Geldherausgabeschuld in
Abgrenzung zur Geldwertschuld; Verzinsung von Geldherausgabeschulden
BGH, Beschluss vom 15.
September 2005 - III ZR 28/05
Fundstelle:
NJW 2005, 3709
Amtl. Leitsatz:
§ 288 Abs. 1 BGB ist
auch auf einen auf die Herausgabe von Geld gerichteten Anspruch aus § 667,
2. Alt. BGB anzuwenden.
Zentrale Probleme:
Bei der Geldherausgabeschuld handelt es sich -
anders als bei der Geldwertschuld - um einen Anspruch nicht auf Zahlung
einer Geldsumme, sondern auf Herausgabe bestimmter Geldscheine bzw. Münzen.
So schuldet etwa ein Beauftragter (zB Kassierer im Außendienst) nicht die
Zahlung der erhaltenen Geldsummen, sondern nach § 667 Herausgabe der
erhaltenen Geldscheine. Anders als im Falle einer Geldwertschuld ist hier
etwa auch leistungsbefreiende Unmöglichkeit i.S.v. § 275 I BGB (etwa bei
Verlust) denkbar (s. dazu etwa
Köhler/Lorenz, PdW SchuldR I, Fall 107 sowie
BGH v. 21.12.2005 - III ZR 9/05).
Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob § 288 BGB auch auf eine solche
Geldherausgabeschuld anwendbar ist. Der Senat bejaht dies in der
vorliegenden Entscheidung, wobei er die Grundlagen der Geldherausgabeschuld
in sehr lehrreicher Weise resümiert. Zur Anwendung von § 288 BGB auf den
Anspruch auf Freigabe bei Hinterlegung s.
BGH v. 25.4.2006 - XI
ZR 271/05. Zur Abgrenzung s.
BGH v. 5.12.2012 - XII ZR 44/11.
©sl 2005
Zum Sachverhalt:
Der Beklagte war Sequester eines Unternehmens, das mehrere Tankstellen
betrieb, die von der Klägerin mit Treibstoffen und anderen Waren beliefert
wurden. Die Parteien vereinbarten, dass der Beklagte die in den Tankstellen
eingenommenen Gelder vereinnahmen und auf Anderkonten einzahlen sollte. Die
Einzelheiten der Voraussetzungen, unter denen der Beklagte die Gelder an die
Klägerin auszukehren hatte, waren zwischen den Parteien strittig. Das
Berufungsgericht hat den Beklagten unter Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB zur
Zahlung von 183.355,38 € nebst 5 v.H. Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz
seit dem 8. September 2000 verurteilt. Die Hauptforderung ist
zwischenzeitlich beglichen worden. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde
verfolgt der Beklagte die Abweisung der Klage, soweit er zur Zahlung von
mehr als 183.355,38 € nebst Zinsen in Höhe von 13.109,15 € verurteilt wurde.
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des
Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur
Rechtsfortbildung nicht erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist der Ansicht, der Fall werfe die
rechtsgrundsätzliche Frage auf, ob § 288 Abs. 1 BGB auf den Anspruch des
Geschäftsherrn gegen den Beauftragten auf Herausgabe von Geld (§ 667, 2.
Alt. BGB) anzuwenden ist.
2. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da sie offenkundig zum
Nachteil des Beklagten zu beantworten ist.
a) Die Verpflichtung des Beauftragten zur Auskehr von Geld gemäß § 667,
2. Alt. BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine
gewöhnliche Geldschuld (Senatsurteil vom 16. Mai 2002 - III ZR 330/00 -
NJW 2002, 2316 f; BGHZ 28, 123, 128; 143, 373, 378; BGH, Urteil vom 10.
Dezember 2002 - X ZR 193/99 - NJW 2003, 743, 744 f). Gegenstand der
Herausgabeverpflichtung ist (nur) dasjenige, das der Geschäftsführer in
Ausführung des Auftrags erlangt hat. Der Beauftragte hat, anders als bei der
normalen Geldschuld, zur Erfüllung seiner Verpflichtung die erforderlichen
Mittel (wirtschaftlich) nicht aus seinem unabhängig von dem Auftrag
bestehenden Vermögen aufzubringen (BGHZ aaO; Beuthien/Hieke JZ 2001,
257). Er ist vielmehr lediglich Durchgangsstelle für eine zwar zu seinen
Händen geleistete, aber für Rechnung des Geschäftsherrn entgegen genommene
Zahlung, die er ohne Inanspruchnahme seines eigenen Vermögens weiterzuleiten
hat (BGHZ 28 aaO). Der entsprechende Betrag ist im Innenverhältnis
zwischen den Parteien des Auftragsvertrags, wie auch § 668 BGB zeigt,
bereits der Vermögens- und Risikosphäre des Auftraggebers zuzurechnen (BGHZ
28 aaO; Beuthien/Hieke aaO).
b) Hieraus sind folgende Schlüsse gezogen worden:
aa) § 270 Abs. 1 BGB ist auf den Geldherausgabeanspruch aus § 667, 2.
Alt. BGB nicht anzuwenden, da die Gefahr des vom Geschäftsführer nicht
verschuldeten Untergangs des Leistungsgegenstandes von Anbeginn an der
Geschäftsherr trägt (BGHZ 28 aaO). Zudem wurde überwiegend vertreten,
dass § 279 BGB a.F. für den Geldherausgabeanspruch des Geschäftsherrn nicht
gelte (vgl. Nachweise in BGHZ 143 aaO, dort offen gelassen; sowie Beuthien/Hieke
aaO, S. 258; siehe zur jetzigen Rechtslage z.B.: Münch-KommBGB/Seiler, aaO;
Palandt/Sprau, aaO: keine Geltung der allgemeinen Einstandspflicht für
Geldschulden).
bb) Wie eine "normale" Geldschuld wird der Geldherausgabeanspruch nach §
667, 2. Alt. BGB jedoch bei der Aufrechung behandelt. Ein solcher Anspruch
und die ihm entgegen gestellte Geldforderung sind nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs gleichartig im Sinne von § 387 BGB (BGHZ 71, 380,
382; BGH, Urteile vom 23. Februar 1995 - IX ZR 29/94 - NJW 1995, 1425, 1426
und vom 4. März 1993 - IX ZR 151/92 - NJW 1993, 2041, 2042). Dies gilt
insbesondere dann, wenn - wie hier - der erlangte Betrag auf einem Konto
eingezahlt ist. Der Auftraggeber kann nicht nur die Abtretung der Ansprüche
gegen das Kreditinstitut verlangen. Der Herausgabeanspruch ist vielmehr auf
Zahlung eines der eingegangenen Summe entsprechenden Betrages gerichtet (BGH
aaO).
c) Zur Frage, ob der Geldherausgabeanspruch nach § 667, 2. Alt. BGB eine
Geldforderung im Sinne des § 288 Abs. 1 BGB ist oder wie eine solche zu
behandeln ist, gibt es zwar, soweit ersichtlich, fast noch keine
veröffentlichte Rechtsprechung. Lediglich das OLG Bremen (WM 1994, 153,
155) hat § 288 Abs. 1 BGB auf den Herausgabeanspruch nach § 667, 2. Alt. BGB
angewandt, ohne dies jedoch näher zu begründen. In der Kommentarliteratur
ist diese Problematik bislang gleichfalls nicht erörtert worden. Gleichwohl
ist eine Klärung dieser Frage durch ein Revisionsurteil nicht erforderlich,
da sich die Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 BGB bereits aus der vorliegenden
Rechtsprechung zu § 667, 2. Alt. BGB ohne weiteres herleiten lässt.
Die Eigentümlichkeiten des Geldherausgabeanspruchs gemäß § 667, 2. Alt.
BGB liegen nach der unter a) zitierten Rechtsprechung in der im
Innenverhältnis zwischen den Parteien des Auftragsverhältnisses bestehenden
Sonderung des erlangten Geldbetrags von dem Eigenvermögen des Beauftragten
und der daraus folgenden, von der gewöhnlichen Geldforderung abweichenden
Risikozuweisung im Fall des Untergangs des vereinnahmten Betrags. Die Frage,
ob der Beauftragte die geschuldete Summe ohne weiteres gemäß § 288 Abs. 1
BGB zu verzinsen hat, wenn er mit ihrer Leistung in Verzug kommt, oder ob
der Auftraggeber seinen Schaden konkret zu darzulegen hat (§ 280 Abs. 1, 2,
§ 286 BGB), hat zu diesen Besonderheiten, wie auch die Situation bei der
Aufrechnung, keinen Bezug. § 288 Abs. 1 BGB erleichtert dem Gläubiger die
Berechnung seines Schadens, den er infolge der verspäteten Leistung eines
ihm geschuldeten Geldbetrags erleidet. Die Höhe dieses Schadens und damit
das Bedürfnis nach dessen pauschalierter Berechnung hängt nicht davon ab, ob
der Schuldner die Mittel wirtschaftlich aus seinem eigenen Vermögen
aufzubringen hat oder, wie im Fall des § 667, 2. Alt. BGB, aus dem im
Innenverhältnis zwischen Beauftragtem und Auftraggeber bereits dem Letzteren
zuzurechnenden Vermögen.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 S. 2 Halbs. 2 ZPO
abgesehen.
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