IPR: Eheschließungsstatut (Art. 13 EGBGB);
Ehehindernis des Bestehens einer registrierten Partnerschaft mit demselben
Partner; Anwendung deutschen Rechts nach Art. 13 II Nr. 1 EGBGB; Befreiung
von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses (§ 1309 BGB) bei
bestehender registrierter Partnerschaft
BGH, Beschluss vom 11.7.2012 - IV AR
(VZ) 1/12
Fundstelle:
noch nicht bekannt
(Eigener) Leitsatz:
Zum Eheschließungsstatut bei
bestehender registrierter Partnerschaft zwischen den Verlobten (regelwidrige
Anwendung deutschen Rechts nach Art. 13 II EGBGB).
Zentrale Probleme:
Ein schöner IPR-Fall: Ein in den
Niederlanden registriertes (verschiedengeschlechtliches) Paar möchte in
Deutschland heiraten. Das niederländische Heimatrecht eines Partners erlaubt
dies nicht, weil in den Niederlanden eine registrierte Partnerschaft der Ehe
gleichsteht und nur in eine Ehe umgewandelt werden kann, nicht aber die
erneute Eingehung einer Ehe erlaubt. Art. 13 I EGBGB verlangt allerdings,
dass das Heimatrecht beider Verlobter die Eheschließung zulässt (sog.
gekoppelte Anknüpfung). Hier geht es jetzt - im Rahmen eines Verfahrens auf
Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses (§ 1309
BGB) um die Anwendung der Ausweichklausel des Art. 13 II EGBGB. Zu Art. 13
EGBGB s. auch
SG Hamburg IPRax 2007, 47,
AG Hanau
FamRZ 2004, 949 sowie OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 950.
©sl 2012
Gründe:
1 I. Der Antragsteller, ein niederländischer
Staatsangehöriger, begehrt die Befreiung von dem Erfordernis, vor seiner
geplanten Eheschließung in Deutschland ein Ehefähigkeitszeugnis nach § 1309
Abs. 1 Satz 1 BGB beizubringen. Der Antragsteller möchte eine
deutsche Staatsangehörige heiraten, mit der er bereits am 19. April 2005 in
den Niederlanden eine registrierte Partnerschaft nach niederländischem Recht
eingegangen ist. Das Paar lebt mit drei aus dieser Partnerschaft
hervorgegangenen Kindern inzwischen in B. . Der mittlerweile
gewünschten Eheschließung steht im Wege, dass der Antragsteller kein
Ehefähigkeitszeugnis vorlegen kann, weil die zuständige Gemeinde in den
Niederlanden mit Bescheid vom 11. Februar 2011 die Ausstellung mit Blick auf
die bestehende registrierte Partnerschaft, die einer Ehe gleichgestellt sei,
verweigert hat.
2 Seinen Antrag auf Befreiung vom Erfordernis der Beibringung des
Ehefähigkeitszeugnisses hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. Juli
2011 abgelehnt. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung
nach den §§ 23 ff. EGGVG hat das Kammergericht mit dem angefochtenen
Beschluss zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der
Antragsteller sein Begehren weiter.
3 II. Das gemäß § 29 Abs. 1 EGGVG statthafte Rechtsmittel führt zur
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das
Kammergericht.
4 1. Dieses hat gemeint, das nach dem - gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB
für den Antragsteller grundsätzlich maßgeblichen - niederländischen Recht
bestehende Ehehindernis der registrierten Partnerschaft sei hier nicht
ausnahmsweise nach deutschem Recht unbeachtlich. Der Antragsteller erfülle
insoweit nicht alle Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 EGBGB. Zwar
sei seine Verlobte Deutsche und habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
(Art. 13 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB), die Verlobten hätten jedoch zumutbare Schritte
zur Erfüllung der niederländischen Ehevoraussetzungen unterlassen (Art. 13
Abs. 2 Nr. 2 EGBGB).
5 a) Nach Art. 42 des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Burgerlijke
Wetboek, im Folgenden: BW, abgedruckt bei Bergmann/ Ferid/Henrich,
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Stand 2008,
unter "Niederlande") dürften diejenigen, die eine Ehe eingehen wollten,
nicht gleichzeitig eine registrierte Partnerschaft eingegangen sein. Das
Verbot erfasse, wie sich aus der in Art. 80g BW getroffenen Regelung über
die Umsetzung einer registrierten Partnerschaft in eine Ehe ergebe, nicht
nur die Fälle, in denen die registrierte Partnerschaft zu einer dritten
Person bestehe. Vielmehr solle nach niederländischem Recht ein Nebeneinander
von Ehe und registrierter Partnerschaft verhindert werden. Nach Art. 80c BW
werde die registrierte Partnerschaft durch die bloße Eingehung einer Ehe,
d.h. ohne formelle Umsetzung nach Art. 80g BW, nicht beendet.
6 b) Auch wenn es dem Antragsteller und seiner Verlobten nicht zugemutet
werden könne, vor ihrer Eheschließung in Deutschland zunächst in den
Niederlanden ihre registrierte Partnerschaft nach Art. 80c Buchst. c oder d
BW zu beenden, weil die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus der
Partnerschaft damit bis zur Eheschließung nicht mehr bestünden, sei
beiden eine in den Niederlanden zu vollziehende Umsetzung ihrer
Partnerschaft in eine Ehe nach Artt. 80c Buchst. e), 80g Abs. 1 und 3 BW
zuzumuten. Ein Rechtsverlust trete hierdurch nicht ein. Auch die
Besorgnis des Antragstellers, die Anerkennung der niederländischen
Umsetzungsurkunde außerhalb der Niederlande sei zweifelhaft, führe zu keinem
anderen Ergebnis. Denn jedenfalls würde eine Umsetzung das Ehehindernis nach
§ 42 BW beseitigen mit der Folge, dass der Antragsteller dann möglicherweise
ein niederländisches Ehefähigkeitszeugnis erhalten und in Deutschland ein
weiteres Mal heiraten könne.
Eine solche weitere Eheschließung mit dem eigenen Ehegatten sei nach
deutschem Recht möglich. Entgegenstehende niederländische Rechtsvorschriften
seien nicht ersichtlich. Sollte dem Antragsteller das Ehefähigkeitszeugnis
von den niederländischen Behörden weiterhin verweigert werden, käme eine
Befreiung von der Vorlagepflicht nach § 1309 Abs. 2 BGB in Betracht.
7 c) Wegen dieses möglichen Vorgehens sei die derzeitige Versagung der
Eheschließung mit Rücksicht auf das niederländische Ehehindernis auch nicht
mit dem Grundrecht des Antragstellers auf Eheschließungsfreiheit nach Art. 6
Abs. 1 GG unvereinbar i.S. von Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB.
8 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem Punkt nicht stand.
9 a) Anders als es der Wortlaut des § 1309 Abs. 2 BGB ("kann")
nahelegt, handelt es sich bei der Befreiung von der Beibringung eines
Ehefähigkeitszeugnisses nicht um eine Ermessensentscheidung (Palandt/
Brudermüller, BGB 71. Aufl. § 1309 Rn. 11, 13 m.w.N.; vgl. schon zur
früheren Regelung in § 10 EheG: Senatsbeschluss vom 12. Mai 1971 - IV AR
(VZ) 38/70, BGHZ 56, 180, 184 m.w.N.). Steht fest, dass ein Ehehindernis
nicht besteht oder ein nach dem Heimatrecht des Antragstellers bestehendes
Ehehindernis nach deutschem Recht unbeachtlich ist, ist die Befreiung zu
gewähren.
10 b) § 1309 BGB bezweckt den Schutz der in den §§ 1306 bis 1308 BGB
geregelten Eheverbote (vgl. dazu Palandt/Brudermüller, BGB 71.
Aufl. vor § 1306 Rn. 1-3; MünchKomm-BGB/Coester, 5. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn.
61), indem die Vorschrift den von ihr betroffenen Personen die
Vorlage eines gesetzlich vorgeschriebenen Beweismittels auferlegt, welches
dem Standesbeamten die Nachprüfung erleichtern soll, ob das gemäß Art. 13
Abs. 1 EGBGB grundsätzlich maßgebliche Heimatrecht eines Ausländers seine
beabsichtigte Eheschließung erlaubt (Wahlen in jurisPK-BGB, 5.
Aufl. 2010 § 1309 Rn. 1; OLG Hamm NJW 1974, 1626 zu § 10 EheG).
11 c) Dem Antragsteller, dessen Heimatstaat Ehefähigkeitszeugnisse ausstellt
(vgl. Art. 49a BW), ist das Ehefähigkeitszeugnis nur deshalb nicht erteilt
worden, weil er mit seiner Verlobten in den Niederlanden bereits eine
registrierte Partnerschaft eingegangen ist. Diese steht nach
niederländischem Recht einer Ehe gleich (Art. 80b BW; vgl. dazu den
Bescheid der Gemeinde H. vom 11. Februar 2011). Nach Art. 42 BW dürfen
diejenigen, die eine Ehe miteinander eingehen wollen, nicht gleichzeitig
eine registrierte Partnerschaft eingegangen sein. Umgekehrt dürfen gemäß
Art. 80a Abs. 2 BW diejenigen, die eine registrierte Partnerschaft eingehen,
nicht gleichzeitig verheiratet sein. Ein Nebeneinander von
registrierter Partnerschaft und Ehe wird damit nach niederländischem Recht
auch für dieselben Partner ausgeschlossen (vgl. dazu auch MünchKomm-BGB/Coester
aaO Rn. 62). Aus Art. 80c Buchst. e) BW, wonach die registrierte
Partnerschaft unter anderem durch Umsetzung in eine Ehe erlischt, ergibt
sich, dass es dieses formellen Umsetzungsaktes bedarf und die registrierte
Partnerschaft nach niederländischem Recht nicht allein infolge der
Eheschließung automatisch endet.
12 d) Eine Befreiung von der Pflicht zur Vorlage des Ehefähigkeitszeugnisses
kommt hier allein nach § 1309 Abs. 2 Satz 3 BGB in Betracht, sofern auf den
Antragsteller nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 2 EGBGB ausnahmsweise das
deutsche Recht anzuwenden ist.
13 aa) Die Verlobte des Antragstellers ist Deutsche und hat ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (Art. 13 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB).
14 bb) Die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Prüfung, ob die
Verlobten die von Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB vorausgesetzten zumutbaren
Schritte zur Erlangung eines niederländischen Ehefähigkeitszeugnisses für
den Antragsteller unternommen haben, erweist sich als ergänzungsbedürftig.
15 (1) Der Antragsteller hat ein solches Zeugnis bei der zuständigen
niederländischen Gemeinde beantragt. Er hat sich zudem nach Ablehnung dieses
Antrages bei dem für im Ausland lebende Niederländer zuständigen Standesamt
nach den Rechtswirkungen einer Umsetzungsurkunde nach Art. 80c Buchst. e) BW
erkundigt, von dort allerdings die Auskunft erhalten, diese Urkunden könnten
nicht in einer "internationalen Version ausgegeben" werden und würden
erfahrungsgemäß nur von einigen wenigen Gemeinden in Belgien anerkannt.
16 (2) Ob dem Antragsteller bei dieser Sachlage noch angelastet werden kann,
er habe (weitere) zumutbare Schritte zur Erfüllung der niederländischen
Ehevoraussetzungen oder zur Beseitigung des Ehehindernisses der bestehenden
registrierten Partnerschaft unterlassen, bedarf einer Prüfung, die sich auch
darauf erstreckt, inwieweit den Besonderheiten des niederländischen Rechts
der eingetragenen Partnerschaft auch auf anderem, den Antragsteller weniger
belastenden Wege Rechnung getragen werden kann. Das gilt vor allem
deshalb, weil ein materielles, insbesondere im Bigamieverbot gründendes
Ehehindernis hier auch nach niederländischem Recht ersichtlich nicht
besteht, wie die Umsetzungsregelung in Art. 80c Buchst. e) BW zeigt. Die
Verweigerung des Ehefähigkeitszeugnisses beruht mithin allein auf dem
Interesse, den nach niederländischem Recht vorgesehenen Verfahrensgang für
die Umsetzung einer registrierten Partnerschaft in eine Ehe zu wahren.
Zutreffend ist deshalb im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass es den
Verlobten schon mit Rücksicht auf den in der Zeit bis zur Eheschließung
eintretenden Rechtsverlust nicht zuzumuten sei, zunächst lediglich ihre
registrierte Partnerschaft zu beenden.
17 Ob die Verlobten im Rahmen der Zumutbarkeit i.S. des Art. 13 Abs.
2 Nr. 2 EGBGB dennoch darauf zu verweisen sind, ihre registrierte
Partnerschaft in den Niederlanden in eine Ehe umsetzen zu lassen, um -
notfalls unter dann möglicher Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines
Ehefähigkeitszeugnisses - in Deutschland nochmals zu heiraten, hängt wegen
der bei Anwendung des Art. 13 Abs. 2 EGBGB gebotenen Abwägung der
grundgesetzlich geschützten Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) mit
dem in Art. 13 Abs. 2 EGBGB zum Ausdruck gebrachten öffentlichen Interesse,
nach Möglichkeit eine im Heimatstaat eines der Verlobten nicht anerkannte
Ehe zu verhindern, auch davon ab, ob die in den Niederlanden eingetragene
Partnerschaft auf anderem Wege, etwa der Anerkennung einer Eheschließung in
Deutschland durch die niederländischen Behörden, beendet werden könnte
(vgl. dazu Boele-Woelki, Ars Aequi 2012, 6855). Dazu verhält sich
der angefochtene Beschluss nicht.
18 (3) Die erneute Prüfung wird Gelegenheit geben, auch folgendes zu
berücksichtigen: Mit dem am 1. Januar 2012 (vgl. Königl. Beschluss vom 28.
Juni 2011, Staatsblad 2011 Nr. 340), d.h. zwei Tage vor Erlass des
angefochtenen Beschlusses, in Kraft getretenen Art. 88 BW Buch 10 (Staatsblad
2011 Nr. 272) hat das niederländische Recht erweiterte Möglichkeiten
eröffnet, die Beendigung einer registrierten Partnerschaft durch Erklärungen
der Partner im Ausland herbeizuführen, die von den niederländischen Behörden
anerkannt werden können. Insoweit wird zu prüfen sein, ob der Antragsteller
und seine Partnerin ihre eingetragene Partnerschaft auch durch Rechtsakte in
Deutschland, etwa eine entsprechende Erklärung gegenüber dem deutschen
Standesbeamten anlässlich der Eheschließung, beenden können.
19 III. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 30 Abs. 3 EGGVG,
30 KostO.
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