Schenkung von Todes wegen und Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall: Rechtsgrund im Valutaverhältnis, Anfechtung der Schenkung wegen Willensmängeln


BGH, Urteil vom 26. November 2003 - IV ZR 438/02


Fundstelle:

NJW 2004, 767
für BGHZ vorgesehen


Amtl. Leitsatz:

Überträgt eine Erblasserin Vermögen durch eine unter Lebenden vollzogene Verfügung zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 518 Abs. 2, 2301 Abs. 2 BGB), unterliegen die auf diese Weise begründeten Rechtsbeziehungen nicht nur im Deckungs-, sondern auch im Valutaverhältnis den allgemeinen Regeln für Rechtsgeschäfte unter Lebenden, nicht aber dem Erbrecht. Das gilt sowohl für die rechtliche Einordnung der im Valutaverhältnis begründeten Rechtsbeziehung als auch für deren Anfechtung (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Oktober 1983 – IVa ZR 71/82 – NJW 1984, 480 unter 1).


Zentrale Probleme:

Es geht um ein Klassikerproblem, nämlich die Abgrenzung zwischen einem Rechtsgeschäft unter Lebenden und der Schenkung von Todes wegen im Falle eines Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall. § 2301 BGB erklärt für solche Verträge nämlich die Vorschriften über die Verfügung von Todes wegen für anwendbar. Dies gilt nicht nur für Formfragen, sondern auch in Bezug auf die materiellen Regelungen wie etwa die Anfechtung, die bei letztwilligen Verfügungen ja deutlich weiter geht, als im Bereich der Rechtsgeschäfte unter Lebenden (etwa durch Anerkennung des bloßen Motivirrtums, s. § 2078 II BGB). Bei einem Vertrag zugunsten Dritter – wie bei dem hier in Betracht kommenden Vertrag der Erblasserin mit der Bank zugunsten des Beklagten – berührt dies zwar nicht den Rechtserwerb des Bekl. (er erwirbt nach § 331 BGB die Forderung gegen die Bank jedenfalls mit dem Tod der Erblasserin), aber die Frage des Rechtsgrundes im Verhältnis zur Erblasserin bzw. nach deren Tod zu den Erben (sog. Valutaverhältnis; zu den Begriffen Deckungs- und Valutaverhältnis sowie zum Bereicherungsausgleich beim Vertrag zugunsten Dritter s. Lorenz JuS 2003, 729, 839 ff). Es geht also nicht darum, ob der Dritte (hier der Bekl.) die Forderung gegen die Bank erworben hat, sondern ob er sie behalten darf, d.h. ob er um sie i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. BGB ungerechtfertigt bereichert ist. Dazu bedarf es eines Schenkungsversprechens der Erblasserin, das u.U. § 2301 BGB unterliegen könnte. Die Rspr. und die wohl h.M. löst dieses Spannungsverhältnis wie folgt: § 2301 BGB ist nicht auf die Schenkung von Ansprüchen aus Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall anwendbar, da § 331 insoweit eine Sonderregelung darstelle (s. RGZ 83, 223 im sog. „Bonifatiusfall“). Die Form des Schenkungsversprechens richte sich daher nach den allgemeinen Vorschriften. Ein nicht der Form des § 518 Abs. 1 BGB  entsprechendes Schenkungsversprechen wird aber § 518 Abs. 2 BGB durch Vollzug geheilt. Bereits  der Abschluß des Vertrags zugunsten Dritter, spätestens aber der Rechtserwerb nach § 331 BGB stellt aber einen solchen Vollzug dar. Die einzige Möglichkeit des Erben, die „Kondiktionsfestigkeit“, d.h. das „Behaltendürfen“ der  Zuwendung zu verhindern, ist – wenn der Erblasser dem begünstigten die Zuwendung zu Lebzeiten noch nicht mitgeteilt hatte und damit die Bank als Bote eine dessen Tod nach § 130 Abs. 2BGB überdauernde und nach § 153 BGB immer noch annahmefähige Willenserklärung des Erblassers auf Abschluß eines Schenkungsvertrages überbringt, ein rechtzeitiger Widerruf der Erklärung des Boten gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies führt zu dem berüchtigten “Wettlauf” zwischen den Erben des Versprechenden und dem Boten des Erblassers: Überbringt letzterer die Willenserklärung des Erblassers zuerst, kommt (Annahme nach § 151 S. 1 BGB!) ein unmittelbar geheilter Schenkungsvertrag zustande, der Dritte hat einen Rechtsgrund. Verhindern es die Erben durch Widerruf, fehlt es am Rechtsgrund und der Dritte ist nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB herausgabepflichtig (s. dazu auch BGH NJW 1995, 953). Im vorliegenden Fall geht es zusätzlich um die Frage, welchen Regelungen eine etwaige Anfechtung der Willenserklärung der Erblasserin unterliegt. Der BGH entscheidet sich in der Konsequenz der bisherigen Rechtsprechung für die §§ 119 ff BGB, d.h. für die Anfechtung von Rechtsgeschäften unter Lebenden. Zur Haftung einer Bank bei Nichtausführung eines Überweisungsauftrags s. OLG Karlsruhe v. 21.11.2006 - 17 U 19/06. Zur Reichweite einer postmortalen Vollmacht s. auch BGH v. 24.3.2009 - XI ZR 191/08 .

©sl 2004


Tatbestand:

Die Klägerin verlangt im Hinblick auf das Testament der Erblasserin Zahlung von 52.317,67 DM (jetzt: 26.749,59 €). In diesem Testament vom 5. Juni 1996 teilt die Erblasserin ihre Sparbriefe, die ihr wesentliches Vermögen darstellten, zu je einem Drittel auf die Klägerin, den Beklagten und einen weiteren Miterben auf. Nach Abzug des Guthabens eines Kontos, das die Erblasserin dem Beklagten bereits im Jahre 1984 durch Verfügung zugunsten Dritter zugewandt hatte, sowie zweier Vermächtnisse zugunsten der Kinder der Klägerin belief sich das restliche Guthaben der Erblasserin bei ihrer Sparkasse beim Erbfall auf 156.953 DM, d.h. das Dreifache der Klageforderung. Die Erblasserin hat im Testament angeordnet, daß der Beklagte berechtigt sei, ihr Vermögen zu verwalten. Er hat das Amt des Testamentsvollstreckers mit Schreiben vom 27. Mai 1997 angenommen.
Vor der Klägerin forderte bereits der an diesem Verfahren nicht beteiligte dritte Miterbe die Aufteilung des Guthabens der Erblasserin bei der Sparkasse. Der Beklagte berief sich demgegenüber auf eine weitere Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall, mit der die Erblasserin am 25. März 1996 durch ihre Unterschrift auf einem vorgedruckten Formular der Sparkasse den Beklagten bezüglich des gesamten, von den Miterben herausverlangten Guthabens begünstigt hatte, sofern der Beklagte die Erblasserin überleben werde. Mithin stehen nach Ansicht des Beklagten den anderen Miterben keine Ansprüche auf das Sparkassenguthaben
zu; ein Widerruf der zu seinen Gunsten getroffenen Verfügung durch das Testament der Erblasserin sei nicht möglich. Der weitere Miterbe erklärte darauf mit Anwaltsschreiben vom 11. September 1997 gegenüber dem Anwalt des Beklagten, er fechte die Verfügung zugunsten Dritter vom 25. März 1996 an; die Erblasserin sei unmittelbar nach Beerdigung ihres Mannes am 21. März 1996 wegen ihrer Krebserkrankung zur Sterbebegleitung in das Hospiz aufgenommen worden, in dem sie am 22. September 1996 verstarb; der Beklagte habe lediglich als Testamentsvollstrecker Verfügungsgewalt über das Guthaben der Erblasserin erlangen sollen, die Verteilung des Guthabens ergebe sich aber aus dem wenig später errichteten Testament. Es kam zu einem Rechtsstreit zwischen dem weiteren Miterben und dem Beklagten, in dem letzterer rechtskräftig zur Zahlung von 52.317,67 DM verurteilt wurde.

Im Anschluß an jenes Verfahren macht die Klägerin geltend, die Erblasserin habe sich bei Unterzeichnung der Verfügung zugunsten Dritter vom 25. März 1996 in einem Irrtum befunden, da sie dem Beklagten lediglich Kontenvollmacht habe einräumen wollen. Er habe das Sparkassenguthaben nach Abzug von Nachlaßverbindlichkeiten unmittelbar an die anderen Erben auszahlen sollen. Die Anfechtung des weiteren Miterben wirke auch zu ihren Gunsten. Der Beklagte behauptet dagegen, die Erblasserin habe ihm das gesamte Guthaben geschenkt. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das Oberlandesgericht hat dessen Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt er die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Ansicht der Vorinstanzen kann die Klägerin den geforderten Betrag vom Beklagten gemäß §§ 2218, 667 BGB verlangen. Denn die Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996 sei wirksam angefochten worden. Die Vorschrift des § 2078 BGB sei auf den vorliegenden Fall entsprechend anwendbar. Nach Meinung des Berufungsgerichts entfalten die Urteile in dem vorangegangenen Verfahren des dritten Miterben gegen den Beklagten zwar keine Rechtskraft im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten. Wie aber aus der im Urkundenbeweis verwertbaren Zeugenvernehmung in jenem Verfahren hervorgehe, habe sich die Erblasserin tatsächlich in dem behaupteten Irrtum befunden. Dafür spreche insbesondere ihr nur gut zwei Monate später errichtetes Testament. Für eine zwischenzeitliche Änderung des Zuwendungswillens fehle jeder Anhalt. Einer erneuten Vernehmung des Mitarbeiters der Sparkasse, in dessen Gegenwart die Erblasserin die Verfügung vom 25. März 1996 errichtet habe, bedürfe es nicht. Auf ihn komme es zwar entscheidend an, er habe sich aber schon bei seiner Vernehmung in dem vorangegangenen Verfahren nicht mehr erinnern können, was mit der Erblasserin konkret besprochen worden sei. Die von dem dritten Miterben mithin wirksam erklärte Anfechtung komme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 8. Mai 1985 – IVa ZR 230/83 - NJW 1985, 2025 unter III) auch der Klägerin zugute.

II. Diese Würdigung ist in rechtlicher Hinsicht aus mehreren Gründen zu beanstanden.
1. Sie läßt zunächst außer Betracht, daß bei der am 25. März 1996 zwischen der Erblasserin, ihrer Sparkasse und dem Beklagten vereinbarten Verfügung zugunsten Dritter auf den Todesfall zu unterscheiden ist zwischen dem Deckungsverhältnis der Erblasserin zur Sparkasse einerseits und dem Valutaverhältnis der Erblasserin zum Beklagten andererseits.
a) Im Deckungsverhältnis liegt ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten des Beklagten vor, durch den dieser einen Anspruch auf das Guthaben gegenüber der Sparkasse nach dem Tod der Erblasserin erworben hat (§§ 328, 331 BGB). Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung unterliegen die Rechtsbeziehungen im Deckungsverhältnis nicht dem Erbrecht, sondern dem Schuldrecht. Deshalb gilt § 2301 Abs. 1 BGB für sie auch dann nicht, wenn es sich im Valutaverhältnis um eine unentgeltliche Zuwendung handelt (BGHZ 41, 95, 96; 66, 8, 12 f.; Urteil vom 19. Oktober 1983 - IVa ZR 71/82 - NJW 1984, 480 unter 1). Die besonderen erbrechtlichen Auslegungsregeln für letztwillige Verfügungen sind auf die Auslegung der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, durch die der Anspruch aus § 331 BGB begründet wird, auch nicht entsprechend anwendbar (BGH, Urteil vom 12. Mai 1993 - IV ZR 227/92 - NJW 1993, 2171 unter 2).
b) Dementsprechend ist auch die Frage, ob der Begünstigte den auf diese Weise erlangten Anspruch behalten darf oder an die Erben nach § 812 BGB herausgeben muß, also die Frage nach dem rechtlichen Grund im Valutaverhältnis, nicht nach Erbrecht, sondern nach Schuldrecht zu beurteilen (Urteil vom 19. Oktober 1983 aaO). Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob derartige Zuwendungen zwar nicht in der Rechtsform, wohl aber in anderen Beziehungen erbrechtlichen Normen unterstellt werden müssen, im Hinblick auf erbvertragliche oder diesen gleichstehende Bindungen des Erblassers durch wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament erwogen, aber verneint, um erhebliche Abgrenzungschwierigkeiten sowie Rechtsunsicherheit zu vermeiden (BGHZ 66, 8, 12 ff.). Als Valutaverhältnis kommt, wenn eine unentgeltliche Zuwendung gewollt ist, im allgemeinen nur eine Schenkung in Betracht; im Hinblick auf den "Von-Selbst-Erwerb" des Begünstigten ist sowohl Vollziehung im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB als auch Heilung des Formmangels gemäß § 518 Abs. 2 BGB anzunehmen (Urteil vom 19. Oktober 1983 aaO). Es sind aber auch andere Rechtsgeschäfte unter Lebenden im Valutaverhältnis möglich, etwa eine ehebedingte Zuwendung; die erbrechtliche Vorschrift des § 2077 BGB ist in einem solchen Fall auf die Begünstigung nicht anwendbar (BGHZ 128, 125, 132 ff.). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.
c) Die Urteile der Vorinstanzen befassen sich demgegenüber undifferenziert mit der Anfechtung des Vertrages zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996. Nach den Urteilen im vorangegangenen Verfahren betrifft die Anfechtung des dritten Miterben vom 11. September 1997, die er dem Beklagten gegenüber erklärt hat, nicht das Deckungsverhältnis gegenüber der Sparkasse, sondern eine im Valutaverhältnis gegenüber dem Beklagten vorliegende Schenkung. Insoweit bedarf es auch im vorliegenden Verfahren tatrichterlicher Feststellungen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die unter den Parteien streitige Frage, was die Erblasserin mit dem Rechtsgeschäft vom 25. März 1996 bezweckt hat, nicht erst für einen eventuellen Anfechtungsgrund, sondern schon für die rechtliche Charakterisierung des Valutaverhältnisses Bedeutung erlangen kann.
2. a) Nach dem Vortrag der Klägerin ging es im Valutaverhältnis um einen Auftrag oder eine Geschäftsbesorgung; der Beklagte habe die Guthaben für die Erblasserin verwalten sollen. Insoweit ist wie bei jedem Rechtsgeschäft unter Lebenden gemäß §§ 133, 157 BGB maßgebend, was als Wille der Erblasserin für den Beklagten als Empfänger ihrer Erklärung erkennbar geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1992 – IX ZR 141/91 - NJW 1992, 1446 unter II 1 b). Für die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe die Guthaben lediglich verwalten sollen, ist die Klägerin beweispflichtig (vgl. Palandt/Sprau, BGB 62. Aufl. § 667 Rdn. 10). Da sie aber an dem Rechtsgeschäft zwischen der Erblasserin, der Sparkasse und dem Beklagten vom 25. März 1996 nicht beteiligt war, ist der Beklagte zu einer substantiierten Darlegung verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - NJW 1999, 1404 unter II 2 b aa).
b) Die Klägerin hat sich in ihrer Berufungserwiderung auf die Protokolle der Aussagen der vom Amtsgericht im vorangegangenen Verfahren vernommenen Zeugen bezogen. Danach habe die Erblasserin stets erklärt, ihr Nachlaß werde gleichmäßig verteilt. Insbesondere habe sie nach der Beerdigung ihres Mannes am 21. März 1996 im Hinblick auf ihre eigene Erkrankung erklärt, der Beklagte solle, da er örtlich und zeitlich am besten verfügbar sei, die Gelddinge für sie regeln, da sie nicht mehr aus dem Hospiz herauskomme.
Diesem Vortrag steht nicht etwa der Wortlaut der Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996 entgegen. Im vorgedruckten Text heißt es zwar: "Für den Fall des Widerrufs der Vereinbarung gelten auch ein darin liegendes Schenkungsversprechen bzw.
Schenkungsangebot an den Begünstigten sowie ein etwaiger Auftrag zur Weiterleitung dieses Versprechens/Angebots an ihn als widerrufen." Daraus geht aber nicht hervor, daß in der hier getroffenen Vereinbarung zugleich eine Schenkung an den Beklagten als anwesendem Begünstigten liegen sollte.
Der Beklagte hat demgegenüber zum Beweis seines Vortrags, das Bankguthaben der Erblasserin sei ihm durch deren Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996 geschenkt worden, in der Berufungsbegründung ausdrücklich die Vernehmung des seinerzeit anwesenden Sparkassenangestellten als Zeugen beantragt.
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, im Hinblick auf die von ihm als Urkunden verwerteten Vernehmungsprotokolle des vorangegangenen Verfahrens sowie den Inhalt des Testaments von der erneuten Vernehmung auch des vom Beklagten zum Zwecke des unmittelbaren Beweises benannten Zeugen abzusehen, ist rechtsfehlerhaft, wie die Revision mit Recht rügt (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1999 – VI ZR 207/98 - NJW 2000, 1420 unter II 2 a). Daran ändert die Meinung des Berufungsgerichts, der Zeuge werde sich jetzt nicht genauer erinnern können als bei seiner Vernehmung im Jahre 1999, nichts. Der Richter darf auch im Zivilverfahren von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise nur dann absehen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen ist; bei der Zurückweisung eines Beweismittels als ungeeignet ist größte Zurückhaltung geboten; es muß jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, daß der übergangene Beweisantrag Sachdienliches ergeben könnte (BVerfG NJW 1993, 254 unter 1 b; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Oktober 1998 - II ZR 164/97 - BGHR ZPO § 286 Abs. 1, Beweisantrag, Ablehnung 20). Hier hat der Zeuge im vorangegangenen Verfahren u.a. bekundet, wenn jemand möchte, daß das Guthaben zum Zeitpunkt seines Todes vom Begünstigten verteilt werden solle, werde von Seiten der Sparkasse darauf hingewiesen, daß die Verfügung zugunsten Dritter nicht der richtige Vertrag sei. Das Berufungsgericht hat mithin unzulässig eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen.

d) Die Sache muß daher zur weiteren Aufklärung schon der Frage, wie der Beklagte unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände das von der Erblasserin ihm gegenüber am 25. März 1996 begründete Valutaverhältnis verstehen durfte, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Die Klägerin nimmt den Beklagten im übrigen nicht, wie das Landgericht gemeint hat, in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker aus § 2218 BGB in Anspruch, sondern persönlich. Auch nach der Behauptung des Beklagten ist das streitige Guthaben nicht in den Nachlaß gefallen. Zwar macht die Klägerin ihren Anspruch als Miterbin geltend (§§ 2039, 667 BGB in Verbindung mit dem Testament; der Nachlaß ist nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts im übrigen bereits auseinandergesetzt und eine Klage unmittelbar auf Zahlung an die Klägerin ohne besondere Erbauseinandersetzung daher zulässig). Der Anspruch richtet sich gegen den Beklagten aber in seiner Eigenschaft als Nachlaßschuldner, so daß das Prozeßführungsrecht der Erbin selbst zusteht (BGH, Urteil vom 14. November 2002 - III ZR 19/02 - ZEV 2003, 75 unter I).
3. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß im Valutaverhältnis von einer Schenkung an den Beklagten auszugehen ist, kommt es weiterhin auf die hier erklärte Anfechtung an. Hierzu gibt der Senat folgende Hinweise:
a) Im Schrifttum wird die - von den Vorinstanzen zugrunde gelegte - Ansicht vertreten, die erbrechtliche Anfechtungsregelung in § 2078 BGB sei entsprechend auch auf Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall anzuwenden (MünchKomm/Leipold, BGB 3. Aufl. § 2078 Rdn. 15; Palandt/Edenhofer, aaO § 2078 Rdn. 12; Soergel/Loritz, BGB 13. Aufl. § 2078 Rdn. 9; v.Hippel NJW 1966, 867 f.; a.A. Staudinger/Otte, BGB [2003] § 2078 Rdn. 4). Nach Auffassung des Senats steht jedoch der Schutz des Vertragspartners der Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die im Deckungs-, aber auch im Valutaverhältnis geschlossen werden, einer Erweiterung der sich aus §§ 119 ff. BGB ergebenden Anfechtungsmöglichkeiten entgegen. Es wäre auch nicht gerechtfertigt, dem Vertragspartner den von § 2078 Abs. 3 BGB ausgeschlossenen Schadensersatzanspruch aus § 122 BGB zu nehmen. Daß die verfügende Partei durch einen solchen Vertrag zu ihren Lebzeiten wirtschaftlich nicht belastet und insofern nicht mehr mit den Folgen des Geschäfts konfrontiert wird, wie das Berufungsgericht und die Klägerin hervorheben, ist nicht allein maßgebend.
b) Das Anfechtungsrecht nach § 119 BGB geht beim Tod des Erklärenden auf dessen Erben über; es kann grundsätzlich nur von allen Miterben gemeinschaftlich ausgeübt werden (RGZ 107, 238, 239; BGH, Urteil vom 26. Januar 1951 - V ZR 61/50 - NJW 1951, 308; MünchKomm/Mayer-Maly/Busche, BGB 4. Aufl. § 142 Rdn. 6). Da es hier der Begründung
eines Anspruchs gegen den Beklagten persönlich dient, steht diesem als Miterben wegen des Interessenwiderstreits kein Stimmrecht zu (vgl. BGHZ 56, 47, 53; Urteil vom 25. Juni 2003 - IV ZR 285/02 – MDR 2003, 1116, 1117). Die Anfechtung muß nicht von allen Miterben gleichzeitig und in einem einheitlichen Rechtsakt erklärt werden; wie auch sonst bei Verfügungsgeschäften der Miterben genügen zeitlich aufeinander folgende Erklärungen oder die Genehmigung einer Erklärung, die von einem Miterben zugleich für die anderen abgegeben worden ist (vgl. MünchKomm/Dütz, aaO § 2040 Rdn. 14). Insoweit wird der Tatrichter das Verhalten der Klägerin gegebenenfalls aufzuklären und auszulegen haben. Die Anfechtung ist gegenüber dem Empfänger der anzufechtenden Willenserklärung zu erklären; da es hier um das Valutaverhältnis geht, war der Beklagte (und nicht, wie die Revision meint, die Sparkasse) der richtige Erklärungsempfänger. Die Anfechtung muß gemäß § 121 BGB unverzüglich erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Insoweit bliebe also weiterhin zu klären, wann die Klägerin des vorliegenden und der Kläger des vorangegangenen Verfahrens die erforderliche Kenntnis erlangt und ob sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Überlegungsfrist rechtzeitig angefochten haben. Dabei kommt die Kenntnis eines Anfechtungsgrundes erst in Betracht, wenn überhaupt von einem durch Irrtum beeinflußten Rechtsgeschäft im Valutaverhältnis auszugehen ist. Eine Verzögerung könnte überdies entschuldbar sein, soweit nach der Rechtsauffassung beider Vorinstanzen eine eigene Anfechtung durch die Klägerin nicht erforderlich war.
c) Schließlich bliebe zu prüfen, ob die Erblasserin in einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum war. Auch insofern durfte das Berufungsgericht nicht ohne Vernehmung des von dem Beklagten als Zeugen benannten Mitarbeiters der Sparkasse entscheiden.