Die formularmäßige Erstreckung des Sicherungszwecks einer Grundschuld auf alle künftigen Forderungen der kreditgebenden Bank gegen den mit dem Sicherungsgeber nicht identischen Kreditschuldner verstößt im Gegensatz zur unbeschränkten Bürgschaft und zum Schuldbeitritt nicht gegen § 9 AGBG.
NJW 1997, 2677
WM 1997, 1615
BB 1997, 1810
ZIP 1997, 1538
DB 1997, 1867
MDR 1997, 960
MittRhNotK 1997, 346
Vgl. auch die Anm. zu BGH NJW 1998, 3708 ff, zu BGHZ 130, 19 sowie zu BGH NJW 2000, 2675.
Die Parteien streiten darüber, ob die bekl. Bank wegen Kontokorrentforderungen gegen den Ehemann der Kl. aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde vollstrecken darf. Im April 1988 schlossen die Kl. und ihr Ehemann mit der Bekl. einen Darlehensvertrag über 50000 DM zur Finanzierung eines Hauskaufs. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterhielt der Ehemann der Kl. bei der Bekl. ein Kontokorrentkonto für seine Anwaltspraxis. Am 19. 5. 1988 bestellte die Kl. an ihrem Grundstück in notarieller Form eine Grundschuld in Höhe des ausgereichten Darlehens. Zuvor hatte sie zusammen mit ihrem Ehemann am 18. 4. 1988 eine von der Bekl. vorformulierte Zweckerklärung unterzeichnet. Danach dient die Grundschuld als Sicherheit für alle gegenwärtigen und künftig entstehenden Ansprüche und Forderungen der Bekl. gegen die Kl. und ihren Ehemann. Die Bekl. hat das Darlehen gekündigt und die Kl. zur Rückzahlung von 44893,92 DM aufgefordert. Zudem will sie wegen der ihr gegen den Ehemann der Kl. zustehenden Kontokorrentforderungen von rd. 270000 DM aus der Grundschuld vorgehen. Die Kl. ist der Ansicht, die formularmäßige Zweckerklärung sei wegen Verstoßes gegen §§ 3 und 9 AGBG unwirksam, die Grundschuld sichere ausschließlich das für den Hauskauf aufgenommene Darlehen. Sie beantragte festzustellen, daß die Bekl. gegen sie keine die Darlehensforderung von 44893,92 DM übersteigende Forderungen hat. Die Bekl. behauptet, die Kl. sei vor der Unterschriftsleistung durch den Geschäftsstellenleiter C auf die Bedeutung und die Tragweite der weiten Sicherungszweckerklärung hingewiesen worden, so daß diese ihren Überraschungscharakter i.S. des § 3 AGBG verloren habe. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hat das BerGer. zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgte die Kl. ihren Antrag weiter, der keinen Erfolg hatte.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Die Formularabrede habe ihr überraschendes Moment durch einen individuellen
Hinweis der Bekl. auf den Umfang der Sicherungszweckerklärung verloren.
Auch unter dem Gesichtspunkt des § 9 AGBG sei die Klausel nicht zu
beanstanden. Allerdings habe der BGH in seiner neuesten Rechtsprechung
angenommen, daß eine formularmäßige Ausdehnung der Bürgenhaftung
auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners
aus bankmäßiger Geschäftsverbindung gegen das in §
767 I 3 BGB normierte Verbot der Fremddisposition verstoße und deshalb
nach § 9 II Nrn. 1 und 2 AGBG unwirksam sei. Dieselben Grundsätze
seien wenig später auf den Schuldbeitritt angewendet worden. Die hierfür
maßgebenden Erwägungen beträfen aber nicht die in früheren
Entscheidungen des BGH vertretene Auffassung, nach der Art und Umfang der
schuldrechtlichen Zweckbindung einer Grundschuld nicht gesetzlich geregelt
seien, sondern freier Vereinbarung unterlägen. Dieser Regelungsmöglichkeit
entspreche die streitige Zweckerklärung.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen
Prüfung in allen Punkten stand.
1. Der Revision kann nicht gefolgt werden, soweit
sie meint, daß die Klausel ihren Überraschungscharakter behalten
habe. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die formularmäßige
Ausdehnung der dinglichen Haftung des Sicherungsgebers für alle bestehenden
und künftigen Verbindlichkeiten eines Dritten grundsätzlich überraschend
(§ 3 AGBG). Das gilt selbst dann, wenn der Dritte der Ehegatte des
Sicherungsgebers ist (BGHZ 106, 19 (24) = NJW 1989, 831 = LM § 1191
BGB Nr. 29; BGHZ 126, 174 (177); Senat, NJW 1992, 1822 = LM H. 9/1992 §
1191 BGB Nr. 51 = WM 1992, 563f. u. NJW 1997, 2320 = LM H. 10/1997 §
256 ZPO Nr. 196). § 3 AGBG ist aber nicht mehr anwendbar, wenn der
Sicherungsgeber im Rahmen der Verhandlungen auf die Erweiterung der dinglichen
Haftung individuell hingewiesen worden ist (BGHZ 109, 197 (203) = NJW 1990,
576 = LM § 3 AGBG Nr. 29; BGHZ 131, 55 (59) = NJW 1996, 1191 = LM
H. 3/1996 HWiG Nr. 21; Senat, NJW 1992, 1822 = LM H. 9/1992 § 1191
BGB Nr. 51 = WM 1992, 563f.). Nach diesen strengen Maßstäben
hat das BerGer. in tatsächlich und rechtlich nicht zu beanstandender
Weise eine wirksame Einbeziehung der Klausel in den Sicherungsvertrag der
Parteien angenommen. Wenn das BerGer. feststellt, das Überraschungsmoment
der Formularabrede sei restlos ausgeräumt, so läßt dies
einen in der Revisionsinstanz allein beachtlichen Rechtsfehler nicht erkennen.
Zwar stützt es seine Auffassung ausschließlich auf die Beweiswürdigung
des LG. Daraus kann die Revision aber nichts für sich herleiten. Das
LG hat den Geschäftsstellenleiter C und den Ehemann der Kl. zum Gang
und Inhalt der Vertragsverhandlungen vom 18. 4. 1988 als Zeugen vernommen
und ist zu der Überzeugung gelangt, daß die Kl. ausreichend
informiert worden sei. Daß bei dieser tatrichterlichen Beurteilung
wesentlicher Tatsachenstoff außer acht gelassen oder rechtlich unzulässige
Erwägungen angestellt worden sind, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
2. Ebensowenig sind die Ausführungen des
BerGer. zur Frage der Anwendbarkeit des § 9 II Nrn. 1 und 2 AGBG zu
beanstanden. Nach feststehender Rechtsprechung des erkennenden Senats scheidet
bei der formularmäßigen Ausdehnung der dinglichen Haftung des
Sicherungsgebers für alle bestehenden und zukünftigen Verbindlichkeiten
eines Dritten ein Verstoß gegen § 9 II Nr. 1 und 2 AGBG aus,
weil Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweckbindung einer Grundschuld
nicht gesetzlich festgelegt sind, sondern - in den Grenzen der §§
134, 138 BGB - freier Vereinbarung unterliegen (Senat, NJW 1995, 1674 =
LM H. 9/1995 § 1191 BGB Nr. 55 = WM 1995, 790 (791f.); NJW-RR 1996,
673 = WM 1996, 2233 (2234); NJW 1997, 2320 = LM H. 10/1997 § 256 ZPO
Nr. 196). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Soweit der IX.
Zivilsenat des BGH neuerdings für unbeschränkte Bürgschaften
aus § 767 I 3 BGB eine Unwirksamkeit derartiger oder vergleichbarer
Klauseln hergeleitet (BGHZ 132, 6 (9) = NJW 1996, 924 = LM H. 6/1996 §
765 BGB Nr. 105; vgl. auch BGHZ 130, 19 (31) = NJW 1995, 2553 = LM H. 11/1995
§ 765 BGB Nr. 99-101) und der erkennende Senat sich dieser Betrachtungsweise
in seinem Urteil vom 7. 11. 1995 (NJW 1996, 249 = LM H. 3/1996 § 607
BGB Nr. 156 = ZIP 1995, 1976) für den Schuldbeitritt angeschlossen
hat, ist daraus, wie das BerGer. zutreffend bemerkt, für die Sicherungszweckerklärungen
bei Grundschulden nichts herzuleiten. Nach der Vorschrift des § 767
I 3 BGB kann die Verpflichtung des Bürgen durch ein Rechtsgeschäft,
das der Hauptschuldner nach Übernahme der Bürgschaft vornimmt,
nicht erweitert werden. Darin liegt das Verbot einer Fremddisposition über
die Haftung und das Vermögen des Bürgen durch spätere Vereinbarungen
zwischen Hauptschuldner und Gläubiger. Zwar fehlt für den Schuldbeitritt
eine § 767 I 3 BGB entsprechende Regelung; der Schuldbeitritt ist
von der Rechtsprechung und der Lehre entwikelt worden. Der Schuldbeitritt
steht insbesondere der selbstschuldnerischen Bürgschaft aber so nahe,
daß sich in bezug auf die Haftungsrisiken keine nennenswerten Unterschiede
ergeben. Insbesondere die Rechtstatsache, daß der Bestimmtheitsgrundsatz
sowohl für die Bürgschaft als auch für den Schuldbeitritt
gilt (s. dazu Senat, NJW 1996, 249 = LM H. 3/1996 § 607 BGB Nr. 156
m.w. Nachw.), läßt keinen Zweifel an der Zulässigkeit der
analogen Anwendung des § 767 I 3 BGB auf den Schuldbeitritt aufkommen.
Dabei kann offenbleiben, ob das gesetzliche Verbot der Fremdisposition
lediglich eine besondere Ausprägung des Bestimmtheitsgrundsatzes in
seiner den Bürgen schützenden Funktion darstellt (s. dazu Horn,
ZIP 1997, 525 (528)). Dagegen ist der Grundschuldbesteller nicht im gleichen
Umfang schutzbedürftig, so daß für eine entsprechende Anwendung
des § 767 I 3 BGB die notwendige Wertungsbasis fehlt. Dies hat nicht
nur etwas damit zu tun, daß das als Sicherheit für fremde Verbindlichkeiten
dienende Grundstück häufig nur einen Bruchteil des Vermögens
des Sicherungsgebers ausmacht. Vielmehr kommt hinzu, daß der dingliche
Sicherungsgeber niemals sein künftiges Vermögen verlieren kann.
Insofern ergibt sich ein wichtiger Unterschied zum gegenständlich
unbeschränkt haftenden Bürgen. Diesem droht unter Umständen
sogar der Verlust des erst nach Vertragsschluß erworbenen Vermögens.
In Anbetracht dieses unkalkulierbaren Risikos war es notwendig, die Vorschrift
des § 767 I 3 BGB zu schaffen. Damit ist die Situation des Sicherungsgebers
bei der Grundschuld nicht zu vergleichen. Vielmehr besteht eine gewisse
Parallele zur Höchstbetragsbürgschaft, bei der der Bürge
nur beschränkt haftet und daher auf den Schutz des § 767 I 3
BGB nicht angewiesen ist (s. dazu BGH, NJW 1996, 1470 (1472) = LM H. 8/1996
§ 767 BGB Nr. 31/32). Es ist somit unrichtig, wenn ein Teil der Literatur
(s. Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., Anh. §§ 9-11 Rdnr.
663; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 9 Rdnr. S 96) den Grundschuldbesteller
im Ergebnis für genauso schutzbedürftig hält wie einen Bürgen.
Eine solche Gleichstellung kann auch nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung
vorgenommen werden. Dafür sind Wortlaut, Entstehungsgeschichte und
Normzweck der Ausnahmevorschrift des § 767 I 3 BGB zu eindeutig.