"Wettlauf mit dem Erben": Formlose Schenkung und Heilung
(§ 518 Abs. 2 BGB); Prüfungsbefugnisse einer Bank bei Ausführung einer
Überweisung; Schutzwirkung eines Überweisungsvertrags
OLG Karlsruhe v.21.11.2006 - 17 U 19/06
Fundstelle:
WM 2007, 300
Leitsatz:
Zur Haftung einer Bank bei Nichtausführung eines
Überweisungsauftrages bei berechtigten Zweifeln an der Wirksamkeit einer
Vollmacht.
Zentrale Probleme:
Es geht um eine Folgeproblematik der Fälle des "Wettlaufs
mit dem Erben" (s. dazu
BGH NJW 2004, 767). Hier
hatte die Bank einen Überweisungsauftrag nicht ausgeführt, weil sie Zweifel
am Bestehen von Vertretungsmacht hatte. Dadurch wurde u.U. verhindert, daß
eine formnichtige Schenkung unter Lebenden (wenn eine solche hier vorlag)
postmortal vollzogen und damit nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt werden konnte
(s. dazu
BGH NJW 2004, 767). Das OLG
verneint eine Haftung der Bank. Der Überweisungsvertrag habe keine
Schutzwirkung zugunsten des Überweisungsempfängers. Im übrigen fehle es an
einer Pflichtverletzung: Eine Bank darf zwar bei einem Überweisungsauftrag
nicht überprüfen, ob ein Rechtsgrund für die Überweisung vorliegt (also das
sog. Valutaverhältnis), wohl aber dürfe sie prüfen, ob der
Überweisungsvertrag selbst wirksam sei. Dazu gehört in einer Konstellation
wie der vorliegenden neben der Existenz einer Vollmacht auch die Frage, ob
nicht Vollmachtsmißbrauch (s. dazu etwa
BGHZ
113, 315 ff sowie insbesondere
BGH
NJW 1999, 2883) vorliegt.
©sl 2007
Tatbestand
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Bank wegen Nichtausführung eines ihn
begünstigenden Überweisungsauftrags durch die Beklagte auf Schadensersatz in
Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Mit Patientenverfügung vom 1.6.2005 räumte die Erblasserin W. Sch. Nach
anwaltschaftlicher Beratung ihrem Neffen (Kläger) und dessen Großmutter E.
G. eine gemeinsam auszuübende Generalvollmacht ein. Unter Vorlage der
Vollmachtsurkunde begehrten die Bevollmächtigten am 6.6.2005 in der H.
Filiale der Beklagten Überweisung von 60.000 € an den Kläger und 10.000 € an
die Großmutter von dem Girokonto der am 3.6.2005 verstorbenen Erblasserin.
Die Mitarbeiterin der Beklagten sagte zu, den Vorgang prüfen zu wollen.
Nachdem die beiden Vertreter am 8.6.2005 den Überweisungsauftrag auf
ordnungsgemäß ausgefüllten Überweisungsträgern wiederholt hatten, lehnte die
Beklagte die Ausführung mit Schreiben vom 16.6.2005 ab. Die inzwischen
ermittelte Alleinerbin der Erblasserin widerrief mit Schreiben vom 27.6.2005
die Generalvollmacht.
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen pflichtwidriger Ablehnung des
Überweisungsauftrags auf Schadensersatz in Höhe von 20.000 € in Anspruch.
Die Beklagte hätte die Überweisung ausführen müssen, da ihr die
Ordnungsmäßigkeit der Vollmacht durch den Rechtsanwalt der Erblasserin
bestätigt worden sei. Die Rechtsbeziehungen der Erblasserin zu dem
Überweisungsempfänger gingen die Beklagte nichts an. Die Erblasserin habe
ihm am 1.6.2005 unmittelbar im Anschluss an die Unterzeichnung der
Vollmachtsurkunde Zahlung von 20.000 €, seiner Großmutter Zahlung von 10.000
€ und einer Freundin Zahlung von 40.000 € versprochen und um Erfüllung der
Schenkungsversprechen unter Verwendung der erteilten Vollmacht gebeten.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, ihr sei ein Pflichtverstoß im
Zusammenhang mit dem Überweisungsauftrag nicht vorzuwerfen. Sie habe
begründeten Anlass gehabt, an der Wirksamkeit der Aufträge und an der
behaupteten Schenkung zu zweifeln.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger, der mit seiner Berufung den
Schadensersatzanspruch weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, er sei
in den Schutzbereich des Girovertrages als Empfänger der Überweisung
einbezogen gewesen. Die Beklagte habe ihre Vertragspflichten verletzt, weil
ihr eine Berechtigung, das Valutaverhältnis zu prüfen, nicht zukomme und sie
deshalb die Überweisung hätte ausführen müssen, nachdem ihr die wirksame
Erteilung der Vollmacht nachgewiesen worden sei.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angegriffene
Urteil des Landgerichts.
Gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf das angefochtene Urteil sowie
auf den Vortrag der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nicht gerechtfertigt.
Mit Recht hat das Landgericht eine Grundlage für die geltend gemachte
Haftung der Beklagten verneint und die Klage abgewiesen. Die von der
Berufung dagegen vorgebrachten rechtlichen Einwendungen vermögen am Ergebnis
des Landgerichts nichts zu ändern.
Selbst wenn man aus dem Girovertragsverhältnis der Beklagten zur Erblasserin
(Erbin) eine Pflicht zur Annahme und Ausführung eines Überweisungsauftrages
zu Standardbedingungen annehmen wollte, kann der Kläger als Begünstigter des
Überweisungsauftrages daraus keine Ansprüche für sich herleiten.
1. Der Kläger hat aus dem von ihm als Gesamtbevollmächtigten erteilten
Überweisungsauftrag keine Rechte erlangt, die einen Schadensersatzanspruch
wegen der Weigerung der Beklagten, den Überweisungsvertrag abzuschließen und
die Überweisung vorzunehmen, begründen könnten.
Beim Überweisungsverkehr entsteht, wenn der Überweisende und der
Überweisungsempfänger ihre Girokonten bei verschiedenen Banken unterhalten,
also eine Hausüberweisung nicht vorliegt, weder ein unmittelbares
Vertragsverhältnis zwischen dem Empfänger und der Überweisungsbank noch sind
die Rechtsverhältnisse des Überweisenden mit seiner Bank oder zwischen den
einzelnen am Überweisungsvorgang beteiligten Banken als Verträge zu Gunsten
des Überweisungsempfängers zu qualifizieren (ständige Rechtsprechung
BGHZ 69, 82, 85; BGH NJW 1987, 317, 318; NJW
1998, 1640).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger im Streitfall als
Vertreter der Inhaberin des Überweisungskontos aufgetreten ist und ein
erhebliches Eigeninteresse an der Ausführung der Überweisung hatte. Dieser
Umstand begründet entgegen der Auffassung der Berufung noch keine
Schutzpflicht aus einem von der Beklagten abzuschließenden
Überweisungsvertrag. Der Kreis der Rechtspflichten einer Überweisungsbank
ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bewusst beschränkt
worden, um eine Ausuferung von Schadensersatzansprüchen zu vermeiden und die
Grenze nicht zu überschreiten, jenseits derer der Schutz Dritter auf das
Recht der unerlaubten Handlung beschränkt bleiben muss.
2. Im Übrigen scheidet eine Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang
mit der Ablehnung des Abschlusses eines Überweisungsvertrages hier ohnehin
aus.
Zwar darf die Beklagte nach dem Prinzip der formalen Auftragsstrenge die den
Überweisungen zu Grunde liegenden Valutaverhältnisse, d.h. die
Rechtsverhältnisse im Verhältnis Überweisender zum Überweisungsempfänger,
nicht beachten und damit auch nicht als Grundlage für die Nichtausführung
einer angetragenen Überweisung heranziehen (BGH
NJW 2004, 2517, 2119).
Die Beklagte hat aber im Streitfall nicht den Bestand des
Valutaverhältnisses überprüft, sondern lediglich die Wirksamkeit der
Vertretungsmacht, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Wirksamkeit der
Vollmachtserteilung, sondern auch im Hinblick auf einen möglichen und
zunächst nicht auszuschließenden Missbrauch der Vertretungsmacht durch die
Gesamtvertreter (vgl.
BGH NJW 2004, 2517, 2518).
Hierfür gab es aus der Sicht der Mitarbeiter der Beklagten einige
Anhaltspunkte. Das Landgericht hat im Einzelnen dargelegt, weshalb sich für
die Beklagte ein Missbrauch der Kontovollmacht aufdrängen musste. In diesem
Zusammenhang durfte sie auch der Frage nachgehen, welchem Zweck die
ungewöhnlichen hohen Überweisungen im Valutaverhältnis eigentlich dienen
sollten. Insoweit konnte der Rechtsanwalt der Erblasserin der Beklagten aber
gerade keinen Aufschluss geben, sodass der Verdacht des Vollmachtmissbrauchs
nicht ausgeräumt war. Unter diesen Umständen war die Beklagte aber nicht nur
berechtigt, sondern aus dem Girovertrag gegenüber der Erblasserin/Erbin
sogar verpflichtet, den angetragenen Überweisungsvertrag zu verweigern.
3. Damit kommt auch ein Verstoß der Beklagten gegen deliktische Pflichten
gemäß § 826 BGB von
vornherein nicht in Betracht, wie das Landgericht ebenfalls zu Recht
entschieden hat.
III.
Die Berufung des Klägers hat nach alledem keinen Erfolg, sie ist mit der
Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf
§§ 708 Nr. 10,
713 ZPO. Gründe für die Zulassung
der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO
sind nicht vorhanden. Der Streitwert wurde gem. § 63
Abs. 2 GKG festgesetzt.
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