlichen Beweisaufnahme getroffenen
tatsächlichen Feststellungen werden von den Parteien nicht in Zweifel
gezogen (§ 529 I Nr. 1 ZPO). Danach ist das der Kl. verkaufte Fahrzeug
jedenfalls hinsichtlich der angenommenen Fahrleistung nicht von der
vereinbarten Beschaffenheit. Im Vertrag ist der Kilometerstand mit 207172 km
angegeben. Die Parteien sind bei ihren Verhandlungen davon ausgegangen, dass
diese Angabe der Gesamtfahrleistung des Pkw entspricht. Diese Annahme ist
falsch, da nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen
der Wegstreckenzähler bei einer Laufleistung von über 300000 km gewaltsam um
100000 km oder aber um 200000 km zurückgedreht worden ist. Somit ist der der
Kl. veräußerte Pkw mangelhaft (§ 434 BGB), da nach neuem Recht eine
derartige Beschreibung der Beschaffenheit zum Vertragsinhalt wird, ohne dass
es einer Zusicherung bedürfte (Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl., § 434 Rdnrn.
13-16; Hampel, JuS 2003, 465).
Entgegen der Auffassung des LG hat der Bekl. hinsichtlich der
Gesamtlaufleistung des Mercedes aber auch eine „Garantie für die
Beschaffenheit“ übernommen, so dass der vereinbarte
Gewährleistungsausschluss leer läuft (§§ 443, 444 BGB). Ausgehend von den
glaubhaften, nicht angegriffenen Zeugenaussagen und den Angaben der Parteien
bei ihrer Anhörung ist dabei Folgendes zu berücksichtigen:
Der Schwiegervater der Kl., der Zeuge K, führte in Anwesenheit der Kl. für
diese die Verhandlung. Sein Wissens- und Kenntnisstand ist (positiv wie
negativ) nach den Grundsätzen der „Wissenszusammenrechnung“ der Kl.
zuzurechnen (Palandt/Heinrichs, § 166 Rdnr. 8). Dem Zeugen K kam es
erkennbar darauf an, hinsichtlich aller preisbestimmenden Merkmale von dem
Bekl. eindeutige und unmissverständliche Angaben zu erhalten. Er erfragte
die Anzahl der Vorbesitzer, die Unfallfreiheit und die Gesamtlaufleistung
des Fahrzeugs. Er handelte sodann den Preis von 11300 € auf 10000 € herunter
mit der Bemerkung, dass ein Fahrzeug mit derart vielen Vorbesitzern kaum
noch verkaufbar sei. Die anderen preisbestimmenden Merkmale spielten keine
Rolle mehr, nachdem der Zeuge insoweit zufrieden stellende Angaben erhalten
hatte. Die eindeutige Nachfrage des Zeugen K, ob der Tachostand mit der
Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs übereinstimme, hat der Bekl. (ohne eine
Einschränkung zu machen) bejaht, nachdem zuvor der aktuelle Kilometerstand
abgelesen und in das Formular übernommen worden war.
Wird berücksichtigt, dass der Zeuge K auch darum bat, den Vertrag des Bekl.
mit dem Voreigentümer und das Scheckheft einzusehen, so wird deutlich, dass
es ihm auf die Feststellung der wertbildenden Merkmale des Fahrzeugs
wesentlich ankam. Da der Bekl. diese Urkunden nicht vorlegen konnte, liegt
in der ansonsten nicht näher überprüfbaren Angabe, der Tachostand entspreche
der tatsächlichen Laufleistung, die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie
(Palandt/Putzo, § 444 Rdnr. 12). Selbst wenn der Zeuge K leichtgläubig
gewesen sein sollte, wenn er dem Bekl. ohne weiteres glaubte, ändert dies
nichts. Denn eine Garantieerklärung bindet unabhängig davon, ob sie
verlässlich erscheint oder ersichtlich „ins Blaue hinein“ abgegeben wird.
Das Risiko der Unrichtigkeit trägt der Erklärende, nicht der
Erklärungsempfänger. Die Garantieübernahme nach neuem Recht ist an die
Stelle der Zusicherung einer Eigenschaft getreten, so dass die dazu
entwickelten Kriterien weiter herangezogen werden können (Hampel, JuS 2003,
467).
2. Infolge der unrichtigen Beschaffenheitsgarantie (Laufleistung) kann die
Kl. sowohl Rücktritt als auch Schadensersatz geltend machen (§§ 437 Nrn. 2
u. 3, 325 BGB). Sie kann daher den vereinbarten Kaufpreis (§ 346 I BGB)
zuzüglich der Untersuchungskosten verlangen (§ 280 BGB), die zur Höhe nicht
bestritten sind. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs bedarf es keines
Verschuldens (§ 276 I 1 BGB), weil im Falle der Zusicherung einer
Beschaffenheit verschuldensunabhängig gehaftet wird (Palandt/Heinrichs, §
276 Rdnr. 29).
3. Die Kl. muss sich jedoch die Vorteile der Nutzung des Fahrzeugs anrechnen
lassen. Beim Gebrauchtwagenkauf berechnet der Senat die Nutzungsvorteile
nach einer linearen Amortisation unter Berücksichtigung der gefahrenen
Kilometer und der Restlaufleistung des Fahrzeugs, die die Parteien bei ihrem
Vertragsschluss (stillschweigend) zu Grunde gelegt haben (Senat, VRS 96,
241; VRS 84, 243; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdnrn. 313, 315,
321, 322).
Hier kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Mercedes im Zeitpunkt der
Übergabe tatsächlich 300000 km oder 400000 km gelaufen war. Vielmehr ist
zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kaufpreis von 10000 € unter
Berücksichtigung der angenommenen (bisherigen) Gesamtlaufleistung von 200000
km marktangemessen war. Die anzunehmende Restlaufleistung des Fahrzeugs
schätzt der Senat auf dieser Grundlage auf etwa 150000 km.
Der Nutzungsvorteil pro Kilometer wird demnach dadurch errechnet, dass der
Kaufpreis von 10000 € multipliziert wird mit der unstreitigen Fahrleistung
der Kl. von 10588 km, sodann dividiert wird durch die angenommene
Restlaufleistung von 150000 km. Danach ergibt sich eine
Nutzungsentschädigung von 0,067 € pro Kilometer, multipliziert mit der
gefahrenen Anzahl der Kilometer einen Nutzungsvorteil von (gerundet) 710 €.
Demgegenüber kann die Kl. ihrerseits nicht mit „werterhöhenden Aufwendungen“
von 232,21 € „gegenrechnen“. Denn die Voraussetzungen des § 347 II BGB sind
nicht hinreichend dargelegt.
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