Nichtigkeit wegen Wucher (§ 138 II BGB): Mangel an Urteilsvermögen bei einem unwirtschaftlichen Vertrag; Abgrenzung zwischen Wucher und wucherähnlichem Rechtsgeschäft (Erfordernis und Vermutung der "verwerflichen Gesinnung"); keine Anwendung der Saldotheorie zu Lasten des Bewucherten


BGH, Urt. v. 23. Juni 2006 - V ZR 147/05


Fundstelle:

NJW 2006, 3054


Amtl. Leitsatz:

Ein Mangel an Urteilsvermögen liegt nicht vor, wenn der Betroffene nach seinen Fähigkeiten in der Lage ist, Inhalt und Folgen eines Rechtsgeschäfts sachgerecht einzuschätzen, diese Fähigkeiten aber nicht oder nur unzureichend einsetzt und deshalb ein unwirtschaftliches Rechtsgeschäft abschließt.


Zentrale Probleme:

Eine sehr lehrreiche Entscheidung zu § 138 BGB. Der BGH legt zunächst die subjektiven Voraussetzungen des (als speziellere Norm zuerst zu prüfenden) § 138 II BGB dar. Er legt - kurz gesagt - dar, daß keine Ausnutzung des Mangels an Urteilsvermögen vorliegt, wenn der Geschäftsgegner an sich Urteilsvermögen hat, dieses aber (aus Unvernunft) einfach nicht einsetzt. Wichtig und richtig ist dabei, daß der BGH betont, daß § 138 II weder vor einer unrichtigen Einschätzung der Wirtschaftlichkeit eines Rechtsgeschäfts noch vor enttäuschten Spekulationen schützen soll. Interessant und lehrbuchartig sind dann auch die Ausführungen zum wucherähnlichen Rechtsgeschäft: Die besondere Problematik der unter § 138 Abs. 1 BGB zu subsumierenden sog. "wucherähnlichen" Rechtsgeschäfte besteht darin, daß sie nur den objektiven Tatbestand von § 138 Abs. 2 BGB erfüllen, also ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, dessen besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale aber nicht vorliegen bzw. beweisbar sind. Da sich im Umkehrschluß aus § 138 Abs. 2 BGB ergibt, daß das auffällige Mißverhältnis für sich alleine nicht nichtigkeitsbegründend sein kann, müssen (und können) die subjektiven Tatbestandselemente dieser Norm im Rahmen der Prüfung von § 138 Abs. 1 BGB durch andere Elemente substituiert werden. Als ein solches dient dem BGH in ständiger Rechtsprechung das Element der "verwerflichen Gesinnung" des Begünstigten, die etwa dann vorliegen soll, wenn dieser die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, daß sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat. Diese Konstruktion allein ist praktisch freilich kein wesentlicher Fortschritt gegenüber der Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB, weil auch diese subjektiven Erfordernisse häufig schwer beweisbar sind. Aus diesem Grund behilft sich die Rechtsprechung im Falle eines "besonders groben" Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung seit langem mit einer "tatsächlichen Vermutung" dieser subjektiven Elemente. Dieses wiederum soll dann vorliegen, wenn die Leistung annähernd das Doppelte der Gegenleistung beträgt. Allerdings ist diese Vermutung widerlegbar, wie der BGH auch hier andeutet (s. dazu auch BGH NJW 2000, 1254 und BGHZ 146, 298 = NJW 2001, 1127 sowie BGH NJW 2002, 55; BGH NJW 2002, 3165; BGH NJW 2003, 283 sowie zuletzt BGH v. 29.6.2007 - V ZR 1/06).
Zur Nichtanwendung der Saldotheorie zu Lasten des Bewucherten s. die Anm. zu
BGH NJW 2001, 1127.

sl 2006


Tatbestand:

Der Beklagte verkaufte dem Kläger mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 1994 ein in Mecklenburg-Vorpommern belegenes Grundstück, auf dem sich ein 1696 errichtetes und unter Denkmalschutz stehendes Herrenhaus ("Schloss G. ") befand. Das Gebäude war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ohne weiteres als Bauruine erkennbar. Der Kläger zahlte den vereinbarten Kaufpreis von 250.000 DM.

Der Beklagte hatte das Grundstück zwei Jahre zuvor zu einem Preis von 21.000 DM erworben. Aus dem damals geschlossenen Kaufvertrag geht hervor, dass ein Sachverständiger den Restwert des Gebäudes mit 1.000 DM ermittelt hatte; die Instandsetzungskosten waren von ihm auf knapp 1,5 Mio. DM beziffert worden. Der Beklagte hatte in der Folgezeit keine Sanierungs-, sondern allenfalls Sicherungsmaßnahmen ergriffen.

Mit der im Jahr 2001 erhobenen Klage verlangt der Kläger, der den Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft für sittenwidrig hält, im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat das Oberlandesgericht ein Sachverständigengutachten über den Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eingeholt. Die Anhörung des Sachverständigen in der letzten mündlichen Verhandlung vom 11. November 2004 ist abgebrochen worden, nachdem der Beklagte erklärt hatte, weitere 90 Fragen an den Sachverständigen vorbereitet zu haben. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten unter Hinweis darauf, dass die fortgeschrittene Zeit eine Erledigung dieser Fragen nicht erlaube und sich Gericht, Gegner und Sachverständiger angesichts der schwierigen Materie rechtzeitig vorbereiten müssten, aufgefordert, die Fragen schriftlich einzureichen, was mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2004 auch geschehen ist. Nachfolgend hat das Oberlandesgericht ein der Klage stattgebendes Urteil verkündet.

Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht meint, dem Kläger stünde unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu. Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag sei sittenwidrig. Zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe ein objektives Missverhältnis, da sich aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergebe, dass der Verkehrswert des Grundstücks bei Abschluss des Kaufvertrages allenfalls 118.000 DM betragen habe. In subjektiver Hinsicht habe bei dem Kläger ein Mangel an Urteilsvermögen im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB vorgelegen. Die Außerachtlassung aller wirtschaftlich relevanten Faktoren belege die völlige Kritiklosigkeit des Klägers bei diesem Geschäft. Er habe sich warnenden Hinweisen zu dem hohen Sanierungsbedarf des Objekts verschlossen, habe kein Konzept zu dessen Nutzung besessen und auch nicht über die Mittel verfügt, die für die Unterhaltung eines Herrenhauses oder dessen Umbau als Hotel oder Altenheim erforderlich gewesen wären. Auch ein Affektionsinteresse des Klägers sei nicht ersichtlich. Dem Beklagten habe nicht verborgen bleiben können, dass dem Kaufverhalten des Klägers keine sinnvolle Motivation zugrunde gelegen habe. Der mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2004 eingereichte Fragenkatalog habe keinen Anlass gegeben, erneut in die Beweisaufnahme einzutreten. Die Prozessführung des Beklagten sei entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht auf die Förderung des Verfahrens ausgerichtet und damit missbräuchlich gewesen. Zudem hätten die Fragen das Beweisergebnis auch in der Sache nicht zu Gunsten des Beklagten ändern können.

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass das Verleiten des Käufers zum Abschluss eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen Verletzung vorvertraglicher Rücksichtnahmepflichten begründen und der Benachteiligte auf dieser Grundlage die Rückgängigmachung des Vertrages fordern kann (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 306; 160, 8, 10 f.; BGHZ 99, 101).

Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, dass der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag gemäß § 138 Abs. 2 BGB sittenwidrig ist. Der in dieser Vorschrift geregelte Wuchertatbestand erfordert neben einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in subjektiver Hinsicht die Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Bewucherten. Davon, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, kann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgegangen werden.

1. Nicht frei von Rechtsfehlern ist zunächst die Annahme, zwischen dem Wert der vereinbarten Leistung und dem Wert der Gegenleistung bestehe ein auffälliges Missverhältnis.

Ein solches Missverhältnis läge zwar vor, wenn der Verkehrswert des verkauften Grundstücks zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich nur 118.000 DM betragen haben sollte, da der Kaufpreis dann mehr als doppelt so hoch wie die Gegenleistung wäre (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 1984, V ZR 61/83, WM 1984, 874; Urt. v. 8. November 1991, V ZR 260/90, NJW 1992, 899, 900; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 430). Dabei ist zu beachten, dass die Ermittlung des Werts der wechselseitigen Leistungen Aufgabe des Tatrichters ist und revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden kann, ob sie die rechtlichen Vorgaben und sämtliche bewertungsrelevante Umstände berücksichtigt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (vgl. BGHZ 83, 61, 66; 120, 38, 45 f.; 138, 371, 382). Ein solcher Rechtsfehler liegt hier aber vor.

a) Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht den Verkehrswert des Grundstücks - mit sachverständiger Hilfe - auf der Grundlage der in der Wertermittlungsverordnung 1988 (Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken vom 6. Dezember 1988 - WertV - BGBl. I S. 2209) vorgesehenen Ermittlungsmethoden festgestellt hat. Diese Verordnung gilt nicht nur bei Wertermittlungen in Durchführung des Baugesetzbuches, sondern enthält für nahezu alle Bereiche allgemein anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken (vgl. Senat, Urt. v. 12. Januar 2001, V ZR 420/99, WM 2001, 997).

Der Anwendung dieser Grundsätze steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem zu beurteilenden Grundstück um eine ausgefallene und seltene Immobilie handelt. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass die Wertermittlung von Schlössern und Herrenhäusern schwer objektivierbar ist, weil für sie im Allgemeinen kein Grundstücksmarkt im üblichen Sinne besteht und der erzielbare Preis maßgeblich von der Nutzungsmöglichkeit des einzelnen Objekts sowie von der Nutzungsabsicht des jeweiligen Interessenten abhängt (vgl. Kleiber/Simon, Marktwertermittlung, 6. Aufl., § 19 WertV Rdn. 160). Sie ist aber nicht unmöglich, sondern kann - wenn es an Vergleichspreisen für ähnliche Grundstücke fehlt - insbesondere auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens durchgeführt werden (vgl. Kleiber/Simon, aaO, Rdn. 162 ff.; Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2006, § 194 Rdn. 93b).

b) Eine auf wirtschaftlichen Gesichtspunkten beruhende Wertermittlung verbietet sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deshalb, weil es sich bei Schlössern und Herrenhäusern häufig um Liebhaberobjekte handelt, deren Erwerb nicht selten auf einem Affektionsinteresse beruht. Spricht das Objekt in dieser Hinsicht einen größeren Interessentenkreis an, so wird sein Marktpreis auch durch die Eigenschaft als Liebhaberobjekt bestimmt. Bei der Wertermittlung kann dies beispielsweise dadurch Berücksichtigung finden, dass auch Preisangebote von Interessenten, auf die der Verkäufer nicht eingegangen ist, in die Bewertung einbezogen werden; dabei muss allerdings die Ernsthaftigkeit der Angebote besonders sorgfältig geprüft werden (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1963, III ZR 162/63, WM 1964, 657, 659; Kleiber/Simon, Marktwertermittlung, 6. Aufl., § 13 WertV Rdn. 42 ff.).

Demgegenüber sind Angebote von Interessenten, bei denen sich ein nur in ihrer Person begründetes besonderes Interesse auswirkt (vgl. § 6 WertV) - wie es das Berufungsgericht bezüglich des Interessenten Dr. B. rechtsfehlerfrei angenommen hat - nicht geeignet, den Marktwert des Objekts widerzuspiegeln; sie müssen bei der Wertermittlung daher außer Betracht bleiben. Entsprechendes gilt für besondere Interessen oder Motivationen einer Partei des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts. Da es für die Prüfung des Äquivalenzverhältnisses allein auf die objektiven Werte von Leistung und Gegenleistung ankommt, können solche Motivationen nur für die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit Bedeutung erlangen (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 1984, V ZR 61/83, WM 1984, 874, 875; Urt. v. 12. Dezember 1986, V ZR 100/85, WM 1987, 353, 354; Urt. v. 3. Juli 1992, V ZR 76/91, NJW-RR 1993, 198, 199; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 431).

c) Ohne Erfolg rügt die Revision ferner, dass das Berufungsgericht den durch das Zeugnis des Maklers unter Beweis gestellten Vortrag des Beklagten, von den 15 Interessenten, die sich bei dem Makler gemeldet und das Schloss besichtigt hätten, sei etwa die Hälfte bereit gewesen, das Objekt zum inserierten Preis von 250.000 DM zu kaufen, bei der Feststellung des auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ebenso unberücksichtigt gelassen hat wie den Vortrag, eine für den Katalog "Schlösser und Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern" zuständige Mitarbeiterin eines Landesministeriums habe Interessenten an der Hand gehabt, die bereit gewesen wären, 200.000 DM bis 300.000 DM für Schloss G. zu zahlen.

Zwar können bei schwer zu bewertenden Grundstücken, wie dargelegt, auch ernste Preisangebote von Interessenten, auf die der Verkäufer nicht eingegangen ist, in die Wertermittlung einbezogen werden. Hiervon ist ersichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat den Vortrag des Beklagten aber mangels überprüfbarer Angaben zu den Interessenten für nicht erheblich erachtet. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Ein Sachvortrag ist nur erheblich, wenn die Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juli 2000, VI ZR 236/99, NJW 2000, 3286, 3287 m.w.N.). Hält eine Partei im Rahmen der Verkehrswertermittlung die Einbeziehung von Angeboten, auf die der Verkäufer nicht eingegangen ist, für erforderlich, gehören zu diesen Tatsachen - weil es insoweit in besonderem Maß auf die Ernsthaftigkeit der Angebote ankommt (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1963, III ZR 162/63, WM 1964, 657, 659) - grundsätzlich die Namen der Interessenten. Von dem Vorliegen eines ernsthaften Angebots kann nämlich, da es sonst an jeglicher Verbindlichkeit der Offerte fehlte, in aller Regel nur ausgegangen werden, wenn dem Verkäufer der Name des Interessenten bekannt geworden ist oder sich von ihm ohne weiteres ermitteln lässt. Andernfalls ist die Annahme berechtigt, dass es sich bei dem "Angebot" nur um die Kundgabe eines allgemeinen Erwerbsinteresses handelte; ein solches ist für die Wertermittlung jedoch nicht relevant.

d) Soweit bei der Verkehrswertermittlung auch der unter Beweis gestellte Vortrag des Beklagten unberücksichtigt geblieben ist, zwei Interessenten hätten versucht, den Abschluss des Kaufvertrages mit dem Kläger durch Gebote von 260.000 DM und 270.000 DM zu verhindern, wobei der eine um die Vereinbarung eines Notartermins gebeten und der andere vorgeschlagen habe, sein Kaufangebot am Morgen des 21. Dezember 1994 notariell beurkunden zu lassen, liegt ebenfalls kein Rechtsfehler vor.

Diesen Vortrag konnte das Berufungsgericht zwar nicht deshalb als unerheblich ansehen, weil der Beklagte die Namen der Interessenten nicht genannt hatte. Anders als bei den Interessenten, die anlässlich der Besichtigung des Objekts oder gegenüber der Mitarbeiterin des Ministeriums ihr Interesse bekundet haben sollen, lässt dieser Vortrag nämlich keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Angebote. Das Vorbringen war aber deshalb nicht ausreichend, weil es mangels näherer Angaben zu den Interessenten und ihrer Erwerbsmotive nicht erkennen ließ, ob die Angebote von ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen im Sinne von § 6 WertV beeinflusst waren, und das Berufungsgericht deshalb nicht beurteilen konnte, ob sie als Vergleichsdaten für die Wertermittlung geeignet waren.

e) Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den prozessualen Anspruch des Beklagten auf mündliche Befragung des Sachverständigen verletzt hat, indem es davon abgesehen hat, den gerichtlich bestellten Sachverständigen S. zu einer fortgesetzten Erläuterung seines Gutachtens zu laden.

Jeder Prozesspartei steht gemäß §§ 397, 402 ZPO zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs das Recht zu, den Sachverständigen zu seinem schriftlichen Gutachten mündlich zu befragen und ihm dabei die Fragen vorzulegen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält (st.Rspr., vgl. BGHZ 6, 398, 400 f.; 24, 9, 14; BGH, Urt. v. 21. September 1982, VI ZR 130/81, NJW 1983, 340, 341; Urt. v. 17. Dezember 1996, VI ZR 50/96, NJW 1997, 802; Urt. v. 7. Oktober 1997, VI ZR 252/96, NJW 1998, 162, 163; Urt. v. 29. Oktober 2002, VI ZR 353/01, NJW-RR 2003, 208, 209 sowie BVerfG NJW 1998, 2273). Der Tatrichter muss dem von einer Partei rechtzeitig gestellten Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens zu dessen mündlicher Erläuterung zu laden, deshalb auch dann entsprechen, wenn die schriftliche Begutachtung aus seiner Sicht ausreichend und überzeugend ist (BGH, Urt. v. 17. Dezember 1996, VI ZR 50/96, NJW 1997, 802; Urt. v. 27. Januar 2004, VI ZR 150/02, MDR 2004, 699, 700).

Dieses Recht hat das Berufungsgericht verletzt, indem es dem Beklagten keine ausreichende Gelegenheit gegeben hat, die von ihm für erforderlich gehaltenen Fragen an den Sachverständigen zu richten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durfte eine Fortsetzung der Anhörung des Sachverständigen nicht abgelehnt werden. Zwar können sich aus den Gesichtspunkten des Rechtsmissbrauchs und der Prozessverschleppung Beschränkungen des Rechts auf Befragung des Sachverständigen ergeben (BGHZ 35, 370, 371; BGH, Urt. v. 21. Oktober 1986, VI ZR 15/85, NJW-RR 1987, 339, 340; Urt. v. 7. Oktober 1997, VI ZR 252/96, NJW 1998, 162, 163). Hierauf konnte sich das Berufungsgericht indessen nicht stützen.

Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte ursprünglich gehalten war, seinen umfangreichen Fragenkatalog vor der Anhörung am 11. November 2004 bei Gericht einzureichen oder zumindest anzukündigen. Auf die unterbliebene Ankündigung durfte das Berufungsgericht die Ablehnung einer weiteren Anhörung jedenfalls nicht mehr stützen, nachdem es die Befragung des Sachverständigen am 11. November 2004 mit dem Hinweis, dass Fragen in dem angekündigten Umfang in der Sitzung nicht zu erledigen seien, abgebrochen und den Beklagten gleichzeitig aufgefordert hatte, seinen Fragenkatalog schriftlich einzureichen, damit Gericht, Gegner und Sachverständiger sich darauf vorbereiten könnten.

Hierdurch hat das Berufungsgericht bei dem Beklagten - der ausweislich des Sitzungsprotokolls zu diesem Zeitpunkt erst drei Fragen an den Sachverständigen gerichtet hatte - nämlich den Eindruck erweckt, er erhalte Gelegenheit, die Befragung in einem weiteren Termin fortzusetzen. Indem es dem Beklagten durch seine Verfahrensgestaltung nachfolgend aber keine Möglichkeit gegeben hat, den Sachverständigen weiter zu befragen, hat sich das Gericht zu seinem eigenen Verhalten in der Sitzung vom 11. November 2004 in Widerspruch gesetzt und dadurch gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen (vgl. dazu BVerfGE 78, 123, 126; BGH, Beschl. v. 28. Oktober 1998, VIII ZR 190/98, NJW 1999, 290 f.).

Dafür, dass die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2004 formulierten Fragen ihrem Inhalt nach rechtmissbräuchlich sind, ist nichts ersichtlich; hierauf hat sich das Berufungsgericht auch nicht gestützt. Es hat lediglich gemeint, der Fragenkatalog sei in der Sache nicht geeignet, das Ergebnis der Beweisaufnahme zugunsten des Beklagten zu ändern. Mit dieser Begründung konnte eine (weitere) Anhörung des Sachverständigen, wie dargelegt, aber nicht abgelehnt werden.

2. Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit seien erfüllt, weil der Beklagte einen bei dem Kläger bestehenden Mangel an Urteilsvermögen im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB ausgenutzt habe.

a) Ein Mangel an Urteilsvermögen ist gegeben, wenn dem Betroffenen in erheblichem Maße die Fähigkeit fehlt, sich durch vernünftige Beweggründe leiten zu lassen (vgl. Staudinger/Sack, BGB [2003], § 138 Rdn. 209). Dazu zählt insbesondere die Unfähigkeit, die für und gegen ein konkretes Rechtsgeschäft sprechenden Gründe zu erkennen und die beiderseitigen Leistungen vor diesem Hintergrund sachgerecht zu bewerten (vgl. MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/Armbrüster, 4. Aufl., § 138 Rdn. 151; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, § 138 Rdn. 53). Im Gegensatz zu der in § 138 Abs. 2 BGB ebenfalls aufgeführten erheblichen Willenschwäche, bei der der Betroffene die Tragweite des Rechtsgeschäfts durchschaut, sich aber wegen einer verminderten psychischen Widerstandsfähigkeit nicht sachgerecht verhalten kann, ist der von mangelndem Urteilsvermögen Betroffene nicht in der Lage, Inhalt und Folgen des Geschäfts richtig zu erkennen und einzuschätzen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 138 Rdn. 72 f.). Dies wird häufig auf Verstandesschwäche, geringem Bildungsgrad oder hohem Alter beruhen. Kein Fall von mangelndem Urteilsvermögen liegt demgegenüber vor, wenn die Vertragspartei nach ihren Fähigkeiten zwar in der Lage war, die Vor- und Nachteile des Rechtsgeschäfts sachgerecht zu bewerten, diese Fähigkeiten vor dem Vertragsabschluss aber nicht oder nur unzureichend eingesetzt hat. Der Wuchertatbestand soll weder vor einer unrichtigen Einschätzung der Wirtschaftlichkeit eines Rechtsgeschäfts noch vor enttäuschten Spekulationen schützen (vgl. Senat, Urt. v. 28. Mai 1976, V ZR 170/74, WM 1976, 926, 927; MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/ Armbrüster, 4. Aufl., § 138 Rdn. 151; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl., § 138 Rdn. 23).

b) Nach den getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger bezüglich des mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrags an Urteilsvermögen in diesem Sinne gemangelt hat. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger, einem Diplom-Betriebswirt, die Fähigkeit fehlte, die Vor- und Nachteile des mit dem Beklagten geschlossenen, von seinem Inhalt her leicht durchschaubaren Grundstückskaufvertrags sachgerecht zu bewerten, zeigt das Berufungsgericht nicht auf. Es stellt vielmehr darauf ab, dass der Erwerb des mit einer Herrenhausruine bebauten Grundstücks im Hinblick auf den hohen Sanierungsbedarf des Objekts, den fehlenden finanziellen Mitteln des Klägers und mangels erkennbaren Nutzungskonzepts unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unsinnig erscheine und sich auch nicht durch ein Affektionsinteresse des Klägers erklären lasse, und folgert hieraus, dass der Erwerb auf einem Mangel an Urteilsvermögen beruhe.

Das genügt zur Feststellung mangelnden Urteilsvermögens indessen nicht. Zwar kann der Umstand, dass ein Rechtsgeschäft erkennbar unrentabel und sein Abschluss auch nicht auf ein Affektionsinteresse zurückzuführen ist, ein Indiz für die mangelnde Fähigkeit des Betroffenen sein, den Inhalt des Geschäfts vernünftig einzuschätzen. Hinzukommen müssen aber weitere Umstände, die verdeutlichen, dass die Vertragspartei nicht nur einer Fehleinschätzung erlegen ist, sondern dass sie nach ihren intellektuellen Fähigkeiten nicht in der Lage war, zu einem sachgerechten Urteil über die Wirtschaftlichkeit des Vertrages zu gelangen. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass wegen der weitgreifenden Folgen des Wuchers - die Nichtigkeit erstreckt sich hier nicht nur auf das Grundgeschäft, sondern auch auf die abstrakten Erfüllungsleistungen (vgl. Senat, Urt. v. 24. Mai 1985, V ZR 47/84, NJW 1985, 3006, 3007) - strenge Anforderungen an die zum subjektiven Tatbestand des § 138 Abs. 2 BGB zu treffenden Feststellungen gerechtfertigt sind (vgl. BGH, Urt. v. 8. Februar 1994, XI ZR 77/93, NJW 1994, 1275; Hagen/Brambring/Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 8. Aufl., Rdn. 52).

Solche weiteren Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Dass der Kläger die für seine Kaufentscheidung maßgeblichen wirtschaftlichen Parameter möglicherweise falsch eingeschätzt, sich also verkalkuliert oder - im Hinblick auf die Erwartung steigender Preise für Schlösser und Herrenhäuser in den neuen Bundesländern - verspekuliert hat, lässt allein noch nicht auf einen Mangel an Urteilsvermögen im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB schließen und kann daher keine Grundlage für den Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens bilden.

III. Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil sich anhand der von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 301).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Sollte - was erforderlichenfalls allerdings neuer Feststellungen bedarf - zwischen Leistung und Gegenleistung ein besonders grobes Missverhältnis bestehen, der vereinbarte Kaufpreis also mindestens knapp doppelt so hoch sein wie der objektive Wert des verkauften Grundstücks, wäre nach der Rechtsprechung des Senats der Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten zulässig (Senat, BGHZ 146, 298, 302 ff. m.w.N.). Die damit begründete tatsächliche Vermutung kann allerdings durch besondere Umstände erschüttert sein. Als ein solcher Umstand kommt in Betracht, dass die Beurteilung des Verkehrswerts für die Vertragsparteien schwierig war, etwa weil es an einem funktionierenden Grundstücksmarkt fehlte (vgl. Senat, Urt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156; vgl. auch Senat, Urt. v. 27. September 2002, V ZR 218/01, WM 2003, 642, 644); ähnlich kann es bei einem seltenen Objekt liegen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein repräsentativer Markt für vergleichbare Objekte nicht vorhanden war. Ob die Vermutung verwerflicher Gesinnung unter diesem Aspekt tatsächlich erschüttert ist, kann allerdings nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden.

Einzubeziehen in diese Würdigung sind hier zum einen der Umstand, dass der Beklagte das Grundstück zwei Jahre vor dem Verkauf an den Kläger zu einem Bruchteil des mit diesem vereinbarten Kaufpreises erworben hatte, zum anderen aber auch sein Vortrag, der Makler B. und die Mitarbeiterin des Ministeriums T. hätten ihm von mehreren Interessenten berichtet, die bereit gewesen wären, das Grundstück zu einem ähnlichen Preis zu erwerben, wie ihn der Kläger akzeptiert habe. Trifft dieser Vortrag zu, könnte die Vermutung einer verwerflichen Gesinnung erschüttert sein, weil der Beklagte dann möglicherweise annehmen durfte, der von ihm geforderte Preis bewege sich im Rahmen des Marktüblichen. Hierbei ist es - anders als bei der Frage der objektiven Wertermittlung - ohne Belang, dass der Beklagte Einzelheiten zu den Interessenten, insbesondere deren Namen, nicht genannt hat. Solche Einzelheiten sind im Hinblick auf die Frage der verwerflichen Gesinnung nur für die Beurteilung der Richtigkeit des Vortrags, nicht aber für seine Erheblichkeit von Bedeutung. Ihr Fehlen berechtigt den Tatrichter deshalb nicht, von einer Beweiserhebung abzusehen; sofern ihm die Einzelheiten für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundung erforderlich erscheinen, kann er die Zeugen bei der Beweisaufnahme hiernach fragen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juli 1984, VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888, 2889; Urt. v. 29. September 1992, X ZR 84/90, NJW-RR 1993, 189, 190; Urt. v. 21. Januar 1999, VII ZR 398/97, NJW 1999, 1859, 1860; Urt. v. 4. Juli 2000, VI ZR 236/99, NJW 2000, 3286, 3287).

2. Sollte der Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wird der Rückzahlungsanspruch nicht dadurch ausgeschlossen oder verringert, dass der Kläger infolge der zwischenzeitlich erfolgten Zwangsversteigerung des Grundstücks nicht mehr in der Lage ist, es an den Beklagten zurück zu übertragen. Da der Beklagte das aus dem Rechtsgeschäft Erlangte im Fall seiner Nichtigkeit nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB herausgeben muss und die Saldotheorie zum Nachteil der durch ein wucherähnliches Rechtsgeschäft benachteiligten Partei keine Anwendung findet (Senat, BGHZ 146, 298, 307 f.), kann der Kläger die Herausgabe der von ihm erbrachten Leistung oder den Wertersatz hierfür (§ 818 Abs. 2 BGB) unabhängig von der Rückgewähr der empfangenen Leistung verlangen.

3. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.