Schuldanerkenntnis als
"Zeugnis gegen sich selbst" - Abgrenzung vom abstrakten und kausalen
Schuldanerkenntnis
BGH, Urt. v. 24.3.1976, IV ZR 222/74
Fundstelle:
BGHZ 66, 250
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die
Abgrenzung des kausalen Schuldanerkenntnisses, dessen rechtsgeschäftlicher
Charakter in einem Einwendungsverzicht liegt (s. dazu sowie zur Abgrenzung
zum kausalen Schuldanerkenntnis die Anm. zu BGH NJW 1992,
2228; BAG
NJW 1999, 2059; BGH
NJW 2000, 2501; BGH
NJW 2000, 2984) vom bloßen "Zeugnis gegen sich selbst", das keine
rechtsgeschäftliche Bedeutung hat, sondern zur Beweisführung dienen soll
(s. dazu die fett wiedergegebenen Passagen).
S. dazu etwa auch OLG Oldenburg v. 23.12.2002,
15 U 72/02.
Amtl .Leitsatz:
Bei einer Unfallversicherung wird der
Versicherer durch das gemäß § 11 AUB (oder der entsprechenden Klausel der
jeweils vereinbarten AVB) abgegebene Anerkenntnis seiner Leistungspflicht
nicht gehindert, die geleistete Entschädigung vom Empfänger nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung
zurückzuverlangen, wenn sich der zunächst anerkannte,
Entschädigungsanspruch als unbegründet erweist.
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte ist die Witwe des
Bauingenieurs L. Seine Arbeitgeberin hatte für ihn bei der Klägerin zwei
Lebensversicherungsverträge mit Unfalltod-Zusatzversicherung
abgeschlossen. Bezugsberechtigt aus diesen Verträgen war die Beklagte.
L. ist am 30. März 1973 infolge eines Verkehrsunfalls auf einer
Urlaubsfahrt ums Leben gekommen. Er war gegen 15.00 Uhr mit der Beklagten
und drei Kindern von V. abgefahren, nach dreistündiger ununterbrochener
Fahrt - gegen 18.00 Uhr - auf der Bundesautobahn mit seinem PKW ins
Schleudern geraten und gegen den Betonsockel einer Schilderbrücke
geprallt. Bei dem Unfall wurden die drei Kinder der Eheleute L. getötet
und die Beklagte schwer verletzt; L. erlag etwa drei Stunden nach dem
Unfall seinen schweren Verletzungen. Die Polizei äußerte unmittelbar nach
dem Unfall gegenüber der Presse die Vermutung, daß der Unfall auf die in
Anbetracht der Spikes-Reifen überhöhte Geschwindigkeit des Unfallwagens
zurückzuführen sei.
Im Auftrag der Beklagten machte deren Schwager u. a. die
Unfalltod-Zusatzversicherungssumme bei der Klägerin geltend. Ohne zuvor in
den polizeilichen Ermittlungsvorgang über den Unfall Einblick genommen zu
haben, teilte ihm die Klägerin mit Schreiben vom 10. April 1973 u. a.
folgendes mit:
»Aufgrund der uns eingereichten
Unterlagen haben wir unsere Leistungspflicht anerkannt. Es stehen zur
Verfügung:
Sofort
Versicherungssumme DM 53.000,-
Unfalltod-Zusatzversicherung DM 53.000,-
Sterbegeld DM 5.300,-
DM 111.300,-
Diesen Betrag haben wir heute auf das Konto ... überwiesen.«
Außer der am 10. April 1973 überwiesenen
Summe von DM 111.300,- zahlte die Klägerin der Beklagten am 15. April 1973
weitere DM 102.466,40 aus, nachdem die Beklagte um diese ihr angebotene
Kapitalabfindung anstatt einer monatlichen Sterberente von DM 530,- aus
der Lebensversicherung gebeten hatte.
Am 20. Juni 1973 erfuhr die Klägerin von einer anderen
Versicherungsgesellschaft, daß dem Versicherten noch vor seinem Tode gegen
19.30 und 20.00 Uhr zwei Blutproben entnommen worden waren, die eine
Blutalkoholkonzentration von 2,19 und 2,07‰ ergeben hatten. Nach Einsicht
in die amtlichen Ermittlungsakten forderte die Klägerin am 27. September
1973 unter Berufung auf § 3 Abs. 1d ihrer den Versicherungsverträgen
zugrundeliegenden »Besonderen Bedingungen für die Unfalltod -
Zusatzversicherung« (im folgenden BBU) die Beklagte auf, die
Unfalltod-Zusatzversicherung von DM 53 000,- zurückzuzahlen. Nach § 3 Abs.
1d BBU sind Unfälle infolge von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen, auch
soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind, von der Versicherung
ausgeschlossen.
Die Klägerin verlangt vorerst die Rückzahlung eines Teilbetrages der
Versicherungssumme in Höhe von DM 25 200,- nebst 6,5% Zinsen ab
Rechtshängigkeit. Sie trägt vor: Vor der Auszahlung der Versicherungssumme
habe sie »die Prüfung der Frage der Trunkenheit überhaupt nicht in
Betracht gezogen«. Sie habe auf Grund der ihr bekannten Umstände des
Unfalls davon ausgehen können und müssen, daß der Versicherte beim Unfall
nicht unter Alkoholeinfluß gestanden habe. Ihr Schreiben vom 10. April
1973 stelle kein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis dar; sie habe auch
nicht beabsichtigt, hiermit ein Schuldanerkenntnis abzugeben.
Die Beklagte, die von der Trunkenheit ihres Ehemannes unstreitig nichts
gewußt hat, lehnt die Rückzahlung ab; sie ist der Ansicht, die Klägerin
müsse sich an ihrem Anerkenntnis, auf dessen Verbindlichkeit und Bestand
sie - die Beklagte - vertraut habe, festhalten lassen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Sprungrevision der
Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I.
Das Landgericht hat auf Grund der unstreitigen Ergebnisse der beiden
Blutproben festgestellt, daß beim Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls
eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 Abs. 1d BBU vorgelegen habe.
Diese müsse nach der Lebenserfahrung und den darauf beruhenden Regeln über
den Anscheinsbeweis als ursächlich für den Unfall angesehen werden. Die
Beklagte habe keine Tatsachen dargetan, aus denen sich die ernstliche
Möglichkeit eines vom gewöhnlichen Ablauf abweichenden Verlaufs ergebe. -
Diese Ausführungen sind rechtsfehlerfrei (vgl. Prölss/Martin, VVG, 20.
Aufl. , § 3 AUB Anm. 4c und 4d m. w. N.).
II.
1. Das Landgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe das Recht, das
Fehlen des rechtlichen Grundes für die Zahlung der
Unfalltod-Zusatzversicherungssumme geltend zu machen, trotz ihres
Schreibens vom 10. April 1973 nicht verloren, und hat dies folgendermaßen
begründet:
Das Schreiben enthalte ein Angebot der Klägerin zum Abschluß eines
bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrages bezüglich ihrer Deckungspflicht.
Die Beklagte habe dieses Angebot spätestens mit der Entgegennahme der
Versicherungssumme angenommen (§ 151 BGB). Die Klägerin sei deshalb aber
nur mit solchen Einwendungen gegen die Entstehung des Anspruchs auf die
Unfallversicherungssumme ausgeschlossen, die sie bei Abgabe ihrer
Erklärung gekannt oder mit deren Entstehung sie gerechnet habe. Die
Klägerin habe jedoch den Umstand, daß der Versicherte wegen Trunkenheit
absolut fahruntüchtig gewesen sei, am 10. April 1973 weder gekannt noch
damit gerechnet.
Die alkoholische Beeinflussung des Fahrers sei für sie nicht zweifelhaft
oder ungewiß gewesen, sondern für sie habe festgestanden, daß eine
Alkoholbeeinflussung nicht gegeben gewesen sei. Allerdings habe die
Klägerin bei Abgabe ihres Anerkenntnisses mit der Alkoholbeeinflussung des
Versicherten rechnen müssen. Dies führe aber nicht zu einem entsprechenden
Einwendungsausschluß.
2. Der Revision ist zuzugeben, daß das Schreiben der Klägerin vom 10.
April 1973 nicht als Angebot zum Abschluß eines bestätigenden
Schuldanerkenntnisvertrages angesehen werden kann.
a) Das vertragliche bestätigende (deklaratorische) Schuldanerkenntnis,
durch das dem anerkennenden Schuldner Einwendungen gegen seine Schuld in
einem jeweils näher zu ermittelnden Umfang abgeschnitten werden, ist als
ein im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelter Vertragstypus seit langem
in der Rechtsprechung (vgl. die Übersicht von Steffen in BGB-RGKR, 12.
Aufl. § 781 Rdn. 7 ff) und auch im neueren Schrifttum (vgl. die Nachweise
bei Erman/Hense, BGB, 6. Aufl. § 781 Rdn. 2 bis 7) anerkannt. Mit einem
solchen Vertrag verfolgen die Parteien den Zweck, das Schuldverhältnis
insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der
Ungewißheit zu entziehen und es (insoweit) endgültig festzulegen (BGH WM
1962,742; 1974,836 f; BGH LM BGB § 781 Nr. 5 und 7). In dieser Festlegung
besteht der rechtsgeschäftliche Gehalt des Schuldbestätigungsvertrags; der
Vertrag wirkt insoweit regelnd auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ein,
als er die Verwirklichung einer Forderung von möglicherweise bestehenden
Einwendungen (oder Einreden) befreit oder sogar ein noch nicht bestehendes
Schuldverhältnis begründet, indem nämlich ein nur »möglicherweise«
bestehendes Schuldverhältnis »bestätigt wird (BGH LM BGB § 781 Nr. 2 = NJW
1963,2316 f). In diesem Maße hat der Schuldbestätigungsvertrag eine
(potentiell) konstitutive Wirkung (vgl. Erman/Hense aaO Rdn. 6; Larenz,
Schuldrecht II, 10. Aufl. § 65 II, S. 371f m. w. N.; Marburger, Das
kausale Schuldanerkenntnis als einseitiger Feststellungsvertrag, 1971, S.
118 f). Die Festlegung des Schuldverhältnisses reicht nur so weit, wie
es dem erklärten Willen der Beteiligten entspricht. Sollte das
Schuldverhältnis ohne Rücksicht auf möglicherweise bestehende Einwendungen
(und Einreden) festgelegt werden oder wollte der Schuldner zumindest auf
bestimmte Einwendungen verzichten, so kann diese Parteivereinbarung nicht
nach § 812 Abs. 2 BGB rückgängig gemacht werden, falls sich später das
»bestätigte« Schuldverhältnis als ursprünglich nicht bestehend oder eine
ausgeschlossene Einwendung (Einrede) als an sich begründet herausstellen
sollte (BGH WM 1966,1280).
Neben dem im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelten bestätigenden
(vertraglichen) Schuldanerkenntnis im vorbezeichneten Sinne gibt es
indessen noch einen dritten Grundtatbestand, nämlich ein Anerkenntnis, das
keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Schuldners
verkörpert, das der Schuldner vielmehr zu dem Zweck abgibt, dem Gläubiger
seine Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch etwa von
sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder dem Gläubiger den Beweis zu
erleichtern. Solche Bestätigungserklärungen enthalten keine
materiellrechtliche (potentiell konstitutive) Regelung für das
Schuldverhältnis, sondern bewirken als »Zeugnis des Anerkennenden gegen
sich selbst« im Prozeß allenfalls eine Umkehrung der Beweislast oder
stellen ein Indiz dar, das aber jedenfalls durch den Beweis der
Unrichtigkeit des Anerkannten entkräftet werden kann (vgl. BGH Betrieb
1974,1013 f; RG JW 1919,186).
Welche Wirkungen von einem (nicht abstrakten) »Anerkenntnis« des
Schuldners ausgehen, kann nur durch Auslegung des zum Ausdruck gebrachten
Parteiwillens ermittelt werden. Dabei sind im Rahmen der jeweils auf das
Schuldverhältnis anwendbaren Rechtsvorschriften und Vertragsbestimmungen
vor allem der erkennbar mit dem Anerkenntnis verfolgte Zweck, die
beiderseitige Interessenlage im konkreten Fall und die allgemeine
Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses
bedeutsam (vgl. BGH NJW 1973,2019 f). Eine Vermutung dafür, daß die
Parteien einen bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrag abschließen
wollten, gibt es nicht (vgl. Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl. § 90 III 1).
Die Annahme eines Schuldbestätigungsvertrags ist nur dann berechtigt, wenn
die Parteien einen besonderen Anlaß zu seinem Abschluß hatten. Da der
vertragstypische Zweck darin liegt, das Schuldverhältnis - ganz oder
teilweise - dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen,
setzt der bestätigende Schuldanerkenntnisvertrag auch notwendig einen
vorherigen Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewißheit der
Parteien über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich
erhebliche Punkte voraus (vgl. Erman/Hense aaO Rdn. 5; Marburger aaO S,
104 f). Zu Recht wird daher die vergleichsähnliche Rechtsnatur des
Schuldbestätigungsvertrags betont (BGH NJW 1963,2316 f; BGH Betrieb
1974,1013 f; Marburger aaO S. 57 ff, 90).
b) Diese Rechtsgrundsätze hat das Landgericht nicht beachtet und
insbesondere nicht bedacht, daß einem »Anerkenntnis« je nach dem Willen
der Parteien, der Interessenlage und der Verkehrsanschauung eine
unterschiedliche Bedeutung zukommen kann.
aa) Um den Zweck zu bestimmen, den die Klägerin mit ihrem Schreiben vom
10. April 1973 verfolgt hat, ist es unerläßlich, auf § 6 Abs. 1 BBU
einzugehen, der eine derartige Erklärung über die Leistungspflicht
betrifft. § 6 Abs. 1 BBU lautet:
Ȇber die Frage, ob Tod durch Unfall im Sinne dieser
Versicherungsbedingungen vorliegt und ob die Ansprüche, die daraus
hergeleitet werden, ganz oder teilweise anerkannt werden, entscheidet die
Gesellschaft auf Grund der eingereichten und von ihr eingeholten
Nachweise. Bei gänzlich er oder teilweiser Ablehnung eines Anspruchs auf
die Unfalltod-Zusatzversicherungssumme teilt die Gesellschaft ihren
Bescheid durch eingeschriebenen Brief mit.«
Diese Bestimmung ist § 11 AUB nachgebildet. Der einzige, wesentliche
Unterschied zwischen den beiden genannten Bestimmungen liegt darin, daß §
11 AUB anders als § 6 Abs. 1 BBU feste Fristen für die Erklärung des
Versicherers vorsieht. Diese Fristen machen den eigentlichen Gehalt des §
11 AUB aus: Sie haben einerseits den Zweck, dem Versicherten oder
Bezugsberechtigten die Gewißheit zu geben, daß die Bearbeitung seines
Versicherungsfalls nicht ungebührlich hinausgezögert wird (Grewing,
Unfallversicherung, 1967, S. 73 f); zum anderen hat § 11 AUB den Sinn, dem
Versicherer eine für die Prüfung der Leistungspflicht angemessene
Zeitspanne einzuräumen (Hofmann, Die private Unfallversicherung, 1970, S.
56). In Verbindung mit § 13 Abs. 1 AUB bewirkt die (positive) Erklärung
des Versicherers, daß die in ihr »festgestellte« Entschädigung zwei Wochen
später fällig wird. Es ist aber nicht der Sinn der nach § 11 AUB
abzugebenden Erklärung des Versicherers, dem Bezugsberechtigten ein
Angebot zum Abschluß eines Schuldbestätigungsvertrags zwecks Beseitigung
von Streit oder Ungewißheit zu machen. Die AUB haben für die Regelung von
Meinungsverschiedenheiten in § 12 ein besonderes Verfahren ausgestaltet.
Für bestimmte Streitigkeiten begründet § 12 I Abs. 1 die
Entscheidungskompetenz eines »Ärzteausschusses«; für alle übrigen
Streitpunkte werden ausdrücklich die ordentlichen Gerichte für zuständig
erklärt. Eine dem § 12 Abs. 3 VVG entsprechende Ausschlußklausel (§ 12 I
Abs. 3 AUB) macht deutlich, daß der Inhalt einer ganz oder teilweise
ablehnenden Erklärung des Versicherers nach der in den AUB getroffenen
Regelung für den Anspruchsberechtigten nur infolge der Versäumung der
Sechsmonatsfrist für die in § 12 AUB vorgesehenen Rechtsbehelfe (Antrag
auf Entscheidung des Ärzteausschusses oder Klageerhebung) bindend werden
soll; insoweit haben die AUB der Erklärung gemäß § 11 keine auf die
vertragliche Festlegung des Schuldverhältnisses abzielende Wirkung
beigelegt. Ist aber die ganz oder teilweise ablehnende Erklärung des
Versicherers nur ein einseitiger Bescheid und kein Vertragsangebot, so
besteht auch bei Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage kein
zureichender Grund, demgegenüber die voll anerkennende Erklärung anders zu
behandeln und ihr eine weitergehende rechtsgeschäftliche Bedeutung
beizumessen. Auch sie ist demnach nur eine einseitige Meinungsäußerung des
Versicherers und Information an den Anspruchsberechtigten, die in
Verbindung mit § 13 AUB die Fälligkeit der anerkannten Entschädigung
herbeiführt, im übrigen aber keine rechtsgeschäftliche, potentiell
schuldbegründende oder schuldabändernde Regelung bewirken soll. Daher
vermag der Senat dem OLG Düsseldorf (VersR 1953,23) und Wussow (AUB, 4.
Aufl. § 11 Anm. 2) nicht zu folgen, die in der Anerkenntniserklärung des
Versicherers nach § 11 AUB eine bindende Schuldbestätigung im Sinne der
Rechtsprechung zum Schuldanerkenntnisvertrag sehen, dabei aber den
vorstehend dargelegten rechtlichen Zusammenhang nicht hinreichend
würdigen.
Hinsichtlich der Tragweite des Anerkenntnisses kann § 6 Abs. 1 BBU nicht
anders ausgelegt werden als § 11 AUB. Daß die Erklärung des Versicherers
gemäß § 6 Abs. 1 BBU keine weitergehende rechtsgeschäftliche Funktion hat
als diejenige gemäß § 11 AUB, folgt aus § 6 Abs. 2 BBU, der in gleicher
Weise wie § 12 I AUB das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten
einschließlich der vom Anspruchsberechtigten zu beachtenden Ausschlußfrist
von sechs Monaten regelt.
bb) Diese Auslegung der §§ 11 AUB, 6 Abs. 1 BBU schließt nicht aus, daß
der Erklärung des Versicherers im konkreten Einzelfall aus besonderem
Anlaß nach dem Willen der Parteien und dem von ihnen verfolgten Zweck die
Bedeutung eines bindenden Schuldanerkenntnisses im Sinne der
Rechtsprechung zum Schuldbestätigungsvertrag zukommt. Nach den oben unter
2. a) dargestellten Grundsätzen setzt dies aber zumindest voraus, daß
zuvor Streit oder Ungewißheit über Grund oder Höhe der Leistungspflicht
des Versicherers unter den Beteiligten geherrscht hat und das Anerkenntnis
erkennbar zu dem Zweck abgegeben worden ist, diesen Streit oder diese
Ungewißheit beizulegen.
Vor dem Schreiben der Klägerin vom 10. April 1973 bestand jedoch weder
Streit noch Ungewißheit über ihre Pflicht, die
Unfalltod-Zusatzversicherungssumme zu zahlen. Wie das Landgericht in
revisionsrechtlich bindender Weise feststellt, hat die Klägerin am 10.
April 1973 an ihrer Leistungspflicht nicht gezweifelt. Der einzige
Umstand, der für den Ausschluß ihrer Leistungspflicht hier in Betracht
kam, war eine Trunkenheit des Versicherten. Sie hat eine solche zwar in
Erwägung gezogen, aber auf Grund eigener Prüfung verworfen. Bei Abgabe
ihres »Anerkenntnisses« war für sie die Trunkenheit des Versicherten nicht
zweifelhaft oder unsicher, vielmehr stand für sie fest, daß sie nicht
gegeben war. Folglich sollte auch keine Ungewißheit in diesem Punkt durch
das Anerkenntnis beseitigt werden, sondern die Klägerin hatte eine etwaige
Ungewißheit schon vorher infolge eigener Überlegungen überwunden.
3. Da das Schreiben der Klägerin vom 10. April 1973 nicht als Angebot zum
Abschluß eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrags aufgefaßt werden
kann, braucht die Hilfsbegründung der Revision nicht erörtert zu werden,
ein Versicherer sei im Falle eines solchen Vertrags zumindest auch mit
denjenigen Einwendungen ausgeschlossen, mit denen er - wie hier - habe
rechnen müssen, weil sonst das Institut des Schuldanerkenntnisvertrags im
Versicherungsrecht praktisch bedeutungslos wäre.
III.
1. Die Revision leitet aus dem Versicherungsvertragsrecht eine besondere
Bindung des Versicherers an seine Anerkenntniserklärung ab und führt
hierzu im wesentlichen aus: Anders als in sonstigen Rechtsverhältnissen
sei der Versicherer gesetzlich und vertraglich verpflichtet, sich über die
Anerkennung oder Ablehnung seiner Leistungspflicht zu äußern. Zur
Vorbereitung seiner »Entscheidung« könne er Erhebungen vornehmen,
insbesondere amtliche Akten einsehen und vom Versicherungsnehmer jede
erforderliche Auskunft verlangen. Mit dem Anerkenntnis seiner
Leistungspflicht bringe der Versicherer zum Ausdruck, daß er die
notwendigen Erhebungen für beendet halte. Lehne er den erhobenen Anspruch
in gehöriger Form ab, so werde er von der Verpflichtung zur Leistung frei,
wenn der Anspruch nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend
gemacht werde (§ 12 Abs. 3 VVG). Danach könne die sachliche Begründetheit
des Anspruchs nicht mehr geprüft werden, selbst dann nicht mehr, wenn der
Berechtigte erst nach Fristablauf von Tatsachen Kenntnis erlange, aus
denen sich ergebe, daß die Ablehnung ungerechtfertigt gewesen sei. Der so
gekennzeichneten »besonderen rechtlichen Bedeutung der Erklärung des
Versicherers« werde man aber nur dann gerecht, wenn man ihn derart an
seinem Anerkenntnis festhalte, daß er danach gegen seine Leistungspflicht
jedenfalls keine solchen Tatsachen mehr einwenden könne, die er vorher
habe erkennen müssen. Ergänzend beruft sich die Revision auf die
Ausführungen von Wussow in seinem AUB-Kommentar (4. Aufl. § 11 Anm. 2 S.
188 f).
2. Die Ansicht der Revision läuft darauf hinaus, der Erklärung des
Versicherers, seiner »Entscheidung« im Sinne des § 6 Abs. 1 BBU, eine
einseitig gestaltende Wirkung beizumessen. Dem vermag der Senat nicht zu
folgen.
a) Grundsätzlich erfordern Begründung und Inhaltsänderung eines
Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft gemäß § 305 BGB einen Vertrag,
sofern das Gesetz nicht eine Ausnahme hiervon vorschreibt. Das nicht
vertragsmäßige, sondern einseitig vom Schuldner erklärte Anerkenntnis
einer Schuld erzeugt für sich allein noch keine rechtliche Bindung,
sondern ist nur als ein Beweismittel für das Bestehen der anerkannten
Schuld bedeutsam (vgl. BGH Betrieb 1974,1013 f; RG JW 1919,186). § 6 Abs.
1 BBU (und § 11 AUB) kann auch nicht in dem Sinne ausgelegt werden, daß
dem Versicherer die Befugnis eingeräumt worden ist, das Schuldverhältnis
durch eine einseitige ,Entscheidung« zu ändern (vgl. oben II. 2. b aa).
b) Der III. Zivilsenat hat allerdings in seinem Urteil vom 20. November
1969 (VersR 1970,518 = NJW 1970,1418) einem einseitigen, ebenfalls im
Rahmen des bürgerlichen Rechts ergehenden Anerkenntnis eine den
Anerkennenden bindende Wirkung zuerkannt. Es handelt sich um die
Entschließung des Amts für Verteidigungslasten (AfV) im Sinne des Art. 11
Abs. 1 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen
(NTS-AG) vom 18. August 1961. Die in diesem Urteil entwickelten
Rechtssätze, auf die sich auch Wussow (aaO; vgl. auch Wussow-Informationen
1969,98 ff) und die Beklagte berufen, können aber auf das
Versicherungsvertragsrecht einschließlich des Unfallversicherungsrechts
nicht übertragen werden.
Die unvergleichbare rechtliche Sonderstellung der Entschließung des AfV
hat der III. Zivilsenat in seinem Urteil schon selbst betont: Die
Entschließung stelle ein Rechtsinstitut besonderer Art dar, welches keine
Parallele in unserem Rechtssystem habe und keiner sonstigen Rechtsform des
deutschen Rechts voll entspreche. Der Entschließung komme eine Art
Zwischenstellung zwischen Vergleich und dem bürgerlich-rechtlichen
Schuldanerkenntnis einerseits und dem gerichtlichen Urteil andererseits zu
(VersR aaO S. 519 und 521). Das trifft auf die Erklärung des Versicherers
in der privaten Unfallversicherung (§§ 11 AUB, 6 Abs. 1 BBU) nicht zu. Der
Versicherer ist nicht - wie das AfV - ein bloßer Mittler
(»Schiedsrichter«, VersR aaO S. 520) zwischen Anspruchsteller und
wirklichem Verpflichteten (beim NTS-AG: der jeweils betroffene
ausländische Entsendestaat), sondern selbst Schuldner. Seine vornehmlich
im eigenen Interesse liegende Prüfung der Leistungspflicht kann dem
objektivierten Verwaltungsverfahren des AfV (vgl. VersR aaO S. 520 f)
nicht gleichgesetzt werden. § 6 Abs. 1 BBU und § 11 AUB haben auch nicht
den - beim NTS-AG im öffentlichen Interesse liegenden - Zweck,
»Schadenfälle möglichst rasch und abschließend abzuwickeln und damit eine
endgültige Befriedung unter den Beteiligten herbeizuführen« (VersR aaO S.
521).
c) Wussow begründet seine Ansicht, daß der Versicherer mit allen
Einwendungen gegen den von ihm anerkannten Anspruch ausgeschlossen werde,
soweit die Einwendungen im Zeitpunkt der Anerkenntniserklärung (nach § 11
AUB) ihm bekannt gewesen seien oder bei genügend sorgfältiger Prüfung
hätten bekannt sein können, vor allem mit dem Argument, der Versicherer
sei verpflichtet, sich mit der von einem ordentlichen Versicherer zu
erwartenden Sorgfalt über die Sach- und Rechtslage klarzuwerden und auf
Grund einer entsprechenden Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht seine Erklärungen abzugeben (AUB, 4. Aufl. § 11 Anm. 2, S. 189).
Selbst wenn man Wussow hierin folgt, so ist seine Argumentation mit Blick
auf die Bindung des Anerkenntnisses nicht schlüssig. Denn der
Bezugsberechtigte könnte auf Grund einer Verletzung jener
Sorgfaltspflichten nur verlangen, so gestellt zu werden, als ob der
Versicherer den Schadenfall mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft hätte;
er könnte also lediglich Ersatz des Vertrauensschadens (des negativen
Interesses) beanspruchen, der nicht notwendig identisch mit der Höhe der
anerkannten Summe ist. Die Beklagte hat indessen nicht dargelegt, daß sie
infolge des Anerkenntnisses und der Auszahlung der ihr nicht gebührenden
Unfallversicherungssumme einen Vertrauensschaden erlitten hat.
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