Beweiskraft eines "Schuldscheins"
- kausales Schuldanerkenntnis oder "Zeugnis gegen sich selbst"
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil v. 23.12.2002
- 15 U 72/02
Fundstelle:
nicht bekannt
Zentrales Problem:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die
Frage der Beweislast und der Beweisführung für den Rückzahlungsanspruch aus
einem Darlehen. Bei dem gegebenen Schuldschein handelte es sich -
insbesondere wegen Bezugnahme auf den Schuldgrund - nicht um ein abstraktes
Schuldanerkenntnis, und wohl auch nicht um ein deklaratorisches ("kausales")
Schuldanerkenntnis (zur Abgrenzung s. die Anm. zu
BAG
NJW 1999, 2059 sowie zu
BGH
NJW
2000, 2501), sondern lediglich um ein "Zeugnis gegen sich selbst" (s. dazu
insbes. BGHZ 66, 250 sowie auch BGH NJW
2002, 1340).
Leitsatz:
Ist die Echtheit eines Schuldscheines
bewiesen, muß der Gläubiger, der aus der Urkunde klagt, regelmäßig die
näheren Umstände der Begebung nicht darlegen; sein Schweigen mindert auch
nicht den Beweiswert der Urkunde.
Zum Sachverhalt:
Der Kläger beruft sich für seinen Zahlungsanspruch auf die mit
einem handschriftlichen Namenszug des Beklagten abschließende und mit
„Schuldschein“ überschriebene Urkunde (Original Bl. 106 GA), wonach der
Beklagte von ihm am 8. September 1996 als Darlehen einen Betrag von 45.000
DM (= 23.008,14 €) erhalten hat. Der Kläger hat zunächst vom Beklagten die
Zahlung eines Teilbetrages von 20.000 DM nebst Zinsen begehrt. Der
Beklagte hat bestritten, den Schuldschein unterschrieben und die genannte
Summe erhalten zu haben. Widerklagend hat er die Feststellung begehrt, dem
Kläger aus dem Schuldschein in keiner Weise zur Zahlung verpflichtet zu
sein. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens
einer Schriftsachverständigen abgewiesen und der Widerklage
stattgegeben... Mit der
Berufung beantragt der Kläger, die Widerklage in Abänderung des
angefochtenen Urteils abzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, ihm
23.008,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2001 (Zustellung des Mahnbescheids) zu
zahlen. Die Berufung hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung ist ganz
überwiegend begründet.
Der Kläger kann gemäß § 607 Abs. 1 a.F. BGB
aufgrund des Schuldscheins die Rückzahlung des Betrages von 23.008,14 €
verlangen. In dem Schuldschein wird durch Unterschrift des Beklagten
bestätigt, 45.000 DM als Darlehen vom Kläger erhalten zu haben. Diese
Erklärung ist nicht allein dahin auszulegen, dass sich die Parteien über
die Gewährung eines Darlehns in entsprechender Höhe geeinigt haben,
sondern gleichzeitig auch als Quittung des empfangenen Betrages zu
verstehen, § 371 BGB. Die Urkunde ist der aussagekräftige Beleg dafür,
dass ein Darlehen vereinbart und auch geflossen ist; sei es, dass das
Darlehen im Zeitpunkt der Urkundenerstellung ausgezahlt oder aber
aufgrund zuvor geflossener Geldbeträge geschuldet worden ist.
Der
Senat ist auch von der Echtheit der Unterschrift des Beklagten auf dem
Schuldschein überzeugt. Nach dem Gutachten der Schriftsachverständigen
liefert das Gesamtbefundbild keinerlei Anhaltspunkte für die Hypothese
einer Nachahmungsfälschung, vielmehr stützt es die Annahme, dass es sich
um eine echte Unterschrift handelt. Wenngleich nach Darlegung der
Sachverständigen zu berücksichtigen ist, dass die grafische Ergiebigkeit
der strittigen Unterschrift und damit die Fälschungsresistenz nicht
hoch ist, kommt die Sachverständige zusammenfassend aber auch bei
Berücksichtigung dieser Einschränkung aufgrund des eindeutigen und
widerspruchsfreien Gesamtbefundbildes zu der Feststellung, dass die
Unterschrift „W. R...“ mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Beklagten stammt.
Der Senat hat sich diese Würdigung zu eigen gemacht. Dem Zusammenhang der
gutachterlichen Ausführungen ist zu entnehmen, dass der Grad der
Fälschungsresistenz die Einstufung des Wahrscheinlichkeitsgrades der
Echtheit der Unterschrift in die Kategorie „mit hoher Wahrscheinlichkeit“
bedingt. Dieser Grad der Wahrscheinlichkeit ist auch im Hinblick auf die
vom Landgericht angenommene „eher geringe Fälschungsresistenz“ und den
Umstand, dass für die sachverständige Beurteilung „nur eine strittige
Unterschrift zur Verfügung gestanden habe“ nicht noch weiter
herabzusetzen. Für die Echtheit der Unterschrift spricht weiter, dass der
Beklagte, der erstinstanzlich die Urheberschaft der Unterschrift noch
bestritten hatte, im Senatstermin erklärt hat, die Unterschrift könne echt
sein. Für die zugleich im Senatstermin geäußerte Annahme des Beklagten,
der Kläger habe ihm die Urkunde „untergejubelt“; wie er an seine
Unterschrift gekommen sei, könne er sich nicht erklären, er glaube, die
Urkunde sei zusammenkopiert worden, gibt das Gesamtbild des von der
Sachverständigen untersuchten Originals der Urkunde indessen keinen
Anhalt. Mit Rücksicht auf die bewiesene Echtheit der Unterschrift auf
dem Originalschuldschein muss der Kläger keinen weiteren Beweis für das
Bestehen der Verpflichtung des Beklagten führen. Der Schuldschein ist die
die Hingabe von 45.000 DM als Darlehen bestätigende Urkunde. Wenngleich
eine nähere Kenntnis der Umstände für die Überlassung des Geldes und die
Entstehung des Schuldscheines für die Beurteilung des Sachverhaltes
hilfreich sein könnte, ist der Kläger indessen rechtlich nicht
verpflichtet, weitere Umstände zu belegen und zu beweisen. Es mag “gute
Gründe“ geben, sich lediglich auf die Urkunde zu berufen, zumal weitere
Tatsachenbehauptungen auch von der Partei, die sich auf sie beruft, im
Zweifelsfall zu beweisen wären. Eine Schmälerung des Beweiswerts der
Urkunde rechtfertigt das prozessuale Verhalten des Klägers nicht. Es
obläge vielmehr dem Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass die durch
den Schuldschein belegte Verpflichtung nicht entstanden ist.
Entsprechenden Beweis hat der Beklagte nicht angetreten. Soweit der
Beklagte im Senatstermin erstmals Erklärungen hinsichtlich der
Geschäftsbeziehungen der Parteien abgegeben hat, ist sein Vorbringen
verspätet und nicht mehr zu berücksichtigen. Der Beklagte kann sich
auch nicht erfolgreich darauf berufen, den Betrag nicht zu schulden, da
die Zinsvereinbarung sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) sei. Die
Voraussetzungen der Verzinsung sind im Schuldschein nicht eindeutig
geregelt. Selbst wenn der Beklagte spätestens am 18. September 1996 die
45.000 DM sowie 1.500 DM Zinsen hätte zurückzahlen sollen, kann diese
Regelung mit Rücksicht darauf, dass hier kurzfristig ein ungesichertes
Darlehen gewährt worden ist, nicht schon als sittenwidrig angesehen werden
(vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 138 Rdn. 32 mit Hinweis auf BGH NJW1994,
1056). ... |