Schenkung von Todes
wegen und Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall: Rechtsgrund im
Valutaverhältnis, Anfechtung der Schenkung wegen Willensmängeln
BGH, Urteil vom 26.
November 2003 - IV ZR 438/02
Fundstelle:
NJW 2004, 767
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Überträgt eine Erblasserin Vermögen durch eine unter Lebenden vollzogene
Verfügung zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 518 Abs. 2, 2301 Abs. 2
BGB), unterliegen die auf diese Weise begründeten Rechtsbeziehungen nicht
nur im Deckungs-, sondern auch im Valutaverhältnis den allgemeinen Regeln
für Rechtsgeschäfte unter Lebenden, nicht aber dem Erbrecht. Das gilt sowohl
für die rechtliche Einordnung der im Valutaverhältnis begründeten
Rechtsbeziehung als auch für deren Anfechtung (Fortführung von BGH, Urteil
vom 19. Oktober 1983 – IVa ZR 71/82 – NJW 1984, 480 unter 1).
Zentrale Probleme:
Es geht um ein Klassikerproblem, nämlich die
Abgrenzung zwischen einem Rechtsgeschäft unter Lebenden und der Schenkung
von Todes wegen im Falle eines Vertrages zugunsten Dritter auf den
Todesfall. § 2301 BGB erklärt für solche Verträge nämlich die Vorschriften
über die Verfügung von Todes wegen für anwendbar. Dies gilt nicht nur für
Formfragen, sondern auch in Bezug auf die materiellen Regelungen wie etwa
die Anfechtung, die bei letztwilligen Verfügungen ja deutlich weiter geht,
als im Bereich der Rechtsgeschäfte unter Lebenden (etwa durch Anerkennung
des bloßen Motivirrtums, s. § 2078 II BGB). Bei einem Vertrag zugunsten
Dritter – wie bei dem hier in Betracht kommenden Vertrag der Erblasserin mit
der Bank zugunsten des Beklagten – berührt dies zwar nicht den Rechtserwerb
des Bekl. (er erwirbt nach § 331 BGB die Forderung gegen die Bank jedenfalls
mit dem Tod der Erblasserin), aber die Frage des Rechtsgrundes im Verhältnis
zur Erblasserin bzw. nach deren Tod zu den Erben (sog. Valutaverhältnis; zu
den Begriffen Deckungs- und Valutaverhältnis sowie zum
Bereicherungsausgleich beim Vertrag zugunsten Dritter s. Lorenz
JuS 2003, 729, 839 ff). Es geht also nicht darum, ob der Dritte (hier
der Bekl.) die Forderung gegen die Bank erworben hat, sondern ob er sie
behalten darf, d.h. ob er um sie i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. BGB
ungerechtfertigt bereichert ist. Dazu bedarf es eines Schenkungsversprechens
der Erblasserin, das u.U. § 2301 BGB unterliegen könnte. Die Rspr. und die
wohl h.M. löst dieses Spannungsverhältnis wie folgt: § 2301 BGB ist nicht
auf die Schenkung von Ansprüchen aus Verträgen zugunsten Dritter auf den
Todesfall anwendbar, da § 331 insoweit eine Sonderregelung darstelle (s.
RGZ
83, 223 im sog. „Bonifatiusfall“). Die Form des Schenkungsversprechens
richte sich daher nach den allgemeinen Vorschriften. Ein nicht der Form des
§ 518 Abs. 1 BGB entsprechendes Schenkungsversprechen wird aber § 518 Abs.
2 BGB durch Vollzug geheilt. Bereits der Abschluß des Vertrags zugunsten
Dritter, spätestens aber der Rechtserwerb nach § 331 BGB stellt aber einen
solchen Vollzug dar. Die einzige Möglichkeit des Erben, die „Kondiktionsfestigkeit“,
d.h. das „Behaltendürfen“ der Zuwendung zu verhindern, ist – wenn der
Erblasser dem begünstigten die Zuwendung zu Lebzeiten noch nicht mitgeteilt
hatte und damit die Bank als Bote eine dessen Tod nach § 130 Abs. 2BGB
überdauernde und nach § 153 BGB immer noch annahmefähige Willenserklärung
des Erblassers auf Abschluß eines Schenkungsvertrages überbringt, ein
rechtzeitiger Widerruf der Erklärung des Boten gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB.
Dies führt zu dem berüchtigten “Wettlauf” zwischen den Erben des
Versprechenden und dem Boten des Erblassers: Überbringt letzterer die
Willenserklärung des Erblassers zuerst, kommt (Annahme nach § 151 S. 1 BGB!)
ein unmittelbar geheilter Schenkungsvertrag zustande, der Dritte hat einen
Rechtsgrund. Verhindern es die Erben durch Widerruf, fehlt es am Rechtsgrund
und der Dritte ist nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB herausgabepflichtig (s.
dazu auch BGH NJW 1995, 953). Im vorliegenden Fall geht es zusätzlich um die
Frage, welchen Regelungen eine etwaige Anfechtung der Willenserklärung der
Erblasserin unterliegt. Der BGH entscheidet sich in der Konsequenz der
bisherigen Rechtsprechung für die §§ 119 ff BGB, d.h. für die Anfechtung von
Rechtsgeschäften unter Lebenden. Zur Haftung einer Bank bei Nichtausführung
eines Überweisungsauftrags s. OLG
Karlsruhe v. 21.11.2006 - 17 U 19/06.
Zur Reichweite einer postmortalen Vollmacht s. auch
BGH v. 24.3.2009 - XI ZR 191/08
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©sl 2004
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt im Hinblick auf das Testament der Erblasserin Zahlung
von 52.317,67 DM (jetzt: 26.749,59 €). In diesem Testament vom 5. Juni 1996
teilt die Erblasserin ihre Sparbriefe, die ihr wesentliches Vermögen
darstellten, zu je einem Drittel auf die Klägerin, den Beklagten und einen
weiteren Miterben auf. Nach Abzug des Guthabens eines Kontos, das die
Erblasserin dem Beklagten bereits im Jahre 1984 durch Verfügung zugunsten
Dritter zugewandt hatte, sowie zweier Vermächtnisse zugunsten der Kinder der
Klägerin belief sich das restliche Guthaben der Erblasserin bei ihrer
Sparkasse beim Erbfall auf 156.953 DM, d.h. das Dreifache der
Klageforderung. Die Erblasserin hat im Testament angeordnet, daß der
Beklagte berechtigt sei, ihr Vermögen zu verwalten. Er hat das Amt des
Testamentsvollstreckers mit Schreiben vom 27. Mai 1997 angenommen.
Vor der Klägerin forderte bereits der an diesem Verfahren nicht beteiligte
dritte Miterbe die Aufteilung des Guthabens der Erblasserin bei der
Sparkasse. Der Beklagte berief sich demgegenüber auf eine weitere Verfügung
zugunsten Dritter für den Todesfall, mit der die Erblasserin am 25. März
1996 durch ihre Unterschrift auf einem vorgedruckten Formular der Sparkasse
den Beklagten bezüglich des gesamten, von den Miterben herausverlangten
Guthabens begünstigt hatte, sofern der Beklagte die Erblasserin überleben
werde. Mithin stehen nach Ansicht des Beklagten den anderen Miterben keine
Ansprüche auf das Sparkassenguthaben
zu; ein Widerruf der zu seinen Gunsten getroffenen Verfügung durch das
Testament der Erblasserin sei nicht möglich. Der weitere Miterbe erklärte
darauf mit Anwaltsschreiben vom 11. September 1997 gegenüber dem Anwalt des
Beklagten, er fechte die Verfügung zugunsten Dritter vom 25. März 1996 an;
die Erblasserin sei unmittelbar nach Beerdigung ihres Mannes am 21. März
1996 wegen ihrer Krebserkrankung zur Sterbebegleitung in das Hospiz
aufgenommen worden, in dem sie am 22. September 1996 verstarb; der Beklagte
habe lediglich als Testamentsvollstrecker Verfügungsgewalt über das Guthaben
der Erblasserin erlangen sollen, die Verteilung des Guthabens ergebe sich
aber aus dem wenig später errichteten Testament. Es kam zu einem
Rechtsstreit zwischen dem weiteren Miterben und dem Beklagten, in dem
letzterer rechtskräftig zur Zahlung von 52.317,67 DM verurteilt wurde.
Im Anschluß an jenes Verfahren macht die Klägerin geltend, die Erblasserin
habe sich bei Unterzeichnung der Verfügung zugunsten Dritter vom 25. März
1996 in einem Irrtum befunden, da sie dem Beklagten lediglich
Kontenvollmacht habe einräumen wollen. Er habe das Sparkassenguthaben nach
Abzug von Nachlaßverbindlichkeiten unmittelbar an die anderen Erben
auszahlen sollen. Die Anfechtung des weiteren Miterben wirke auch zu ihren
Gunsten. Der Beklagte behauptet dagegen, die Erblasserin habe ihm das
gesamte Guthaben geschenkt. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß
verurteilt; das Oberlandesgericht hat dessen Berufung zurückgewiesen. Mit
der Revision erstrebt er die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Ansicht der Vorinstanzen kann die Klägerin den geforderten Betrag
vom Beklagten gemäß §§ 2218, 667 BGB verlangen. Denn die Verfügung zugunsten
Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996 sei wirksam angefochten worden.
Die Vorschrift des § 2078 BGB sei auf den vorliegenden Fall entsprechend
anwendbar. Nach Meinung des Berufungsgerichts entfalten die Urteile in dem
vorangegangenen Verfahren des dritten Miterben gegen den Beklagten zwar
keine Rechtskraft im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten. Wie aber aus der
im Urkundenbeweis verwertbaren Zeugenvernehmung in jenem Verfahren
hervorgehe, habe sich die Erblasserin tatsächlich in dem behaupteten Irrtum
befunden. Dafür spreche insbesondere ihr nur gut zwei Monate später
errichtetes Testament. Für eine zwischenzeitliche Änderung des
Zuwendungswillens fehle jeder Anhalt. Einer erneuten Vernehmung des
Mitarbeiters der Sparkasse, in dessen Gegenwart die Erblasserin die
Verfügung vom 25. März 1996 errichtet habe, bedürfe es nicht. Auf ihn komme
es zwar entscheidend an, er habe sich aber schon bei seiner Vernehmung in
dem vorangegangenen Verfahren nicht mehr erinnern können, was mit der
Erblasserin konkret besprochen worden sei. Die von dem dritten Miterben
mithin wirksam erklärte Anfechtung komme nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (Urteil vom 8. Mai 1985 – IVa ZR 230/83 - NJW 1985, 2025
unter III) auch der Klägerin zugute.
II. Diese Würdigung ist in rechtlicher Hinsicht aus mehreren Gründen zu
beanstanden.
1. Sie läßt zunächst außer Betracht, daß bei der am 25. März 1996 zwischen
der Erblasserin, ihrer Sparkasse und dem Beklagten vereinbarten Verfügung
zugunsten Dritter auf den Todesfall zu unterscheiden ist zwischen dem
Deckungsverhältnis der Erblasserin zur Sparkasse einerseits und dem
Valutaverhältnis der Erblasserin zum Beklagten andererseits.
a) Im Deckungsverhältnis liegt ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich
zugunsten des Beklagten vor, durch den dieser einen Anspruch auf das
Guthaben gegenüber der Sparkasse nach dem Tod der Erblasserin erworben hat
(§§ 328, 331 BGB). Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung
unterliegen die Rechtsbeziehungen im Deckungsverhältnis nicht dem Erbrecht,
sondern dem Schuldrecht. Deshalb gilt § 2301 Abs. 1 BGB für sie auch dann
nicht, wenn es sich im Valutaverhältnis um eine unentgeltliche Zuwendung
handelt (BGHZ 41, 95, 96; 66, 8, 12 f.; Urteil vom 19. Oktober 1983 - IVa ZR
71/82 - NJW 1984, 480 unter 1). Die besonderen erbrechtlichen
Auslegungsregeln für letztwillige Verfügungen sind auf die Auslegung der
rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, durch die der Anspruch aus § 331 BGB
begründet wird, auch nicht entsprechend anwendbar (BGH, Urteil vom 12. Mai
1993 - IV ZR 227/92 - NJW 1993, 2171 unter 2).
b) Dementsprechend ist auch die Frage, ob der Begünstigte den auf diese
Weise erlangten Anspruch behalten darf oder an die Erben nach § 812 BGB
herausgeben muß, also die Frage nach dem rechtlichen Grund im
Valutaverhältnis, nicht nach Erbrecht, sondern nach Schuldrecht zu
beurteilen (Urteil vom 19. Oktober 1983 aaO). Der Bundesgerichtshof hat die
Frage, ob derartige Zuwendungen zwar nicht in der Rechtsform, wohl aber in
anderen Beziehungen erbrechtlichen Normen unterstellt werden müssen, im
Hinblick auf erbvertragliche oder diesen gleichstehende Bindungen des
Erblassers durch wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament erwogen,
aber verneint, um erhebliche Abgrenzungschwierigkeiten sowie
Rechtsunsicherheit zu vermeiden (BGHZ 66, 8, 12 ff.). Als Valutaverhältnis
kommt, wenn eine unentgeltliche Zuwendung gewollt ist, im allgemeinen nur
eine Schenkung in Betracht; im Hinblick auf den "Von-Selbst-Erwerb" des
Begünstigten ist sowohl Vollziehung im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB als auch
Heilung des Formmangels gemäß § 518 Abs. 2 BGB anzunehmen (Urteil vom 19.
Oktober 1983 aaO). Es sind aber auch andere Rechtsgeschäfte unter Lebenden
im Valutaverhältnis möglich, etwa eine ehebedingte Zuwendung; die
erbrechtliche Vorschrift des § 2077 BGB ist in einem solchen Fall auf die
Begünstigung nicht anwendbar (BGHZ 128, 125, 132 ff.). An diesen Grundsätzen
hält der Senat fest.
c) Die Urteile der Vorinstanzen befassen sich demgegenüber undifferenziert
mit der Anfechtung des Vertrages zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25.
März 1996. Nach den Urteilen im vorangegangenen Verfahren betrifft die
Anfechtung des dritten Miterben vom 11. September 1997, die er dem Beklagten
gegenüber erklärt hat, nicht das Deckungsverhältnis gegenüber der Sparkasse,
sondern eine im Valutaverhältnis gegenüber dem Beklagten vorliegende
Schenkung. Insoweit bedarf es auch im vorliegenden Verfahren
tatrichterlicher Feststellungen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die unter
den Parteien streitige Frage, was die Erblasserin mit dem Rechtsgeschäft vom
25. März 1996 bezweckt hat, nicht erst für einen eventuellen
Anfechtungsgrund, sondern schon für die rechtliche Charakterisierung des
Valutaverhältnisses Bedeutung erlangen kann.
2. a) Nach dem Vortrag der Klägerin ging es im Valutaverhältnis um einen
Auftrag oder eine Geschäftsbesorgung; der Beklagte habe die Guthaben für die
Erblasserin verwalten sollen. Insoweit ist wie bei jedem Rechtsgeschäft
unter Lebenden gemäß §§ 133, 157 BGB maßgebend, was als Wille der
Erblasserin für den Beklagten als Empfänger ihrer Erklärung erkennbar
geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1992 – IX ZR 141/91 - NJW 1992,
1446 unter II 1 b). Für die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe die
Guthaben lediglich verwalten sollen, ist die Klägerin beweispflichtig (vgl.
Palandt/Sprau, BGB 62. Aufl. § 667 Rdn. 10). Da sie aber an dem
Rechtsgeschäft zwischen der Erblasserin, der Sparkasse und dem Beklagten vom
25. März 1996 nicht beteiligt war, ist der Beklagte zu einer substantiierten
Darlegung verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98
- NJW 1999, 1404 unter II 2 b aa).
b) Die Klägerin hat sich in ihrer Berufungserwiderung auf die Protokolle der
Aussagen der vom Amtsgericht im vorangegangenen Verfahren vernommenen Zeugen
bezogen. Danach habe die Erblasserin stets erklärt, ihr Nachlaß werde
gleichmäßig verteilt. Insbesondere habe sie nach der Beerdigung ihres Mannes
am 21. März 1996 im Hinblick auf ihre eigene Erkrankung erklärt, der
Beklagte solle, da er örtlich und zeitlich am besten verfügbar sei, die
Gelddinge für sie regeln, da sie nicht mehr aus dem Hospiz herauskomme.
Diesem Vortrag steht nicht etwa der Wortlaut der Verfügung zugunsten Dritter
für den Todesfall vom 25. März 1996 entgegen. Im vorgedruckten Text heißt es
zwar: "Für den Fall des Widerrufs der Vereinbarung gelten auch ein darin
liegendes Schenkungsversprechen bzw.
Schenkungsangebot an den Begünstigten sowie ein etwaiger Auftrag zur
Weiterleitung dieses Versprechens/Angebots an ihn als widerrufen." Daraus
geht aber nicht hervor, daß in der hier getroffenen Vereinbarung zugleich
eine Schenkung an den Beklagten als anwesendem Begünstigten liegen sollte.
Der Beklagte hat demgegenüber zum Beweis seines Vortrags, das Bankguthaben
der Erblasserin sei ihm durch deren Verfügung zugunsten Dritter für den
Todesfall vom 25. März 1996 geschenkt worden, in der Berufungsbegründung
ausdrücklich die Vernehmung des seinerzeit anwesenden Sparkassenangestellten
als Zeugen beantragt.
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, im Hinblick auf die von ihm als
Urkunden verwerteten Vernehmungsprotokolle des vorangegangenen Verfahrens
sowie den Inhalt des Testaments von der erneuten Vernehmung auch des vom
Beklagten zum Zwecke des unmittelbaren Beweises benannten Zeugen abzusehen,
ist rechtsfehlerhaft, wie die Revision mit Recht rügt (vgl. BGH, Urteil vom
30. November 1999 – VI ZR 207/98 - NJW 2000, 1420 unter II 2 a). Daran
ändert die Meinung des Berufungsgerichts, der Zeuge werde sich jetzt nicht
genauer erinnern können als bei seiner Vernehmung im Jahre 1999, nichts. Der
Richter darf auch im Zivilverfahren von der Erhebung zulässiger und
rechtzeitig angetretener Beweise nur dann absehen, wenn das Beweismittel
völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache
bereits erwiesen ist; bei der Zurückweisung eines Beweismittels als
ungeeignet ist größte Zurückhaltung geboten; es muß jede Möglichkeit
ausgeschlossen sein, daß der übergangene Beweisantrag Sachdienliches ergeben
könnte (BVerfG NJW 1993, 254 unter 1 b; vgl. auch BGH, Urteil vom 12.
Oktober 1998 - II ZR 164/97 - BGHR ZPO § 286 Abs. 1, Beweisantrag, Ablehnung
20). Hier hat der Zeuge im vorangegangenen Verfahren u.a. bekundet, wenn
jemand möchte, daß das Guthaben zum Zeitpunkt seines Todes vom Begünstigten
verteilt werden solle, werde von Seiten der Sparkasse darauf hingewiesen,
daß die Verfügung zugunsten Dritter nicht der richtige Vertrag sei. Das
Berufungsgericht hat mithin unzulässig eine vorweggenommene Beweiswürdigung
vorgenommen.
d) Die Sache muß daher zur weiteren Aufklärung schon der Frage, wie der
Beklagte unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände das von der
Erblasserin ihm gegenüber am 25. März 1996 begründete Valutaverhältnis
verstehen durfte, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Die Klägerin nimmt den Beklagten im übrigen nicht, wie das Landgericht
gemeint hat, in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker aus § 2218 BGB
in Anspruch, sondern persönlich. Auch nach der Behauptung des Beklagten ist
das streitige Guthaben nicht in den Nachlaß gefallen. Zwar macht die
Klägerin ihren Anspruch als Miterbin geltend (§§ 2039, 667 BGB in Verbindung
mit dem Testament; der Nachlaß ist nach den insoweit unangegriffenen
Feststellungen des Landgerichts im übrigen bereits auseinandergesetzt und
eine Klage unmittelbar auf Zahlung an die Klägerin ohne besondere
Erbauseinandersetzung daher zulässig). Der Anspruch richtet sich gegen den
Beklagten aber in seiner Eigenschaft als Nachlaßschuldner, so daß das
Prozeßführungsrecht der Erbin selbst zusteht (BGH, Urteil vom 14. November
2002 - III ZR 19/02 - ZEV 2003, 75 unter I).
3. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß im
Valutaverhältnis von einer Schenkung an den Beklagten auszugehen ist, kommt
es weiterhin auf die hier erklärte Anfechtung an. Hierzu gibt der Senat
folgende Hinweise:
a) Im Schrifttum wird die - von den Vorinstanzen zugrunde gelegte - Ansicht
vertreten, die erbrechtliche Anfechtungsregelung in § 2078 BGB sei
entsprechend auch auf Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall
anzuwenden (MünchKomm/Leipold, BGB 3. Aufl. § 2078 Rdn. 15; Palandt/Edenhofer,
aaO § 2078 Rdn. 12; Soergel/Loritz, BGB 13. Aufl. § 2078 Rdn. 9; v.Hippel
NJW 1966, 867 f.; a.A. Staudinger/Otte, BGB [2003] § 2078 Rdn. 4). Nach
Auffassung des Senats steht jedoch der Schutz des Vertragspartners der
Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die im Deckungs-, aber auch im
Valutaverhältnis geschlossen werden, einer Erweiterung der sich aus §§ 119
ff. BGB ergebenden Anfechtungsmöglichkeiten entgegen. Es wäre auch nicht
gerechtfertigt, dem Vertragspartner den von § 2078 Abs. 3 BGB
ausgeschlossenen Schadensersatzanspruch aus § 122 BGB zu nehmen. Daß die
verfügende Partei durch einen solchen Vertrag zu ihren Lebzeiten
wirtschaftlich nicht belastet und insofern nicht mehr mit den Folgen des
Geschäfts konfrontiert wird, wie das Berufungsgericht und die Klägerin
hervorheben, ist nicht allein maßgebend.
b) Das Anfechtungsrecht nach § 119 BGB geht beim Tod des Erklärenden auf
dessen Erben über; es kann grundsätzlich nur von allen Miterben
gemeinschaftlich ausgeübt werden (RGZ 107, 238, 239; BGH, Urteil vom 26.
Januar 1951 - V ZR 61/50 - NJW 1951, 308; MünchKomm/Mayer-Maly/Busche, BGB
4. Aufl. § 142 Rdn. 6). Da es hier der Begründung
eines Anspruchs gegen den Beklagten persönlich dient, steht diesem als
Miterben wegen des Interessenwiderstreits kein Stimmrecht zu (vgl. BGHZ 56,
47, 53; Urteil vom 25. Juni 2003 - IV ZR 285/02 – MDR 2003, 1116, 1117). Die
Anfechtung muß nicht von allen Miterben gleichzeitig und in einem
einheitlichen Rechtsakt erklärt werden; wie auch sonst bei
Verfügungsgeschäften der Miterben genügen zeitlich aufeinander folgende
Erklärungen oder die Genehmigung einer Erklärung, die von einem Miterben
zugleich für die anderen abgegeben worden ist (vgl. MünchKomm/Dütz, aaO §
2040 Rdn. 14). Insoweit wird der Tatrichter das Verhalten der Klägerin
gegebenenfalls aufzuklären und auszulegen haben. Die Anfechtung ist
gegenüber dem Empfänger der anzufechtenden Willenserklärung zu erklären; da
es hier um das Valutaverhältnis geht, war der Beklagte (und nicht, wie die
Revision meint, die Sparkasse) der richtige Erklärungsempfänger. Die
Anfechtung muß gemäß § 121 BGB unverzüglich erfolgen, nachdem der
Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.
Insoweit bliebe also weiterhin zu klären, wann die Klägerin des vorliegenden
und der Kläger des vorangegangenen Verfahrens die erforderliche Kenntnis
erlangt und ob sie unter Berücksichtigung einer angemessenen
Überlegungsfrist rechtzeitig angefochten haben. Dabei kommt die Kenntnis
eines Anfechtungsgrundes erst in Betracht, wenn überhaupt von einem durch
Irrtum beeinflußten Rechtsgeschäft im Valutaverhältnis auszugehen ist. Eine
Verzögerung könnte überdies entschuldbar sein, soweit nach der
Rechtsauffassung beider Vorinstanzen eine eigene Anfechtung durch die
Klägerin nicht erforderlich war.
c) Schließlich bliebe zu prüfen, ob die Erblasserin in einem zur Anfechtung
berechtigenden Irrtum war. Auch insofern durfte das Berufungsgericht nicht
ohne Vernehmung des von dem Beklagten als Zeugen benannten Mitarbeiters der
Sparkasse entscheiden.
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