Umgehungsgeschäft beim
Verbrauchsgüterkauf (§ 475 I 2 BGB) bei "Zwischenschaltung" eines
Verbrauchers als "Strohmann"
OLG Saarbrücken v. 4.1.2006
- 1 U 99/05
Fundstelle:
MDR 2006, 1108
Amtl. Leitsatz:
Versuch der Umgehung
verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften gem. § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB im
Wege anderweitiger Gestaltung
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
OLG Celle v. 15.11.2006 - 7 U 176/05;
BGH
NJW 2005, 1039 sowie zu
BGH NJW 2006, 1066.
©sl 2006
Aus den Gründen:
Die form- und fristgerecht eingelegte
sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Beklagten zu 1. ist nach den §§
511 , 513 , 517 , 519 , 520 ZPO zulässig, bleibt aber in der Sache im
Ergebnis ohne Erfolg (I.). Die zulässige Anschlussberufung des Klägers (§§
524 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 ZPO) ist demgegenüber begründet (II.).
I. Zu Recht hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers
gegen den Beklagten zu 1. nach den §§ 280 , 281 , 437 BGB in Höhe von
5.548,93 Euro als gegeben erachtet. Die durch den Beklagten zu 1. im Rahmen
seiner Berufung zur Passivlegitimation und zur Höhe des zuerkannten
Anspruches erhobenen Einwände sind im Ergebnis nicht durchgreifend.
1. Auch auf der Grundlage der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme
ist daran festzuhalten, dass der Beklagte zu 1. trotz der Bezeichnung des
Zeugen K. (früherer Beklagter zu 2.) in dem schriftlichen Kaufvertrag vom
24.04.2003 (Bl. 10 d.A.) als (wirtschaftlicher) Verkäufer des
streitbefangenen Fahrzeuges anzusehen ist, der sich als Unternehmer gemäß §§
475 Abs. 1 Satz 1 , 474 Abs. 1 BGB auf eine vor Mitteilung des Mangels
getroffene Vereinbarung, welche zum Nachteil des Verbrauchers von den §§
433-435, 437, 439-443 sowie den §§ 474-479 BGB abweicht, nicht berufen kann.
Jedenfalls stellt der Versuch, das Fahrzeug ausweislich des schriftlichen
Vertrages im Namen einer dritten Privatperson, nämlich des Zeugen K., zu
veräußern, eine Umgehung verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften gemäß §
475 Abs. 1 Satz 2 BGB im Wege anderweitiger Gestaltung dar. Die Annahme
eines Umgehungsgeschäfts führt in seiner rechtlichen Konsequenz gemäß § 475
Abs. 1 Satz 2 BGB gleichermaßen dazu, dass die in § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB
genannten zwingenden Vorschriften gleichwohl Anwendung finden. Dies gilt
sowohl unter der Annahme, dass der Beklagte zu 1. als Händler den Zeugen K.
schlicht als Privatperson beim Verkauf vorgeschoben hat - das
Kaufvertragsformular enthält keine Hinweise auf ein Agenturgeschäft -, als
auch unter der Annahme eines so genannten Agenturgeschäftes, im Rahmen
dessen der Beklagte zu 1. als bloßer Vermittler des Zeugen K. aufgetreten
wäre. Der Begriff der anderweitigen Gestaltung ist weit zu begreifen; er
erfasst neben Rechtsgeschäften auch geschäftsähnliche Handlungen und
tatsächliche Vorgänge (Palandt/Putzo, BGB, 64. Aufl., § 475 Rz. 7) und damit
ohne weiteres auch die Verwendung des Instituts der Stellvertretung in der
Weise, dass bei Abschluss des Kaufvertrages eine dem Händler bekannte oder
verwandte Person als Verkäufer in Erscheinung tritt oder der Händler sich
durch ein Agenturgeschäft seiner eigenen Verantwortung aus dem Kaufvertrag
entziehen will (May, Umgehung der Sachmängelhaftung beim Gebrauchtwagenkauf,
DAR 10/2004 , S.557 ff; 561). Die Veräußerung in der Form eines
Vertretergeschäfts ist dabei geeignet, die Wirkungen der in § 475 Abs. 1
Satz 1 BGB genannten zwingenden Vorschriften auszuschalten.
Der vorliegende Kaufvertrag fällt mithin trotz des formalen Umstands, dass
er nicht zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1. geschlossen wurde,
nicht aus der Anwendung der Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs heraus.
2. Unter Würdigung der für den Vertragsschluss maßgeblichen unstreitigen
Umstände in Verbindung mit den Bekundungen des Zeugen K. hegt der Senat
keinerlei Zweifel, dass der Umstand, dass der Zeuge K. in dem schriftlichen
Kaufvertrag als Verkäufer des Gebrauchtwagens aufgeführt wurde,
ausschließlich seinen Grund darin findet, eine Anwendbarkeit zwingender
Vorschriften zu vermeiden. Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn vernünftige
oder wirtschaftlich verständliche Gründe für ein Vertretergeschäft nicht
ersichtlich sind (in ähnlicher Weise: OLG Stuttgart, NJW 2004/2169 ;
Hermanns, Gewährleistungsvorschriften und Gebrauchsgüterrichtlinie, ZFS
2001, 437, 440; Müller NJW 2003/1975 ). Eine Umgehungsabsicht ist nicht
erforderlich (Palandt, a.a.O., § 475 Rz. 6).
Im Streitfall steht aufgrund zahlreicher gewichtiger Umstände fest, dass der
Zeuge K. lediglich als (Privat-)Verkäufer des in Rede stehenden
Gebrauchtwagens vorgeschoben wurde, und, soweit auf der Grundlage des
Vorbringens des Beklagten zu 1. ein ggf. mündlich geschlossener
Agenturvertrag zu diskutieren wäre, für dessen Vorliegen wirtschaftliche und
nachvollziehbare Gründe nicht ersichtlich sind.
Auffällig ist bereits, dass der Beklagte zu 1. das streitgegenständliche
Fahrzeug am 31.03.2003 als Käufer von der Streithelferin erworben hatte, und
es sich nicht um ein bereits anfänglich im Eigentum des vorgeblichen
Verkäufers, des Zeugen K., stehendes Fahrzeug handelte, das durch
Vermittlung eines Gebrauchtwagenhändlers veräußert werden sollte. Der Kläger
selbst hat das streitgegenständliche Fahrzeug aufgrund einer von dem
Beklagten zu 1. im Internet geschalteten Verkaufsanzeige entdeckt, die, wie
der vom Kläger am 18. April 2003 und damit sechs Tage vor Vertragsschluss
gefertigte Ausdruck (Bl. 9 d.A.) zeigt, ausschließlich den Beklagten zu 1.
als Verkäufer auswies und keinerlei Hinweise auf einen Verkauf in fremdem
Namen enthielt. In dieser Annonce ist der Beklagte zu 1. als Händler
aufgeführt verbunden mit einem Hinweis auf das „gesamte Fahrzeugangebot“ der
Firma Automobile -G. Ausdrücklich wird in der Annonce auch der Umstand
hervorgehoben, dass im Rahmen des Verkaufspreises in Höhe von 13.900,-- €
die Mehrwertsteuer gesondert ausweisbar sei, eine Möglichkeit, die bei einem
Verkauf im Namen des Zeugen K. nicht bestanden hätte. Soweit das Landgericht
seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat, dass der Kläger zudem
während der Vertragsanbahnung bis zur Unterzeichnung des schriftlichen
Kaufvertrages unmittelbar nur mit dem Beklagten zu 1. verhandelte, wird dies
durch die Angaben des Zeugen K. nachdrücklich untermauert. Der Zeuge
bestätigte, dass die Verhandlungen über den Verkauf des Fahrzeuges durch den
Beklagten zu 1. geführt wurden und er selbst insoweit nicht in Erscheinung
getreten sei. Der Zeuge wusste selbst nicht einmal Gründe dafür anzugeben,
warum ihn Inhalt und Ausgang der Vertragsverhandlungen hätten interessieren
sollen, und dies, obwohl es sich nach dem schriftlichen Kaufvertrag um den
Verkauf seines Fahrzeugs handelte, und obwohl der Zeuge auch bei dem ersten
Besuch des Klägers im Betrieb des Beklagten zu 1. anwesend war. Bereits
diese Umstände legen nahe, dass die Rolle des Zeugen sich auf diejenige des
Unterschriftsgebers reduzierte.
Ungewöhnlich sind aber auch die weiteren, mit dem Ankauf des Fahrzeuges
durch den Zeugen K. verbundenen Umstände. Zwar hat der Zeuge im Rahmen
seiner Vernehmung bestätigt, dass der schriftliche Kaufvertrag zutreffend
wider gebe, dass er selbst das streitbefangene Fahrzeug an den Kläger
verkauft habe, nachdem er dieses wenige Tage vorher von dem Beklagten zu 1.
erworben habe. Der Senat vermag den Bekundungen des Zeugen allerdings keinen
Glauben zu schenken, da diese in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich sind
und ersichtlich durch das Bemühen getragen wurden, eine dem Beklagten zu 1.
tendenziell günstige Aussage zu machen. Die durch den Zeugen K.
geschilderten Umstände zum Erwerb des Fahrzeuges von dem Beklagten zu 1. nur
wenige Tage, nachdem das Fahrzeug durch diesen im Internet angeboten wurde,
sind mehr als ungewöhnlich und lassen sich nicht durch aussagekräftige
Unterlagen objektivieren. Es existiert weder ein schriftlicher Kaufvertrag
zwischen dem Beklagten zu 1. und dem Zeugen K. noch wurde über den angeblich
geflossenen Kaufpreis eine Quittung erteilt. Gleiches gilt für die Summe,
die dem Zeugen durch den Lebensgefährten seiner Mutter, der gleichsam als
Geldgeber fungierte, zur Verfügung gestellt worden sein soll. Darüber hinaus
wurde das Fahrzeug nie auf den Zeugen K. zugelassen. Auch wenn es sich bei
dem Beklagten zu 1. nach Angaben des Zeugen K. um seinen langjährigen
Bekannten handelte, erklärt dies nicht hinreichend, dass auf die Fertigung
von Belegen zu einem Geschäftsvorfall verzichtet wurde, der üblicherweise im
Rahmen einer ordnungsgemäßen Buchführung Berücksichtigung finden muss. Die
Erklärungsversuche des Zeugen, warum er zunächst das streitbefangene
Fahrzeug von dem Beklagten zu 1. gekauft und diesem bezahlt hat, um dieses
erst dann dem Lebensgefährten seiner Mutter vorzuführen, ohne dessen
Billigung er das Fahrzeug angeblich habe nicht behalten wollen, sind nicht
überzeugend und widersprechen in hohem Maße der allgemeinen Lebenserfahrung.
Auch der Umstand, dass der Zeuge, obwohl er nach seinen eigenen Angaben das
Fahrzeug gekauft und bereits bezahlt hatte, dieses in den Folgetagen
lediglich mit einem roten Kennzeichen fuhr, lässt sich eher mit dem Umstand
in Einklang bringen, dass eine Übertragung der Eigentümerposition an dem
Fahrzeug auf den Zeugen nie beabsichtigt war, als mit dem angeblichen
Vorbehalt des Zeugen, das Fahrzeug gegebenenfalls wieder zurückzugeben.
Soweit der Zeuge gegen Ende seiner Aussage bekundete, der Beklagte zu 1.
habe ihm den Kaufpreis wieder zurückgezahlt, den er seinerseits dem
Lebensgefährten seiner Mutter zurückgezahlt habe, stehen diese Angaben im
Widerspruch zu der Sachdarstellung des Beklagten zu 1. und sind diese dem
Beklagten zu 1. keineswegs günstig. Diese Angaben - ihre Richtigkeit einmal
unterstellt - würden gerade darauf hindeuten, dass der Zeuge das Fahrzeug
wieder an den Beklagten zu 1. zurückverkauft hat. Auch auf der Grundlage
dieser Darstellung des Zeugen würde sich aber der danach vollzogene Verkauf
des Fahrzeuges an den Kläger als Verkauf des Beklagten zu 1. darstellen.
Für den Senat ist nach alledem der Schluss unausweichlich, dass die im
Streitfall gewählte Vertragskonstellation dem ausschließlichen Zweck diente,
die Haftung für eventuelle Sachmängel des Fahrzeuges bei dem Verkauf
entgegen der Regelung des § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB auszuschließen. Die
abweichende Sachdarstellung des Beklagten zu 1. wird durch die Bekundungen
des Zeugen K., denen der Senat nach dem gewonnenen Persönlichkeitseindruck
des Zeugen keinen Glauben schenken konnte, nicht ansatzweise gestützt.
3. Schuldner der mit der Klage verfolgten Gewährleistungsansprüche ist
mithin der Beklagte zu 1., der sich als Unternehmer ( § 14 BGB ) gemäß § 475
Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine vor Mitteilung des Mangels getroffene
Vereinbarung, welche zum Nachteil des Klägers von den §§ 433 , 435 , 437 ,
439 , 443 BGB sowie von den §§ 474-479 BGB abweicht, nicht berufen kann.
4. Davon, dass das streitbefangene Fahrzeug darüber hinaus mit einem
beachtlichen Mangel im Sinne des § 434 BGB behaftet war, ist das Landgericht
ohne Rechtsfehler auf der Grundlage der überzeugenden und einsichtigen
Feststellungen des Sachverständigen H. ausgegangen ( §§ 529 , 531 ZPO ).
Dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges ( §§ 434 , 476
BGB ) vorhanden war, folgt aus der gesetzlichen Vermutung des § 476 BGB ,
die im Streitfall einschlägig ist und die der Beklagte zu 1. nicht zu
widerlegen vermochte. In diesem Zusammenhang verweist der Beklagte zu 1. -
wie auch in erster Instanz - ohne Erfolg darauf, nach den Angaben des
Sachverständigen H. könne das Schadensbild auch dadurch entstanden sein,
dass ein heißer Motor mit kaltem Wasser komplett gefüllt wurde (Bl. 240 d.A.).
Der Sachverständige H. hat dies lediglich, was der Beklagte zu 1. verkennt,
als weitere Möglichkeit der Schadensverursachung in den Raum gestellt, die
allerdings - so die weiteren Darlegungen des Sachverständigen - nicht
ausreichend erklären würde, warum sich Rost in der vorgefundenen Flüssigkeit
befunden habe (Bl. 151 d.A.). Unabhängig von der Tatsache, dass diese
Schadensursache bereits nicht plausibel ist, könnte zudem nicht
ausgeschlossen werden, dass der Motor während der Besitzzeit des Beklagten
zu 1. in heißem Zustand mit kaltem Wasser gefüllt worden ist.
Das Landgericht hat zudem mit ausführlicher und in jeglicher Hinsicht
zutreffender Begründung, die der Senat sich zu eigen macht, festgestellt,
dass der Beklagte zu 1. den in Rede stehenden Mangel zu vertreten hat und
ihm ein Entlastungsbeweis nicht gelungen ist ( §§ 280 Abs. 1 Satz 2 , 276 ,
278 BGB ).
5. Auch die Angriffe des Beklagten zu 1. zur festgestellten Schadenshöhe
bleiben ohne Erfolg. Auf der Grundlage der Darlegungen des Sachverständigen
H. ist nicht zweifelhaft, dass im konkreten Fall der komplette Austausch des
Motors dem erforderlichen Reparaturaufwand entsprach (B. 150, 151 d.A.), und
der bloße Austausch des Motorblockes weder aus wirtschaftlichen noch
technischen Gründen als ausreichend zu erachten ist. Den im Wege des
Vorteilsausgleiches vorzunehmenden Abzug „neu für alt“ hat das Landgericht
ebenso zutreffend berücksichtigt.
Die Berufung des Beklagten zu 1. erweist sich nach alledem als unbegründet.
II. Demgegenüber ist die Anschlussberufung des Klägers in der Sache
begründet.
Zunächst weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass dem Landgericht ein
Rechenfehler bei der Berechnung des Nutzungsausfalles unterlaufen ist, so
dass statt eines Betrages von 965 € richtiger weise 975 € hätten in Ansatz
gebracht werden müssen. Soweit das Landgericht einen Nutzungsausfallschaden
des Klägers lediglich für einen Zeitraum von 15 Tagen (15 Tage a’ 65 €)
zuerkannt hat, kann dem allerdings nicht gefolgt werden. Im Hinblick darauf,
dass der Beklagte zu 1. zunächst erst einmal über den Schadensfall, der am
25.04.2003 eingetreten ist, in Kenntnis gesetzt und diesem Gelegenheit zur
Nachbesserung gegeben werden musste (Bl. 11 d.A.), sieht der Senat die
Erhöhung des Nutzungsausfallschadens im begehrten Umfange unter
Berücksichtigung der ferner für die Schadensermittlung und Reparaturdauer
anzusetzenden Zeit, als durchaus erforderlich an.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288 Abs. 1 , 291 BGB .
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